Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.nen ist sein Feierabend und er weint alle Thränen, nen iſt ſein Feierabend und er weint alle Thränen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0087" n="75"/> nen iſt ſein Feierabend und er weint alle Thränen,<lb/> die er zurückhalten muß ſo lange die Sonne ſcheint.<lb/> Er klagt im Selbſtgeſpräche: jeder Menſch, der Sol¬<lb/> dat, der Bettler, der Galeerenſclave, der Schuldige<lb/> auf der Folter des Gewiſſens, der Verbrecher im<lb/> Kerker, dieſe Unglücklichen Alle hätten das Recht,<lb/> nicht zu lachen wenn ſie nicht wollten, das Recht zu<lb/> weinen ſo oft ſie wollten, nur er hätte dieſe Rechte<lb/> nicht. Er tritt in das Haus, ein junges holdes<lb/> Mädchen kömmt ihm entgegen und wirft ſich in ſeine<lb/> Arme. Unter Weinen und Lachen drückt er ſie an<lb/> ſeine Bruſt. Es iſt ſeine Tochter. Jeder weiß wie<lb/> ein Vater ſein Kind liebt; wenn es aber in der gan¬<lb/> zen großen Welt das einzige Geſchöpf iſt das ihn,<lb/> das er liebt; wenn er ſonſt überall nur Haß, Spott<lb/> und Verachtung findet und austheilt — wie dann<lb/> ein Vater ſeine Tochter liebe, das kann nur ein<lb/> Dichter errathen. Dieſe Scene, gleich noch einigen<lb/> andern des Dramas iſt herrlich, und man muß ſie<lb/> vergeſſen, um den Muth zu behalten, das Ganze zu<lb/> verdammen. Triboulet ließ ſeine Tochter in ſtiller<lb/> Verborgenheit aufblühen, um ſie vor der böſen Luft<lb/> in Paris zu ſchützen. Sie kennt die Welt nicht,<lb/> kennt die Stellung nicht die ihr Vater darin hat,<lb/> weiß nicht einmal ſeinen Namen. Sie ahndet nur<lb/> er müſſe unglücklich ſein. Sie ſpricht:<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0087]
nen iſt ſein Feierabend und er weint alle Thränen,
die er zurückhalten muß ſo lange die Sonne ſcheint.
Er klagt im Selbſtgeſpräche: jeder Menſch, der Sol¬
dat, der Bettler, der Galeerenſclave, der Schuldige
auf der Folter des Gewiſſens, der Verbrecher im
Kerker, dieſe Unglücklichen Alle hätten das Recht,
nicht zu lachen wenn ſie nicht wollten, das Recht zu
weinen ſo oft ſie wollten, nur er hätte dieſe Rechte
nicht. Er tritt in das Haus, ein junges holdes
Mädchen kömmt ihm entgegen und wirft ſich in ſeine
Arme. Unter Weinen und Lachen drückt er ſie an
ſeine Bruſt. Es iſt ſeine Tochter. Jeder weiß wie
ein Vater ſein Kind liebt; wenn es aber in der gan¬
zen großen Welt das einzige Geſchöpf iſt das ihn,
das er liebt; wenn er ſonſt überall nur Haß, Spott
und Verachtung findet und austheilt — wie dann
ein Vater ſeine Tochter liebe, das kann nur ein
Dichter errathen. Dieſe Scene, gleich noch einigen
andern des Dramas iſt herrlich, und man muß ſie
vergeſſen, um den Muth zu behalten, das Ganze zu
verdammen. Triboulet ließ ſeine Tochter in ſtiller
Verborgenheit aufblühen, um ſie vor der böſen Luft
in Paris zu ſchützen. Sie kennt die Welt nicht,
kennt die Stellung nicht die ihr Vater darin hat,
weiß nicht einmal ſeinen Namen. Sie ahndet nur
er müſſe unglücklich ſein. Sie ſpricht:
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