Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie war von ihrer Jugend an
Der Andacht also zugethan,
Mit Beten, Singen allezeit
Lobt sie die heilig' Dreifaltigkeit.
Wenn sie nur Jesum nennen hört,
So wurd ihr Lieb und Freud vermehrt,
Auf Jesum war ihr Thun gericht,
Zu seiner Braut sie sich verpflicht.
Ein edler Herr thät um sie freyn,
Der Vater gab den Willen drein
Die Mutter zu der Tochter spricht:
"Mein Kind, nur diesen lasse nicht."
Die Tochter sprach: "Ach Mutter mein!
"Das kann und mag ja nicht so seyn,
"Mein Bräutigam ist schon bestellt,
"Derselb' ist nicht auf dieser Welt."
Die Mutter sprach: "Ach Tochter mein!
"Ach thu uns nicht zuwider seyn!
"Wir sind nunmehr zwey alte Leut,
"Mit Geld hat uns Gott auch erfreut."
Die Tochter fing zu weinen an:
"Ich hab schon einen Bräutigam,
"Dem ich mich hab versprochen ganz,
"Zu tragen meinen Jungfernkranz."
Der Vater sprach: "Es kann nicht seyn,
"Mein Kind, das bilde dir nicht ein,
5.
Sie war von ihrer Jugend an
Der Andacht alſo zugethan,
Mit Beten, Singen allezeit
Lobt ſie die heilig' Dreifaltigkeit.
Wenn ſie nur Jeſum nennen hoͤrt,
So wurd ihr Lieb und Freud vermehrt,
Auf Jeſum war ihr Thun gericht,
Zu ſeiner Braut ſie ſich verpflicht.
Ein edler Herr thaͤt um ſie freyn,
Der Vater gab den Willen drein
Die Mutter zu der Tochter ſpricht:
„Mein Kind, nur dieſen laſſe nicht.“
Die Tochter ſprach: „Ach Mutter mein!
„Das kann und mag ja nicht ſo ſeyn,
„Mein Braͤutigam iſt ſchon beſtellt,
„Derſelb' iſt nicht auf dieſer Welt.“
Die Mutter ſprach: „Ach Tochter mein!
„Ach thu uns nicht zuwider ſeyn!
„Wir ſind nunmehr zwey alte Leut,
„Mit Geld hat uns Gott auch erfreut.“
Die Tochter fing zu weinen an:
„Ich hab ſchon einen Braͤutigam,
„Dem ich mich hab verſprochen ganz,
„Zu tragen meinen Jungfernkranz.“
Der Vater ſprach: „Es kann nicht ſeyn,
„Mein Kind, das bilde dir nicht ein,
5.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0074" n="65"/>
            <lg n="2">
              <l>Sie war von ihrer Jugend an</l><lb/>
              <l>Der Andacht al&#x017F;o zugethan,</l><lb/>
              <l>Mit Beten, Singen allezeit</l><lb/>
              <l>Lobt &#x017F;ie die heilig' Dreifaltigkeit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Wenn &#x017F;ie nur Je&#x017F;um nennen ho&#x0364;rt,</l><lb/>
              <l>So wurd ihr Lieb und Freud vermehrt,</l><lb/>
              <l>Auf Je&#x017F;um war ihr Thun gericht,</l><lb/>
              <l>Zu &#x017F;einer Braut &#x017F;ie &#x017F;ich verpflicht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Ein edler Herr tha&#x0364;t um &#x017F;ie freyn,</l><lb/>
              <l>Der Vater gab den Willen drein</l><lb/>
              <l>Die Mutter zu der Tochter &#x017F;pricht:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mein Kind, nur die&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;e nicht.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Die Tochter &#x017F;prach: &#x201E;Ach Mutter mein!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das kann und mag ja nicht &#x017F;o &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mein Bra&#x0364;utigam i&#x017F;t &#x017F;chon be&#x017F;tellt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der&#x017F;elb' i&#x017F;t nicht auf die&#x017F;er Welt.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Die Mutter &#x017F;prach: &#x201E;Ach Tochter mein!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ach thu uns nicht zuwider &#x017F;eyn!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wir &#x017F;ind nunmehr zwey alte Leut,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mit Geld hat uns Gott auch erfreut.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Die Tochter fing zu weinen an:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich hab &#x017F;chon einen Bra&#x0364;utigam,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dem ich mich hab ver&#x017F;prochen ganz,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Zu tragen meinen Jungfernkranz.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Der Vater &#x017F;prach: &#x201E;Es kann nicht &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mein Kind, das bilde dir nicht ein,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">5.</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0074] Sie war von ihrer Jugend an Der Andacht alſo zugethan, Mit Beten, Singen allezeit Lobt ſie die heilig' Dreifaltigkeit. Wenn ſie nur Jeſum nennen hoͤrt, So wurd ihr Lieb und Freud vermehrt, Auf Jeſum war ihr Thun gericht, Zu ſeiner Braut ſie ſich verpflicht. Ein edler Herr thaͤt um ſie freyn, Der Vater gab den Willen drein Die Mutter zu der Tochter ſpricht: „Mein Kind, nur dieſen laſſe nicht.“ Die Tochter ſprach: „Ach Mutter mein! „Das kann und mag ja nicht ſo ſeyn, „Mein Braͤutigam iſt ſchon beſtellt, „Derſelb' iſt nicht auf dieſer Welt.“ Die Mutter ſprach: „Ach Tochter mein! „Ach thu uns nicht zuwider ſeyn! „Wir ſind nunmehr zwey alte Leut, „Mit Geld hat uns Gott auch erfreut.“ Die Tochter fing zu weinen an: „Ich hab ſchon einen Braͤutigam, „Dem ich mich hab verſprochen ganz, „Zu tragen meinen Jungfernkranz.“ Der Vater ſprach: „Es kann nicht ſeyn, „Mein Kind, das bilde dir nicht ein, 5.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/74
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/74>, abgerufen am 29.03.2024.