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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Fr. Rath! -- Ich kenne die Prinzen und Prin-
zessinnen nur aus der Zauberwelt der Feenmärchen,
und aus Ihren Beschreibungen, und die geben einan-
der nichts nach; dort sind zwar die schönsten Prinzes-
sinnen in Katzen verwandelt, und gewöhnlich werden
sie durch einen Schneider erlöst und geheirathet. Das
überleg' Sie doch auch, wenn Sie wieder ein Mährchen
erfindet, und geb' Sie diesem Umstand eine moralische
Erläuterung.

Bettine.

(Die Antwort fehlt.)

Ich habe freilich einen Brief vom Wolfgang hier
im Rheingau erhalten, er schreibt: Halte meine Mut-
ter warm und behalte mich lieb. Diese lieben Zeilen
sind in mich eingedrungen wie ein erster Frühlings-
regen; ich bin sehr vergnügt, daß er verlangt, ich soll
ihn lieb behalten; ich weiß es wohl, daß er die ganze
Welt umfaßt; ich weiß, daß ihn die Menschen sehen
wollen, und sprechen, daß ganz Deutschland sagt: unser
Goethe
. Ich aber kann Ihr sagen, daß mir bis heute
die allgemeine Begeistrung für seine Größe, für seinen
Namen noch nicht aufgegangen ist. Meine Liebe zu
ihm beschränkt sich auf das Stübchen mit weißen Wän-

Fr. Rath! — Ich kenne die Prinzen und Prin-
zeſſinnen nur aus der Zauberwelt der Feenmärchen,
und aus Ihren Beſchreibungen, und die geben einan-
der nichts nach; dort ſind zwar die ſchönſten Prinzeſ-
ſinnen in Katzen verwandelt, und gewöhnlich werden
ſie durch einen Schneider erlöſt und geheirathet. Das
überleg' Sie doch auch, wenn Sie wieder ein Mährchen
erfindet, und geb' Sie dieſem Umſtand eine moraliſche
Erläuterung.

Bettine.

(Die Antwort fehlt.)

Ich habe freilich einen Brief vom Wolfgang hier
im Rheingau erhalten, er ſchreibt: Halte meine Mut-
ter warm und behalte mich lieb. Dieſe lieben Zeilen
ſind in mich eingedrungen wie ein erſter Frühlings-
regen; ich bin ſehr vergnügt, daß er verlangt, ich ſoll
ihn lieb behalten; ich weiß es wohl, daß er die ganze
Welt umfaßt; ich weiß, daß ihn die Menſchen ſehen
wollen, und ſprechen, daß ganz Deutſchland ſagt: unſer
Goethe
. Ich aber kann Ihr ſagen, daß mir bis heute
die allgemeine Begeiſtrung für ſeine Größe, für ſeinen
Namen noch nicht aufgegangen iſt. Meine Liebe zu
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[23/0055] Fr. Rath! — Ich kenne die Prinzen und Prin- zeſſinnen nur aus der Zauberwelt der Feenmärchen, und aus Ihren Beſchreibungen, und die geben einan- der nichts nach; dort ſind zwar die ſchönſten Prinzeſ- ſinnen in Katzen verwandelt, und gewöhnlich werden ſie durch einen Schneider erlöſt und geheirathet. Das überleg' Sie doch auch, wenn Sie wieder ein Mährchen erfindet, und geb' Sie dieſem Umſtand eine moraliſche Erläuterung. Bettine. (Die Antwort fehlt.) Ich habe freilich einen Brief vom Wolfgang hier im Rheingau erhalten, er ſchreibt: Halte meine Mut- ter warm und behalte mich lieb. Dieſe lieben Zeilen ſind in mich eingedrungen wie ein erſter Frühlings- regen; ich bin ſehr vergnügt, daß er verlangt, ich ſoll ihn lieb behalten; ich weiß es wohl, daß er die ganze Welt umfaßt; ich weiß, daß ihn die Menſchen ſehen wollen, und ſprechen, daß ganz Deutſchland ſagt: unſer Goethe. Ich aber kann Ihr ſagen, daß mir bis heute die allgemeine Begeiſtrung für ſeine Größe, für ſeinen Namen noch nicht aufgegangen iſt. Meine Liebe zu ihm beſchränkt ſich auf das Stübchen mit weißen Wän-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/55>, abgerufen am 29.03.2024.