Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite
Einleitung.

Mit dem Jahre 1871 beginnt die neueste Zeit in der Ent-
wickelung der Eisenindustrie. Sie steht an Grossartigkeit der Fort-
schritte hinter keiner früheren Periode zurück und übertrifft alle an
Zahl der Erfindungen, der wissenschaftlichen Untersuchungen und
der litterarischen Arbeiten. Die seit dem Jahre 1871 veröffentlichten
Druckschriften über das Eisen nehmen einen grösseren Umfang ein,
als alle Schriften über das Eisen, welche vor dieser Zeit erschienen
sind. Wollte man diese umfangreiche Litteratur und die Erfindungen
und Vorschläge, welche in den zahllosen Patenten enthalten sind, mit
derselben Gründlichkeit bearbeiten, wie dies in der Geschichte der
früheren Jahrhunderte geschehen ist, so würde der Umfang des
Werkes mindestens auf das doppelte anschwellen. Wir müssen uns
daher auf eine kurze Übersicht der wichtigsten Ereignisse und Er-
scheinungen dieser Periode beschränken. Es dürfte sogar die Frage
aufgeworfen werden, ob es nicht besser gewesen wäre, das Geschichts-
werk mit dem Jahre 1870 abzuschliessen, da die Ereignisse der letzten
30 Jahre ja noch im Gedächtnis der Zeitgenossen lebendig sind?
Hierzu konnte sich der Verfasser jedoch nicht entschliessen. Ein
grosser Teil der wichtigen Ereignisse dieser Zeit, die einen rascheren
Schritt genommen hat, als irgend eine der früheren, ist bereits
Geschichte geworden und es würde dem Werk der richtige Schluss
fehlen, wenn wir ein so wichtiges Ereignis, wie z. B. die Erfindung
und die Ausbreitung des Thomasprozesses, unerwähnt lassen wollten.

Bildet doch die Frage der Entphosphorung, die Herstellung von
gutem Flusseisen aus phosphorhaltigem Roheisen, das Rückgrat der
Bestrebungen und Fortschritte der Eisenindustrie in dieser Zeit. Man
könnte sehr wohl den ganzen Zeitabschnitt in zwei Teile zerlegen,
deren erster, von 1871 bis 1879, das Suchen nach der Entphosphorung
des Eisens und deren zweiter, von 1880 bis zur Gegenwart, die Aus-
beutung der Entphosphorung enthält.

Es ist aber nicht die Absicht, diese wichtige Erfindung zum Ein-
teilungsprincip zu machen, es soll vielmehr, wie seither, chronologisch
vorgegangen werden, weil dies dem Grundsatz historischer Objektivität
am meisten entspricht. So wichtig die Erfindung der Entphosphorung

Einleitung.

Mit dem Jahre 1871 beginnt die neueste Zeit in der Ent-
wickelung der Eisenindustrie. Sie steht an Groſsartigkeit der Fort-
schritte hinter keiner früheren Periode zurück und übertrifft alle an
Zahl der Erfindungen, der wissenschaftlichen Untersuchungen und
der litterarischen Arbeiten. Die seit dem Jahre 1871 veröffentlichten
Druckschriften über das Eisen nehmen einen gröſseren Umfang ein,
als alle Schriften über das Eisen, welche vor dieser Zeit erschienen
sind. Wollte man diese umfangreiche Litteratur und die Erfindungen
und Vorschläge, welche in den zahllosen Patenten enthalten sind, mit
derselben Gründlichkeit bearbeiten, wie dies in der Geschichte der
früheren Jahrhunderte geschehen ist, so würde der Umfang des
Werkes mindestens auf das doppelte anschwellen. Wir müssen uns
daher auf eine kurze Übersicht der wichtigsten Ereignisse und Er-
scheinungen dieser Periode beschränken. Es dürfte sogar die Frage
aufgeworfen werden, ob es nicht besser gewesen wäre, das Geschichts-
werk mit dem Jahre 1870 abzuschlieſsen, da die Ereignisse der letzten
30 Jahre ja noch im Gedächtnis der Zeitgenossen lebendig sind?
Hierzu konnte sich der Verfasser jedoch nicht entschlieſsen. Ein
groſser Teil der wichtigen Ereignisse dieser Zeit, die einen rascheren
Schritt genommen hat, als irgend eine der früheren, ist bereits
Geschichte geworden und es würde dem Werk der richtige Schluſs
fehlen, wenn wir ein so wichtiges Ereignis, wie z. B. die Erfindung
und die Ausbreitung des Thomasprozesses, unerwähnt lassen wollten.

Bildet doch die Frage der Entphosphorung, die Herstellung von
gutem Fluſseisen aus phosphorhaltigem Roheisen, das Rückgrat der
Bestrebungen und Fortschritte der Eisenindustrie in dieser Zeit. Man
könnte sehr wohl den ganzen Zeitabschnitt in zwei Teile zerlegen,
deren erster, von 1871 bis 1879, das Suchen nach der Entphosphorung
des Eisens und deren zweiter, von 1880 bis zur Gegenwart, die Aus-
beutung der Entphosphorung enthält.

Es ist aber nicht die Absicht, diese wichtige Erfindung zum Ein-
teilungsprincip zu machen, es soll vielmehr, wie seither, chronologisch
vorgegangen werden, weil dies dem Grundsatz historischer Objektivität
am meisten entspricht. So wichtig die Erfindung der Entphosphorung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0317" n="[301]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</head><lb/>
          <p>Mit dem Jahre 1871 beginnt die <hi rendition="#g">neueste Zeit</hi> in der Ent-<lb/>
wickelung der Eisenindustrie. Sie steht an Gro&#x017F;sartigkeit der Fort-<lb/>
schritte hinter keiner früheren Periode zurück und übertrifft alle an<lb/>
Zahl der Erfindungen, der wissenschaftlichen Untersuchungen und<lb/>
der litterarischen Arbeiten. Die seit dem Jahre 1871 veröffentlichten<lb/>
Druckschriften über das Eisen nehmen einen grö&#x017F;seren Umfang ein,<lb/>
als alle Schriften über das Eisen, welche vor dieser Zeit erschienen<lb/>
sind. Wollte man diese umfangreiche Litteratur und die Erfindungen<lb/>
und Vorschläge, welche in den zahllosen Patenten enthalten sind, mit<lb/>
derselben Gründlichkeit bearbeiten, wie dies in der Geschichte der<lb/>
früheren Jahrhunderte geschehen ist, so würde der Umfang des<lb/>
Werkes mindestens auf das doppelte anschwellen. Wir müssen uns<lb/>
daher auf eine kurze Übersicht der wichtigsten Ereignisse und Er-<lb/>
scheinungen dieser Periode beschränken. Es dürfte sogar die Frage<lb/>
aufgeworfen werden, ob es nicht besser gewesen wäre, das Geschichts-<lb/>
werk mit dem Jahre 1870 abzuschlie&#x017F;sen, da die Ereignisse der letzten<lb/>
30 Jahre ja noch im Gedächtnis der Zeitgenossen lebendig sind?<lb/>
Hierzu konnte sich der Verfasser jedoch nicht entschlie&#x017F;sen. Ein<lb/>
gro&#x017F;ser Teil der wichtigen Ereignisse dieser Zeit, die einen rascheren<lb/>
Schritt genommen hat, als irgend eine der früheren, ist bereits<lb/>
Geschichte geworden und es würde dem Werk der richtige Schlu&#x017F;s<lb/>
fehlen, wenn wir ein so wichtiges Ereignis, wie z. B. die Erfindung<lb/>
und die Ausbreitung des Thomasprozesses, unerwähnt lassen wollten.</p><lb/>
          <p>Bildet doch die Frage der Entphosphorung, die Herstellung von<lb/>
gutem Flu&#x017F;seisen aus phosphorhaltigem Roheisen, das Rückgrat der<lb/>
Bestrebungen und Fortschritte der Eisenindustrie in dieser Zeit. Man<lb/>
könnte sehr wohl den ganzen Zeitabschnitt in zwei Teile zerlegen,<lb/>
deren erster, von 1871 bis 1879, das Suchen nach der Entphosphorung<lb/>
des Eisens und deren zweiter, von 1880 bis zur Gegenwart, die Aus-<lb/>
beutung der Entphosphorung enthält.</p><lb/>
          <p>Es ist aber nicht die Absicht, diese wichtige Erfindung zum Ein-<lb/>
teilungsprincip zu machen, es soll vielmehr, wie seither, chronologisch<lb/>
vorgegangen werden, weil dies dem Grundsatz historischer Objektivität<lb/>
am meisten entspricht. So wichtig die Erfindung der Entphosphorung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[301]/0317] Einleitung. Mit dem Jahre 1871 beginnt die neueste Zeit in der Ent- wickelung der Eisenindustrie. Sie steht an Groſsartigkeit der Fort- schritte hinter keiner früheren Periode zurück und übertrifft alle an Zahl der Erfindungen, der wissenschaftlichen Untersuchungen und der litterarischen Arbeiten. Die seit dem Jahre 1871 veröffentlichten Druckschriften über das Eisen nehmen einen gröſseren Umfang ein, als alle Schriften über das Eisen, welche vor dieser Zeit erschienen sind. Wollte man diese umfangreiche Litteratur und die Erfindungen und Vorschläge, welche in den zahllosen Patenten enthalten sind, mit derselben Gründlichkeit bearbeiten, wie dies in der Geschichte der früheren Jahrhunderte geschehen ist, so würde der Umfang des Werkes mindestens auf das doppelte anschwellen. Wir müssen uns daher auf eine kurze Übersicht der wichtigsten Ereignisse und Er- scheinungen dieser Periode beschränken. Es dürfte sogar die Frage aufgeworfen werden, ob es nicht besser gewesen wäre, das Geschichts- werk mit dem Jahre 1870 abzuschlieſsen, da die Ereignisse der letzten 30 Jahre ja noch im Gedächtnis der Zeitgenossen lebendig sind? Hierzu konnte sich der Verfasser jedoch nicht entschlieſsen. Ein groſser Teil der wichtigen Ereignisse dieser Zeit, die einen rascheren Schritt genommen hat, als irgend eine der früheren, ist bereits Geschichte geworden und es würde dem Werk der richtige Schluſs fehlen, wenn wir ein so wichtiges Ereignis, wie z. B. die Erfindung und die Ausbreitung des Thomasprozesses, unerwähnt lassen wollten. Bildet doch die Frage der Entphosphorung, die Herstellung von gutem Fluſseisen aus phosphorhaltigem Roheisen, das Rückgrat der Bestrebungen und Fortschritte der Eisenindustrie in dieser Zeit. Man könnte sehr wohl den ganzen Zeitabschnitt in zwei Teile zerlegen, deren erster, von 1871 bis 1879, das Suchen nach der Entphosphorung des Eisens und deren zweiter, von 1880 bis zur Gegenwart, die Aus- beutung der Entphosphorung enthält. Es ist aber nicht die Absicht, diese wichtige Erfindung zum Ein- teilungsprincip zu machen, es soll vielmehr, wie seither, chronologisch vorgegangen werden, weil dies dem Grundsatz historischer Objektivität am meisten entspricht. So wichtig die Erfindung der Entphosphorung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/317
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. [301]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/317>, abgerufen am 28.03.2024.