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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Adieu, läst sie sich den Brief, auch vom Pfarrer
vorstudieren? -- ich hab' ihn doch mit ziemlich großen
Buchstaben geschrieben. Hat dann in meinem letzten
Brief etwas gestanden, daß ich seinen heißen Durst hab',
und daß ich mondsüchtig bin, oder so was? -- wie kann
Sie ihm denn das lesen lassen? sie wirft ihm ja seinen
gepolsterten Betschemel um, in seinem Kopf. Die Bet-
tine hat Kopfweh schon seit 3 Tagen und heut liegt sie
im Bett und küßt ihrer Frau Rath die Hand.

An Bettine.

Werd' mir nicht krank Mädchen, steh auf aus Dei-
nem Bett, und nimm's, und wandle. So hat der Herr
Christus gesagt zum Kranken, das sag' ich dir auch, dein
Bett ist deine Liebe in der du krank liegst, nimm sie zu-
sammen und erst am Abend breite sie aus, und ruhe in
ihr wenn du des Tages Last und Hitze ausgestanden
hast. -- Da hat mein Sohn ein paar Zeilen geschrieben,
die schenk ich dir, sie gehören dem Inhalt nach dein.

Der Prediger hat mir deinen Brief vorgerumpelt
wie ein schlechter Postwagen auf holperichem Weg, das
schmeißt alles Passagiergut durcheinander; du hast auch

Adieu, läſt ſie ſich den Brief, auch vom Pfarrer
vorſtudieren? — ich hab' ihn doch mit ziemlich großen
Buchſtaben geſchrieben. Hat dann in meinem letzten
Brief etwas geſtanden, daß ich ſeinen heißen Durſt hab',
und daß ich mondſüchtig bin, oder ſo was? — wie kann
Sie ihm denn das leſen laſſen? ſie wirft ihm ja ſeinen
gepolſterten Betſchemel um, in ſeinem Kopf. Die Bet-
tine hat Kopfweh ſchon ſeit 3 Tagen und heut liegt ſie
im Bett und küßt ihrer Frau Rath die Hand.

An Bettine.

Werd' mir nicht krank Mädchen, ſteh auf aus Dei-
nem Bett, und nimm's, und wandle. So hat der Herr
Chriſtus geſagt zum Kranken, das ſag' ich dir auch, dein
Bett iſt deine Liebe in der du krank liegſt, nimm ſie zu-
ſammen und erſt am Abend breite ſie aus, und ruhe in
ihr wenn du des Tages Laſt und Hitze ausgeſtanden
haſt. — Da hat mein Sohn ein paar Zeilen geſchrieben,
die ſchenk ich dir, ſie gehören dem Inhalt nach dein.

Der Prediger hat mir deinen Brief vorgerumpelt
wie ein ſchlechter Poſtwagen auf holperichem Weg, das
ſchmeißt alles Paſſagiergut durcheinander; du haſt auch

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[46/0078] Adieu, läſt ſie ſich den Brief, auch vom Pfarrer vorſtudieren? — ich hab' ihn doch mit ziemlich großen Buchſtaben geſchrieben. Hat dann in meinem letzten Brief etwas geſtanden, daß ich ſeinen heißen Durſt hab', und daß ich mondſüchtig bin, oder ſo was? — wie kann Sie ihm denn das leſen laſſen? ſie wirft ihm ja ſeinen gepolſterten Betſchemel um, in ſeinem Kopf. Die Bet- tine hat Kopfweh ſchon ſeit 3 Tagen und heut liegt ſie im Bett und küßt ihrer Frau Rath die Hand. An Bettine. Werd' mir nicht krank Mädchen, ſteh auf aus Dei- nem Bett, und nimm's, und wandle. So hat der Herr Chriſtus geſagt zum Kranken, das ſag' ich dir auch, dein Bett iſt deine Liebe in der du krank liegſt, nimm ſie zu- ſammen und erſt am Abend breite ſie aus, und ruhe in ihr wenn du des Tages Laſt und Hitze ausgeſtanden haſt. — Da hat mein Sohn ein paar Zeilen geſchrieben, die ſchenk ich dir, ſie gehören dem Inhalt nach dein. Der Prediger hat mir deinen Brief vorgerumpelt wie ein ſchlechter Poſtwagen auf holperichem Weg, das ſchmeißt alles Paſſagiergut durcheinander; du haſt auch

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/78>, abgerufen am 16.04.2024.