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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

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seine Aktien zu verkaufen, nahm er sich lieber vor,
das neue Journal von aller Politik rein zu halten.
Daher hat er auch hauts patronages gefunden, näm¬
lich eine große Menge Aristokraten und Juste-Milia¬
ner, die das Unternehmen mit Geld unterstützen.
Sie sind hier wie bei uns, es ist gar kein Unterschied.
Sie glauben auch, es sei möglich dem Geiste der
Zeit eine andere Richtung zu geben, und wenn man
die Aesthetik gut bezahlt, werde die ungereimte Po¬
litik zu Grunde gehen. Sie sehen nicht ein, daß es
ihnen an Verstand mangelt, sie glauben nur es
mangle ihnen an Geld. Sie begreifen nicht, daß es
ihnen an Kopf fehlt, sie meinen es fehlen ihnen nur
die Köpfe Anderer -- zum Abschlagen. Käme ich
morgen zu dem ersten Minister jedes Staates auf
dem europäischen Festlande und brächte ihm tausend
Million Dukaten und einen ausführbaren Plan, hun¬
dert Tausend unruhige Köpfe nach beliebiger Auswahl
herunter zu schlagen -- er bestellte mich auf über¬
morgen wieder, und verspräche mir bis dahin die gute
alte Zeit wieder herzustellen. Ich glaube ihr Irren
kömmt daher, daß sie die Geschichte nicht kennen oder
nicht verstanden haben, die Welt wurde immer von
einer Idee beherrscht, und Völker wie ihre Regie¬
rungen mußten sich ihr unterwerfen. Zwischen einer
und der andern Idee, kam aber immer ein Jahr¬
hundert des Stillstandes; da schlief die Menschheit.

ſeine Aktien zu verkaufen, nahm er ſich lieber vor,
das neue Journal von aller Politik rein zu halten.
Daher hat er auch hauts patronages gefunden, näm¬
lich eine große Menge Ariſtokraten und Juſte-Milia¬
ner, die das Unternehmen mit Geld unterſtützen.
Sie ſind hier wie bei uns, es iſt gar kein Unterſchied.
Sie glauben auch, es ſei möglich dem Geiſte der
Zeit eine andere Richtung zu geben, und wenn man
die Aeſthetik gut bezahlt, werde die ungereimte Po¬
litik zu Grunde gehen. Sie ſehen nicht ein, daß es
ihnen an Verſtand mangelt, ſie glauben nur es
mangle ihnen an Geld. Sie begreifen nicht, daß es
ihnen an Kopf fehlt, ſie meinen es fehlen ihnen nur
die Köpfe Anderer — zum Abſchlagen. Käme ich
morgen zu dem erſten Miniſter jedes Staates auf
dem europäiſchen Feſtlande und brächte ihm tauſend
Million Dukaten und einen ausführbaren Plan, hun¬
dert Tauſend unruhige Köpfe nach beliebiger Auswahl
herunter zu ſchlagen — er beſtellte mich auf über¬
morgen wieder, und verſpräche mir bis dahin die gute
alte Zeit wieder herzuſtellen. Ich glaube ihr Irren
kömmt daher, daß ſie die Geſchichte nicht kennen oder
nicht verſtanden haben, die Welt wurde immer von
einer Idee beherrſcht, und Völker wie ihre Regie¬
rungen mußten ſich ihr unterwerfen. Zwiſchen einer
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[160/0172] ſeine Aktien zu verkaufen, nahm er ſich lieber vor, das neue Journal von aller Politik rein zu halten. Daher hat er auch hauts patronages gefunden, näm¬ lich eine große Menge Ariſtokraten und Juſte-Milia¬ ner, die das Unternehmen mit Geld unterſtützen. Sie ſind hier wie bei uns, es iſt gar kein Unterſchied. Sie glauben auch, es ſei möglich dem Geiſte der Zeit eine andere Richtung zu geben, und wenn man die Aeſthetik gut bezahlt, werde die ungereimte Po¬ litik zu Grunde gehen. Sie ſehen nicht ein, daß es ihnen an Verſtand mangelt, ſie glauben nur es mangle ihnen an Geld. Sie begreifen nicht, daß es ihnen an Kopf fehlt, ſie meinen es fehlen ihnen nur die Köpfe Anderer — zum Abſchlagen. Käme ich morgen zu dem erſten Miniſter jedes Staates auf dem europäiſchen Feſtlande und brächte ihm tauſend Million Dukaten und einen ausführbaren Plan, hun¬ dert Tauſend unruhige Köpfe nach beliebiger Auswahl herunter zu ſchlagen — er beſtellte mich auf über¬ morgen wieder, und verſpräche mir bis dahin die gute alte Zeit wieder herzuſtellen. Ich glaube ihr Irren kömmt daher, daß ſie die Geſchichte nicht kennen oder nicht verſtanden haben, die Welt wurde immer von einer Idee beherrſcht, und Völker wie ihre Regie¬ rungen mußten ſich ihr unterwerfen. Zwiſchen einer und der andern Idee, kam aber immer ein Jahr¬ hundert des Stillſtandes; da ſchlief die Menſchheit.

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/172>, abgerufen am 28.03.2024.