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Bergmann, Ernst von: Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883. Berlin, 1883.

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auf dieselbe Idee, welche Ovid der Medea eingiebt, um
Jasons alternden Vater zu verjüngen, indem er die
Zauberin sagen lässt:

Veteremque haurite cruorem
Ut repleam vacuas juvenili sanguine venas!

Mit jugendlichem Blute sollten auch hier die leeren
Adern des erschöpften Greises gefüllt werden. Drei
römische Knaben gaben ihr frisches Blut dazu her, welches in
die Venen des Hohen Priesters erfolglos geleitet wurde, denn
aus seiner Lethargie erwachte der Kranke nicht mehr.
Noch ehe man eine Vorstellung davon hatte, wie das Blut
im Körper rinnt und fliesst, noch ehe man in Erfahrung
gebracht, wohin sein Strom zu richten, hatte man durch
eine kühne That ihn in ein neues Bett zu zwingen gesucht.

Wie noch heute der Sprachgebrauch Blut statt Leib,
Leben, Geist und Seele setzt, so sah man, je weniger
man vom Blute wusste, um so mehr in ihm die Kraft,
welche alle und jede Eigenthümlichkeit wie Aeusserung
des Lebens bestimmt und schafft. Was Wunder daher,
dass noch im 17. Jahrhunderte nicht einzelne, sondern ganze
gelehrte Körperschaften und Collegien sich mit der Frage
befassten, ob ein Hund Wolle und Hörner nach der
Einführung von Schafblut bekäme, ob die Gesinnung eines
Leicht- und Heissblütigen durch das fromme und unschuldige
Blut des Lammes gebessert werden könne!

Zu diesen fabelhaften Zwecken hat man noch im
18. Jahrhunderte transfundirt, so dass eigentlich von der
Medea bis zu den Zeiten Friedrichs des Grossen, wo
Mackenzie1)) meinte, die Operation könne durch ihre


auf dieselbe Idee, welche Ovid der Medea eingiebt, um
Jasons alternden Vater zu verjüngen, indem er die
Zauberin sagen lässt:

Veteremque haurite cruorem
Ut repleam vacuas juvenili sanguine venas!

Mit jugendlichem Blute sollten auch hier die leeren
Adern des erschöpften Greises gefüllt werden. Drei
römische Knaben gaben ihr frisches Blut dazu her, welches in
die Venen des Hohen Priesters erfolglos geleitet wurde, denn
aus seiner Lethargie erwachte der Kranke nicht mehr.
Noch ehe man eine Vorstellung davon hatte, wie das Blut
im Körper rinnt und fliesst, noch ehe man in Erfahrung
gebracht, wohin sein Strom zu richten, hatte man durch
eine kühne That ihn in ein neues Bett zu zwingen gesucht.

Wie noch heute der Sprachgebrauch Blut statt Leib,
Leben, Geist und Seele setzt, so sah man, je weniger
man vom Blute wusste, um so mehr in ihm die Kraft,
welche alle und jede Eigenthümlichkeit wie Aeusserung
des Lebens bestimmt und schafft. Was Wunder daher,
dass noch im 17. Jahrhunderte nicht einzelne, sondern ganze
gelehrte Körperschaften und Collegien sich mit der Frage
befassten, ob ein Hund Wolle und Hörner nach der
Einführung von Schafblut bekäme, ob die Gesinnung eines
Leicht- und Heissblütigen durch das fromme und unschuldige
Blut des Lammes gebessert werden könne!

Zu diesen fabelhaften Zwecken hat man noch im
18. Jahrhunderte transfundirt, so dass eigentlich von der
Medea bis zu den Zeiten Friedrichs des Grossen, wo
Mackenzie1)) meinte, die Operation könne durch ihre

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[5/0005] auf dieselbe Idee, welche Ovid der Medea eingiebt, um Jasons alternden Vater zu verjüngen, indem er die Zauberin sagen lässt: Veteremque haurite cruorem Ut repleam vacuas juvenili sanguine venas! Mit jugendlichem Blute sollten auch hier die leeren Adern des erschöpften Greises gefüllt werden. Drei römische Knaben gaben ihr frisches Blut dazu her, welches in die Venen des Hohen Priesters erfolglos geleitet wurde, denn aus seiner Lethargie erwachte der Kranke nicht mehr. Noch ehe man eine Vorstellung davon hatte, wie das Blut im Körper rinnt und fliesst, noch ehe man in Erfahrung gebracht, wohin sein Strom zu richten, hatte man durch eine kühne That ihn in ein neues Bett zu zwingen gesucht. Wie noch heute der Sprachgebrauch Blut statt Leib, Leben, Geist und Seele setzt, so sah man, je weniger man vom Blute wusste, um so mehr in ihm die Kraft, welche alle und jede Eigenthümlichkeit wie Aeusserung des Lebens bestimmt und schafft. Was Wunder daher, dass noch im 17. Jahrhunderte nicht einzelne, sondern ganze gelehrte Körperschaften und Collegien sich mit der Frage befassten, ob ein Hund Wolle und Hörner nach der Einführung von Schafblut bekäme, ob die Gesinnung eines Leicht- und Heissblütigen durch das fromme und unschuldige Blut des Lammes gebessert werden könne! Zu diesen fabelhaften Zwecken hat man noch im 18. Jahrhunderte transfundirt, so dass eigentlich von der Medea bis zu den Zeiten Friedrichs des Grossen, wo Mackenzie ¹⁾ ) meinte, die Operation könne durch ihre

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Zitationshilfe: Bergmann, Ernst von: Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883. Berlin, 1883, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bergmann_transfusion_1883/5>, abgerufen am 29.03.2024.