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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Drittes Buch.

Im Alterthum gab es nur Eine Classe von Gesanten, von den Römern
Legati genannt. In den wesentlichen Beziehungen sind sich auch heute noch alle
Classen gleich. Die Unterschiede, welche seit dem fünfzehnten Jahrhundert nach und
nach aufgekommen sind, haben vornehmlich einen Bezug auf die Hofstellung, das
Ceremoniel und den Rang.

Auf dem Wiener Congreß wurde von den acht Mächten am 19. März
1815 ein Protokoll unterzeichnet, dessen Artikel 1 die obigen 3 Classen unter-
scheidet:

"Les employes diplomatiques sont partages en trois classes:
celle des ambassadeurs, legates ou nonces,
celle des envoyes ministres ou autres accredites aupres des souverains,
celle des charges d'affaires accredites aupres des ministres charges
des affaires etrangeres".

Dazu kam nun das Protokoll des Aachener Congresses der fünf
Großmächte vom 21. Nov. 1818, welches die vierte Zwischenclasse anerkannte: "Il
est arrete entre les cinq cours que les ministres residens accredites aupres
d'elles formeront par rapport a leur rang une classe intermediaire entre
les ministres du second ordre et les charges d'affaires".

172.

Botschafter werden in der Regel nur von Staten von Königlichem
Rang abgesendet und empfangen. Die Legati und Nuncien des Papstes
haben den Rang der Botschafter.

Die Botschafter allein repräsentiren auch die äußere Würde des
Souverains, der sie beglaubigt.

1. Die Beschränkung der Botschafter auf die Staten von königlichem Rang
beruht weniger auf einem festen Rechtsgrundsatz als auf der Sitte und hat eine
natürliche Unterlage in den größeren für kleinere Staten unverhältmäßigen Kosten
solcher Vertretung. Da aber nur die Botschafter die persönliche Würde des Sou-
veräns repräsentiren, so ist grundsätzlich nicht einzusehen, weßhalb nicht auch ein
souveräner Herzog oder ein anderer Fürst bei außerordentlichem Anlaß sich nicht
ebenfalls in seiner persönlichen Würde vertreten lassen, d. h. daher nicht ebenfalls
einen Botschafter senden dürfte, der dann freilich keinen höheren Rang behaupten
könnte, als sein Vollmachtgeber besitzt, also den Botschaftern, welche Könige vertreten,
nachstehen müßte.

2. Die Legati a latere oder de latere (die Cardinäle führen diesen
Namen), oder die nuncii (Nicht-Cardinäle), welche der Papst entsendet, haben
durchweg eher kirchliche als politische Missionen und repräsentiren daher den Papst
vornehmlich in seiner Eigenschaft als Hauptes der römisch-katholischen Kirche. Die
Bedeutung und der Rang dieser päpstlichen Repräsentanten ist daher unabhängig
von der Fortdauer eines Kirchenstates.

Protokoll des Wiener Congresses vom 19. März 1815 Art. II.:
"Les ambassadeurs, legates ou nonces ont seuls le caractere representatif".

Drittes Buch.

Im Alterthum gab es nur Eine Claſſe von Geſanten, von den Römern
Legati genannt. In den weſentlichen Beziehungen ſind ſich auch heute noch alle
Claſſen gleich. Die Unterſchiede, welche ſeit dem fünfzehnten Jahrhundert nach und
nach aufgekommen ſind, haben vornehmlich einen Bezug auf die Hofſtellung, das
Ceremoniel und den Rang.

Auf dem Wiener Congreß wurde von den acht Mächten am 19. März
1815 ein Protokoll unterzeichnet, deſſen Artikel 1 die obigen 3 Claſſen unter-
ſcheidet:

„Les employés diplomatiques sont partagés en trois classes:
celle des ambassadeurs, légates ou nonces,
celle des envoyés ministres ou autres accrédités auprès des souverains,
celle des chargés d’affaires accrédités auprès des ministres chargés
des affaires étrangères“.

Dazu kam nun das Protokoll des Aachener Congreſſes der fünf
Großmächte vom 21. Nov. 1818, welches die vierte Zwiſchenclaſſe anerkannte: „Il
est arrêté entre les cinq cours que les ministres résidens accrédités auprès
d’elles formeront par rapport à leur rang une classe intermédiaire entre
les ministres du second ordre et les chargés d’affaires“.

172.

Botſchafter werden in der Regel nur von Staten von Königlichem
Rang abgeſendet und empfangen. Die Legati und Nuncien des Papſtes
haben den Rang der Botſchafter.

Die Botſchafter allein repräſentiren auch die äußere Würde des
Souverains, der ſie beglaubigt.

1. Die Beſchränkung der Botſchafter auf die Staten von königlichem Rang
beruht weniger auf einem feſten Rechtsgrundſatz als auf der Sitte und hat eine
natürliche Unterlage in den größeren für kleinere Staten unverhältmäßigen Koſten
ſolcher Vertretung. Da aber nur die Botſchafter die perſönliche Würde des Sou-
veräns repräſentiren, ſo iſt grundſätzlich nicht einzuſehen, weßhalb nicht auch ein
ſouveräner Herzog oder ein anderer Fürſt bei außerordentlichem Anlaß ſich nicht
ebenfalls in ſeiner perſönlichen Würde vertreten laſſen, d. h. daher nicht ebenfalls
einen Botſchafter ſenden dürfte, der dann freilich keinen höheren Rang behaupten
könnte, als ſein Vollmachtgeber beſitzt, alſo den Botſchaftern, welche Könige vertreten,
nachſtehen müßte.

2. Die Legati a latere oder de latere (die Cardinäle führen dieſen
Namen), oder die nuncii (Nicht-Cardinäle), welche der Papſt entſendet, haben
durchweg eher kirchliche als politiſche Miſſionen und repräſentiren daher den Papſt
vornehmlich in ſeiner Eigenſchaft als Hauptes der römiſch-katholiſchen Kirche. Die
Bedeutung und der Rang dieſer päpſtlichen Repräſentanten iſt daher unabhängig
von der Fortdauer eines Kirchenſtates.

Protokoll des Wiener Congreſſes vom 19. März 1815 Art. II.:
„Les ambassadeurs, légates ou nonces ont seuls le caractère représentatif“.

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[130/0152] Drittes Buch. Im Alterthum gab es nur Eine Claſſe von Geſanten, von den Römern Legati genannt. In den weſentlichen Beziehungen ſind ſich auch heute noch alle Claſſen gleich. Die Unterſchiede, welche ſeit dem fünfzehnten Jahrhundert nach und nach aufgekommen ſind, haben vornehmlich einen Bezug auf die Hofſtellung, das Ceremoniel und den Rang. Auf dem Wiener Congreß wurde von den acht Mächten am 19. März 1815 ein Protokoll unterzeichnet, deſſen Artikel 1 die obigen 3 Claſſen unter- ſcheidet: „Les employés diplomatiques sont partagés en trois classes: celle des ambassadeurs, légates ou nonces, celle des envoyés ministres ou autres accrédités auprès des souverains, celle des chargés d’affaires accrédités auprès des ministres chargés des affaires étrangères“. Dazu kam nun das Protokoll des Aachener Congreſſes der fünf Großmächte vom 21. Nov. 1818, welches die vierte Zwiſchenclaſſe anerkannte: „Il est arrêté entre les cinq cours que les ministres résidens accrédités auprès d’elles formeront par rapport à leur rang une classe intermédiaire entre les ministres du second ordre et les chargés d’affaires“. 172. Botſchafter werden in der Regel nur von Staten von Königlichem Rang abgeſendet und empfangen. Die Legati und Nuncien des Papſtes haben den Rang der Botſchafter. Die Botſchafter allein repräſentiren auch die äußere Würde des Souverains, der ſie beglaubigt. 1. Die Beſchränkung der Botſchafter auf die Staten von königlichem Rang beruht weniger auf einem feſten Rechtsgrundſatz als auf der Sitte und hat eine natürliche Unterlage in den größeren für kleinere Staten unverhältmäßigen Koſten ſolcher Vertretung. Da aber nur die Botſchafter die perſönliche Würde des Sou- veräns repräſentiren, ſo iſt grundſätzlich nicht einzuſehen, weßhalb nicht auch ein ſouveräner Herzog oder ein anderer Fürſt bei außerordentlichem Anlaß ſich nicht ebenfalls in ſeiner perſönlichen Würde vertreten laſſen, d. h. daher nicht ebenfalls einen Botſchafter ſenden dürfte, der dann freilich keinen höheren Rang behaupten könnte, als ſein Vollmachtgeber beſitzt, alſo den Botſchaftern, welche Könige vertreten, nachſtehen müßte. 2. Die Legati a latere oder de latere (die Cardinäle führen dieſen Namen), oder die nuncii (Nicht-Cardinäle), welche der Papſt entſendet, haben durchweg eher kirchliche als politiſche Miſſionen und repräſentiren daher den Papſt vornehmlich in ſeiner Eigenſchaft als Hauptes der römiſch-katholiſchen Kirche. Die Bedeutung und der Rang dieſer päpſtlichen Repräſentanten iſt daher unabhängig von der Fortdauer eines Kirchenſtates. Protokoll des Wiener Congreſſes vom 19. März 1815 Art. II.: „Les ambassadeurs, légates ou nonces ont seuls le caractère représentatif“.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/152>, abgerufen am 28.03.2024.