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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk.
das Verfahren von Amtswegen hier auszuschließen, und nur auf aus-
drücklichen Antrag des unschuldigen Theils eine Strafe erkennen zu
lassen. Bei dem großen Gewicht aber, welches von einer Seite auf
die negative Fassung der Bestimmung gelegt wurde, glaubte man, um
die Annahme des Gesetzbuchs nicht zu gefährden, auf die im Entwurf
von 1850. vorgeschlagene Formulirung eingehen zu müssen. Doch
wurde beschlossen, daß der Antrag auf Nichtbestrafung nicht nur im
Laufe des Ehescheidungsprozesses, sondern bis zur Abfassung des Straf-
erkenntnisses solle gestellt werden können, damit derselbe nicht durch ein
bloßes Versehen des unschuldigen Theils wider dessen Willen ausge-
schlossen werde. m)

III. Die gesetzliche Strafe ist für alle Mitschuldigen, zu denen
auch, im Gegensatz zum Rheinischen Recht, n) der Ehemann, welcher
einen Ehebruch begeht, gezählt wird, in gleicher Weise festgestellt. Ueber
die Anwendung derselben, namentlich auch bei dem doppelten Ehebruch,
entscheidet nach den verschiedenen Graden der Verschuldung das richter-
liche Ermessen.

§. 141.

Die Unzucht zwischen leiblichen Eltern und Kindern wird an den Ersteren
mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, an den Letzteren, wenn sie das sechszehnte
Lebensjahr zurückgelegt haben, mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei
Jahren bestraft.

Die Unzucht zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkindern, zwischen Stief-
eltern und Stiefkindern und zwischen vollbürtigen oder halbbürtigen Geschwi-
stern wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft.

Auch kann zugleich auf die zeitige Untersagung der Ausübung der bürger-
lichen Ehrenrechte erkannt werden.

Stiefkinder bleiben straflos, wenn sie das sechszehnte Lebensjahr noch nicht
zurückgelegt haben.



Zu diesem und den folgenden Paragraphen hat der Bericht der
Kommission der zweiten Kammer folgende allgemeine Bemerkung vor-
ausgeschickt:

"In den die sogenannten Fleisches-Verbrechen und Vergehen be-
treffenden Bestimmungen des Entwurfs kommen für die unter Strafe
gestellten Handlungen die Bezeichnungen:

1) Unzucht (§§. 141. 146. 147. 148. des Strafgesetzbuchs),

2) widernatürliche Unzucht (§. 143.),


m) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 129. (140.)
-- Bericht der Kommission der ersten Kammer ebendas.
n) Code penal. Art. 336-39.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk.
das Verfahren von Amtswegen hier auszuſchließen, und nur auf aus-
drücklichen Antrag des unſchuldigen Theils eine Strafe erkennen zu
laſſen. Bei dem großen Gewicht aber, welches von einer Seite auf
die negative Faſſung der Beſtimmung gelegt wurde, glaubte man, um
die Annahme des Geſetzbuchs nicht zu gefährden, auf die im Entwurf
von 1850. vorgeſchlagene Formulirung eingehen zu müſſen. Doch
wurde beſchloſſen, daß der Antrag auf Nichtbeſtrafung nicht nur im
Laufe des Eheſcheidungsprozeſſes, ſondern bis zur Abfaſſung des Straf-
erkenntniſſes ſolle geſtellt werden können, damit derſelbe nicht durch ein
bloßes Verſehen des unſchuldigen Theils wider deſſen Willen ausge-
ſchloſſen werde. m)

III. Die geſetzliche Strafe iſt für alle Mitſchuldigen, zu denen
auch, im Gegenſatz zum Rheiniſchen Recht, n) der Ehemann, welcher
einen Ehebruch begeht, gezählt wird, in gleicher Weiſe feſtgeſtellt. Ueber
die Anwendung derſelben, namentlich auch bei dem doppelten Ehebruch,
entſcheidet nach den verſchiedenen Graden der Verſchuldung das richter-
liche Ermeſſen.

§. 141.

Die Unzucht zwiſchen leiblichen Eltern und Kindern wird an den Erſteren
mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, an den Letzteren, wenn ſie das ſechszehnte
Lebensjahr zurückgelegt haben, mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei
Jahren beſtraft.

Die Unzucht zwiſchen Schwiegereltern und Schwiegerkindern, zwiſchen Stief-
eltern und Stiefkindern und zwiſchen vollbürtigen oder halbbürtigen Geſchwi-
ſtern wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren beſtraft.

Auch kann zugleich auf die zeitige Unterſagung der Ausübung der bürger-
lichen Ehrenrechte erkannt werden.

Stiefkinder bleiben ſtraflos, wenn ſie das ſechszehnte Lebensjahr noch nicht
zurückgelegt haben.



Zu dieſem und den folgenden Paragraphen hat der Bericht der
Kommiſſion der zweiten Kammer folgende allgemeine Bemerkung vor-
ausgeſchickt:

„In den die ſogenannten Fleiſches-Verbrechen und Vergehen be-
treffenden Beſtimmungen des Entwurfs kommen für die unter Strafe
geſtellten Handlungen die Bezeichnungen:

1) Unzucht (§§. 141. 146. 147. 148. des Strafgeſetzbuchs),

2) widernatürliche Unzucht (§. 143.),


m) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 129. (140.)
Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer ebendaſ.
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[310/0320] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk. das Verfahren von Amtswegen hier auszuſchließen, und nur auf aus- drücklichen Antrag des unſchuldigen Theils eine Strafe erkennen zu laſſen. Bei dem großen Gewicht aber, welches von einer Seite auf die negative Faſſung der Beſtimmung gelegt wurde, glaubte man, um die Annahme des Geſetzbuchs nicht zu gefährden, auf die im Entwurf von 1850. vorgeſchlagene Formulirung eingehen zu müſſen. Doch wurde beſchloſſen, daß der Antrag auf Nichtbeſtrafung nicht nur im Laufe des Eheſcheidungsprozeſſes, ſondern bis zur Abfaſſung des Straf- erkenntniſſes ſolle geſtellt werden können, damit derſelbe nicht durch ein bloßes Verſehen des unſchuldigen Theils wider deſſen Willen ausge- ſchloſſen werde. m) III. Die geſetzliche Strafe iſt für alle Mitſchuldigen, zu denen auch, im Gegenſatz zum Rheiniſchen Recht, n) der Ehemann, welcher einen Ehebruch begeht, gezählt wird, in gleicher Weiſe feſtgeſtellt. Ueber die Anwendung derſelben, namentlich auch bei dem doppelten Ehebruch, entſcheidet nach den verſchiedenen Graden der Verſchuldung das richter- liche Ermeſſen. §. 141. Die Unzucht zwiſchen leiblichen Eltern und Kindern wird an den Erſteren mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, an den Letzteren, wenn ſie das ſechszehnte Lebensjahr zurückgelegt haben, mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren beſtraft. Die Unzucht zwiſchen Schwiegereltern und Schwiegerkindern, zwiſchen Stief- eltern und Stiefkindern und zwiſchen vollbürtigen oder halbbürtigen Geſchwi- ſtern wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren beſtraft. Auch kann zugleich auf die zeitige Unterſagung der Ausübung der bürger- lichen Ehrenrechte erkannt werden. Stiefkinder bleiben ſtraflos, wenn ſie das ſechszehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben. Zu dieſem und den folgenden Paragraphen hat der Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer folgende allgemeine Bemerkung vor- ausgeſchickt: „In den die ſogenannten Fleiſches-Verbrechen und Vergehen be- treffenden Beſtimmungen des Entwurfs kommen für die unter Strafe geſtellten Handlungen die Bezeichnungen: 1) Unzucht (§§. 141. 146. 147. 148. des Strafgeſetzbuchs), 2) widernatürliche Unzucht (§. 143.), m) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 129. (140.) — Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer ebendaſ. n) Code pénal. Art. 336-39.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/320>, abgerufen am 24.04.2024.