Lieber Goethe! Du bist zufrieden mit mir, und freust Dich über alles was ich schreibe, und willst meine goldne Halsnadel tragen; -- ja thu' es, und lasse sie ein Talismann sein für diese glückerfüllte Zeit. Heute haben wir den 21sten.
An Goethe.
Caub.
Ich schreibe Dir in der christallnen Mitternacht; schwarze Basaltgegend, in's Mondlicht eingetaucht! Die Stadt macht einen rechten Katzenbuckel mit ihren ge- duckten Häusern, und ganz bepelzt mit himmelsträuben- den Felszacken und Burgtrümmern; und da gegenüber schauert's und flimmert's im Dunkel, wie wenn man der Katze das Fell streicht.
Ich lag schon im Bett unter einer wunderlichen Damastdecke, die mit Wappen und verschlungenen Na- menszügen, und verblichnen Rosen und Jasminranken ganz starr gestickt ist; ich hatte mich aber drunter in das Dir bekannte Fell des Silberbären eingehüllt. Ich lag recht bequem und angenehm, und überlegte mir, was der Christian Schlosser mir unterwegs hierher alles
Lieber Goethe! Du biſt zufrieden mit mir, und freuſt Dich über alles was ich ſchreibe, und willſt meine goldne Halsnadel tragen; — ja thu' es, und laſſe ſie ein Talismann ſein für dieſe glückerfüllte Zeit. Heute haben wir den 21ſten.
An Goethe.
Caub.
Ich ſchreibe Dir in der chriſtallnen Mitternacht; ſchwarze Baſaltgegend, in's Mondlicht eingetaucht! Die Stadt macht einen rechten Katzenbuckel mit ihren ge- duckten Häuſern, und ganz bepelzt mit himmelſträuben- den Felszacken und Burgtrümmern; und da gegenüber ſchauert's und flimmert's im Dunkel, wie wenn man der Katze das Fell ſtreicht.
Ich lag ſchon im Bett unter einer wunderlichen Damaſtdecke, die mit Wappen und verſchlungenen Na- menszügen, und verblichnen Roſen und Jasminranken ganz ſtarr geſtickt iſt; ich hatte mich aber drunter in das Dir bekannte Fell des Silberbären eingehüllt. Ich lag recht bequem und angenehm, und überlegte mir, was der Chriſtian Schloſſer mir unterwegs hierher alles
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Lieber Goethe! Du biſt zufrieden mit mir, und
freuſt Dich über alles was ich ſchreibe, und willſt meine
goldne Halsnadel tragen; — ja thu' es, und laſſe ſie
ein Talismann ſein für dieſe glückerfüllte Zeit. Heute
haben wir den 21ſten.
An Goethe.
Caub.
Ich ſchreibe Dir in der chriſtallnen Mitternacht;
ſchwarze Baſaltgegend, in's Mondlicht eingetaucht! Die
Stadt macht einen rechten Katzenbuckel mit ihren ge-
duckten Häuſern, und ganz bepelzt mit himmelſträuben-
den Felszacken und Burgtrümmern; und da gegenüber
ſchauert's und flimmert's im Dunkel, wie wenn man
der Katze das Fell ſtreicht.
Ich lag ſchon im Bett unter einer wunderlichen
Damaſtdecke, die mit Wappen und verſchlungenen Na-
menszügen, und verblichnen Roſen und Jasminranken
ganz ſtarr geſtickt iſt; ich hatte mich aber drunter in
das Dir bekannte Fell des Silberbären eingehüllt. Ich
lag recht bequem und angenehm, und überlegte mir,
was der Chriſtian Schloſſer mir unterwegs hierher alles
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/290>, abgerufen am 29.03.2024.
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