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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
Dürfte ich Sie um etwas Feuer bitten, werter
Herr?

Er erhält ein Streichholz, verbeugt sich wieder¬
um sehr höflich und zündet sich den Stummel an;
stößt die Tabakwolken mit Genuß von sich, betrachtet
den Stummel mit Zärtlichkeit, lächelt und sagt: Sie
müssen nämlich wissen: Ich bin auch Künstler!

Der Baßgeiger sieht ihn fragend an.

-- Ach nein, so schön geigen kann ich nicht.
Nein. Aber -- dichten! Haben Sie keine Kindtaufe
in Aussicht? Ich machs billig. Wenn nur vom Essen
was übrig bleibt . . . Dies sehr demütig, traurig.

Aber auf einmal wird er wild und fängt an
zu schimpfen: Auf das Gesindel, das Geld und kein
Talent hat, auf alle, die ihn verachten, weil sie
Kameele sind, während er ein Genie ist u. s. w. --
Ich sage euch: Ein fabelhafter Ausbruch mitten
in den johlenden Mob hinein, der sich königlich
zu amüsieren anfängt, während der Dichter, an der
Rampe hin- und herrennend wie ein Eisbär im
Käfig, Zorn, Wut, Verachtung nach allen Rich¬
tungen schleudert.

Ich hatte die Empfindung, daß Stilpe dies
alles improvisierte.

Dann fiel er wieder in den demütigen Ton und

Stilpe.
Dürfte ich Sie um etwas Feuer bitten, werter
Herr?

Er erhält ein Streichholz, verbeugt ſich wieder¬
um ſehr höflich und zündet ſich den Stummel an;
ſtößt die Tabakwolken mit Genuß von ſich, betrachtet
den Stummel mit Zärtlichkeit, lächelt und ſagt: Sie
müſſen nämlich wiſſen: Ich bin auch Künſtler!

Der Baßgeiger ſieht ihn fragend an.

— Ach nein, ſo ſchön geigen kann ich nicht.
Nein. Aber — dichten! Haben Sie keine Kindtaufe
in Ausſicht? Ich machs billig. Wenn nur vom Eſſen
was übrig bleibt . . . Dies ſehr demütig, traurig.

Aber auf einmal wird er wild und fängt an
zu ſchimpfen: Auf das Geſindel, das Geld und kein
Talent hat, auf alle, die ihn verachten, weil ſie
Kameele ſind, während er ein Genie iſt u. ſ. w. —
Ich ſage euch: Ein fabelhafter Ausbruch mitten
in den johlenden Mob hinein, der ſich königlich
zu amüſieren anfängt, während der Dichter, an der
Rampe hin- und herrennend wie ein Eisbär im
Käfig, Zorn, Wut, Verachtung nach allen Rich¬
tungen ſchleudert.

Ich hatte die Empfindung, daß Stilpe dies
alles improviſierte.

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[394/0408] Stilpe. Dürfte ich Sie um etwas Feuer bitten, werter Herr? Er erhält ein Streichholz, verbeugt ſich wieder¬ um ſehr höflich und zündet ſich den Stummel an; ſtößt die Tabakwolken mit Genuß von ſich, betrachtet den Stummel mit Zärtlichkeit, lächelt und ſagt: Sie müſſen nämlich wiſſen: Ich bin auch Künſtler! Der Baßgeiger ſieht ihn fragend an. — Ach nein, ſo ſchön geigen kann ich nicht. Nein. Aber — dichten! Haben Sie keine Kindtaufe in Ausſicht? Ich machs billig. Wenn nur vom Eſſen was übrig bleibt . . . Dies ſehr demütig, traurig. Aber auf einmal wird er wild und fängt an zu ſchimpfen: Auf das Geſindel, das Geld und kein Talent hat, auf alle, die ihn verachten, weil ſie Kameele ſind, während er ein Genie iſt u. ſ. w. — Ich ſage euch: Ein fabelhafter Ausbruch mitten in den johlenden Mob hinein, der ſich königlich zu amüſieren anfängt, während der Dichter, an der Rampe hin- und herrennend wie ein Eisbär im Käfig, Zorn, Wut, Verachtung nach allen Rich¬ tungen ſchleudert. Ich hatte die Empfindung, daß Stilpe dies alles improviſierte. Dann fiel er wieder in den demütigen Ton und

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/408>, abgerufen am 28.03.2024.