Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht, wer mir davon gesagt hat; das können Sie uns ja mit einigen poetischen Ausschmückungen zum Besten geben.

In der That, versetzte der Geistliche, ich habe in meiner Jugend etwas der Art erlebt; aber ich zweifle, ob diese mir selbst allerdings höchst interessante Begebenheit geeignet sein möchte --

O gewiß! unterbrach man ihn von allen Seiten, erzählen Sie uns die Geschichte Ihrer Conspiration -- -- das muß herrlich sein --

Ich bin zu neugierig, rief Fräulein Antonie, unsern lieben, frommen Pastor als Genossen einer Verschwörung kennen zu lernen. Ich kann Sie mir gar nicht in solcher Rolle denken.

Ich war auch der unschuldigste Mensch bei der ganzen Geschichte, versetzte Jener. Indessen, wenn Sie es denn hören wollen, so sei es darum; aber ich bleibe außer Verantwortung, wenn Sie sich dabei langweilen. So hören Sie denn den getreuen Bericht von der merkwürdigsten Nacht meines Lebens. Das Schneegestöber draußen und die nächtliche Stille, welche nur zuweilen ein heulender Windstoß unterbricht, das Alles ist eine vortreffliche Begleitung zu den Scenen, die ich Ihrer Phantasie vorführen werde.

Am 12. Februar 1812 Nachmittags stand ich in Halle auf meinem Studirzimmer und packte meinen Koffer. Dies Geschäft war nicht so einfach, als es bei meinen geringen Habseligkeiten zu erwarten stand. Denn wenn ich auch wenig Wäsche und keinen Ueberfluß an sonstigen Kleidungstücken hatte, so besaß ich doch verhältnißmäßig viele, meist in Auctionen und Trödelbuden erstandene Bücher, von denen ich aus Mangel an Raum nur einen Theil mitnehmen konnte. Die Auswahl wurde mir unendlich schwer; wohl sämmtliche Bücher passirten nach und nach den Koffer, ohne daß ich zu einem Endresultat gelangen konnte. Kaum glaubte ich fertig zu sein und die Elite glücklich in den engen Raum ein-

nicht, wer mir davon gesagt hat; das können Sie uns ja mit einigen poetischen Ausschmückungen zum Besten geben.

In der That, versetzte der Geistliche, ich habe in meiner Jugend etwas der Art erlebt; aber ich zweifle, ob diese mir selbst allerdings höchst interessante Begebenheit geeignet sein möchte —

O gewiß! unterbrach man ihn von allen Seiten, erzählen Sie uns die Geschichte Ihrer Conspiration — — das muß herrlich sein —

Ich bin zu neugierig, rief Fräulein Antonie, unsern lieben, frommen Pastor als Genossen einer Verschwörung kennen zu lernen. Ich kann Sie mir gar nicht in solcher Rolle denken.

Ich war auch der unschuldigste Mensch bei der ganzen Geschichte, versetzte Jener. Indessen, wenn Sie es denn hören wollen, so sei es darum; aber ich bleibe außer Verantwortung, wenn Sie sich dabei langweilen. So hören Sie denn den getreuen Bericht von der merkwürdigsten Nacht meines Lebens. Das Schneegestöber draußen und die nächtliche Stille, welche nur zuweilen ein heulender Windstoß unterbricht, das Alles ist eine vortreffliche Begleitung zu den Scenen, die ich Ihrer Phantasie vorführen werde.

Am 12. Februar 1812 Nachmittags stand ich in Halle auf meinem Studirzimmer und packte meinen Koffer. Dies Geschäft war nicht so einfach, als es bei meinen geringen Habseligkeiten zu erwarten stand. Denn wenn ich auch wenig Wäsche und keinen Ueberfluß an sonstigen Kleidungstücken hatte, so besaß ich doch verhältnißmäßig viele, meist in Auctionen und Trödelbuden erstandene Bücher, von denen ich aus Mangel an Raum nur einen Theil mitnehmen konnte. Die Auswahl wurde mir unendlich schwer; wohl sämmtliche Bücher passirten nach und nach den Koffer, ohne daß ich zu einem Endresultat gelangen konnte. Kaum glaubte ich fertig zu sein und die Elite glücklich in den engen Raum ein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0008"/>
nicht, wer mir davon gesagt hat; das      können Sie uns ja mit einigen poetischen Ausschmückungen zum Besten geben.</p><lb/>
        <p>In der That, versetzte der Geistliche, ich habe in meiner Jugend etwas der Art erlebt; aber      ich zweifle, ob diese mir selbst allerdings höchst interessante Begebenheit geeignet sein      möchte &#x2014;</p><lb/>
        <p>O gewiß! unterbrach man ihn von allen Seiten, erzählen Sie uns die Geschichte Ihrer      Conspiration &#x2014; &#x2014; das muß herrlich sein &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich bin zu neugierig, rief Fräulein Antonie, unsern lieben, frommen Pastor als Genossen einer      Verschwörung kennen zu lernen. Ich kann Sie mir gar nicht in solcher Rolle denken.</p><lb/>
        <p>Ich war auch der unschuldigste Mensch bei der ganzen Geschichte, versetzte Jener. Indessen,      wenn Sie es denn hören wollen, so sei es darum; aber ich bleibe außer Verantwortung, wenn Sie      sich dabei langweilen. So hören Sie denn den getreuen Bericht von der <hi rendition="#g">merkwürdigsten Nacht      meines Lebens</hi>. Das Schneegestöber draußen und die nächtliche Stille, welche nur zuweilen ein      heulender Windstoß unterbricht, das Alles ist eine vortreffliche Begleitung zu den Scenen, die      ich Ihrer Phantasie vorführen werde.</p><lb/>
        <p>Am 12. Februar 1812 Nachmittags stand ich in Halle auf meinem Studirzimmer und packte meinen      Koffer. Dies Geschäft war nicht so einfach, als es bei meinen geringen Habseligkeiten zu      erwarten stand. Denn wenn ich auch wenig Wäsche und keinen Ueberfluß an sonstigen      Kleidungstücken hatte, so besaß ich doch verhältnißmäßig viele, meist in Auctionen und      Trödelbuden erstandene Bücher, von denen ich aus Mangel an Raum nur einen Theil mitnehmen      konnte. Die Auswahl wurde mir unendlich schwer; wohl sämmtliche Bücher passirten nach und nach      den Koffer, ohne daß ich zu einem Endresultat gelangen konnte. Kaum glaubte ich fertig zu sein      und die Elite glücklich in den engen Raum ein-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0008] nicht, wer mir davon gesagt hat; das können Sie uns ja mit einigen poetischen Ausschmückungen zum Besten geben. In der That, versetzte der Geistliche, ich habe in meiner Jugend etwas der Art erlebt; aber ich zweifle, ob diese mir selbst allerdings höchst interessante Begebenheit geeignet sein möchte — O gewiß! unterbrach man ihn von allen Seiten, erzählen Sie uns die Geschichte Ihrer Conspiration — — das muß herrlich sein — Ich bin zu neugierig, rief Fräulein Antonie, unsern lieben, frommen Pastor als Genossen einer Verschwörung kennen zu lernen. Ich kann Sie mir gar nicht in solcher Rolle denken. Ich war auch der unschuldigste Mensch bei der ganzen Geschichte, versetzte Jener. Indessen, wenn Sie es denn hören wollen, so sei es darum; aber ich bleibe außer Verantwortung, wenn Sie sich dabei langweilen. So hören Sie denn den getreuen Bericht von der merkwürdigsten Nacht meines Lebens. Das Schneegestöber draußen und die nächtliche Stille, welche nur zuweilen ein heulender Windstoß unterbricht, das Alles ist eine vortreffliche Begleitung zu den Scenen, die ich Ihrer Phantasie vorführen werde. Am 12. Februar 1812 Nachmittags stand ich in Halle auf meinem Studirzimmer und packte meinen Koffer. Dies Geschäft war nicht so einfach, als es bei meinen geringen Habseligkeiten zu erwarten stand. Denn wenn ich auch wenig Wäsche und keinen Ueberfluß an sonstigen Kleidungstücken hatte, so besaß ich doch verhältnißmäßig viele, meist in Auctionen und Trödelbuden erstandene Bücher, von denen ich aus Mangel an Raum nur einen Theil mitnehmen konnte. Die Auswahl wurde mir unendlich schwer; wohl sämmtliche Bücher passirten nach und nach den Koffer, ohne daß ich zu einem Endresultat gelangen konnte. Kaum glaubte ich fertig zu sein und die Elite glücklich in den engen Raum ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:28:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:28:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/8
Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/8>, abgerufen am 28.03.2024.