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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Gesundheit trinken willst, ach ich gönne sie Dir, lasse
keinen Tropfen übrig, möchte ich mich selber doch so in
Dich ergießen und Dir wohl bekommen.

Deine Mutter erzählte mir wie Du kurz, nachdem
Du den Werther geschrieben, im Schauspiel gesessen,
und wie Dir da anonym ein Billet sei in die Hand
gedrückt worden, darin geschrieben war: ils ne te com-
prendront point Jean Jaques.
Sie behauptet, ich aber
könne immer zu jedem sagen: tu ne me comprendras
point Jean Jaques,
denn welcher Hans Jacob wird Dich
nicht mißverstehen, oder Dich gelten lassen wollen. --
Sie sagt aber, Du Goethe verstündest mich, und ich
gelte alles bei Dir.

Die Erziehungsplane und Judenbroschüren werd' ich
mit nächstem Posttag senden. Obschon Du nicht zu allen
gefälligen Gegendiensten bereit bist; aber doch mir schicken
willst was reif ist, so denke doch, daß meine Liebe dir
brennende Strahlen zusendet um jede Regung für mich
zu süßer Reife zu bringen.

Bettine.

Vernimm das Lispeln dieses Liebewehens;
Mein einzig Glück auf Erden ist Dein Wille,
Dein freundlicher zu mir; gieb mir ein Zeichen!

(Goethes Werke 2ter Band Seite 10.)

Geſundheit trinken willſt, ach ich gönne ſie Dir, laſſe
keinen Tropfen übrig, möchte ich mich ſelber doch ſo in
Dich ergießen und Dir wohl bekommen.

Deine Mutter erzählte mir wie Du kurz, nachdem
Du den Werther geſchrieben, im Schauſpiel geſeſſen,
und wie Dir da anonym ein Billet ſei in die Hand
gedrückt worden, darin geſchrieben war: ils ne te com-
prendront point Jean Jaques.
Sie behauptet, ich aber
könne immer zu jedem ſagen: tu ne me comprendras
point Jean Jaques,
denn welcher Hans Jacob wird Dich
nicht mißverſtehen, oder Dich gelten laſſen wollen. —
Sie ſagt aber, Du Goethe verſtündeſt mich, und ich
gelte alles bei Dir.

Die Erziehungsplane und Judenbroſchüren werd' ich
mit nächſtem Poſttag ſenden. Obſchon Du nicht zu allen
gefälligen Gegendienſten bereit biſt; aber doch mir ſchicken
willſt was reif iſt, ſo denke doch, daß meine Liebe dir
brennende Strahlen zuſendet um jede Regung für mich
zu ſüßer Reife zu bringen.

Bettine.

Vernimm das Liſpeln dieſes Liebewehens;
Mein einzig Glück auf Erden iſt Dein Wille,
Dein freundlicher zu mir; gieb mir ein Zeichen!

(Goethes Werke 2ter Band Seite 10.)
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[189/0221] Geſundheit trinken willſt, ach ich gönne ſie Dir, laſſe keinen Tropfen übrig, möchte ich mich ſelber doch ſo in Dich ergießen und Dir wohl bekommen. Deine Mutter erzählte mir wie Du kurz, nachdem Du den Werther geſchrieben, im Schauſpiel geſeſſen, und wie Dir da anonym ein Billet ſei in die Hand gedrückt worden, darin geſchrieben war: ils ne te com- prendront point Jean Jaques. Sie behauptet, ich aber könne immer zu jedem ſagen: tu ne me comprendras point Jean Jaques, denn welcher Hans Jacob wird Dich nicht mißverſtehen, oder Dich gelten laſſen wollen. — Sie ſagt aber, Du Goethe verſtündeſt mich, und ich gelte alles bei Dir. Die Erziehungsplane und Judenbroſchüren werd' ich mit nächſtem Poſttag ſenden. Obſchon Du nicht zu allen gefälligen Gegendienſten bereit biſt; aber doch mir ſchicken willſt was reif iſt, ſo denke doch, daß meine Liebe dir brennende Strahlen zuſendet um jede Regung für mich zu ſüßer Reife zu bringen. Bettine. *) *) Vernimm das Liſpeln dieſes Liebewehens; Mein einzig Glück auf Erden iſt Dein Wille, Dein freundlicher zu mir; gieb mir ein Zeichen! (Goethes Werke 2ter Band Seite 10.)

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/221>, abgerufen am 29.03.2024.