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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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trank: Auf Ihr Wohl, Graf Ludwig, und auf eine bessere, schönere Zukunft!

Nachdem ihre Lippen den Juwelenkelch berührt und dessen Wein gekostet hatten, gab sie den Falken mit freundlichem Blick in des Grafen Hand zurück, und auch er trank mit einem vollen, überströmenden Gefühle, das keine Worte fand; dann sprach er: Und diesem mir doppeltgeweihten Gefäß, aus dem ich nun zweimal süßen Zauber getrunken, muß ich entsagen; glauben Sie, theure Sophie, das ist kein leichter Entschluß, aber ich will Sieger über mich selbst sein, ich will es, weil ich es mir selbst gelobt habe.

Noch an demselben Tage kam der Falk von Kniphausen zur Post, wohlverwahrt und weich gebettet, um bald darauf über den Kanal zu reisen, von zarter Hand enthüllt und mit Staunen begrüßt zu werden. Die ganze reiche Grafschaft Devonshire bewahrte kein Kleinod von Künstlerhand, das diesem an Pracht, Schönheit und Werth sich gleichstellen konnte.



6. Ein Tag in Wien.


Eine lange Zeit der Unruhe war über den Grafen verhängt, der so sehr nach Ruhe und abgeschlossener Stille sich sehnte. Briefe kamen von Sophiens Mutter, alle mehr oder minder voll Furcht und Bangen, wie voll Klagen, daß sie durch Bande der Pflicht gebunden, nicht in der Lage sei, mit der geliebten Tochter sich wieder zu vereinen. Dennoch wollte sie deren Leben und Zukunft so gern gesichert sehen. An einem deutschen Hofe durfte dies nicht geschehen, denn an einem solchen konnte die junge Prinzessin nicht incognito auftreten, sie würde, wenn ihre Herkunft bekannt geworden wäre, jedenfalls eine mißliche Rolle gespielt haben. Da fiel der besorgten Mutter zuletzt ein Ausweg ein, sie wollte sich einem hohen Freund anvertrauen, dem es ein Leichtes war, ihrer Tochter, und wenn diese es wünschte, auch deren treuen Beschützer und Begleiter ein sicheres und unnahbares Asyl zu gewähren. Prinzessin Charlotte hatte beim Aufenthalt in

trank: Auf Ihr Wohl, Graf Ludwig, und auf eine bessere, schönere Zukunft!

Nachdem ihre Lippen den Juwelenkelch berührt und dessen Wein gekostet hatten, gab sie den Falken mit freundlichem Blick in des Grafen Hand zurück, und auch er trank mit einem vollen, überströmenden Gefühle, das keine Worte fand; dann sprach er: Und diesem mir doppeltgeweihten Gefäß, aus dem ich nun zweimal süßen Zauber getrunken, muß ich entsagen; glauben Sie, theure Sophie, das ist kein leichter Entschluß, aber ich will Sieger über mich selbst sein, ich will es, weil ich es mir selbst gelobt habe.

Noch an demselben Tage kam der Falk von Kniphausen zur Post, wohlverwahrt und weich gebettet, um bald darauf über den Kanal zu reisen, von zarter Hand enthüllt und mit Staunen begrüßt zu werden. Die ganze reiche Grafschaft Devonshire bewahrte kein Kleinod von Künstlerhand, das diesem an Pracht, Schönheit und Werth sich gleichstellen konnte.



6. Ein Tag in Wien.


Eine lange Zeit der Unruhe war über den Grafen verhängt, der so sehr nach Ruhe und abgeschlossener Stille sich sehnte. Briefe kamen von Sophiens Mutter, alle mehr oder minder voll Furcht und Bangen, wie voll Klagen, daß sie durch Bande der Pflicht gebunden, nicht in der Lage sei, mit der geliebten Tochter sich wieder zu vereinen. Dennoch wollte sie deren Leben und Zukunft so gern gesichert sehen. An einem deutschen Hofe durfte dies nicht geschehen, denn an einem solchen konnte die junge Prinzessin nicht incognito auftreten, sie würde, wenn ihre Herkunft bekannt geworden wäre, jedenfalls eine mißliche Rolle gespielt haben. Da fiel der besorgten Mutter zuletzt ein Ausweg ein, sie wollte sich einem hohen Freund anvertrauen, dem es ein Leichtes war, ihrer Tochter, und wenn diese es wünschte, auch deren treuen Beschützer und Begleiter ein sicheres und unnahbares Asyl zu gewähren. Prinzessin Charlotte hatte beim Aufenthalt in

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[401/0405] trank: Auf Ihr Wohl, Graf Ludwig, und auf eine bessere, schönere Zukunft! Nachdem ihre Lippen den Juwelenkelch berührt und dessen Wein gekostet hatten, gab sie den Falken mit freundlichem Blick in des Grafen Hand zurück, und auch er trank mit einem vollen, überströmenden Gefühle, das keine Worte fand; dann sprach er: Und diesem mir doppeltgeweihten Gefäß, aus dem ich nun zweimal süßen Zauber getrunken, muß ich entsagen; glauben Sie, theure Sophie, das ist kein leichter Entschluß, aber ich will Sieger über mich selbst sein, ich will es, weil ich es mir selbst gelobt habe. Noch an demselben Tage kam der Falk von Kniphausen zur Post, wohlverwahrt und weich gebettet, um bald darauf über den Kanal zu reisen, von zarter Hand enthüllt und mit Staunen begrüßt zu werden. Die ganze reiche Grafschaft Devonshire bewahrte kein Kleinod von Künstlerhand, das diesem an Pracht, Schönheit und Werth sich gleichstellen konnte. 6. Ein Tag in Wien. Eine lange Zeit der Unruhe war über den Grafen verhängt, der so sehr nach Ruhe und abgeschlossener Stille sich sehnte. Briefe kamen von Sophiens Mutter, alle mehr oder minder voll Furcht und Bangen, wie voll Klagen, daß sie durch Bande der Pflicht gebunden, nicht in der Lage sei, mit der geliebten Tochter sich wieder zu vereinen. Dennoch wollte sie deren Leben und Zukunft so gern gesichert sehen. An einem deutschen Hofe durfte dies nicht geschehen, denn an einem solchen konnte die junge Prinzessin nicht incognito auftreten, sie würde, wenn ihre Herkunft bekannt geworden wäre, jedenfalls eine mißliche Rolle gespielt haben. Da fiel der besorgten Mutter zuletzt ein Ausweg ein, sie wollte sich einem hohen Freund anvertrauen, dem es ein Leichtes war, ihrer Tochter, und wenn diese es wünschte, auch deren treuen Beschützer und Begleiter ein sicheres und unnahbares Asyl zu gewähren. Prinzessin Charlotte hatte beim Aufenthalt in

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/405>, abgerufen am 18.04.2024.