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Bletzacher, Joseph: Geschichte eines deutschen Liedes. In: Die Gartenlaube. Leipzig, 1891.

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Also bist du kleiner Hirtensang auf deiner Wanderung aus dem schönen Salzachthal schon bei den Pionieren der Kultur, bei den ersten Ansiedlern in den nordamerikanischen Urwäldern angelangt, - dachte ich mir, - Glück auf zur seltenen Fahrt!

Und die Eltern dieses Liedchens Niemand, - oder doch nur eine verhältnißmäßig sehr kleine Zahl von Menschen - kannte sie, ihre Tanten waren und blieben dem großen Publikum vollständig fremd. Auf diesen Umstand ist auch die Thatsache zurückzuführen, daß das Lied Stille Nacht unter den verschiedensten Bezeichnungen erschienen ist und noch erscheint, als "Volkslied" oder "Volksweise", als "komponiert von M. Haydn", als "Volkslied aus dem Zillerthal" etc. In hundertfacher Form ist Grubers Komposition an die Oeffentlichkeit getreten, liegen doch hier vor mir auf meinem Schreibtische über zwanzig verschiedene, im Drucke erschienene Bearbeitungen derselben, - nebenbei bemerkt, bloß für Klavier oder Gesang -; aber nur in einer einzigen Ausgabe ist der Name des Dichters Mohr angegeben, des Komponisten F. Gruber geschieht nirgends eine Erwähnung!

Ich richte nun an alle Bearbeiter, Herausgeber und Verleger dieses Liedes die freundliche Bitte, künftighin bei der Veröffentlichung des "Stille Nachts" nach sonst üblicher Weise den Namen des Komponisten, und des Dichters anzugeben. Ich glaube, daß die beiden Männer, die uns das herzigste, das volkstümlichste aller Weihnachtslieder geschenkt haben auf diese kleine Aufmerksamkeit schon Anspruch erheben dürfen, und daß das Wort: "Ehre, wem Ehre gebührt!" wohl auch hier nicht ganz am unrechten Platze sei.

Und dieser meiner Bitte möchte ich noch eine zweite hinzufügen: ich habe bereits früher erwähnt, daß sich wahrscheinlich schon bei der von Friese in Dresden veranlaßten Niederschrift des Liedes ein Fehler eingeschlichen hat; der neunte Takt ist falsch, derselbe muß eine Terz tiefer gelegt werden, denn die Septime - doch wozu theoretische Auseinandersetzungen?

Um allen weiteren Erklärungen und Zweifeln zu begegnen, setzen wir das Liedchen in seiner ursprünglichen und darum einzig richtigen Form hierher: [Spaltenumbruch]


Möge wenigstens in den Landen,
So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt -
das Andenken an die bescheidenen Salzburger Dioskuren F. Gruber und J. Mohr nicht ganz verloren gehen, mögen diese Vorstellungen ein freundliches Gehör und ein geneigtes Entgegenkommen finden, das wünscht

Joseph Bletzacker.

[Ende Spaltensatz]


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Also bist du kleiner Hirtensang auf deiner Wanderung aus dem schönen Salzachthal schon bei den Pionieren der Kultur, bei den ersten Ansiedlern in den nordamerikanischen Urwäldern angelangt, – dachte ich mir, – Glück auf zur seltenen Fahrt!

Und die Eltern dieses Liedchens Niemand, – oder doch nur eine verhältnißmäßig sehr kleine Zahl von Menschen – kannte sie, ihre Tanten waren und blieben dem großen Publikum vollständig fremd. Auf diesen Umstand ist auch die Thatsache zurückzuführen, daß das Lied Stille Nacht unter den verschiedensten Bezeichnungen erschienen ist und noch erscheint, als „Volkslied“ oder „Volksweise“, als „komponiert von M. Haydn“, als „Volkslied aus dem Zillerthal“ etc. In hundertfacher Form ist Grubers Komposition an die Oeffentlichkeit getreten, liegen doch hier vor mir auf meinem Schreibtische über zwanzig verschiedene, im Drucke erschienene Bearbeitungen derselben, – nebenbei bemerkt, bloß für Klavier oder Gesang –; aber nur in einer einzigen Ausgabe ist der Name des Dichters Mohr angegeben, des Komponisten F. Gruber geschieht nirgends eine Erwähnung!

Ich richte nun an alle Bearbeiter, Herausgeber und Verleger dieses Liedes die freundliche Bitte, künftighin bei der Veröffentlichung des „Stille Nachts“ nach sonst üblicher Weise den Namen des Komponisten, und des Dichters anzugeben. Ich glaube, daß die beiden Männer, die uns das herzigste, das volkstümlichste aller Weihnachtslieder geschenkt haben auf diese kleine Aufmerksamkeit schon Anspruch erheben dürfen, und daß das Wort: „Ehre, wem Ehre gebührt!“ wohl auch hier nicht ganz am unrechten Platze sei.

Und dieser meiner Bitte möchte ich noch eine zweite hinzufügen: ich habe bereits früher erwähnt, daß sich wahrscheinlich schon bei der von Friese in Dresden veranlaßten Niederschrift des Liedes ein Fehler eingeschlichen hat; der neunte Takt ist falsch, derselbe muß eine Terz tiefer gelegt werden, denn die Septime – doch wozu theoretische Auseinandersetzungen?

Um allen weiteren Erklärungen und Zweifeln zu begegnen, setzen wir das Liedchen in seiner ursprünglichen und darum einzig richtigen Form hierher: [Spaltenumbruch]


Möge wenigstens in den Landen,
So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt –
das Andenken an die bescheidenen Salzburger Dioskuren F. Gruber und J. Mohr nicht ganz verloren gehen, mögen diese Vorstellungen ein freundliches Gehör und ein geneigtes Entgegenkommen finden, das wünscht

Joseph Bletzacker.

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Zitationshilfe: Bletzacher, Joseph: Geschichte eines deutschen Liedes. In: Die Gartenlaube. Leipzig, 1891, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bletzacher_stillenacht_1891/2>, abgerufen am 19.04.2024.