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Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

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vielfach gesegneten Ehegemahl zu Theil werden ließ. Als endlich die Ceremonie zu Ende war, und der Prediger nach christlichem Gebrauch die Worte der Bibel vorlas: "und er soll dein Herr sein," da zuckte es schmerzhaft um die Lippen der Braut; und als sie das ewigbindende Ja! aussprach, da richtete sie die Augen gegen den Himmel, ein Blick, aus dem das verzweiflungsvolle Bewußtsein sprach, daß sie mit diesem Wort ihr Leben zu einem ununterbrochenen Opferfeste mache. Die Ehe war geschlossen.

Es war ein schöner, warmer Maiabend; der Vollmond stand groß am Himmel, die Blumen dufteten stärker and zarter; Nachtigallen sangen süße Lieder der Liebe; die Natur war still und ruhig, und schwelgte in ihren ewiggleichen Harmonieen, als wäre sie bewußt des sichern Gesetzes, das ihren wandellosen Kreislauf beherrscht. Was kümmerte es sie, daß ein Herz gebrochen, ein junges Leben gemordet war?

Eine Stunde später hielt der Reisewagen des Herrn Oburn vor der Thüre. Koffer und Schachteln, mit Garderobe und Weißzeug, der einzigen Aussteuer der

vielfach gesegneten Ehegemahl zu Theil werden ließ. Als endlich die Ceremonie zu Ende war, und der Prediger nach christlichem Gebrauch die Worte der Bibel vorlas: „und er soll dein Herr sein,“ da zuckte es schmerzhaft um die Lippen der Braut; und als sie das ewigbindende Ja! aussprach, da richtete sie die Augen gegen den Himmel, ein Blick, aus dem das verzweiflungsvolle Bewußtsein sprach, daß sie mit diesem Wort ihr Leben zu einem ununterbrochenen Opferfeste mache. Die Ehe war geschlossen.

Es war ein schöner, warmer Maiabend; der Vollmond stand groß am Himmel, die Blumen dufteten stärker and zarter; Nachtigallen sangen süße Lieder der Liebe; die Natur war still und ruhig, und schwelgte in ihren ewiggleichen Harmonieen, als wäre sie bewußt des sichern Gesetzes, das ihren wandellosen Kreislauf beherrscht. Was kümmerte es sie, daß ein Herz gebrochen, ein junges Leben gemordet war?

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[23/0035] vielfach gesegneten Ehegemahl zu Theil werden ließ. Als endlich die Ceremonie zu Ende war, und der Prediger nach christlichem Gebrauch die Worte der Bibel vorlas: „und er soll dein Herr sein,“ da zuckte es schmerzhaft um die Lippen der Braut; und als sie das ewigbindende Ja! aussprach, da richtete sie die Augen gegen den Himmel, ein Blick, aus dem das verzweiflungsvolle Bewußtsein sprach, daß sie mit diesem Wort ihr Leben zu einem ununterbrochenen Opferfeste mache. Die Ehe war geschlossen. Es war ein schöner, warmer Maiabend; der Vollmond stand groß am Himmel, die Blumen dufteten stärker and zarter; Nachtigallen sangen süße Lieder der Liebe; die Natur war still und ruhig, und schwelgte in ihren ewiggleichen Harmonieen, als wäre sie bewußt des sichern Gesetzes, das ihren wandellosen Kreislauf beherrscht. Was kümmerte es sie, daß ein Herz gebrochen, ein junges Leben gemordet war? Eine Stunde später hielt der Reisewagen des Herrn Oburn vor der Thüre. Koffer und Schachteln, mit Garderobe und Weißzeug, der einzigen Aussteuer der

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Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/35>, abgerufen am 28.03.2024.