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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Julius Hart.
"Lass' die Thränen und deine Schmerzen ausgieß' in der Liebe mit-
leidigen Schooß,
Die Liebe allein knüpft deine Seele aus den Banden der Sünde los.
Aus Nebeln und dunkler Finsterniß und durch der Qualen blutige Nacht,
Die Liebe führt dich auf Adlerschwingen, führt dich zum Lichte leise und sacht.
Sanftsegnend über die kranke Welt ausströmt der Liebe goldener Schein --
Nur aus der Liebe fließt Gnade und Leben! Und die Liebe ist Gott allein!"
Drum schlage die Augen empor, mein Liebling, die voll von bitt'ren
Thränen steh'n,
Ich fühl's, ich fühl's im tiefsten Busen: Nun darf ich nimmer von dir geh'n!
Siehe, die Welt steht wider uns auf mit Hohn und Lachen und kaltem Spott,
Trock'ne die Thränen vom Auge dir ab, mit uns ist die Liebe, mit uns ist Gott.


Zu Gott!
1884.

Originalbeitrag.

Wie über sturmgejagten,
Nachtwirren Wassern
Einsam der Mond wandelt,
Durch Wolken verdeckt,
So über den Welten
Schreitet Gott dahin.
Unser Auge schaut dich nicht,
Denn blind von den Lüsten
Des staubgeborenen
Sündigen Leibes
Hängt es am Boden.
Ueber uns wallt, dicht wie Bergnebel,
Nur Dampf und Rauch,
Aufqualmend vom Blute,
Das die Sünde vergossen,
Julius Hart.
„Laſſ’ die Thränen und deine Schmerzen ausgieß’ in der Liebe mit-
leidigen Schooß,
Die Liebe allein knüpft deine Seele aus den Banden der Sünde los.
Aus Nebeln und dunkler Finſterniß und durch der Qualen blutige Nacht,
Die Liebe führt dich auf Adlerſchwingen, führt dich zum Lichte leiſe und ſacht.
Sanftſegnend über die kranke Welt ausſtrömt der Liebe goldener Schein —
Nur aus der Liebe fließt Gnade und Leben! Und die Liebe iſt Gott allein!“
Drum ſchlage die Augen empor, mein Liebling, die voll von bitt’ren
Thränen ſteh’n,
Ich fühl’s, ich fühl’s im tiefſten Buſen: Nun darf ich nimmer von dir geh’n!
Siehe, die Welt ſteht wider uns auf mit Hohn und Lachen und kaltem Spott,
Trock’ne die Thränen vom Auge dir ab, mit uns iſt die Liebe, mit uns iſt Gott.


Zu Gott!
1884.

Originalbeitrag.

Wie über ſturmgejagten,
Nachtwirren Waſſern
Einſam der Mond wandelt,
Durch Wolken verdeckt,
So über den Welten
Schreitet Gott dahin.
Unſer Auge ſchaut dich nicht,
Denn blind von den Lüſten
Des ſtaubgeborenen
Sündigen Leibes
Hängt es am Boden.
Ueber uns wallt, dicht wie Bergnebel,
Nur Dampf und Rauch,
Aufqualmend vom Blute,
Das die Sünde vergoſſen,
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[63/0081] Julius Hart. „Laſſ’ die Thränen und deine Schmerzen ausgieß’ in der Liebe mit- leidigen Schooß, Die Liebe allein knüpft deine Seele aus den Banden der Sünde los. Aus Nebeln und dunkler Finſterniß und durch der Qualen blutige Nacht, Die Liebe führt dich auf Adlerſchwingen, führt dich zum Lichte leiſe und ſacht. Sanftſegnend über die kranke Welt ausſtrömt der Liebe goldener Schein — Nur aus der Liebe fließt Gnade und Leben! Und die Liebe iſt Gott allein!“ Drum ſchlage die Augen empor, mein Liebling, die voll von bitt’ren Thränen ſteh’n, Ich fühl’s, ich fühl’s im tiefſten Buſen: Nun darf ich nimmer von dir geh’n! Siehe, die Welt ſteht wider uns auf mit Hohn und Lachen und kaltem Spott, Trock’ne die Thränen vom Auge dir ab, mit uns iſt die Liebe, mit uns iſt Gott. Zu Gott! 1884. Originalbeitrag. Wie über ſturmgejagten, Nachtwirren Waſſern Einſam der Mond wandelt, Durch Wolken verdeckt, So über den Welten Schreitet Gott dahin. Unſer Auge ſchaut dich nicht, Denn blind von den Lüſten Des ſtaubgeborenen Sündigen Leibes Hängt es am Boden. Ueber uns wallt, dicht wie Bergnebel, Nur Dampf und Rauch, Aufqualmend vom Blute, Das die Sünde vergoſſen,

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/81>, abgerufen am 28.03.2024.