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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Achtes Buch.
eine gute Feldpolicei (Gensdarmerie) und die äußerste Strenge einer raschen militä-
rischen Justiz.

643.

Auch die Kriegsrebellen, d. h. die, welche in einem von den Trup-
pen besetzten Gebiete die Waffen gegen dieselben oder gegen die von der
Kriegsgewalt niedergesetzten Autoritäten ergreifen, können vor ein Kriegs-
gericht gestellt und mit dem Tode bestraft werden.

Am. 85. Derartige Aufstände werden nicht bloß mit Waffengewalt unter-
drückt, sondern auch, weil sie nicht zur ordentlichen Kriegsführung gehören und um
ihrer Gefährlichkeit willen kriegsrechtlich bestraft. Es gilt das auch dann,
wenn etwa die ganze Bevölkerung einer besetzten Stadt oder Gegend aufstehen sollte,
während die feindlichen Truppen noch diese Orte besetzt oder in ihrer Macht haben.
Die Aufständischen können sich auch nicht damit gegen die herrschende Kriegsgewalt
rechtfertigen, daß sie sich auf Befehle berufen, welche sie von ihrer rechtmäßigen --
aber zur Zeit außer Besitz gesetzten -- Regierung erhalten haben.


7. Recht der Kriegsgewalt über das feindliche Vermögen und das
Vermögen der friedlichen Personen in Feindesland.
A. Im Landkrieg.
644.

Die siegende Kriegsgewalt eignet sich nach Kriegsrecht alle öffentliche
Habe des Feindes an, so weit sich ihre Macht erstreckt. Vorbehalten
bleibt das Recht des Heimfalls an den Stat, dem diese Habe nach Friedens-
recht zugehört hat bis zur endlichen neuen Friedensordnung.

Am. 31. Als Feind im eigentlichen und vollen Sinne ist nur der Stat
zu betrachten, gegen welchen der Krieg geführt wird (vgl. Einleitung S. 30 f.).
Dem Stat gegenüber wird heute noch eine Art Beuterecht insofern anerkannt,
als die öffentliche Habe desselben von dem feindlichen Sieger weggenommen und
angeeignet werden darf. Aber die rechtliche Grundlage desselben ist nicht mehr, wie
im Alterthum, die Ansicht, daß Feindesgut herrenlos (res nullius) und deßhalb

Achtes Buch.
eine gute Feldpolicei (Gensdarmerie) und die äußerſte Strenge einer raſchen militä-
riſchen Juſtiz.

643.

Auch die Kriegsrebellen, d. h. die, welche in einem von den Trup-
pen beſetzten Gebiete die Waffen gegen dieſelben oder gegen die von der
Kriegsgewalt niedergeſetzten Autoritäten ergreifen, können vor ein Kriegs-
gericht geſtellt und mit dem Tode beſtraft werden.

Am. 85. Derartige Aufſtände werden nicht bloß mit Waffengewalt unter-
drückt, ſondern auch, weil ſie nicht zur ordentlichen Kriegsführung gehören und um
ihrer Gefährlichkeit willen kriegsrechtlich beſtraft. Es gilt das auch dann,
wenn etwa die ganze Bevölkerung einer beſetzten Stadt oder Gegend aufſtehen ſollte,
während die feindlichen Truppen noch dieſe Orte beſetzt oder in ihrer Macht haben.
Die Aufſtändiſchen können ſich auch nicht damit gegen die herrſchende Kriegsgewalt
rechtfertigen, daß ſie ſich auf Befehle berufen, welche ſie von ihrer rechtmäßigen —
aber zur Zeit außer Beſitz geſetzten — Regierung erhalten haben.


7. Recht der Kriegsgewalt über das feindliche Vermögen und das
Vermögen der friedlichen Perſonen in Feindesland.
A. Im Landkrieg.
644.

Die ſiegende Kriegsgewalt eignet ſich nach Kriegsrecht alle öffentliche
Habe des Feindes an, ſo weit ſich ihre Macht erſtreckt. Vorbehalten
bleibt das Recht des Heimfalls an den Stat, dem dieſe Habe nach Friedens-
recht zugehört hat bis zur endlichen neuen Friedensordnung.

Am. 31. Als Feind im eigentlichen und vollen Sinne iſt nur der Stat
zu betrachten, gegen welchen der Krieg geführt wird (vgl. Einleitung S. 30 f.).
Dem Stat gegenüber wird heute noch eine Art Beuterecht inſofern anerkannt,
als die öffentliche Habe desſelben von dem feindlichen Sieger weggenommen und
angeeignet werden darf. Aber die rechtliche Grundlage desſelben iſt nicht mehr, wie
im Alterthum, die Anſicht, daß Feindesgut herrenlos (res nullius) und deßhalb

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[348/0370] Achtes Buch. eine gute Feldpolicei (Gensdarmerie) und die äußerſte Strenge einer raſchen militä- riſchen Juſtiz. 643. Auch die Kriegsrebellen, d. h. die, welche in einem von den Trup- pen beſetzten Gebiete die Waffen gegen dieſelben oder gegen die von der Kriegsgewalt niedergeſetzten Autoritäten ergreifen, können vor ein Kriegs- gericht geſtellt und mit dem Tode beſtraft werden. Am. 85. Derartige Aufſtände werden nicht bloß mit Waffengewalt unter- drückt, ſondern auch, weil ſie nicht zur ordentlichen Kriegsführung gehören und um ihrer Gefährlichkeit willen kriegsrechtlich beſtraft. Es gilt das auch dann, wenn etwa die ganze Bevölkerung einer beſetzten Stadt oder Gegend aufſtehen ſollte, während die feindlichen Truppen noch dieſe Orte beſetzt oder in ihrer Macht haben. Die Aufſtändiſchen können ſich auch nicht damit gegen die herrſchende Kriegsgewalt rechtfertigen, daß ſie ſich auf Befehle berufen, welche ſie von ihrer rechtmäßigen — aber zur Zeit außer Beſitz geſetzten — Regierung erhalten haben. 7. Recht der Kriegsgewalt über das feindliche Vermögen und das Vermögen der friedlichen Perſonen in Feindesland. A. Im Landkrieg. 644. Die ſiegende Kriegsgewalt eignet ſich nach Kriegsrecht alle öffentliche Habe des Feindes an, ſo weit ſich ihre Macht erſtreckt. Vorbehalten bleibt das Recht des Heimfalls an den Stat, dem dieſe Habe nach Friedens- recht zugehört hat bis zur endlichen neuen Friedensordnung. Am. 31. Als Feind im eigentlichen und vollen Sinne iſt nur der Stat zu betrachten, gegen welchen der Krieg geführt wird (vgl. Einleitung S. 30 f.). Dem Stat gegenüber wird heute noch eine Art Beuterecht inſofern anerkannt, als die öffentliche Habe desſelben von dem feindlichen Sieger weggenommen und angeeignet werden darf. Aber die rechtliche Grundlage desſelben iſt nicht mehr, wie im Alterthum, die Anſicht, daß Feindesgut herrenlos (res nullius) und deßhalb

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/370>, abgerufen am 28.03.2024.