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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nicht gescheidt, wenn mir das Blut zu warm durch die alten Glieder rollt. Darum verderb' ich's, wenn ich Einem helfen will. Aber ihm muß geholfen werden, und kostete es mich Haus und Hof; der Goldjunge ist zu was Anderm berufen, als zu Galgen und Rad. Er muß, er muß frei werden, und Ihr, immer gescheidter, besonnener Mann und bester Advocat, müßt ihn losmachen, ich lasse Euch nicht eher aus der Thür, bis Ihr's mir mit Handschlag und Wort gelobt habt. Ich bezahle, ich lohn' es Euch.

Lauson drang so eifrig, bis der Advocat, der die Art des ehrenwerthen Freundes kannte und wußte, daß er Tag und Nacht keine Ruhe vor ihm hätte, das Versprechen gab.

Aber ist es nicht Jammer und Schade, daß so viel um einen Taugenichts geschehen soll, während so mancher Ehrenmann, der das edelste Herz und den reinsten Willen hat, untergeht, weil der Wille und die Kräfte, so leichtsinnig anderwärts verschwendet, grade da nicht zur Hand sind?

Nicht philosophiren! sprach Lauson und streichelte des Advocaten Wange. Sagt doch die Schrift schon, daß uns ein verlornes Schaf lieber ist, als die neun und neunzig auf dem rechten Wege. Bin nun mal ein alter, curioser Mann, habe nicht viel lieb auf der Welt, laßt mir den Burschen, den hab' ich lieb. Und wenn er mir's auch nicht lohnte, so bleibt mir's doch, daß ich etwas für ihn gethan habe, was kein Anderer thun konnte.

nicht gescheidt, wenn mir das Blut zu warm durch die alten Glieder rollt. Darum verderb' ich's, wenn ich Einem helfen will. Aber ihm muß geholfen werden, und kostete es mich Haus und Hof; der Goldjunge ist zu was Anderm berufen, als zu Galgen und Rad. Er muß, er muß frei werden, und Ihr, immer gescheidter, besonnener Mann und bester Advocat, müßt ihn losmachen, ich lasse Euch nicht eher aus der Thür, bis Ihr's mir mit Handschlag und Wort gelobt habt. Ich bezahle, ich lohn' es Euch.

Lauson drang so eifrig, bis der Advocat, der die Art des ehrenwerthen Freundes kannte und wußte, daß er Tag und Nacht keine Ruhe vor ihm hätte, das Versprechen gab.

Aber ist es nicht Jammer und Schade, daß so viel um einen Taugenichts geschehen soll, während so mancher Ehrenmann, der das edelste Herz und den reinsten Willen hat, untergeht, weil der Wille und die Kräfte, so leichtsinnig anderwärts verschwendet, grade da nicht zur Hand sind?

Nicht philosophiren! sprach Lauson und streichelte des Advocaten Wange. Sagt doch die Schrift schon, daß uns ein verlornes Schaf lieber ist, als die neun und neunzig auf dem rechten Wege. Bin nun mal ein alter, curioser Mann, habe nicht viel lieb auf der Welt, laßt mir den Burschen, den hab' ich lieb. Und wenn er mir's auch nicht lohnte, so bleibt mir's doch, daß ich etwas für ihn gethan habe, was kein Anderer thun konnte.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/30>, abgerufen am 28.03.2024.