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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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Die unterschiedlichen Kennzeichen
ihn zur Verachtung/ die er sich selbst schuldig/ und zu
der so nöthigen Demuth.

Dieses ist die Lage einer Seelen/ welche in der
That/ und nicht dem Scheine nach/ Christlich ist.
Sie muß ihren Willen beschneiden/ und das Inter-
esse
samt der Eigen-Liebe gantz und gar bey sich aus-
rotten; auch sich würcklich/ und nicht durch heuch-
lerische Betrachtung und Scheinheiligkeit an GOtt
halten.

Die Geistreichen.
Das 5. Cap.

Eine Frau/ saget der Autor, die sich selbst vor
geistreich hält/ und mit ihrem Verstande viel
weiß/ ist denen Leuten gantz unerträglich. Sie
achtet gegen sich keinen Menschen; und so vermag
gegentheils kein Mensch sie zu leiden. Sie ist zu nichts
fähig/ als denen Lügen schöne Farben anzustreichen/
und mit grösserer Subeilität Böses zu thun.

Das Verlangen so sie hat/ geschickt zu scheinen/
hindert sie daran/ daß sie solches nicht in der That
wird. Jn der Conversation will sie sich am meisten
hervor thun; doch da fället sie auf einen Nachmit-
tag in ihren Discursen bald von der Doctrin auf die
Sitten/ von dem Gebrauch auf den Wahn/ von dem
ernsthafften auf das lustige/ und in zwey Stunden
handelt sie von allen Interessen Europens/ ohne daß
sie von einem eintzigen rechte Käntniß hat. Also be-
leidiget sie durch ihr gar zu unzeitiges Raisonniren
die Raison selbst/ und weiß sich viel/ wenn sie nur
viel Worte machet/ ohne daß sie die Sache selbst
auch nur mittelmäßig inne habe.

Die Schmeichler loben ihren vermeynten esprit,
und verderben sie noch mehr durch ihre falsche Lieb-

kosung.

Die unterſchiedlichen Kennzeichen
ihn zur Verachtung/ die er ſich ſelbſt ſchuldig/ und zu
der ſo noͤthigen Demuth.

Dieſes iſt die Lage einer Seelen/ welche in der
That/ und nicht dem Scheine nach/ Chriſtlich iſt.
Sie muß ihren Willen beſchneiden/ und das Inter-
eſſe
ſamt der Eigen-Liebe gantz und gar bey ſich aus-
rotten; auch ſich wuͤrcklich/ und nicht durch heuch-
leriſche Betrachtung und Scheinheiligkeit an GOtt
halten.

Die Geiſtreichen.
Das 5. Cap.

Eine Frau/ ſaget der Autor, die ſich ſelbſt vor
geiſtreich haͤlt/ und mit ihrem Verſtande viel
weiß/ iſt denen Leuten gantz unertraͤglich. Sie
achtet gegen ſich keinen Menſchen; und ſo vermag
gegentheils kein Menſch ſie zu leiden. Sie iſt zu nichts
faͤhig/ als denen Luͤgen ſchoͤne Farben anzuſtreichen/
und mit groͤſſerer Subeilitaͤt Boͤſes zu thun.

Das Verlangen ſo ſie hat/ geſchickt zu ſcheinen/
hindert ſie daran/ daß ſie ſolches nicht in der That
wird. Jn der Converſation will ſie ſich am meiſten
hervor thun; doch da faͤllet ſie auf einen Nachmit-
tag in ihren Diſcurſen bald von der Doctrin auf die
Sitten/ von dem Gebrauch auf den Wahn/ von dem
ernſthafften auf das luſtige/ und in zwey Stunden
handelt ſie von allen Intereſſen Europens/ ohne daß
ſie von einem eintzigen rechte Kaͤntniß hat. Alſo be-
leidiget ſie durch ihr gar zu unzeitiges Raiſonniren
die Raiſon ſelbſt/ und weiß ſich viel/ wenn ſie nur
viel Worte machet/ ohne daß ſie die Sache ſelbſt
auch nur mittelmaͤßig inne habe.

Die Schmeichler loben ihren vermeynten eſprit,
und verderben ſie noch mehr durch ihre falſche Lieb-

koſung.
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[290/0322] Die unterſchiedlichen Kennzeichen ihn zur Verachtung/ die er ſich ſelbſt ſchuldig/ und zu der ſo noͤthigen Demuth. Dieſes iſt die Lage einer Seelen/ welche in der That/ und nicht dem Scheine nach/ Chriſtlich iſt. Sie muß ihren Willen beſchneiden/ und das Inter- eſſe ſamt der Eigen-Liebe gantz und gar bey ſich aus- rotten; auch ſich wuͤrcklich/ und nicht durch heuch- leriſche Betrachtung und Scheinheiligkeit an GOtt halten. Die Geiſtreichen. Das 5. Cap. Eine Frau/ ſaget der Autor, die ſich ſelbſt vor geiſtreich haͤlt/ und mit ihrem Verſtande viel weiß/ iſt denen Leuten gantz unertraͤglich. Sie achtet gegen ſich keinen Menſchen; und ſo vermag gegentheils kein Menſch ſie zu leiden. Sie iſt zu nichts faͤhig/ als denen Luͤgen ſchoͤne Farben anzuſtreichen/ und mit groͤſſerer Subeilitaͤt Boͤſes zu thun. Das Verlangen ſo ſie hat/ geſchickt zu ſcheinen/ hindert ſie daran/ daß ſie ſolches nicht in der That wird. Jn der Converſation will ſie ſich am meiſten hervor thun; doch da faͤllet ſie auf einen Nachmit- tag in ihren Diſcurſen bald von der Doctrin auf die Sitten/ von dem Gebrauch auf den Wahn/ von dem ernſthafften auf das luſtige/ und in zwey Stunden handelt ſie von allen Intereſſen Europens/ ohne daß ſie von einem eintzigen rechte Kaͤntniß hat. Alſo be- leidiget ſie durch ihr gar zu unzeitiges Raiſonniren die Raiſon ſelbſt/ und weiß ſich viel/ wenn ſie nur viel Worte machet/ ohne daß ſie die Sache ſelbſt auch nur mittelmaͤßig inne habe. Die Schmeichler loben ihren vermeynten eſprit, und verderben ſie noch mehr durch ihre falſche Lieb- koſung.

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/322>, abgerufen am 29.03.2024.