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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797.

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(als welche bey so vielen z. B. bey den Raupen
die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben davon
Gebrauch machen können, und wo folglich
schlechterdings erster Versuch und Meisterstück
eins seyn muß, durchaus nicht statt finden kann),
so ungemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge-
webe etc. zu ihrem Aufenthalte, zur Sicherheit
für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und
zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen.

§. 37.

Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben
wenig andere Spuren von Instinct: angeborne
Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar
nicht. Was ihn hingegen für diesen schein-
baren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft.

Diese mag nun entweder eine ausschließliche
eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele,
oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fä-
higkeit seyn, wovon manche Thiere auch einige
schwache Spur hätten; oder eine eigne Richtung
der gesammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w.
so liegt wenigstens der gedachte auszeichnende
Vorzug, den der Mensch durch den Besitz der-
selben erhält, unwiderredlich am Tage.

Denn da ihm die ganze bewohnbare Erde
zum Aufenthalt offen steht, und fast die ganze
organisirte Schöpfung zur Speise überlassen ist,
so erzeugt freylich eben die große Verschieden-

(als welche bey so vielen z. B. bey den Raupen
die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben davon
Gebrauch machen können, und wo folglich
schlechterdings erster Versuch und Meisterstück
eins seyn muß, durchaus nicht statt finden kann),
so ungemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge-
webe ꝛc. zu ihrem Aufenthalte, zur Sicherheit
für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und
zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen.

§. 37.

Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben
wenig andere Spuren von Instinct: angeborne
Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar
nicht. Was ihn hingegen für diesen schein-
baren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft.

Diese mag nun entweder eine ausschließliche
eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele,
oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fä-
higkeit seyn, wovon manche Thiere auch einige
schwache Spur hätten; oder eine eigne Richtung
der gesammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w.
so liegt wenigstens der gedachte auszeichnende
Vorzug, den der Mensch durch den Besitz der-
selben erhält, unwiderredlich am Tage.

Denn da ihm die ganze bewohnbare Erde
zum Aufenthalt offen steht, und fast die ganze
organisirte Schöpfung zur Speise überlassen ist,
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[40/0062] (als welche bey so vielen z. B. bey den Raupen die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben davon Gebrauch machen können, und wo folglich schlechterdings erster Versuch und Meisterstück eins seyn muß, durchaus nicht statt finden kann), so ungemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge- webe ꝛc. zu ihrem Aufenthalte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen. §. 37. Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben wenig andere Spuren von Instinct: angeborne Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar nicht. Was ihn hingegen für diesen schein- baren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der Vernunft. Diese mag nun entweder eine ausschließliche eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele, oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fä- higkeit seyn, wovon manche Thiere auch einige schwache Spur hätten; oder eine eigne Richtung der gesammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w. so liegt wenigstens der gedachte auszeichnende Vorzug, den der Mensch durch den Besitz der- selben erhält, unwiderredlich am Tage. Denn da ihm die ganze bewohnbare Erde zum Aufenthalt offen steht, und fast die ganze organisirte Schöpfung zur Speise überlassen ist, so erzeugt freylich eben die große Verschieden-

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1797/62>, abgerufen am 29.03.2024.