Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Abschnitt. [Gleich. 138]
bestimmende Winkel. Es ist also m = 5 und da e wieder gleich
Null ist, so hat man k = 1,4. Wenn die Moleküle absolut
glatte, undeformirbare elastische Körper sind, welche aber keinen
der soeben betrachteten Fälle realisiren, so wird ihre Drehung
um alle möglichen Axen durch die Zusammenstösse modificirt.
Es sind daher dann zur Bestimmung der Lage eines Moleküles
ausser den drei Coordinaten seines Schwerpunktes noch drei
die gesammte Drehung um den Schwerpunkt bestimmende
Winkel nothwendig und es ist
m = 6, k = 1 1/3 .

§ 45. Vergleich mit der Erfahrung.

Es ist beachtenswerth, dass für den Quecksilberdampf,
dessen Moleküle aus chemischen Gründen schon längst als
einatomig betrachtet wurden, nach den Versuchen von Kundt
und Warburg in der That k sehr nahe gleich dem für ein-
fache Moleküle sich ergebenden Werthe 1 2/3 ist. Auch für
Helion, Neon, Argon, Metargon und Krypton fand Ramsay
einen nahe ebenso grossen Werth von k. Es spricht die ge-
ringe chemische Activität dieser Gase ebenfalls für die Ein-
atomigkeit ihrer Moleküle.

Für viele Gase mit sehr einfach gebauten zusammen-
gesetzten Molekülen (vielleicht für alle, bei denen eine Ver-
änderlichkeit des k mit der Temperatur bisher nicht con-
statirt werden konnte) ergiebt ferner die Beobachtung Werthe
des k, die den beiden anderen von uns gefundenen 1,4 und
1 1/3 sehr nahe liegen.

Damit ist freilich die Frage noch lange nicht erledigt. Für
viele Gase hat k noch kleinere Werthe; ausserdem fand Wüllner,
dass oft und zwar gerade für diese letzteren Gase k mit der
Temperatur stark veränderlich ist. Eine Veränderlichkeit des k
mit der Temperatur ergiebt sich aus unserer Theorie ebenfalls
im Allgemeinen, sobald auch die Kraftfunction V der intra-
molekularen Kräfte, welche zwischen den Bestandtheilen eines
Moleküles wirken, von Einfluss ist; doch ist leicht zu ersehen,
dass auch hiermit die Theorie des Verhältnisses der specifischen
Wärmen nicht erschöpft sein kann.

Wenn die Moleküle rund um ihren Mittelpunkt herum

IV. Abschnitt. [Gleich. 138]
bestimmende Winkel. Es ist also μ = 5 und da ε wieder gleich
Null ist, so hat man κ = 1,4. Wenn die Moleküle absolut
glatte, undeformirbare elastische Körper sind, welche aber keinen
der soeben betrachteten Fälle realisiren, so wird ihre Drehung
um alle möglichen Axen durch die Zusammenstösse modificirt.
Es sind daher dann zur Bestimmung der Lage eines Moleküles
ausser den drei Coordinaten seines Schwerpunktes noch drei
die gesammte Drehung um den Schwerpunkt bestimmende
Winkel nothwendig und es ist
μ = 6, κ = 1⅓.

§ 45. Vergleich mit der Erfahrung.

Es ist beachtenswerth, dass für den Quecksilberdampf,
dessen Moleküle aus chemischen Gründen schon längst als
einatomig betrachtet wurden, nach den Versuchen von Kundt
und Warburg in der That κ sehr nahe gleich dem für ein-
fache Moleküle sich ergebenden Werthe 1⅔ ist. Auch für
Helion, Neon, Argon, Metargon und Krypton fand Ramsay
einen nahe ebenso grossen Werth von κ. Es spricht die ge-
ringe chemische Activität dieser Gase ebenfalls für die Ein-
atomigkeit ihrer Moleküle.

Für viele Gase mit sehr einfach gebauten zusammen-
gesetzten Molekülen (vielleicht für alle, bei denen eine Ver-
änderlichkeit des κ mit der Temperatur bisher nicht con-
statirt werden konnte) ergiebt ferner die Beobachtung Werthe
des κ, die den beiden anderen von uns gefundenen 1,4 und
1⅓ sehr nahe liegen.

Damit ist freilich die Frage noch lange nicht erledigt. Für
viele Gase hat κ noch kleinere Werthe; ausserdem fand Wüllner,
dass oft und zwar gerade für diese letzteren Gase κ mit der
Temperatur stark veränderlich ist. Eine Veränderlichkeit des κ
mit der Temperatur ergiebt sich aus unserer Theorie ebenfalls
im Allgemeinen, sobald auch die Kraftfunction V der intra-
molekularen Kräfte, welche zwischen den Bestandtheilen eines
Moleküles wirken, von Einfluss ist; doch ist leicht zu ersehen,
dass auch hiermit die Theorie des Verhältnisses der specifischen
Wärmen nicht erschöpft sein kann.

Wenn die Moleküle rund um ihren Mittelpunkt herum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="130"/><fw place="top" type="header">IV. Abschnitt. [Gleich. 138]</fw><lb/>
bestimmende Winkel. Es ist also <hi rendition="#i">&#x03BC;</hi> = 5 und da <hi rendition="#i">&#x03B5;</hi> wieder gleich<lb/>
Null ist, so hat man <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi> = 1,4. Wenn die Moleküle absolut<lb/>
glatte, undeformirbare elastische Körper sind, welche aber keinen<lb/>
der soeben betrachteten Fälle realisiren, so wird ihre Drehung<lb/>
um alle möglichen Axen durch die Zusammenstösse modificirt.<lb/>
Es sind daher dann zur Bestimmung der Lage eines Moleküles<lb/>
ausser den drei Coordinaten seines Schwerpunktes noch drei<lb/>
die gesammte Drehung um den Schwerpunkt bestimmende<lb/>
Winkel nothwendig und es ist<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">&#x03BC;</hi> = 6, <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi> = 1&#x2153;.</hi></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 45. <hi rendition="#g">Vergleich mit der Erfahrung</hi>.</head><lb/>
          <p>Es ist beachtenswerth, dass für den Quecksilberdampf,<lb/>
dessen Moleküle aus chemischen Gründen schon längst als<lb/>
einatomig betrachtet wurden, nach den Versuchen von <hi rendition="#g">Kundt</hi><lb/>
und <hi rendition="#g">Warburg</hi> in der That <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi> sehr nahe gleich dem für ein-<lb/>
fache Moleküle sich ergebenden Werthe 1&#x2154; ist. Auch für<lb/>
Helion, Neon, Argon, Metargon und Krypton fand <hi rendition="#g">Ramsay</hi><lb/>
einen nahe ebenso grossen Werth von <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi>. Es spricht die ge-<lb/>
ringe chemische Activität dieser Gase ebenfalls für die Ein-<lb/>
atomigkeit ihrer Moleküle.</p><lb/>
          <p>Für viele Gase mit sehr einfach gebauten zusammen-<lb/>
gesetzten Molekülen (vielleicht für alle, bei denen eine Ver-<lb/>
änderlichkeit des <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi> mit der Temperatur bisher nicht con-<lb/>
statirt werden konnte) ergiebt ferner die Beobachtung Werthe<lb/>
des <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi>, die den beiden anderen von uns gefundenen 1,4 und<lb/>
1&#x2153; sehr nahe liegen.</p><lb/>
          <p>Damit ist freilich die Frage noch lange nicht erledigt. Für<lb/>
viele Gase hat <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi> noch kleinere Werthe; ausserdem fand <hi rendition="#g">Wüllner</hi>,<lb/>
dass oft und zwar gerade für diese letzteren Gase <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi> mit der<lb/>
Temperatur stark veränderlich ist. Eine Veränderlichkeit des <hi rendition="#i">&#x03BA;</hi><lb/>
mit der Temperatur ergiebt sich aus unserer Theorie ebenfalls<lb/>
im Allgemeinen, sobald auch die Kraftfunction <hi rendition="#i">V</hi> der intra-<lb/>
molekularen Kräfte, welche zwischen den Bestandtheilen eines<lb/>
Moleküles wirken, von Einfluss ist; doch ist leicht zu ersehen,<lb/>
dass auch hiermit die Theorie des Verhältnisses der specifischen<lb/>
Wärmen nicht erschöpft sein kann.</p><lb/>
          <p>Wenn die Moleküle rund um ihren Mittelpunkt herum<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0148] IV. Abschnitt. [Gleich. 138] bestimmende Winkel. Es ist also μ = 5 und da ε wieder gleich Null ist, so hat man κ = 1,4. Wenn die Moleküle absolut glatte, undeformirbare elastische Körper sind, welche aber keinen der soeben betrachteten Fälle realisiren, so wird ihre Drehung um alle möglichen Axen durch die Zusammenstösse modificirt. Es sind daher dann zur Bestimmung der Lage eines Moleküles ausser den drei Coordinaten seines Schwerpunktes noch drei die gesammte Drehung um den Schwerpunkt bestimmende Winkel nothwendig und es ist μ = 6, κ = 1⅓. § 45. Vergleich mit der Erfahrung. Es ist beachtenswerth, dass für den Quecksilberdampf, dessen Moleküle aus chemischen Gründen schon längst als einatomig betrachtet wurden, nach den Versuchen von Kundt und Warburg in der That κ sehr nahe gleich dem für ein- fache Moleküle sich ergebenden Werthe 1⅔ ist. Auch für Helion, Neon, Argon, Metargon und Krypton fand Ramsay einen nahe ebenso grossen Werth von κ. Es spricht die ge- ringe chemische Activität dieser Gase ebenfalls für die Ein- atomigkeit ihrer Moleküle. Für viele Gase mit sehr einfach gebauten zusammen- gesetzten Molekülen (vielleicht für alle, bei denen eine Ver- änderlichkeit des κ mit der Temperatur bisher nicht con- statirt werden konnte) ergiebt ferner die Beobachtung Werthe des κ, die den beiden anderen von uns gefundenen 1,4 und 1⅓ sehr nahe liegen. Damit ist freilich die Frage noch lange nicht erledigt. Für viele Gase hat κ noch kleinere Werthe; ausserdem fand Wüllner, dass oft und zwar gerade für diese letzteren Gase κ mit der Temperatur stark veränderlich ist. Eine Veränderlichkeit des κ mit der Temperatur ergiebt sich aus unserer Theorie ebenfalls im Allgemeinen, sobald auch die Kraftfunction V der intra- molekularen Kräfte, welche zwischen den Bestandtheilen eines Moleküles wirken, von Einfluss ist; doch ist leicht zu ersehen, dass auch hiermit die Theorie des Verhältnisses der specifischen Wärmen nicht erschöpft sein kann. Wenn die Moleküle rund um ihren Mittelpunkt herum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/148
Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 2. Leipzig, 1898, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie02_1898/148>, abgerufen am 28.03.2024.