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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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baldiger Rückkehr nach China aufforderte. Schon 1274 erschienen
sie dort, begleitet vom jungen Marco, mit einem Schreiben Papst
Gregor X.
an den Mongolen-Kaiser. Marco gewann des Herrschers
Gunst, blieb siebzehn Jahre in dessen Dienst und erhielt nur schwer
die Erlaubniss zur Heimkehr. Was er von den Schätzen des
grossen Reiches und der Pracht des Mongolenhofes berichtet, trug
ihm bei den Venetianern den Namen Messer Marco Millione ein.
Neuere Erfahrungen haben die Glaubwürdigkeit seiner Erzählung in
besseres Licht gestellt.

Dem Aufenthalte des Marco Polo folgte unmittelbar der des
Giovanni de Corvino, welcher, von Rom gesandt, 1288 in Pe-kin
erschien und gütig aufgenommen wurde. Trotz allen Wider-
standes der Nestorianer durfte er eine Kirche bauen, und soll
einige Tausend Chinesen getauft, auch viele Kinder in der lateini-
schen Sprache und den Glaubenslehren unterrichtet haben. Cle-
mens V.
machte ihn zum Bischof von Kam-ba-lu, -- so hiess Pe-kin
bei den Tartaren, -- und sandte ihm einige Priester zur Unter-
stützung. Einen würdigen Nachfolger hat er nicht gefunden; nach
seinem Tode ging die Mission ein oder gerieth in Vergessenheit.

Das 14. und 15. Jahrhundert bilden, soweit die Kenntniss
des Verfassers reicht, in den Beziehungen des Westens zum chi-
nesischen Reich eine Lücke; es ist, als wäre China durch die Por-
tugiesen erst wieder entdeckt worden. Die Nachrichten über deren
erstes Auftreten und über das der Niederländer und Engländer sind
dunkel und verworren; die Abenteurer mochten weder den Wunsch
noch die Ehrlichkeit haben, die Wahrheit zu sagen. Sehr bezeichnend
ist die Thatsache, dass, -- während in früheren Zeitaltern die Chi-
nesen durchaus keinen Widerwillen gegen Fremde bewiesen und
den Bekehrungsversuchen christlicher Missionare kaum Hindernisse
bereiteten, während ihre classischen Schriften die Wohlthaten des
Handels und den Nutzen preisen, welcher den Völkern aus dem
Austausch ihrer Ideen und Erzeugnisse erwachse, -- seit dem Er-
scheinen der seefahrenden Nationen eine ausgesprochene Abneigung,
ja Feindschaft und Verachtung gegen dieselben hervortrat. Sie
steigerte sich erheblich seit der Invasion der Mandschu, deren Un-
sicherheit auf dem chinesischen Thron ihren Argwohn gegen die
Fremden genährt haben mag; begründet war sie aber wesentlich
im Charakter und Auftreten der Seefahrer und der Missionare.
Erstere gehörten grossentheils zum Auswurf ihrer Heimath; selbst

baldiger Rückkehr nach China aufforderte. Schon 1274 erschienen
sie dort, begleitet vom jungen Marco, mit einem Schreiben Papst
Gregor X.
an den Mongolen-Kaiser. Marco gewann des Herrschers
Gunst, blieb siebzehn Jahre in dessen Dienst und erhielt nur schwer
die Erlaubniss zur Heimkehr. Was er von den Schätzen des
grossen Reiches und der Pracht des Mongolenhofes berichtet, trug
ihm bei den Venetianern den Namen Messer Marco Millione ein.
Neuere Erfahrungen haben die Glaubwürdigkeit seiner Erzählung in
besseres Licht gestellt.

Dem Aufenthalte des Marco Polo folgte unmittelbar der des
Giovanni de Corvino, welcher, von Rom gesandt, 1288 in Pe-kiṅ
erschien und gütig aufgenommen wurde. Trotz allen Wider-
standes der Nestorianer durfte er eine Kirche bauen, und soll
einige Tausend Chinesen getauft, auch viele Kinder in der lateini-
schen Sprache und den Glaubenslehren unterrichtet haben. Cle-
mens V.
machte ihn zum Bischof von Kam-ba-lu, — so hiess Pe-kiṅ
bei den Tartaren, — und sandte ihm einige Priester zur Unter-
stützung. Einen würdigen Nachfolger hat er nicht gefunden; nach
seinem Tode ging die Mission ein oder gerieth in Vergessenheit.

Das 14. und 15. Jahrhundert bilden, soweit die Kenntniss
des Verfassers reicht, in den Beziehungen des Westens zum chi-
nesischen Reich eine Lücke; es ist, als wäre China durch die Por-
tugiesen erst wieder entdeckt worden. Die Nachrichten über deren
erstes Auftreten und über das der Niederländer und Engländer sind
dunkel und verworren; die Abenteurer mochten weder den Wunsch
noch die Ehrlichkeit haben, die Wahrheit zu sagen. Sehr bezeichnend
ist die Thatsache, dass, — während in früheren Zeitaltern die Chi-
nesen durchaus keinen Widerwillen gegen Fremde bewiesen und
den Bekehrungsversuchen christlicher Missionare kaum Hindernisse
bereiteten, während ihre classischen Schriften die Wohlthaten des
Handels und den Nutzen preisen, welcher den Völkern aus dem
Austausch ihrer Ideen und Erzeugnisse erwachse, — seit dem Er-
scheinen der seefahrenden Nationen eine ausgesprochene Abneigung,
ja Feindschaft und Verachtung gegen dieselben hervortrat. Sie
steigerte sich erheblich seit der Invasion der Mandschu, deren Un-
sicherheit auf dem chinesischen Thron ihren Argwohn gegen die
Fremden genährt haben mag; begründet war sie aber wesentlich
im Charakter und Auftreten der Seefahrer und der Missionare.
Erstere gehörten grossentheils zum Auswurf ihrer Heimath; selbst

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[6/0028] Marco Polo. Corvino. baldiger Rückkehr nach China aufforderte. Schon 1274 erschienen sie dort, begleitet vom jungen Marco, mit einem Schreiben Papst Gregor X. an den Mongolen-Kaiser. Marco gewann des Herrschers Gunst, blieb siebzehn Jahre in dessen Dienst und erhielt nur schwer die Erlaubniss zur Heimkehr. Was er von den Schätzen des grossen Reiches und der Pracht des Mongolenhofes berichtet, trug ihm bei den Venetianern den Namen Messer Marco Millione ein. Neuere Erfahrungen haben die Glaubwürdigkeit seiner Erzählung in besseres Licht gestellt. Dem Aufenthalte des Marco Polo folgte unmittelbar der des Giovanni de Corvino, welcher, von Rom gesandt, 1288 in Pe-kiṅ erschien und gütig aufgenommen wurde. Trotz allen Wider- standes der Nestorianer durfte er eine Kirche bauen, und soll einige Tausend Chinesen getauft, auch viele Kinder in der lateini- schen Sprache und den Glaubenslehren unterrichtet haben. Cle- mens V. machte ihn zum Bischof von Kam-ba-lu, — so hiess Pe-kiṅ bei den Tartaren, — und sandte ihm einige Priester zur Unter- stützung. Einen würdigen Nachfolger hat er nicht gefunden; nach seinem Tode ging die Mission ein oder gerieth in Vergessenheit. Das 14. und 15. Jahrhundert bilden, soweit die Kenntniss des Verfassers reicht, in den Beziehungen des Westens zum chi- nesischen Reich eine Lücke; es ist, als wäre China durch die Por- tugiesen erst wieder entdeckt worden. Die Nachrichten über deren erstes Auftreten und über das der Niederländer und Engländer sind dunkel und verworren; die Abenteurer mochten weder den Wunsch noch die Ehrlichkeit haben, die Wahrheit zu sagen. Sehr bezeichnend ist die Thatsache, dass, — während in früheren Zeitaltern die Chi- nesen durchaus keinen Widerwillen gegen Fremde bewiesen und den Bekehrungsversuchen christlicher Missionare kaum Hindernisse bereiteten, während ihre classischen Schriften die Wohlthaten des Handels und den Nutzen preisen, welcher den Völkern aus dem Austausch ihrer Ideen und Erzeugnisse erwachse, — seit dem Er- scheinen der seefahrenden Nationen eine ausgesprochene Abneigung, ja Feindschaft und Verachtung gegen dieselben hervortrat. Sie steigerte sich erheblich seit der Invasion der Mandschu, deren Un- sicherheit auf dem chinesischen Thron ihren Argwohn gegen die Fremden genährt haben mag; begründet war sie aber wesentlich im Charakter und Auftreten der Seefahrer und der Missionare. Erstere gehörten grossentheils zum Auswurf ihrer Heimath; selbst

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/28>, abgerufen am 19.04.2024.