Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwey und zwanzigstes Capitel. Vom Einklange.
sam dabey alle melodischen und harmonischen Künste, welche er
auf das reizendeste zusammen verbindet. Nunmehro glaubet er,
daß es Zeit sey, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer durch einen
neuen Gegenstand zu ermuntern; er suchet zu dem Ende mit einer
Art von Begeisterung einen Gedanken auf; die Pracht und das
Erhabene dieses Gedanken soll hervorragen und empfunden wer-
den. Er entsaget dahero gleichsam auf einige Zeit den Schönhei-
ten der Harmonie; sein Gedanke soll einstimmig bleiben; er soll
allein der Gedanke und die Beschäftigung aller Begleiter zugleich
seyn; er wechselt nachher glücklich mit dem Gebrauch der Har-
monie wieder ab u. s. w. Sein Stück wird fertig. Es wird
aufgeführet. Mitten in der angenehmsten Erwartung der er-
wünschten Ausnahme dieses Gedanken stöhrt ihn die Begleitung
des Clavieristen. Dieser vorbereitet und löset seine vorgeschrie-
benen Intervallen so ehrlich, und so regelmäßig auf, als nur
möglich; zur andern Zeit mit vielem Beyfall, nur jetzo zum
Verdruß. Zum Glücke für den Accompagnisten besinnet sich der
Componist, daß er selbst in der Vorstellung der Grundstimme
etwas versehen hat, und ist überaus froh, daß jener aus Eckel
über seine unrechte Begleitung von selbst seine Harmonie fahren
lässet, sich an keine Ziffer weiter kehret, und diesen Gedanken
mit dem Einklange so weit verstärken hilft, als es nöthig ist, weil
ihm die erste Grundregel des Accompagnements gleich beyfällt,
welche wir im 19ten § der Einleitung angeführet haben:
Ein Accompagnist muß jedem Stücke, welches er begleitet, die
ihm zukommende Harmonie, in der gehörigen Stärke gleich-
sam anpassen.

§. 4.

Um dieser Regel genug zu thun, merken wir hier zween
Fälle an,
welche einem Accompagnisten verbinden, die Beglei-

tung
Y 3

Zwey und zwanzigſtes Capitel. Vom Einklange.
ſam dabey alle melodiſchen und harmoniſchen Künſte, welche er
auf das reizendeſte zuſammen verbindet. Nunmehro glaubet er,
daß es Zeit ſey, die Aufmerkſamkeit ſeiner Zuhörer durch einen
neuen Gegenſtand zu ermuntern; er ſuchet zu dem Ende mit einer
Art von Begeiſterung einen Gedanken auf; die Pracht und das
Erhabene dieſes Gedanken ſoll hervorragen und empfunden wer-
den. Er entſaget dahero gleichſam auf einige Zeit den Schönhei-
ten der Harmonie; ſein Gedanke ſoll einſtimmig bleiben; er ſoll
allein der Gedanke und die Beſchäftigung aller Begleiter zugleich
ſeyn; er wechſelt nachher glücklich mit dem Gebrauch der Har-
monie wieder ab u. ſ. w. Sein Stück wird fertig. Es wird
aufgeführet. Mitten in der angenehmſten Erwartung der er-
wünſchten Ausnahme dieſes Gedanken ſtöhrt ihn die Begleitung
des Clavieriſten. Dieſer vorbereitet und löſet ſeine vorgeſchrie-
benen Intervallen ſo ehrlich, und ſo regelmäßig auf, als nur
möglich; zur andern Zeit mit vielem Beyfall, nur jetzo zum
Verdruß. Zum Glücke für den Accompagniſten beſinnet ſich der
Componiſt, daß er ſelbſt in der Vorſtellung der Grundſtimme
etwas verſehen hat, und iſt überaus froh, daß jener aus Eckel
über ſeine unrechte Begleitung von ſelbſt ſeine Harmonie fahren
läſſet, ſich an keine Ziffer weiter kehret, und dieſen Gedanken
mit dem Einklange ſo weit verſtärken hilft, als es nöthig iſt, weil
ihm die erſte Grundregel des Accompagnements gleich beyfällt,
welche wir im 19ten § der Einleitung angeführet haben:
Ein Accompagniſt muß jedem Stücke, welches er begleitet, die
ihm zukommende Harmonie, in der gehörigen Stärke gleich-
ſam anpaſſen.

§. 4.

Um dieſer Regel genug zu thun, merken wir hier zween
Fälle an,
welche einem Accompagniſten verbinden, die Beglei-

tung
Y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="173"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zwey und zwanzig&#x017F;tes Capitel. Vom Einklange.</hi></fw><lb/>
&#x017F;am dabey alle melodi&#x017F;chen und harmoni&#x017F;chen Kün&#x017F;te, welche er<lb/>
auf das reizende&#x017F;te zu&#x017F;ammen verbindet. Nunmehro glaubet er,<lb/>
daß es Zeit &#x017F;ey, die Aufmerk&#x017F;amkeit &#x017F;einer Zuhörer durch einen<lb/>
neuen Gegen&#x017F;tand zu ermuntern; er &#x017F;uchet zu dem Ende mit einer<lb/>
Art von Begei&#x017F;terung einen Gedanken auf; die Pracht und das<lb/>
Erhabene die&#x017F;es Gedanken &#x017F;oll hervorragen und empfunden wer-<lb/>
den. Er ent&#x017F;aget dahero gleich&#x017F;am auf einige Zeit den Schönhei-<lb/>
ten der Harmonie; &#x017F;ein Gedanke &#x017F;oll ein&#x017F;timmig bleiben; er &#x017F;oll<lb/>
allein der Gedanke und die Be&#x017F;chäftigung aller Begleiter zugleich<lb/>
&#x017F;eyn; er wech&#x017F;elt nachher glücklich mit dem Gebrauch der Har-<lb/>
monie wieder ab u. &#x017F;. w. Sein Stück wird fertig. Es wird<lb/>
aufgeführet. Mitten in der angenehm&#x017F;ten Erwartung der er-<lb/>
wün&#x017F;chten Ausnahme die&#x017F;es Gedanken &#x017F;töhrt ihn die Begleitung<lb/>
des Clavieri&#x017F;ten. Die&#x017F;er vorbereitet und lö&#x017F;et &#x017F;eine vorge&#x017F;chrie-<lb/>
benen Intervallen &#x017F;o ehrlich, und &#x017F;o regelmäßig auf, als nur<lb/>
möglich; zur andern Zeit mit vielem Beyfall, nur jetzo zum<lb/>
Verdruß. Zum Glücke für den Accompagni&#x017F;ten be&#x017F;innet &#x017F;ich der<lb/>
Componi&#x017F;t, daß er &#x017F;elb&#x017F;t in der Vor&#x017F;tellung der Grund&#x017F;timme<lb/>
etwas ver&#x017F;ehen hat, und i&#x017F;t überaus froh, daß jener aus Eckel<lb/>
über &#x017F;eine unrechte Begleitung von &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine Harmonie fahren<lb/>&#x017F;&#x017F;et, &#x017F;ich an keine Ziffer weiter kehret, und die&#x017F;en Gedanken<lb/>
mit dem Einklange &#x017F;o weit ver&#x017F;tärken hilft, als es nöthig i&#x017F;t, weil<lb/>
ihm die er&#x017F;te Grundregel des Accompagnements gleich beyfällt,<lb/>
welche wir <hi rendition="#fr">im 19ten § der Einleitung</hi> angeführet haben:<lb/>
Ein Accompagni&#x017F;t muß jedem Stücke, welches er begleitet, die<lb/>
ihm zukommende Harmonie, <hi rendition="#fr">in der gehörigen Stärke</hi> gleich-<lb/>
&#x017F;am anpa&#x017F;&#x017F;en.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 4.</head>
          <p>Um die&#x017F;er Regel genug zu thun, merken wir hier <hi rendition="#fr">zween<lb/>
Fälle an,</hi> welche einem Accompagni&#x017F;ten verbinden, die Beglei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">tung</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0183] Zwey und zwanzigſtes Capitel. Vom Einklange. ſam dabey alle melodiſchen und harmoniſchen Künſte, welche er auf das reizendeſte zuſammen verbindet. Nunmehro glaubet er, daß es Zeit ſey, die Aufmerkſamkeit ſeiner Zuhörer durch einen neuen Gegenſtand zu ermuntern; er ſuchet zu dem Ende mit einer Art von Begeiſterung einen Gedanken auf; die Pracht und das Erhabene dieſes Gedanken ſoll hervorragen und empfunden wer- den. Er entſaget dahero gleichſam auf einige Zeit den Schönhei- ten der Harmonie; ſein Gedanke ſoll einſtimmig bleiben; er ſoll allein der Gedanke und die Beſchäftigung aller Begleiter zugleich ſeyn; er wechſelt nachher glücklich mit dem Gebrauch der Har- monie wieder ab u. ſ. w. Sein Stück wird fertig. Es wird aufgeführet. Mitten in der angenehmſten Erwartung der er- wünſchten Ausnahme dieſes Gedanken ſtöhrt ihn die Begleitung des Clavieriſten. Dieſer vorbereitet und löſet ſeine vorgeſchrie- benen Intervallen ſo ehrlich, und ſo regelmäßig auf, als nur möglich; zur andern Zeit mit vielem Beyfall, nur jetzo zum Verdruß. Zum Glücke für den Accompagniſten beſinnet ſich der Componiſt, daß er ſelbſt in der Vorſtellung der Grundſtimme etwas verſehen hat, und iſt überaus froh, daß jener aus Eckel über ſeine unrechte Begleitung von ſelbſt ſeine Harmonie fahren läſſet, ſich an keine Ziffer weiter kehret, und dieſen Gedanken mit dem Einklange ſo weit verſtärken hilft, als es nöthig iſt, weil ihm die erſte Grundregel des Accompagnements gleich beyfällt, welche wir im 19ten § der Einleitung angeführet haben: Ein Accompagniſt muß jedem Stücke, welches er begleitet, die ihm zukommende Harmonie, in der gehörigen Stärke gleich- ſam anpaſſen. §. 4. Um dieſer Regel genug zu thun, merken wir hier zween Fälle an, welche einem Accompagniſten verbinden, die Beglei- tung Y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/183
Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/183>, abgerufen am 28.03.2024.