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Andreas-Salomé, Lou: Die Erotik. In: Die Gesellschaft. Sammlung sozialpsychologischer Monographien (Hg. Martin Buber), 33. Band. Frankfurt (Main), 1910.

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Rang, sowie von sämtlichen Reformausblicken oder Kampfesrückblicken für eine unbefangene Betrachtung der Dinge ersprießlich ist.

THEMA

EIN DOPPELTES ist für das Problem des Erotischen kennzeichnend:

Einmal, daß es als Sonderfall innerhalb der physischen, psychischen, sozialen Beziehungen überhaupt betrachtet werden muß, und nicht nur so selbstherrlich für sich, wie es öfters geschieht. Sodann aber, daß es alle drei Arten dieser Beziehungen in sich noch einmal aufeinander bezieht, und sie damit zu einer einzigen, und zu seinem Problem, zusammenschließt.

Schon dem Untergrund allen Daseins eingewurzelt, wächst es dadurch aus immer dem gleichen reichen, starken Boden, bis zu welcher Höhe es sich auch erstrecken, zu einem wie machtvollen, den Raum raubenden Wunderbaum es sich auch entfalten mag, - um selbst da, wo ihm der Boden total verbaut wird, mit seiner dunklen, erdigen Wurzelkraft dennoch darunter zu beharren. Eben dies ist sein gewaltiger Lebenswert, daß, wie fähig es auch sei, breite Alleingeltung zu erlangen, oder hohe Ideale zu verkörpern, es doch darauf nicht angewiesen bleibt, sondern sich noch aus jeglichem Erdreich Kraftzuwachs saugen kann, jeglichen Umständen sich lebendienend anpaßt. So finden wir es bereits den fast rein vegetativ ablaufenden Vorgängen unsrer Körperlichkeit beigesellt, sich ihnen eng einend, und wenn es auch nicht, wie diese Funktionen, für das Dasein schlechthin bedingend wird, so doch auch auf sie noch den stärksten Einfluß übend. Daher

Rang, sowie von sämtlichen Reformausblicken oder Kampfesrückblicken für eine unbefangene Betrachtung der Dinge ersprießlich ist.

THEMA

EIN DOPPELTES ist für das Problem des Erotischen kennzeichnend:

Einmal, daß es als Sonderfall innerhalb der physischen, psychischen, sozialen Beziehungen überhaupt betrachtet werden muß, und nicht nur so selbstherrlich für sich, wie es öfters geschieht. Sodann aber, daß es alle drei Arten dieser Beziehungen in sich noch einmal aufeinander bezieht, und sie damit zu einer einzigen, und zu seinem Problem, zusammenschließt.

Schon dem Untergrund allen Daseins eingewurzelt, wächst es dadurch aus immer dem gleichen reichen, starken Boden, bis zu welcher Höhe es sich auch erstrecken, zu einem wie machtvollen, den Raum raubenden Wunderbaum es sich auch entfalten mag, – um selbst da, wo ihm der Boden total verbaut wird, mit seiner dunklen, erdigen Wurzelkraft dennoch darunter zu beharren. Eben dies ist sein gewaltiger Lebenswert, daß, wie fähig es auch sei, breite Alleingeltung zu erlangen, oder hohe Ideale zu verkörpern, es doch darauf nicht angewiesen bleibt, sondern sich noch aus jeglichem Erdreich Kraftzuwachs saugen kann, jeglichen Umständen sich lebendienend anpaßt. So finden wir es bereits den fast rein vegetativ ablaufenden Vorgängen unsrer Körperlichkeit beigesellt, sich ihnen eng einend, und wenn es auch nicht, wie diese Funktionen, für das Dasein schlechthin bedingend wird, so doch auch auf sie noch den stärksten Einfluß übend. Daher

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[12/0012] Rang, sowie von sämtlichen Reformausblicken oder Kampfesrückblicken für eine unbefangene Betrachtung der Dinge ersprießlich ist. THEMA EIN DOPPELTES ist für das Problem des Erotischen kennzeichnend: Einmal, daß es als Sonderfall innerhalb der physischen, psychischen, sozialen Beziehungen überhaupt betrachtet werden muß, und nicht nur so selbstherrlich für sich, wie es öfters geschieht. Sodann aber, daß es alle drei Arten dieser Beziehungen in sich noch einmal aufeinander bezieht, und sie damit zu einer einzigen, und zu seinem Problem, zusammenschließt. Schon dem Untergrund allen Daseins eingewurzelt, wächst es dadurch aus immer dem gleichen reichen, starken Boden, bis zu welcher Höhe es sich auch erstrecken, zu einem wie machtvollen, den Raum raubenden Wunderbaum es sich auch entfalten mag, – um selbst da, wo ihm der Boden total verbaut wird, mit seiner dunklen, erdigen Wurzelkraft dennoch darunter zu beharren. Eben dies ist sein gewaltiger Lebenswert, daß, wie fähig es auch sei, breite Alleingeltung zu erlangen, oder hohe Ideale zu verkörpern, es doch darauf nicht angewiesen bleibt, sondern sich noch aus jeglichem Erdreich Kraftzuwachs saugen kann, jeglichen Umständen sich lebendienend anpaßt. So finden wir es bereits den fast rein vegetativ ablaufenden Vorgängen unsrer Körperlichkeit beigesellt, sich ihnen eng einend, und wenn es auch nicht, wie diese Funktionen, für das Dasein schlechthin bedingend wird, so doch auch auf sie noch den stärksten Einfluß übend. Daher

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Zitationshilfe: Andreas-Salomé, Lou: Die Erotik. In: Die Gesellschaft. Sammlung sozialpsychologischer Monographien (Hg. Martin Buber), 33. Band. Frankfurt (Main), 1910, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_erotik_1910/12>, abgerufen am 28.03.2024.