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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Der portugiesische Friedhof. XVII.
man zunächst in einen hübschen Garten tritt; hier stehen chinesisch
verzierte Denksteine und kleine Löwen von weissem Marmor auf
beiden Seiten des zum Thor des Friedhofes führenden Weinlauben-
ganges. Das schöne Portal ist aus mächtigen Marmorplatten ge-
fügt. Hier betritt man einen graden Weg, an dessen anderem Ende
ein Altar mit grossem Crucifix steht, davor die üblichen Altargeräthe
buddistischer Tempel, zwei Leuchter, zwei Vasen und ein Rauch-
gefäss in der Mitte, beredte Zeugen der von Ricci den chinesischen
Bräuchen gezollten Rücksicht. Alle diese Gegenstände sind, wie
der Altar, das Crucifix und die Grabmale von grobkörnigem weissem
Marmor. Rechts und links vom Eingang stehen innerhalb zwei
Altarmonumente, den Heiligen Maria und Joseph geweiht; zu
beiden Seiten des Weges liegen regelmässig geordnet die Gräber
von achtzig Jesuiten, die in Pe-kin starben, darunter die der Väter
Ricci, Adam Schall, Verbiest und Pereira, niedrige Sarcophage mit
gewölbter Decke, vor welchen Denksteine stehen; je grösser die
Entfernung der Denksteine vom Grabe, desto grösser soll die Ehr-
furcht vor dem Bestatteten sein. Fünf dieser Gräber liegen zu
jeder Seite des Weges in einer Reihe; die der Väter Ricci, Schall,
Verbiest und einiger anderen Jesuiten wurden von Kaisern gestiftet;
die Denksteine davor sind gegen zehn Fuss hoch und ruhen auf
dem Rücken riesiger Schildkröten, dem Emblem der kaiserlichen
Gnade. Alle Inschriften sind lateinisch und chinesisch, die reiche
Bildhauerarbeit des Ornamentes fast durchgängig in chinesischem
Styl, dessen Vermischung mit der Kreuzesform und der lateinischen
Schrift den sonderbarsten Eindruck macht. So ist dieser Fried-
hof ein merkwürdiges Denkmal der einflussreichen Thätigkeit der
Jesuiten und der Achtung, deren auch ihr Andenken genossen haben
muss; denn die vollkommene Erhaltung der Denkmäler beweist,
dass sie auch in den Zeiten grausamer Christenverfolgung unan-
getastet blieben. -- Zwischen den Gräbern wuchert üppiges Grün
und rankt sich in dichte Wipfel hinauf, welche sie über und über
beschatten; auch der Altar mit dem Crucifix leuchtet, von spielen-
den Strahlen der Sonne behaucht, aus einem Rahmen dunkelen
Gezweiges hervor. Zauberische Anmuth lagert auf dem stillen
Garten, den man ungern verlässt.

Vor dem Gan-tin-Thore liegt neben dem Exercirplatz der
Garnison der Tempel der Erde, in dessen Ringmauer die englischen
Truppen 1860 Schiessscharten brachen, um die Mauer der Tar-

Der portugiesische Friedhof. XVII.
man zunächst in einen hübschen Garten tritt; hier stehen chinesisch
verzierte Denksteine und kleine Löwen von weissem Marmor auf
beiden Seiten des zum Thor des Friedhofes führenden Weinlauben-
ganges. Das schöne Portal ist aus mächtigen Marmorplatten ge-
fügt. Hier betritt man einen graden Weg, an dessen anderem Ende
ein Altar mit grossem Crucifix steht, davor die üblichen Altargeräthe
buddistischer Tempel, zwei Leuchter, zwei Vasen und ein Rauch-
gefäss in der Mitte, beredte Zeugen der von Ricci den chinesischen
Bräuchen gezollten Rücksicht. Alle diese Gegenstände sind, wie
der Altar, das Crucifix und die Grabmale von grobkörnigem weissem
Marmor. Rechts und links vom Eingang stehen innerhalb zwei
Altarmonumente, den Heiligen Maria und Joseph geweiht; zu
beiden Seiten des Weges liegen regelmässig geordnet die Gräber
von achtzig Jesuiten, die in Pe-kiṅ starben, darunter die der Väter
Ricci, Adam Schall, Verbiest und Pereira, niedrige Sarcophage mit
gewölbter Decke, vor welchen Denksteine stehen; je grösser die
Entfernung der Denksteine vom Grabe, desto grösser soll die Ehr-
furcht vor dem Bestatteten sein. Fünf dieser Gräber liegen zu
jeder Seite des Weges in einer Reihe; die der Väter Ricci, Schall,
Verbiest und einiger anderen Jesuiten wurden von Kaisern gestiftet;
die Denksteine davor sind gegen zehn Fuss hoch und ruhen auf
dem Rücken riesiger Schildkröten, dem Emblem der kaiserlichen
Gnade. Alle Inschriften sind lateinisch und chinesisch, die reiche
Bildhauerarbeit des Ornamentes fast durchgängig in chinesischem
Styl, dessen Vermischung mit der Kreuzesform und der lateinischen
Schrift den sonderbarsten Eindruck macht. So ist dieser Fried-
hof ein merkwürdiges Denkmal der einflussreichen Thätigkeit der
Jesuiten und der Achtung, deren auch ihr Andenken genossen haben
muss; denn die vollkommene Erhaltung der Denkmäler beweist,
dass sie auch in den Zeiten grausamer Christenverfolgung unan-
getastet blieben. — Zwischen den Gräbern wuchert üppiges Grün
und rankt sich in dichte Wipfel hinauf, welche sie über und über
beschatten; auch der Altar mit dem Crucifix leuchtet, von spielen-
den Strahlen der Sonne behaucht, aus einem Rahmen dunkelen
Gezweiges hervor. Zauberische Anmuth lagert auf dem stillen
Garten, den man ungern verlässt.

Vor dem Gan-tiṅ-Thore liegt neben dem Exercirplatz der
Garnison der Tempel der Erde, in dessen Ringmauer die englischen
Truppen 1860 Schiessscharten brachen, um die Mauer der Tar-

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[134/0148] Der portugiesische Friedhof. XVII. man zunächst in einen hübschen Garten tritt; hier stehen chinesisch verzierte Denksteine und kleine Löwen von weissem Marmor auf beiden Seiten des zum Thor des Friedhofes führenden Weinlauben- ganges. Das schöne Portal ist aus mächtigen Marmorplatten ge- fügt. Hier betritt man einen graden Weg, an dessen anderem Ende ein Altar mit grossem Crucifix steht, davor die üblichen Altargeräthe buddistischer Tempel, zwei Leuchter, zwei Vasen und ein Rauch- gefäss in der Mitte, beredte Zeugen der von Ricci den chinesischen Bräuchen gezollten Rücksicht. Alle diese Gegenstände sind, wie der Altar, das Crucifix und die Grabmale von grobkörnigem weissem Marmor. Rechts und links vom Eingang stehen innerhalb zwei Altarmonumente, den Heiligen Maria und Joseph geweiht; zu beiden Seiten des Weges liegen regelmässig geordnet die Gräber von achtzig Jesuiten, die in Pe-kiṅ starben, darunter die der Väter Ricci, Adam Schall, Verbiest und Pereira, niedrige Sarcophage mit gewölbter Decke, vor welchen Denksteine stehen; je grösser die Entfernung der Denksteine vom Grabe, desto grösser soll die Ehr- furcht vor dem Bestatteten sein. Fünf dieser Gräber liegen zu jeder Seite des Weges in einer Reihe; die der Väter Ricci, Schall, Verbiest und einiger anderen Jesuiten wurden von Kaisern gestiftet; die Denksteine davor sind gegen zehn Fuss hoch und ruhen auf dem Rücken riesiger Schildkröten, dem Emblem der kaiserlichen Gnade. Alle Inschriften sind lateinisch und chinesisch, die reiche Bildhauerarbeit des Ornamentes fast durchgängig in chinesischem Styl, dessen Vermischung mit der Kreuzesform und der lateinischen Schrift den sonderbarsten Eindruck macht. So ist dieser Fried- hof ein merkwürdiges Denkmal der einflussreichen Thätigkeit der Jesuiten und der Achtung, deren auch ihr Andenken genossen haben muss; denn die vollkommene Erhaltung der Denkmäler beweist, dass sie auch in den Zeiten grausamer Christenverfolgung unan- getastet blieben. — Zwischen den Gräbern wuchert üppiges Grün und rankt sich in dichte Wipfel hinauf, welche sie über und über beschatten; auch der Altar mit dem Crucifix leuchtet, von spielen- den Strahlen der Sonne behaucht, aus einem Rahmen dunkelen Gezweiges hervor. Zauberische Anmuth lagert auf dem stillen Garten, den man ungern verlässt. Vor dem Gan-tiṅ-Thore liegt neben dem Exercirplatz der Garnison der Tempel der Erde, in dessen Ringmauer die englischen Truppen 1860 Schiessscharten brachen, um die Mauer der Tar-

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/148>, abgerufen am 16.04.2024.