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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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werden! Und seine Dintenlecker, seine besoldeten Red¬
ner und Zeitungsschreiber, was sie ihm Hymnen sin¬
gen! So wurde nicht Achilles und Hektor, nicht
Alexander, nicht Cäsar, nicht Napoleon besungen.
Sie sagen: vor Antwerpen sei ein Krieg geführt
worden, wie noch keiner. Die Franzosen hätten
nicht für die Freiheit gekämpft, wie unter der Repu¬
blik, nicht für den Ruhm, wie unter Napoleon, son¬
dern für die Gesetze hätten sie gekämpft, es sei ein
legaler Heroismus gewesen. Für die Gesetze
wären Frankreichs Heldensöhne drei Wochen lang zwei
Fuß tief im Wasser gestanden, und hätten sich be¬
regnen und niederschmettern lassen, und hätten dabei
ihren fröhlichen Muth behalten; nicht aber die Mar¬
sellaise gesungen, wie die revolutionairen Blätter ge¬
logen, sondern die guten Kinder hätten gerufen: vive
le roi, vive le roi
! ... Und darum jene drei
heißen Juli-Tage, und darum kam uns die Sonne
um drei Erdfernen näher, um zwei armselige Könige,
einen Regenten und einen Herzog auszubrüten! Ei¬
nen Braunschweiger Herzog, der kürzlich auf jeden
falschen Zahn seiner Unterthanen seine Abgabe von
zwei Thaler gelegt hat, vierundsechszig Thaler für
einen ganz falschen Mund! (Wenn dieser gute Her¬
zog viele Beamten und Höflinge hat, muß er ein
reicher Fürst werden.) Und darum dieses dreitägige
Fest, welches die Götter selbst mit ihrer Gegenwart

werden! Und ſeine Dintenlecker, ſeine beſoldeten Red¬
ner und Zeitungsſchreiber, was ſie ihm Hymnen ſin¬
gen! So wurde nicht Achilles und Hektor, nicht
Alexander, nicht Cäſar, nicht Napoleon beſungen.
Sie ſagen: vor Antwerpen ſei ein Krieg geführt
worden, wie noch keiner. Die Franzoſen hätten
nicht für die Freiheit gekämpft, wie unter der Repu¬
blik, nicht für den Ruhm, wie unter Napoleon, ſon¬
dern für die Geſetze hätten ſie gekämpft, es ſei ein
legaler Heroismus geweſen. Für die Geſetze
wären Frankreichs Heldenſöhne drei Wochen lang zwei
Fuß tief im Waſſer geſtanden, und hätten ſich be¬
regnen und niederſchmettern laſſen, und hätten dabei
ihren fröhlichen Muth behalten; nicht aber die Mar¬
ſellaiſe geſungen, wie die revolutionairen Blätter ge¬
logen, ſondern die guten Kinder hätten gerufen: vive
le roi, vive le roi
! ... Und darum jene drei
heißen Juli-Tage, und darum kam uns die Sonne
um drei Erdfernen näher, um zwei armſelige Könige,
einen Regenten und einen Herzog auszubrüten! Ei¬
nen Braunſchweiger Herzog, der kürzlich auf jeden
falſchen Zahn ſeiner Unterthanen ſeine Abgabe von
zwei Thaler gelegt hat, vierundſechszig Thaler für
einen ganz falſchen Mund! (Wenn dieſer gute Her¬
zog viele Beamten und Höflinge hat, muß er ein
reicher Fürſt werden.) Und darum dieſes dreitägige
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[153/0165] werden! Und ſeine Dintenlecker, ſeine beſoldeten Red¬ ner und Zeitungsſchreiber, was ſie ihm Hymnen ſin¬ gen! So wurde nicht Achilles und Hektor, nicht Alexander, nicht Cäſar, nicht Napoleon beſungen. Sie ſagen: vor Antwerpen ſei ein Krieg geführt worden, wie noch keiner. Die Franzoſen hätten nicht für die Freiheit gekämpft, wie unter der Repu¬ blik, nicht für den Ruhm, wie unter Napoleon, ſon¬ dern für die Geſetze hätten ſie gekämpft, es ſei ein legaler Heroismus geweſen. Für die Geſetze wären Frankreichs Heldenſöhne drei Wochen lang zwei Fuß tief im Waſſer geſtanden, und hätten ſich be¬ regnen und niederſchmettern laſſen, und hätten dabei ihren fröhlichen Muth behalten; nicht aber die Mar¬ ſellaiſe geſungen, wie die revolutionairen Blätter ge¬ logen, ſondern die guten Kinder hätten gerufen: vive le roi, vive le roi! ... Und darum jene drei heißen Juli-Tage, und darum kam uns die Sonne um drei Erdfernen näher, um zwei armſelige Könige, einen Regenten und einen Herzog auszubrüten! Ei¬ nen Braunſchweiger Herzog, der kürzlich auf jeden falſchen Zahn ſeiner Unterthanen ſeine Abgabe von zwei Thaler gelegt hat, vierundſechszig Thaler für einen ganz falſchen Mund! (Wenn dieſer gute Her¬ zog viele Beamten und Höflinge hat, muß er ein reicher Fürſt werden.) Und darum dieſes dreitägige Feſt, welches die Götter ſelbſt mit ihrer Gegenwart

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/165>, abgerufen am 29.03.2024.