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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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ebnem Boden wirst gehen können, ohne jeden Augen¬
blick einen Purzelbaum wider Willen zu machen. --

Karoline.

An die Günderode.

Du strahlst mich an mit Deinem Geist, Du Muse,
und kommst wo ich am Weg sitze, und streust mir
Salz auf mein trocken Brod. -- Ich hab Dich lieb!
pfeif in der schwarzen Mitternacht vor meinem Fenster
und ich reiß mich aus meinem mondhellen Traum auf,
und geh mit Dir. -- Deine Schellingsphilosophie ist
mir zwar ein Abgrund, es schwindelt mir da hinab zu
sehen wo ich noch den Hals brechen werd, eh ich mich
zurecht find in dem finstern Schlund, aber Dir zu lieb
will ich durchkriechen auf allen Vieren. -- Und die lü¬
neburger Haid der Vergangenheit, die kein End nimmt,
mit jedem Schritte breiter wird; -- Du sagst im Brief,
der mir zu Lieb so lang geschrieben ist, sie sei mir noth¬
wendig zum Nachdenken, zur Selbsterkenntniß zu kom¬
men; ich will nicht widersprechen! -- Könntest Du
doch die neckenden grausenerregenden Gespenster gewahr
werden, die mich in dieser Geschichts-Einöde verfolgen

ebnem Boden wirſt gehen können, ohne jeden Augen¬
blick einen Purzelbaum wider Willen zu machen. —

Karoline.

An die Günderode.

Du ſtrahlſt mich an mit Deinem Geiſt, Du Muſe,
und kommſt wo ich am Weg ſitze, und ſtreuſt mir
Salz auf mein trocken Brod. — Ich hab Dich lieb!
pfeif in der ſchwarzen Mitternacht vor meinem Fenſter
und ich reiß mich aus meinem mondhellen Traum auf,
und geh mit Dir. — Deine Schellingsphiloſophie iſt
mir zwar ein Abgrund, es ſchwindelt mir da hinab zu
ſehen wo ich noch den Hals brechen werd, eh ich mich
zurecht find in dem finſtern Schlund, aber Dir zu lieb
will ich durchkriechen auf allen Vieren. — Und die lü¬
neburger Haid der Vergangenheit, die kein End nimmt,
mit jedem Schritte breiter wird; — Du ſagſt im Brief,
der mir zu Lieb ſo lang geſchrieben iſt, ſie ſei mir noth¬
wendig zum Nachdenken, zur Selbſterkenntniß zu kom¬
men; ich will nicht widerſprechen! — Könnteſt Du
doch die neckenden grauſenerregenden Geſpenſter gewahr
werden, die mich in dieſer Geſchichts-Einöde verfolgen

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[182/0198] ebnem Boden wirſt gehen können, ohne jeden Augen¬ blick einen Purzelbaum wider Willen zu machen. — Karoline. An die Günderode. Du ſtrahlſt mich an mit Deinem Geiſt, Du Muſe, und kommſt wo ich am Weg ſitze, und ſtreuſt mir Salz auf mein trocken Brod. — Ich hab Dich lieb! pfeif in der ſchwarzen Mitternacht vor meinem Fenſter und ich reiß mich aus meinem mondhellen Traum auf, und geh mit Dir. — Deine Schellingsphiloſophie iſt mir zwar ein Abgrund, es ſchwindelt mir da hinab zu ſehen wo ich noch den Hals brechen werd, eh ich mich zurecht find in dem finſtern Schlund, aber Dir zu lieb will ich durchkriechen auf allen Vieren. — Und die lü¬ neburger Haid der Vergangenheit, die kein End nimmt, mit jedem Schritte breiter wird; — Du ſagſt im Brief, der mir zu Lieb ſo lang geſchrieben iſt, ſie ſei mir noth¬ wendig zum Nachdenken, zur Selbſterkenntniß zu kom¬ men; ich will nicht widerſprechen! — Könnteſt Du doch die neckenden grauſenerregenden Geſpenſter gewahr werden, die mich in dieſer Geſchichts-Einöde verfolgen

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/198>, abgerufen am 28.03.2024.