Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite
von der deutschen Philosophie.


Anfang des Briefes von dem Fort-
gang der Philosophie in Deutschland.

JCh habe euer Schreiben diesen Augen-
blick empfangen, und ich beantworte es
ohne einigen Anstand, um so viel lieber,
weil der Medicus mir wegen einer kleinen Un-
päßlichkeit, die mich gestern Abends angestos-
sen, das Lesen und starcke Nachdencken verbo-
ten hat.

Jch konnte wohl vorhersehen, daß ihr mit
demjenigen, was ich von euren Poeten geschrie-
ben habe, nicht gar wohl zufrieden seyn würdet;
indessen glaubte ich nicht, damit ich offenhertzig
mit euch rede, daß ihr die Mühe nehmen wür-
det, sie zu vertheidigen. Jhr meinet, ihr ha-
bet mich rechtschaffen widerleget, daß ihr in ei-
ner Gegenbeschuldigung die französischen Poeten
dessen bezüchtiget, (W) was ich von den Deut-
schen gesagt habe, nemlich daß sie blosse Ueber-
setzer wären. Jhr saget, unsre Poeten seyn
nichts anders, nur mit dem Unterschiede, daß
sie die Alten übersetzet haben, anstatt daß die
Deutschen nur die Neuern übersetzen.

Wenn
(W) Jch beziehe mich hier auf die obige gantze Anm.
N. Und ich wundere mich, daß Schwabe, da er hier
zum voraus seine völlige Abfertigung empfangen hat,
doch noch so keck seyn, und eine so elende Ausflucht wie-
der hervorsuchen dürfen.
von der deutſchen Philoſophie.


Anfang des Briefes von dem Fort-
gang der Philoſophie in Deutſchland.

JCh habe euer Schreiben dieſen Augen-
blick empfangen, und ich beantworte es
ohne einigen Anſtand, um ſo viel lieber,
weil der Medicus mir wegen einer kleinen Un-
paͤßlichkeit, die mich geſtern Abends angeſtoſ-
ſen, das Leſen und ſtarcke Nachdencken verbo-
ten hat.

Jch konnte wohl vorherſehen, daß ihr mit
demjenigen, was ich von euren Poeten geſchrie-
ben habe, nicht gar wohl zufrieden ſeyn wuͤrdet;
indeſſen glaubte ich nicht, damit ich offenhertzig
mit euch rede, daß ihr die Muͤhe nehmen wuͤr-
det, ſie zu vertheidigen. Jhr meinet, ihr ha-
bet mich rechtſchaffen widerleget, daß ihr in ei-
ner Gegenbeſchuldigung die franzoͤſiſchen Poeten
deſſen bezuͤchtiget, (W) was ich von den Deut-
ſchen geſagt habe, nemlich daß ſie bloſſe Ueber-
ſetzer waͤren. Jhr ſaget, unſre Poeten ſeyn
nichts anders, nur mit dem Unterſchiede, daß
ſie die Alten uͤberſetzet haben, anſtatt daß die
Deutſchen nur die Neuern uͤberſetzen.

Wenn
(W) Jch beziehe mich hier auf die obige gantze Anm.
N. Und ich wundere mich, daß Schwabe, da er hier
zum voraus ſeine voͤllige Abfertigung empfangen hat,
doch noch ſo keck ſeyn, und eine ſo elende Ausflucht wie-
der hervorſuchen duͤrfen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0077" n="77"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">von der deut&#x017F;chen Philo&#x017F;ophie.</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Anfang des Briefes von dem Fort-<lb/>
gang der Philo&#x017F;ophie in Deut&#x017F;chland.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>Ch habe euer Schreiben die&#x017F;en Augen-<lb/>
blick empfangen, und ich beantworte es<lb/>
ohne einigen An&#x017F;tand, um &#x017F;o viel lieber,<lb/>
weil der Medicus mir wegen einer kleinen Un-<lb/>
pa&#x0364;ßlichkeit, die mich ge&#x017F;tern Abends ange&#x017F;to&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, das Le&#x017F;en und &#x017F;tarcke Nachdencken verbo-<lb/>
ten hat.</p><lb/>
          <p>Jch konnte wohl vorher&#x017F;ehen, daß ihr mit<lb/>
demjenigen, was ich von euren Poeten ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben habe, nicht gar wohl zufrieden &#x017F;eyn wu&#x0364;rdet;<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en glaubte ich nicht, damit ich offenhertzig<lb/>
mit euch rede, daß ihr die Mu&#x0364;he nehmen wu&#x0364;r-<lb/>
det, &#x017F;ie zu vertheidigen. Jhr meinet, ihr ha-<lb/>
bet mich recht&#x017F;chaffen widerleget, daß ihr in ei-<lb/>
ner Gegenbe&#x017F;chuldigung die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Poeten<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en bezu&#x0364;chtiget, <note place="foot" n="(W)">Jch beziehe mich hier auf die obige gantze Anm.<lb/><hi rendition="#aq">N.</hi> Und ich wundere mich, daß <hi rendition="#fr">Schwabe,</hi> da er hier<lb/>
zum voraus &#x017F;eine vo&#x0364;llige Abfertigung empfangen hat,<lb/>
doch noch &#x017F;o keck &#x017F;eyn, und eine &#x017F;o elende Ausflucht wie-<lb/>
der hervor&#x017F;uchen du&#x0364;rfen.</note> was ich von den Deut-<lb/>
&#x017F;chen ge&#x017F;agt habe, nemlich daß &#x017F;ie blo&#x017F;&#x017F;e Ueber-<lb/>
&#x017F;etzer wa&#x0364;ren. Jhr &#x017F;aget, un&#x017F;re Poeten &#x017F;eyn<lb/>
nichts anders, nur mit dem Unter&#x017F;chiede, daß<lb/>
&#x017F;ie die Alten u&#x0364;ber&#x017F;etzet haben, an&#x017F;tatt daß die<lb/>
Deut&#x017F;chen nur die Neuern u&#x0364;ber&#x017F;etzen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0077] von der deutſchen Philoſophie. Anfang des Briefes von dem Fort- gang der Philoſophie in Deutſchland. JCh habe euer Schreiben dieſen Augen- blick empfangen, und ich beantworte es ohne einigen Anſtand, um ſo viel lieber, weil der Medicus mir wegen einer kleinen Un- paͤßlichkeit, die mich geſtern Abends angeſtoſ- ſen, das Leſen und ſtarcke Nachdencken verbo- ten hat. Jch konnte wohl vorherſehen, daß ihr mit demjenigen, was ich von euren Poeten geſchrie- ben habe, nicht gar wohl zufrieden ſeyn wuͤrdet; indeſſen glaubte ich nicht, damit ich offenhertzig mit euch rede, daß ihr die Muͤhe nehmen wuͤr- det, ſie zu vertheidigen. Jhr meinet, ihr ha- bet mich rechtſchaffen widerleget, daß ihr in ei- ner Gegenbeſchuldigung die franzoͤſiſchen Poeten deſſen bezuͤchtiget, (W) was ich von den Deut- ſchen geſagt habe, nemlich daß ſie bloſſe Ueber- ſetzer waͤren. Jhr ſaget, unſre Poeten ſeyn nichts anders, nur mit dem Unterſchiede, daß ſie die Alten uͤberſetzet haben, anſtatt daß die Deutſchen nur die Neuern uͤberſetzen. Wenn (W) Jch beziehe mich hier auf die obige gantze Anm. N. Und ich wundere mich, daß Schwabe, da er hier zum voraus ſeine voͤllige Abfertigung empfangen hat, doch noch ſo keck ſeyn, und eine ſo elende Ausflucht wie- der hervorſuchen duͤrfen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/77
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/77>, abgerufen am 28.03.2024.