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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

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von David.
Das dritte Buch.
ES hatte das Gerücht von diesen Wundersiegen,
Von der Philister Flucht, von Ecrons Unterliegen
Das
[Spaltenumbruch] sten B. verfertiget worden. Die
Romanschreiber haben es öfters
im Gebrauche, daß sie die Begier-
de des Lesers auf dem höchsten
Grad erwecken, und wann sie das
erhalten haben, seiner spotten,
oder ihn doch ein paar Bände auf
die Auflösung harren lassen. Das
ist gewiß, daß der Leser in diesem
[Spaltenumbruch] ersten B. nicht vernommen hät-
te, auf welche Art, oder durch
welchen Zufall David die gefun-
den, die ihn liebete, und die er
sich so künstlich vorbereitet zu lie-
ben; allermassen er im dritten
B. deßwegen noch in der Unge-
wißheit stehet:
Er stehet bey sich an, wer ihn von beyden liebet.
V. 436.

[Spaltenumbruch] Wann ich muthmassen darf, so
hätten wir in diesem Ausgange
des ersten Buchs nur noch zu ver-
nehmen gehabt, daß der alte Jsai
nach David geschickt, damit er ihn
mit Speise für seine Brüder in
das Lager sendete. Davids freu-
diges Verlangen diesem Befehl
zu folgen, der ihm Gelegenheit
gab, das Feldlager Jsraels und
seine Helden zu betrachten, hätte
dabey ausgedrückt werden können.
Einige kühne Worte, welche ihm
[Spaltenumbruch] sein entschlossenes Hertz und groß-
müthige Empfindungen mochten
auf die Zunge geworffen haben,
würden Michal in eine furchtsame
Unruhe gesetzt, und dem Poeten
Gelegenheit gegeben haben, seine
gewöhnliche Geschicklichkeit mit-
telst einer solchen Verfassung
der Gebährden und der Reden
dieser Printzeßin zu erweisen, daß
ihre Liebe dem David noch gantz
zweydeutig geblieben wäre.
V. 2. Von der Philister Flucht, von Ecrons unterligen.)
[Spaltenumbruch] Wir hätten in dem zweyten B.
zu vernehmen gehabt, wie die Phi-
lister sich zu Damin gelagert, wie
der riesenmässige Goliath vor ihr
Lager heraus getreten, und die
Jsraeliten zum Kampf gefodert;
wie David in das Lager Jsraels
gekommen, und Saul um Er-
laubniß gebeten, daß er den
Kampf mit Goliath aufnehmen
dörfte. Hier hätten verschiede-
ne Neden Davids, Sauls und Go-
liaths eingerückt werden können.
[Spaltenumbruch] Darauf wäre der Kampf, und die
Niederlage Goliaths und der Phi-
lister beschrieben worden. Cowley
hat diese Dinge in seinem dritten
Buch erzehlet, wo er sie dem Joab
in den Mund leget, der dem König
von Moab die Geschichte Davids
bis zu der Zeit erzehlet, da Michal
Sauls Trabanten mit dem höl-
zernen Bilde, das sie ihnen in
Davids Bette vor ihn gewiesen,
geäffet, und ihm auf die Flucht
geholfen hat.
[Crit. Samml. X. St.] E
von David.
Das dritte Buch.
ES hatte das Geruͤcht von dieſen Wunderſiegen,
Von der Philiſter Flucht, von Ecrons Unterliegen
Das
[Spaltenumbruch] ſten B. verfertiget worden. Die
Romanſchreiber haben es oͤfters
im Gebrauche, daß ſie die Begier-
de des Leſers auf dem hoͤchſten
Grad erwecken, und wann ſie das
erhalten haben, ſeiner ſpotten,
oder ihn doch ein paar Baͤnde auf
die Aufloͤſung harren laſſen. Das
iſt gewiß, daß der Leſer in dieſem
[Spaltenumbruch] erſten B. nicht vernommen haͤt-
te, auf welche Art, oder durch
welchen Zufall David die gefun-
den, die ihn liebete, und die er
ſich ſo kuͤnſtlich vorbereitet zu lie-
ben; allermaſſen er im dritten
B. deßwegen noch in der Unge-
wißheit ſtehet:
Er ſtehet bey ſich an, wer ihn von beyden liebet.
V. 436.

[Spaltenumbruch] Wann ich muthmaſſen darf, ſo
haͤtten wir in dieſem Ausgange
des erſten Buchs nur noch zu ver-
nehmen gehabt, daß der alte Jſai
nach David geſchickt, damit er ihn
mit Speiſe fuͤr ſeine Bruͤder in
das Lager ſendete. Davids freu-
diges Verlangen dieſem Befehl
zu folgen, der ihm Gelegenheit
gab, das Feldlager Jſraels und
ſeine Helden zu betrachten, haͤtte
dabey ausgedruͤckt werden koͤñen.
Einige kuͤhne Worte, welche ihm
[Spaltenumbruch] ſein entſchloſſenes Hertz und groß-
muͤthige Empfindungen mochten
auf die Zunge geworffen haben,
wuͤrden Michal in eine furchtſame
Unruhe geſetzt, und dem Poeten
Gelegenheit gegeben haben, ſeine
gewoͤhnliche Geſchicklichkeit mit-
telſt einer ſolchen Verfaſſung
der Gebaͤhrden und der Reden
dieſer Printzeßin zu erweiſen, daß
ihre Liebe dem David noch gantz
zweydeutig geblieben waͤre.
V. 2. Von der Philiſter Flucht, von Ecrons unterligen.)
[Spaltenumbruch] Wir haͤtten in dem zweyten B.
zu vernehmen gehabt, wie die Phi-
liſter ſich zu Damin gelagert, wie
der rieſenmaͤſſige Goliath vor ihr
Lager heraus getreten, und die
Jſraeliten zum Kampf gefodert;
wie David in das Lager Jſraels
gekommen, und Saul um Er-
laubniß gebeten, daß er den
Kampf mit Goliath aufnehmen
doͤrfte. Hier haͤtten verſchiede-
ne Neden Davids, Sauls und Go-
liaths eingeruͤckt werden koͤnnen.
[Spaltenumbruch] Darauf waͤre der Kampf, und die
Niederlage Goliaths und der Phi-
liſter beſchrieben worden. Cowley
hat dieſe Dinge in ſeinem dritten
Buch erzehlet, wo er ſie dem Joab
in den Mund leget, der dem Koͤnig
von Moab die Geſchichte Davids
bis zu der Zeit erzehlet, da Michal
Sauls Trabanten mit dem hoͤl-
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geaͤffet, und ihm auf die Flucht
geholfen hat.
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[65/0065] von David. Das dritte Buch. ES hatte das Geruͤcht von dieſen Wunderſiegen, Von der Philiſter Flucht, von Ecrons Unterliegen Das V. 2. Von der Philiſter Flucht, von Ecrons unterligen.) Wir haͤtten in dem zweyten B. zu vernehmen gehabt, wie die Phi- liſter ſich zu Damin gelagert, wie der rieſenmaͤſſige Goliath vor ihr Lager heraus getreten, und die Jſraeliten zum Kampf gefodert; wie David in das Lager Jſraels gekommen, und Saul um Er- laubniß gebeten, daß er den Kampf mit Goliath aufnehmen doͤrfte. Hier haͤtten verſchiede- ne Neden Davids, Sauls und Go- liaths eingeruͤckt werden koͤnnen. Darauf waͤre der Kampf, und die Niederlage Goliaths und der Phi- liſter beſchrieben worden. Cowley hat dieſe Dinge in ſeinem dritten Buch erzehlet, wo er ſie dem Joab in den Mund leget, der dem Koͤnig von Moab die Geſchichte Davids bis zu der Zeit erzehlet, da Michal Sauls Trabanten mit dem hoͤl- zernen Bilde, das ſie ihnen in Davids Bette vor ihn gewieſen, geaͤffet, und ihm auf die Flucht geholfen hat. ſten B. verfertiget worden. Die Romanſchreiber haben es oͤfters im Gebrauche, daß ſie die Begier- de des Leſers auf dem hoͤchſten Grad erwecken, und wann ſie das erhalten haben, ſeiner ſpotten, oder ihn doch ein paar Baͤnde auf die Aufloͤſung harren laſſen. Das iſt gewiß, daß der Leſer in dieſem erſten B. nicht vernommen haͤt- te, auf welche Art, oder durch welchen Zufall David die gefun- den, die ihn liebete, und die er ſich ſo kuͤnſtlich vorbereitet zu lie- ben; allermaſſen er im dritten B. deßwegen noch in der Unge- wißheit ſtehet: Er ſtehet bey ſich an, wer ihn von beyden liebet. V. 436. Wann ich muthmaſſen darf, ſo haͤtten wir in dieſem Ausgange des erſten Buchs nur noch zu ver- nehmen gehabt, daß der alte Jſai nach David geſchickt, damit er ihn mit Speiſe fuͤr ſeine Bruͤder in das Lager ſendete. Davids freu- diges Verlangen dieſem Befehl zu folgen, der ihm Gelegenheit gab, das Feldlager Jſraels und ſeine Helden zu betrachten, haͤtte dabey ausgedruͤckt werden koͤñen. Einige kuͤhne Worte, welche ihm ſein entſchloſſenes Hertz und groß- muͤthige Empfindungen mochten auf die Zunge geworffen haben, wuͤrden Michal in eine furchtſame Unruhe geſetzt, und dem Poeten Gelegenheit gegeben haben, ſeine gewoͤhnliche Geſchicklichkeit mit- telſt einer ſolchen Verfaſſung der Gebaͤhrden und der Reden dieſer Printzeßin zu erweiſen, daß ihre Liebe dem David noch gantz zweydeutig geblieben waͤre. [Crit. Sam̃l. X. St.] E

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/65>, abgerufen am 29.03.2024.