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Bergmann, Ernst von: Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883. Berlin, 1883.

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besonders aber den chirurgischen, berufen schien,
dem Arzte wie Patienten die Unsterblichkeit zu bringen.
Begeistert ruft einer ihrer Lobredner aus: "Die Thierblut-Transfusion
hat in der Medicin eine neue Aera, die blutspendende
geschaffen"5) und ein anderer sieht in ihr diejenige
Operation, die der Kriegschirurg vor allen Dingen
sich zu eigen machen solle, die wichtiger fast als die
Gefässligatur auf den Verbandplätzen geworden sei!6) Ja in
demselben Jahre, da diese Bekenntnisse niedergeschrieben
werden, folgt im Congresse deutscher Chirurgen hierselbst
ein Vortrag über den Nutzen und die Herrlichkeit der
Transfusion dem anderen. Es war, wie ein vielfach citirter
Autor auf dem Gebiete der interessanten Tagesfrage sagte,
leicht der Prophet zu sein, welcher dieser Operation einen
Triumphzug durch die Hospitäler, wie noch keiner anderen
und ein unerschütterlich dauerndes Bürgerrecht in der
Chirurgie voraussagte.7)

Wie wenig hat sich diese Prophezeiung erfüllt und
bewahrheitet! Noch sind nicht 10 Jahre über sie
dahingegangen und in Deutschland, wie in England ist die
Begeisterung verraucht, stehen die Transfusionsapparate stille
und sind die Reihen unzweifelhafter Indicationen eine nach
der andern gelichtet. Man beginnt sich von den überspannten
Erwartungen zu erholen und darauf zu besinnen, wie wenig
Grund und Boden man zur Construction seiner kühnen
Entwürfe wirklich besass.

Die Kenntnisse über die Bedeutung eines Blutverlustes
und das Geschehen und Leben im Blute sind im letzten
Decennium grösser geworden, mit ihnen aber wuchs die


besonders aber den chirurgischen, berufen schien,
dem Arzte wie Patienten die Unsterblichkeit zu bringen.
Begeistert ruft einer ihrer Lobredner aus: "Die Thierblut-Transfusion
hat in der Medicin eine neue Aera, die blutspendende
geschaffen"5) und ein anderer sieht in ihr diejenige
Operation, die der Kriegschirurg vor allen Dingen
sich zu eigen machen solle, die wichtiger fast als die
Gefässligatur auf den Verbandplätzen geworden sei!6) Ja in
demselben Jahre, da diese Bekenntnisse niedergeschrieben
werden, folgt im Congresse deutscher Chirurgen hierselbst
ein Vortrag über den Nutzen und die Herrlichkeit der
Transfusion dem anderen. Es war, wie ein vielfach citirter
Autor auf dem Gebiete der interessanten Tagesfrage sagte,
leicht der Prophet zu sein, welcher dieser Operation einen
Triumphzug durch die Hospitäler, wie noch keiner anderen
und ein unerschütterlich dauerndes Bürgerrecht in der
Chirurgie voraussagte.7)

Wie wenig hat sich diese Prophezeiung erfüllt und
bewahrheitet! Noch sind nicht 10 Jahre über sie
dahingegangen und in Deutschland, wie in England ist die
Begeisterung verraucht, stehen die Transfusionsapparate stille
und sind die Reihen unzweifelhafter Indicationen eine nach
der andern gelichtet. Man beginnt sich von den überspannten
Erwartungen zu erholen und darauf zu besinnen, wie wenig
Grund und Boden man zur Construction seiner kühnen
Entwürfe wirklich besass.

Die Kenntnisse über die Bedeutung eines Blutverlustes
und das Geschehen und Leben im Blute sind im letzten
Decennium grösser geworden, mit ihnen aber wuchs die

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[8/0008] besonders aber den chirurgischen, berufen schien, dem Arzte wie Patienten die Unsterblichkeit zu bringen. Begeistert ruft einer ihrer Lobredner aus: "Die Thierblut-Transfusion hat in der Medicin eine neue Aera, die blutspendende geschaffen" ⁵⁾ und ein anderer sieht in ihr diejenige Operation, die der Kriegschirurg vor allen Dingen sich zu eigen machen solle, die wichtiger fast als die Gefässligatur auf den Verbandplätzen geworden sei! ⁶⁾ Ja in demselben Jahre, da diese Bekenntnisse niedergeschrieben werden, folgt im Congresse deutscher Chirurgen hierselbst ein Vortrag über den Nutzen und die Herrlichkeit der Transfusion dem anderen. Es war, wie ein vielfach citirter Autor auf dem Gebiete der interessanten Tagesfrage sagte, leicht der Prophet zu sein, welcher dieser Operation einen Triumphzug durch die Hospitäler, wie noch keiner anderen und ein unerschütterlich dauerndes Bürgerrecht in der Chirurgie voraussagte. ⁷⁾ Wie wenig hat sich diese Prophezeiung erfüllt und bewahrheitet! Noch sind nicht 10 Jahre über sie dahingegangen und in Deutschland, wie in England ist die Begeisterung verraucht, stehen die Transfusionsapparate stille und sind die Reihen unzweifelhafter Indicationen eine nach der andern gelichtet. Man beginnt sich von den überspannten Erwartungen zu erholen und darauf zu besinnen, wie wenig Grund und Boden man zur Construction seiner kühnen Entwürfe wirklich besass. Die Kenntnisse über die Bedeutung eines Blutverlustes und das Geschehen und Leben im Blute sind im letzten Decennium grösser geworden, mit ihnen aber wuchs die

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Zitationshilfe: Bergmann, Ernst von: Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883. Berlin, 1883, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bergmann_transfusion_1883/8>, abgerufen am 23.04.2024.