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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVII. Der russische Handel.
dieselbe sich Russland zu verbinden, zugleich auch die Loyalität
und Unterwürfigkeit der Mongolenstämme durch Erschliessung neuer
Erwerbsquellen zu sichern und jede Möglichkeit von Collisionen zu
beseitigen. In Kurzem hob sich der Verkehr bedeutend. Da die
Kaufleute der Provinz San-si, welche den russischen Handel be-
herrschen, weit und breit in der Tartarei und in allen Landschaften
nördlich vom Yan-tse-kian Verbindungen haben. so gewann der
Verbrauch russischer Waaren grosse Ausdehnung. Man kaufte da-
mals in ganz China dickes russisches Tuch zu Preisen, welche die
Fabricationskosten kaum decken konnten. Wenn nun dieser Ar-
tikel in Russland nicht so billig herzustellen ist als in anderen
europäischen Ländern, wenn er einen endlosen Weg durch unwirth-
bare Strecken, und, an der Grenze verkauft, nochmals eine lange
Wüstenreise machen muss, so lässt sich ermessen, dass die Russen
ihn mit Schaden verkauften. Die Czaaren wollten die einheimische
Fabrication dadurch heben und bewirkten durch das Verbot der
Einfuhr chinesischer Producte zur See, dass der Verlust durch den
Preis der eingetauschten Waaren ausgeglichen wurde; denn der
Handel in Kiakta war lediglich Tauschhandel. 1830 wurden
154,552 Ellen russisches Tuch in China eingeführt, 1840 schon
1,328,912 Ellen. In demselben Maasse hob sich die Ausfuhr von
Thee, mit welchem die Chinesen das Tuch bezahlten. Nur zu-
weilen gestattete damals die Regierung des Czaaren als Ausnahme
russischen Schiffen, eine Thee-Ladung nach der Ostsee zu führen,
nachdem die Handelsbeschränkung von chinesischer Seite aufgehoben
war. -- Die russischen Tuche scheinen sich aber dermaassen ver-
schlechtert zu haben, dass die Chinesen sie nicht mehr wollten;
darauf versuchten die Russen deren Thee mit Silberwaaren zu be-
zahlen, verwendeten aber bald so schlechtes Metall, dass die Chi-
nesen auch diese zurückwiesen. Die kaiserliche Regierung soll
strenge Untersuchung gegen die privilegirte Handelsgesellschaft in
Moskau angeordnet haben, auf deren Rechnung diese Fälschungen
kamen, und sah sich später veranlasst, das Verbot der Einfuhr zur
See aufzuheben.

Das eifrige Streben der russischen Regierung, ihrer Mission
in Pe-kin politische Bedeutung zu geben, blieb auch nach dem
Frieden von Nan-kin erfolglos, bis Graf Putiatine 1858 den russi-
schen Vertrag von Tien-tsin unterzeichnete. Selbst dieser sicherte
der Regierung des Czaaren nur die Gleichstellung im schriftlichen

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XVII. Der russische Handel.
dieselbe sich Russland zu verbinden, zugleich auch die Loyalität
und Unterwürfigkeit der Mongolenstämme durch Erschliessung neuer
Erwerbsquellen zu sichern und jede Möglichkeit von Collisionen zu
beseitigen. In Kurzem hob sich der Verkehr bedeutend. Da die
Kaufleute der Provinz Šan-si, welche den russischen Handel be-
herrschen, weit und breit in der Tartarei und in allen Landschaften
nördlich vom Yaṅ-tse-kiaṅ Verbindungen haben. so gewann der
Verbrauch russischer Waaren grosse Ausdehnung. Man kaufte da-
mals in ganz China dickes russisches Tuch zu Preisen, welche die
Fabricationskosten kaum decken konnten. Wenn nun dieser Ar-
tikel in Russland nicht so billig herzustellen ist als in anderen
europäischen Ländern, wenn er einen endlosen Weg durch unwirth-
bare Strecken, und, an der Grenze verkauft, nochmals eine lange
Wüstenreise machen muss, so lässt sich ermessen, dass die Russen
ihn mit Schaden verkauften. Die Czaaren wollten die einheimische
Fabrication dadurch heben und bewirkten durch das Verbot der
Einfuhr chinesischer Producte zur See, dass der Verlust durch den
Preis der eingetauschten Waaren ausgeglichen wurde; denn der
Handel in Kiakta war lediglich Tauschhandel. 1830 wurden
154,552 Ellen russisches Tuch in China eingeführt, 1840 schon
1,328,912 Ellen. In demselben Maasse hob sich die Ausfuhr von
Thee, mit welchem die Chinesen das Tuch bezahlten. Nur zu-
weilen gestattete damals die Regierung des Czaaren als Ausnahme
russischen Schiffen, eine Thee-Ladung nach der Ostsee zu führen,
nachdem die Handelsbeschränkung von chinesischer Seite aufgehoben
war. — Die russischen Tuche scheinen sich aber dermaassen ver-
schlechtert zu haben, dass die Chinesen sie nicht mehr wollten;
darauf versuchten die Russen deren Thee mit Silberwaaren zu be-
zahlen, verwendeten aber bald so schlechtes Metall, dass die Chi-
nesen auch diese zurückwiesen. Die kaiserliche Regierung soll
strenge Untersuchung gegen die privilegirte Handelsgesellschaft in
Moskau angeordnet haben, auf deren Rechnung diese Fälschungen
kamen, und sah sich später veranlasst, das Verbot der Einfuhr zur
See aufzuheben.

Das eifrige Streben der russischen Regierung, ihrer Mission
in Pe-kiṅ politische Bedeutung zu geben, blieb auch nach dem
Frieden von Nan-kiṅ erfolglos, bis Graf Putiatine 1858 den russi-
schen Vertrag von Tien-tsin unterzeichnete. Selbst dieser sicherte
der Regierung des Czaaren nur die Gleichstellung im schriftlichen

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[131/0145] XVII. Der russische Handel. dieselbe sich Russland zu verbinden, zugleich auch die Loyalität und Unterwürfigkeit der Mongolenstämme durch Erschliessung neuer Erwerbsquellen zu sichern und jede Möglichkeit von Collisionen zu beseitigen. In Kurzem hob sich der Verkehr bedeutend. Da die Kaufleute der Provinz Šan-si, welche den russischen Handel be- herrschen, weit und breit in der Tartarei und in allen Landschaften nördlich vom Yaṅ-tse-kiaṅ Verbindungen haben. so gewann der Verbrauch russischer Waaren grosse Ausdehnung. Man kaufte da- mals in ganz China dickes russisches Tuch zu Preisen, welche die Fabricationskosten kaum decken konnten. Wenn nun dieser Ar- tikel in Russland nicht so billig herzustellen ist als in anderen europäischen Ländern, wenn er einen endlosen Weg durch unwirth- bare Strecken, und, an der Grenze verkauft, nochmals eine lange Wüstenreise machen muss, so lässt sich ermessen, dass die Russen ihn mit Schaden verkauften. Die Czaaren wollten die einheimische Fabrication dadurch heben und bewirkten durch das Verbot der Einfuhr chinesischer Producte zur See, dass der Verlust durch den Preis der eingetauschten Waaren ausgeglichen wurde; denn der Handel in Kiakta war lediglich Tauschhandel. 1830 wurden 154,552 Ellen russisches Tuch in China eingeführt, 1840 schon 1,328,912 Ellen. In demselben Maasse hob sich die Ausfuhr von Thee, mit welchem die Chinesen das Tuch bezahlten. Nur zu- weilen gestattete damals die Regierung des Czaaren als Ausnahme russischen Schiffen, eine Thee-Ladung nach der Ostsee zu führen, nachdem die Handelsbeschränkung von chinesischer Seite aufgehoben war. — Die russischen Tuche scheinen sich aber dermaassen ver- schlechtert zu haben, dass die Chinesen sie nicht mehr wollten; darauf versuchten die Russen deren Thee mit Silberwaaren zu be- zahlen, verwendeten aber bald so schlechtes Metall, dass die Chi- nesen auch diese zurückwiesen. Die kaiserliche Regierung soll strenge Untersuchung gegen die privilegirte Handelsgesellschaft in Moskau angeordnet haben, auf deren Rechnung diese Fälschungen kamen, und sah sich später veranlasst, das Verbot der Einfuhr zur See aufzuheben. Das eifrige Streben der russischen Regierung, ihrer Mission in Pe-kiṅ politische Bedeutung zu geben, blieb auch nach dem Frieden von Nan-kiṅ erfolglos, bis Graf Putiatine 1858 den russi- schen Vertrag von Tien-tsin unterzeichnete. Selbst dieser sicherte der Regierung des Czaaren nur die Gleichstellung im schriftlichen 9*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/145>, abgerufen am 29.03.2024.