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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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11. Der Sporn.

Unter den Kriegsgeräten hat der Sporn mit dem Aufnehmen
des feudalen Wesens eine über seine praktische Bestimmung
hinausgehende Bedeutung als Zeichen der ritterlichen Würde erlangt,
das nur demjenigen zu tragen zustand, der Recht und Pflicht hatte,
im Sattel zu sitzen, gegenüber dem Hörigen und Unfreien, der im
Heere zu Fuss diente.

Der Sporn, wenn auch bereits bekannt, scheint zu den Zeiten
der Karolinger noch nicht allgemein üblich gewesen zu sein, wenigstens
finden wir ihn in den Miniaturen aus jener Zeit, wie im Codex
aureus, noch nicht in Gebrauch. Wenn man jedoch bisher ange-

[Abbildung] Fig. 248.

Steig-
bügel
und Sporn eines
französischen Befehls-
habers. Nach Malereien
in einem Manuscripte der
2. Hälfte des 11. Jahr-
hunderts in der National-
bibliothek zu Paris. Nach
Jacquemin.

nommen hatte, dass die Sporen, welche an-
fänglich mit zugespitzten, stachelförmigen Hälsen
erschienen, erst im 14. Jahrhundert Rädchen
erhielten, so hat dagegen ein schon 1639 zu
Mailand in dem Grabe Bernhards, des Königs
von Italien, (gest. 811) gemachter Fund das
Gegenteil bewiesen, indem man in selbem bereits
ein Paar Sporen aus Messing mit kleinen Räd-
chen an den Hälsen gefunden hatte. Das war
aber zweifelsohne nur eine vereinzelte Ausnahme
gewesen. Denn alle bildlichen Zeugen vereinigen
sich dahin, dass die ersten mit kurzen, spitzen
Hälsen ausgestatteten Sporen unter den späteren
Karolingern allgemein in Gebrauch kamen und
dass erst um das Ende des 13. Jahrhunderts,
anfänglich bei Vornehmen, Sporen mit Rädern
üblich werden. Sporen mit Stachelhälsen wer-
den bei den Franzosen Elsterschnäbel, becs de
geai, genannt und erschienen unter dieser Be-
zeichnung noch 1335, während in dem grosssen
Reitersiegel Herzog Rudolfs IV. von Österreich
von ca. 1358 dieser Fürst bereits Sporen mit
grossen, bizarr geformten Rädern an den Füssen
trägt.

Ein Merkmal des Alters eines Stachelspornes
giebt, wenn nicht stilistische Formen einen näheren Anhalt bieten, allein
die Richtung der Bügel und deren Riemenöhre. Die Bügel erscheinen im
11. Jahrhundert noch geradelaufend oder nur wenig gebogen mit ein-
fachen, roh gebildeten Öhren, während sie schon im Anfange des
12. Jahrhunderts nach aufwärts geschwungen sind, damit die Hälse
im Gehen nicht auf den Boden schleppen. (Fig, 248.) Damit im
Zusammenhange steht das Bestreben, die Hälse nach aufwärts zu

11. Der Sporn.

Unter den Kriegsgeräten hat der Sporn mit dem Aufnehmen
des feudalen Wesens eine über seine praktische Bestimmung
hinausgehende Bedeutung als Zeichen der ritterlichen Würde erlangt,
das nur demjenigen zu tragen zustand, der Recht und Pflicht hatte,
im Sattel zu sitzen, gegenüber dem Hörigen und Unfreien, der im
Heere zu Fuſs diente.

Der Sporn, wenn auch bereits bekannt, scheint zu den Zeiten
der Karolinger noch nicht allgemein üblich gewesen zu sein, wenigstens
finden wir ihn in den Miniaturen aus jener Zeit, wie im Codex
aureus, noch nicht in Gebrauch. Wenn man jedoch bisher ange-

[Abbildung] Fig. 248.

Steig-
bügel
und Sporn eines
französischen Befehls-
habers. Nach Malereien
in einem Manuscripte der
2. Hälfte des 11. Jahr-
hunderts in der National-
bibliothek zu Paris. Nach
Jacquemin.

nommen hatte, daſs die Sporen, welche an-
fänglich mit zugespitzten, stachelförmigen Hälsen
erschienen, erst im 14. Jahrhundert Rädchen
erhielten, so hat dagegen ein schon 1639 zu
Mailand in dem Grabe Bernhards, des Königs
von Italien, (gest. 811) gemachter Fund das
Gegenteil bewiesen, indem man in selbem bereits
ein Paar Sporen aus Messing mit kleinen Räd-
chen an den Hälsen gefunden hatte. Das war
aber zweifelsohne nur eine vereinzelte Ausnahme
gewesen. Denn alle bildlichen Zeugen vereinigen
sich dahin, daſs die ersten mit kurzen, spitzen
Hälsen ausgestatteten Sporen unter den späteren
Karolingern allgemein in Gebrauch kamen und
daſs erst um das Ende des 13. Jahrhunderts,
anfänglich bei Vornehmen, Sporen mit Rädern
üblich werden. Sporen mit Stachelhälsen wer-
den bei den Franzosen Elsterschnäbel, becs de
geai, genannt und erschienen unter dieser Be-
zeichnung noch 1335, während in dem groſssen
Reitersiegel Herzog Rudolfs IV. von Österreich
von ca. 1358 dieser Fürst bereits Sporen mit
groſsen, bizarr geformten Rädern an den Füſsen
trägt.

Ein Merkmal des Alters eines Stachelspornes
giebt, wenn nicht stilistische Formen einen näheren Anhalt bieten, allein
die Richtung der Bügel und deren Riemenöhre. Die Bügel erscheinen im
11. Jahrhundert noch geradelaufend oder nur wenig gebogen mit ein-
fachen, roh gebildeten Öhren, während sie schon im Anfange des
12. Jahrhunderts nach aufwärts geschwungen sind, damit die Hälse
im Gehen nicht auf den Boden schleppen. (Fig, 248.) Damit im
Zusammenhange steht das Bestreben, die Hälse nach aufwärts zu

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[[224]/0242] 11. Der Sporn. Unter den Kriegsgeräten hat der Sporn mit dem Aufnehmen des feudalen Wesens eine über seine praktische Bestimmung hinausgehende Bedeutung als Zeichen der ritterlichen Würde erlangt, das nur demjenigen zu tragen zustand, der Recht und Pflicht hatte, im Sattel zu sitzen, gegenüber dem Hörigen und Unfreien, der im Heere zu Fuſs diente. Der Sporn, wenn auch bereits bekannt, scheint zu den Zeiten der Karolinger noch nicht allgemein üblich gewesen zu sein, wenigstens finden wir ihn in den Miniaturen aus jener Zeit, wie im Codex aureus, noch nicht in Gebrauch. Wenn man jedoch bisher ange- [Abbildung Fig. 248. Steig- bügel und Sporn eines französischen Befehls- habers. Nach Malereien in einem Manuscripte der 2. Hälfte des 11. Jahr- hunderts in der National- bibliothek zu Paris. Nach Jacquemin.] nommen hatte, daſs die Sporen, welche an- fänglich mit zugespitzten, stachelförmigen Hälsen erschienen, erst im 14. Jahrhundert Rädchen erhielten, so hat dagegen ein schon 1639 zu Mailand in dem Grabe Bernhards, des Königs von Italien, (gest. 811) gemachter Fund das Gegenteil bewiesen, indem man in selbem bereits ein Paar Sporen aus Messing mit kleinen Räd- chen an den Hälsen gefunden hatte. Das war aber zweifelsohne nur eine vereinzelte Ausnahme gewesen. Denn alle bildlichen Zeugen vereinigen sich dahin, daſs die ersten mit kurzen, spitzen Hälsen ausgestatteten Sporen unter den späteren Karolingern allgemein in Gebrauch kamen und daſs erst um das Ende des 13. Jahrhunderts, anfänglich bei Vornehmen, Sporen mit Rädern üblich werden. Sporen mit Stachelhälsen wer- den bei den Franzosen Elsterschnäbel, becs de geai, genannt und erschienen unter dieser Be- zeichnung noch 1335, während in dem groſssen Reitersiegel Herzog Rudolfs IV. von Österreich von ca. 1358 dieser Fürst bereits Sporen mit groſsen, bizarr geformten Rädern an den Füſsen trägt. Ein Merkmal des Alters eines Stachelspornes giebt, wenn nicht stilistische Formen einen näheren Anhalt bieten, allein die Richtung der Bügel und deren Riemenöhre. Die Bügel erscheinen im 11. Jahrhundert noch geradelaufend oder nur wenig gebogen mit ein- fachen, roh gebildeten Öhren, während sie schon im Anfange des 12. Jahrhunderts nach aufwärts geschwungen sind, damit die Hälse im Gehen nicht auf den Boden schleppen. (Fig, 248.) Damit im Zusammenhange steht das Bestreben, die Hälse nach aufwärts zu

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. [224]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/242>, abgerufen am 28.03.2024.