Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

Bild:
<< vorherige Seite

Die Sittenlehre
solchen Regeln gegen ihn handeln, welche dem all-
gemeinen Besten der Menschen gemäß sind. Ge-
genwehr und Strafe, Mißtrauen und Entfernung
sind zwar oftmals nöthig. Aber ohne Absicht auf
das Beste der Menschen, muß man seinem ärgsten
Feinde kein Haar krümmen, noch irgend eine
Dienstfertigkeit gegen ihn versäumen.

Wenn du es verhüten kannst, so laß das Mit-
leiden
nicht bis zum Affect anwachsen, weil du in
demselben die beste Art der Hülfe nicht erfinden
kannst. Hilf den Elenden, wie der geübte Arzt
den Kranken, zuweilen sogar durch schmerzhafte
Mittel.

Wer aus Mitleiden die Zucht der Jugend
und die Strafe der Lasterhaften
versäumet
oder verhindert, der vergißt des wichtigern Mit-
leidens mit dem menschlichen Geschlechte, welches
durch die üble Erziehung und durch die Straflosig-
keit der Laster vielen Uebeln unterworfen ist, und
vieler grossen Vortheile entbehrt.

§. 41.

Laß dir besonders die Dienstfertigkeit em-
pfohlen seyn; erstlich, gegen deine Wohlthäter,
denn auch sogar der Schein der Undankbarkeit ist
sehr verhaßt, und schreckt von Wohlthaten ab.
Zweitens, gegen diejenigen Verwandte und

Freunde,

Die Sittenlehre
ſolchen Regeln gegen ihn handeln, welche dem all-
gemeinen Beſten der Menſchen gemaͤß ſind. Ge-
genwehr und Strafe, Mißtrauen und Entfernung
ſind zwar oftmals noͤthig. Aber ohne Abſicht auf
das Beſte der Menſchen, muß man ſeinem aͤrgſten
Feinde kein Haar kruͤmmen, noch irgend eine
Dienſtfertigkeit gegen ihn verſaͤumen.

Wenn du es verhuͤten kannſt, ſo laß das Mit-
leiden
nicht bis zum Affect anwachſen, weil du in
demſelben die beſte Art der Huͤlfe nicht erfinden
kannſt. Hilf den Elenden, wie der geuͤbte Arzt
den Kranken, zuweilen ſogar durch ſchmerzhafte
Mittel.

Wer aus Mitleiden die Zucht der Jugend
und die Strafe der Laſterhaften
verſaͤumet
oder verhindert, der vergißt des wichtigern Mit-
leidens mit dem menſchlichen Geſchlechte, welches
durch die uͤble Erziehung und durch die Strafloſig-
keit der Laſter vielen Uebeln unterworfen iſt, und
vieler groſſen Vortheile entbehrt.

§. 41.

Laß dir beſonders die Dienſtfertigkeit em-
pfohlen ſeyn; erſtlich, gegen deine Wohlthäter,
denn auch ſogar der Schein der Undankbarkeit iſt
ſehr verhaßt, und ſchreckt von Wohlthaten ab.
Zweitens, gegen diejenigen Verwandte und

Freunde,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0112" n="88"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Sittenlehre</hi></fw><lb/>
&#x017F;olchen Regeln gegen ihn handeln, welche dem all-<lb/>
gemeinen Be&#x017F;ten der Men&#x017F;chen gema&#x0364;ß &#x017F;ind. Ge-<lb/>
genwehr und Strafe, Mißtrauen und Entfernung<lb/>
&#x017F;ind zwar oftmals no&#x0364;thig. Aber ohne Ab&#x017F;icht auf<lb/>
das Be&#x017F;te der Men&#x017F;chen, muß man &#x017F;einem a&#x0364;rg&#x017F;ten<lb/>
Feinde kein Haar kru&#x0364;mmen, noch irgend eine<lb/>
Dien&#x017F;tfertigkeit gegen ihn ver&#x017F;a&#x0364;umen.</p><lb/>
          <p>Wenn du es verhu&#x0364;ten kann&#x017F;t, &#x017F;o laß das <hi rendition="#fr">Mit-<lb/>
leiden</hi> nicht bis zum Affect anwach&#x017F;en, weil du in<lb/>
dem&#x017F;elben die be&#x017F;te Art der Hu&#x0364;lfe nicht erfinden<lb/>
kann&#x017F;t. Hilf den Elenden, wie der geu&#x0364;bte Arzt<lb/>
den Kranken, zuweilen &#x017F;ogar durch &#x017F;chmerzhafte<lb/>
Mittel.</p><lb/>
          <p>Wer <hi rendition="#fr">aus Mitleiden die Zucht der Jugend<lb/>
und die Strafe der La&#x017F;terhaften</hi> ver&#x017F;a&#x0364;umet<lb/>
oder verhindert, der vergißt des wichtigern Mit-<lb/>
leidens mit dem men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechte, welches<lb/>
durch die u&#x0364;ble Erziehung und durch die Straflo&#x017F;ig-<lb/>
keit der La&#x017F;ter vielen Uebeln unterworfen i&#x017F;t, und<lb/>
vieler gro&#x017F;&#x017F;en Vortheile entbehrt.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 41.</head><lb/>
          <p>Laß dir be&#x017F;onders die <hi rendition="#fr">Dien&#x017F;tfertigkeit</hi> em-<lb/>
pfohlen &#x017F;eyn; er&#x017F;tlich, gegen deine <hi rendition="#fr">Wohlthäter,</hi><lb/>
denn auch &#x017F;ogar der Schein der Undankbarkeit i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehr verhaßt, und &#x017F;chreckt von Wohlthaten ab.<lb/>
Zweitens, gegen diejenigen <hi rendition="#fr">Verwandte</hi> und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Freunde,</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0112] Die Sittenlehre ſolchen Regeln gegen ihn handeln, welche dem all- gemeinen Beſten der Menſchen gemaͤß ſind. Ge- genwehr und Strafe, Mißtrauen und Entfernung ſind zwar oftmals noͤthig. Aber ohne Abſicht auf das Beſte der Menſchen, muß man ſeinem aͤrgſten Feinde kein Haar kruͤmmen, noch irgend eine Dienſtfertigkeit gegen ihn verſaͤumen. Wenn du es verhuͤten kannſt, ſo laß das Mit- leiden nicht bis zum Affect anwachſen, weil du in demſelben die beſte Art der Huͤlfe nicht erfinden kannſt. Hilf den Elenden, wie der geuͤbte Arzt den Kranken, zuweilen ſogar durch ſchmerzhafte Mittel. Wer aus Mitleiden die Zucht der Jugend und die Strafe der Laſterhaften verſaͤumet oder verhindert, der vergißt des wichtigern Mit- leidens mit dem menſchlichen Geſchlechte, welches durch die uͤble Erziehung und durch die Strafloſig- keit der Laſter vielen Uebeln unterworfen iſt, und vieler groſſen Vortheile entbehrt. §. 41. Laß dir beſonders die Dienſtfertigkeit em- pfohlen ſeyn; erſtlich, gegen deine Wohlthäter, denn auch ſogar der Schein der Undankbarkeit iſt ſehr verhaßt, und ſchreckt von Wohlthaten ab. Zweitens, gegen diejenigen Verwandte und Freunde,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/112
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/112>, abgerufen am 29.03.2024.