Augsburgerallgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Freitag
Nr. 38.
7 Februar 1840.
Spanien.
Madrid, 24 Jan. Die Mißbräuche, welche die revolutionäre Partei mit der Preßfreiheit treibt, haben endlich dahin geführt, daß auch die ministeriellen Blätter ihr zurückhaltendes Stillschweigen brechen, und ohne Schonung den Schleier von einer Unterhandlung ziehen, die freilich bereits nicht mehr die nächste Gegenwart berührt, deren Enthüllung aber ein helles Licht auf die Gesinnungen des Mannes wirft, in dessen Händen das Schicksal dieses unglücklichen Landes eine Zeit lang schwebte. Noch vor kurzem schrieb Hr. Mendizabal sich selbst eine lange Schutzrede, in der er sich als den einzigen spanischen Staatsmann darstellte, der, fremden Einflüssen unzugänglich, sein Vaterland mit eignen Kräften gerettet haben würde, wenn nicht seine großartigen Plane an den Intriguen der Afrancesados und der Höflinge gescheitert wären. Worin nun aber der wahre Plan des neuen Colbert bestand, erfahren wir aus einem in dem gestrigen „Correo Nacional“ enthaltenen Aufsatze, der auf bisher geheim gehaltenen amtlichen Quellen beruht. Ich lasse jetzt diesen Aufsatz selbst reden: „Worin bestand dieser Plan? worin das Vertrauensvotum? In der Erlaubniß, in die bedeutendsten Häfen der Halbinsel, mit Einschluß derer des mittelländischen Meeres, englische Baumwollenzeuge, die jetzt verboten sind, gegen eine Auflage von 25 Procent ihres Werthes, einzuführen; von der englischen Regierung eine Anleihe von 100 Millionen Realen (1 Mill. Pf. St.) zu erhalten, und den Ertrag der erwähnten Auflage zur Bezahlung der Zinsen und zur Tilgung des Anlehens zu verwenden. Der Plan war so weit vorgeschritten, daß schon am 2 Nov. 1835 zwischen Hrn. Villiers, englischem Gesandten, und und dem Hrn. D. Juan Alvarez y Mendizabal, eine Uebereinkunft zu Stande kam, in welcher die angegebenen Grundlagen festgesetzt wurden. Dieses Document war eigentlich eine Art von Protokoll der ersten zwischen den Unterhändlern stattgehabten Conferenz, und umfaßte nicht nur das Anleihegeschäft, das in Folge der Einfuhr von Baumwollenzeugen erfolgen sollte, sondern auch die ersten Unterhandlungen zum Behuf eines neuen Handelsvertrags, welcher die Häfen der Halbinsel den englischen Waaren jederlei Art mit großen Vortheilen für den Handel Großbritanniens zu öffnen bestimmt war. Zugleich bestimmte der Vertrag, daß in allen Häfen, welche in Folge des Anlehens der Einfuhr von Waaren geöffnet worden wären, vermischte, aus Spaniern und Engländern zusammengesetzte Commissionen errichtet werden sollten, um die für die erwähnten Waaren zu entrichtenden Abgaben zu erheben, und ausschließlich theils für die Zinsen und Tilgung des Anlehens, theils für eine Entschädigung zu verwenden, die man den Fabricanten Cataloniens vorschlagen wollte, und auf welche bereits gewisse industrielle Personen dieser Provinz, die jetzt in Madrid wohnen, und die Hr. Mendizabal auf seine Seite gebracht hatte, eingehen zu wollen schienen. Diese Entschädigung sollte sich nach dem Verhältniß des Schadens richten, welchen den erwähnten Fabricanten die bedungene Einfuhr von Waaren, mit deren Preisen und Eigenschaften die erst entstehende inländische Industrie nicht wetteifern konnte, verursachen würde. War dieses Document, das nur das erste Glied einer Kette von nachfolgenden und entsprechenden Verträgen seyn sollte, unterzeichnet und nach London geschickt, so glaubte Mendizabal, die englische Regierung würde sogleich einen ersten Vorschuß auf Rechnung des Anlehens leisten, und es wurden sogar auf London Wechsel gezogen, die durch jenen Vorschuß gedeckt werden sollten. Allein zu übler Stunde und noch schlimmer für Hrn. Mendizabal, wenn gleich zum großen Glücke für die Nation, kam die eingeleitete Unterhandlung zu Ohren des Grafen v. Rayneval, französischen Botschafters, und zwar (wer sollte es glauben?) durch die Intriguen eines Hrn. Progressisten, welchen beide Theile, die in der Uebereinkunft erschienen, um die Wette mit ihrer Freundschaft und ihrem Vertrauen beehrten und fortwährend beehren, und der von der Sache solche Anzeichen und Beweise schwarz auf weiß lieferte, daß kein Zweifel übrig blieb. *) Die hier bezeichnete Person wurde, auf Empfehlung desselben englischen Diplomaten, gerade vor einem Jahre zu einer vertraulichen Mission verwandt, und legte während und nach derselben eben solche Proben von Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit ab, wie bei der im Text angeführten Unterhandlung.
Anmerk. des Corresp.
Hr. v. Rayneval fertigte in aller Eile einen Courier an seinen Hof ab; die kräftigsten Vorstellungen von Seite des französischen Cabinets gelangten zur rechten Zeit nach London, um die Ratification des Vertrags und die so zuversichtlich erwartete erste Rimesse von Fonds zu verhindern. Anstatt dieser Rimesse erhielt man in Madrid eine Depesche Lord Palmerstons an Hrn. Villiers, worin es hieß, daß, da, wenigstens dem französischen Cabinette, das Geheimniß der Unterhandlungen verrathen worden sey, sich Verwicklungen und diplomatische Schwierigkeiten dargeboten hätten, welche die Verwirklichung des Plans für jetzt unmöglich machten. Dieß ist der Hergang der Sache, und wenn Hr.
Mendizabal ihn schon vergessen hat, wenn er noch mehrere Angaben zur Stärkung seines Gedächtnisses verlangt, so sage er es, und wir werden sie ihm geben.“ – Aus diesem Hergange der Sache erhellt: die Gewandtheit des englischen Diplomaten, der die Handelsinteressen seines Landes durch Benutzung eines dienstbaren Werkzeuges zu befördern suchte; die Wachsamkeit und Geschicklichkeit des Grafen Rayneval, der jene Unterhandlungen zu hintertreiben wußte, und sich dadurch nicht weniger um die aufblühende spanische Industrie als um die Interessen des französischen Handels ein außerordentliches Verdienst erwarb; endlich die financiellen, politischen und diplomatischen Fähigkeiten, so wie die Vaterlandsliebe und der patriotische Sinn des spanischen Staatsmannes, der ohne fremde Hülfstruppen und ohne auswärtige Anlehen dem Bürgerkriege binnen sechs Monaten ein Ende zu machen gelobt hatte. Dieser „Patriot“, der Busenfreund eines Arguelles, der Verfechter der progressiven Freiheit, der Vertreter, das Sinnbild der ganzen Partei der Exaltirten, erblickte in der Vertheilung einiger Millionen unter reiche Capitalisten eine Entschädigung für den Untergang der spanischen Industrie, durch welchen tausende vom Ertrage ihrer Arbeit lebende Familien, namentlich in Catalonien, dem Hungertode preisgegeben, oder auf das Ergreifen der Fahne des Aufruhrs hingewiesen worden wären. „Ein Patriot, heißt es in dem Aufsatze, war Hr. Mendizabal, und er weigerte sich nicht, einen Vertrag zu unterzeichnen, der unsere jungfräuliche Unabhängigkeit bedrohte, der nichts weniger bezielte, als uns unter das Joch zu beugen, welches gerade jetzt das wiedergeborene Portugal abzuwerfen sucht.“ Man würde sich indessen irren, wenn man glaubte, daß durch die nun erfolgten Aufklärungen, die dem Mann des Vertrauensvotums das Brandmal auf die Stirne drücken, die Parteigänger desselben enttäuscht würden. Sie haben sich vielmehr nie über ihn getäuscht. Seine politischen Freunde haben nie in ihm den Schwindler, den Abenteurer, den Zögling der Stockbörse, den auf seine eigene Unwissenheit stolzen Prahler verkannt, aber gerade weil sie, um ihre eigenen selbstsüchtigen Zwecke zu erreichen, eines Mannes bedürfen, der ohne Sinn für Scham und Ehre sich willig als blindes Werkzeug leiten läßt, unbekümmert, ob die Nation ein Opfer seines Stumpfsinnes oder seiner Bosheit werde, – deßhalb, und nur deßhalb haben sie ihn aus dem Nichts hervorgezogen.
Großbritannien.
London, 31 Jan.
Das Pariser Commerce vom 2 Febr. sagt: „Briefe aus London melden, daß in Folge der doppelten Schlappe, die das Ministerium im Parlament erlitten, Lord J. Russell seine Entlassung eingereicht. Die Königin soll über das Votum des Unterhauses vom 27 Jan. in sehr gereizter Stimmung seyn.“ – Die uns vorliegenden Londoner Morgen- und Abendzeitungen vom 31 Jan. enthalten nicht die leiseste Andeutung, daß Lord J. Russell seinen Rücktritt beabsichtige; wohl aber wollen einige Provincialblätter wissen, gleich nach der Abstimmung vom 27 habe das Ministerium eine Parlamentsauflösung beschlossen.
Der mehrerwähnte Vorgang in der Oberhaussitzung vom 27 Jan. war folgender Art: „Der Lordkanzler trug auf die zweite Lesung der eigentlichen Bill zum Behuf der Naturalisation des Prinzen Albert an. Die erste war nämlich, wie es sich jetzt zeigt, nur eine vorläufige Maaßregel gewesen, um die Königin zu ermächtigen, eine Naturalisirungsbill mit Aufhebung früherer Beschränkungen dem Parlamente vorlegen zu lassen. In dieser wirklichen Naturalisationsacte sind nun die beiden Hauptpuncte, daß der Prinz, sobald er den Unterthänigkeits- und Suprematie-Eid vor dem Lordkanzler geleistet, in jeder Beziehung als ein in England geborner Unterthan des Königreichs angesehen werden, und daß die Königin ermächtigt seyn soll, ihm für seine Lebenszeit diejenige Stellung und denjenigen Rang nach Ihrer Maj. im Parlament und anderwärts zu verleihen, welche sie für angemessen erachten möchte. Der Herzog v. Wellington verlangte Aufschub dieser Maaßregel, indem er fand, daß die Bill nicht bloß dasjenige sey, wofür sie ausgegeben werde, sondern eine solche, die, wenn sie durchginge, die erlauchte Person, zu deren Gunsten sie laute, über die Prinzen vom königlichen Geblüt stellen würde. Er wolle sich jedoch der Bill jetzt nicht widersetzen, sondern darauf antragen, daß sie nächsten Freitag zum zweitenmal verlesen werde. Lord Brougham war ziemlich gleicher Meinung. Er glaubte, es wäre geziemender, wenn die Königin es dem Parlament überlasse, den Rang des Prinzen Albert zu bestimmen. Nach der vorliegenden Bill könnte Prinz Albert den Vorrang vor einem künftigen Prinzen von Wales erhalten, und dieß wäre für beide Theile ein sehr anomales Verhältniß, weil, wenn die Königin während Lebzeiten des Prinzen Albert ohne Erben stürbe, ein neuer König einen Sohn haben könnte, der dann natürlich Prinz von Wales seyn würde, und der am Ende dem Prinzen Albert im Range nachstehen müßte. Eine andere Frage, meinte er, sey es, ob die Königin den Prinzen Albert vielleicht zum König Gemahl erheben möchte, was jedoch hier nicht hergehöre. Lord Melbourne aber war gegen den Aufschub, weil darin etwas Unfreundliches liege. Gegen die Anführung des Präcedenzbeispiels der Vermählung des Prinzen Leopold mit der Prinzessin Charlotte bemerkt der Minister, dieß sey ein ganz anderer Fall, denn die Prinzessin Charlotte sey nur die Enkelin des regierenden Königs gewesen, als Prinz Leopold sich mit ihr vermählt habe. Der Marquis v. Londonderry fragte, ob eine erlauchte Person, die gegenwärtig nicht im Lande sey, aufgefordert worden, dem jetzigen Parlamente als Herzog von Cumberland beizuwohnen. Auch er sprach gegen die Bill. Lord Melbourne beantwortete jene Frage bejahend, indem er hinzufügte, daß der erlauchte Herzog im Oberhause nicht als König von Hannover bekannt sey. Die zweite Verlesung der Naturalisationsbill ward hierauf bis Freitag ausgesetzt, an diesem Tage wieder aufgenommen, aber nach wenigen darüber gewechselten Worten noch einmal vertagt.
Die Unterhausdebatten über Sir J. Y. Bullers Motion ziehen sich sehr in die Länge, indem die Redner beider Parteien die Gelegenheit ausbeuten, sich gegenseitig alles vorzurücken, was sie von politischem Groll im Herzen tragen, obgleich, wie Lord Stanley, der Hauptredner der Sitzung vom 30 Jan. – seine Rede dauerte über anderthalb Stunden – ausdrücklich bemerkte, die Tories sich auf keine Majorität Hoffnung machen. „Die achtbarsten Unterstützer des jetzigen Cabinets,“ äußerte der edle Lord, „fallen einer nach dem andern von demselben ab; einer der zurückgetretenen Minister (Howick) hat selbst darauf hingedeutet, und dem Volke gehen über diese Verwaltung mählig die Augen auf. Aber mag die gegenwärtige Schlacht uns gewonnen oder verloren werden – und ich weiß, die Abstimmung wird gegen uns ausfallen – so wird das Ergebniß doch nicht die mindeste Aenderung im Benehmen der großen conservativen Körperschaft hervorbringen. Wie oft es uns auch mißlingen mag, so werden wir doch die Regierung überwachen und controliren, stets unsere Pflicht als einige Partei im Auge behalten, stets die Minister, wo sie im Recht sind, selbst gegen ihre unheilbrütenden Bundesgenossen vertheidigen, andrerseits aber diejenigen ministeriellen Maaßregeln vereiteln, die dem Lande nachtheilig seyn würden.
Mögen die Whigs nach wie vor auf den Regierungsplätzen sitzen; die Regierungsgewalt wird doch thatsächlich von den Tories gehandhabt, und unser ist die Autorität dieses Landes.“ (Rauschender Zuruf der Opposition.) Schlüßlich erklärte Lord Stanley, er denke nicht daran, die Katholiken ihres Glaubens wegen von den Aemtern auszuschließen; was er unter einer „protestantischen Regierung“ verstehe, sey eine solche, die sich von allem Einflusse des Papstes frei bewahre, und in diesem Sinn werde er stets die Staatskirche unterstützen. Der ministerielle Hauptredner des Abends war Hr. Fox Maule, Unterstaatssecretär des Innern. Am 31 Januar wurden die Debatten durch Lord Morpeth, den Generalsecretär für Irland, wieder aufgenommen, der besonders die Ausstellungen der Tories hinsichtlich der Verwaltung dieses Landes zu beantworten übernahm. Nach mehrern Zwischenrednern wollte Hr. Maclean den Kampf wieder auf das Feld auswärtiger Politik hinüberspielen, ward aber mit Zeichen der Ungeduld unterbrochen. Beim Abgang der Post hatte Hr. O'Connell einen mit Epigrammen reichlich gewürzten Vortrag begonnen.
(Standard.) Wir haben Grund zu glauben, daß bis zum 27 Jan. die Minister entschlossen waren, bei Gelegenheit der Vermählung Ihrer Maj. weder neue Pairs zu creiren, noch die in solchen Fällen üblichen Avancements in der Armee und Flotte vorzunehmen. Als die Gründe dieses außergewöhnlichen Entschlusses führt man an, einmal daß die durch die Pairsernennungen entstehenden Lücken und sofortigen „neuen“ Wahlen im Unterhaus es den Ministern leicht unmöglich machen könnten, sich länger im Amte zu behaupten, ohne das Parlament aufzulösen, und dann daß bei dem jetzigen Stande der Staatsrevenuen das Land die Unkosten nicht tragen könne, die ein großes Avancement in Heer und Flotte veranlassen würde. Ob die Minister sich seitdem eines Andern besonnen, wissen wir nicht; empörend aber wär' es gewiß, wenn die Minister, nachdem sie die Keckheit hatten, eine unnöthige und übermäßige Apanage für den Gemahl der Königin zu begehren, nun dennoch Heer und Flotte das ihnen zustehende Recht unter dem Vorwande vorzuenthalten versuchen wollten, daß das Land zu arm sey, seine hartangestrengten und schlechtbezahlten Diener und Vertheidiger zu bezahlen.
Die Journale enthalten neuerdings mancherlei Notizen über fortdauernde Chartistenumtriebe, die sich theils in öffentlichen Versammlungen, theils auch in Einzelversuchen von Ruhestörungen kundgeben. Das in Westminsterhall versammelte Richtercollegium hat, wie erwähnt, durch ein Mehr von 9 gegen 6 Stimmen den reservirten formalen Rechtspunkt gegen Frost und seine Genossen entschieden, so daß diesen also nur noch die Hoffnung auf königliche Begnadigung bleibt. Die Freunde der Angeklagten bauen ihre dießfallsige Erwartung auf den Umstand, daß jener Entscheid nicht einstimmig war, auf die von den Geschwornen ihrem Schuldig beigefügte Empfehlung an die königliche Gnade und auf die vielen Petitionen, die seitdem zu Gunsten derselben aus England und Schottland an das Parlament gelangen. Das Treiben der Chartisten überhaupt, und der Zustand von Süd-Wales insbesondere, ist aber nicht von der Art, daß daraus ein Grund für die Begnadigung geschöpft werden könnte. Während man zu Monmouth bereits Anstalten zur Hinrichtung trifft, werden auf dem Lande die Zeugen bedroht, und neue Aufstände vorbereitet. In letzter Woche wurden in einem Bergwerksbezirk 70,000 Pf. St. an Arbeitslohn ausbezahlt, die Arbeiter aber behalten ihr Geld, und weigern sich ihre Rechnungen zu zahlen. Ein neuer Sturm droht. Die Patrouillen und Wachen sind verdoppelt. Zu Bradford, im südwestlichen Yorkshire, schritten die Behörden eben zur rechten Zeit ein, um einen schon begonnenen Ausbruch zu unterdrücken. Sonntag den 26 Jan. erhielten sie die Nachricht, daß ein Aufstand drohe, und trafen sofort ihre Anstalten. Montag Morgens um 2 Uhr rückte eine Abtheilung Constabler auf den grünen Markt, einen großen offenen Platz. Hier wurden sie zweier verdächtigen Männer gewahr, und riefen nach der Wache. Aus dem Wachhaus antworteten zwei Wächter, sie seyen Gefangene der Chartisten. Die Constabler rückten vor, sahen Leute mit Piken vor dem Wachhaus, und nahmen diese fest, ehe sie von ihren Waffen Gebrauch machen konnten. Zur nämlichen Zeit zogen sich kleine bewaffnete Banden gegen den Markt, zerstreuten sich aber, als sie das Geschrei ihrer gefangenen Cameraden hörten, nach allen Richtungen. Acht Mann wurden verhaftet. Man fand eine Anzahl Handgranaten, Zündruthen und Piken. Die ganze Nacht über blieb eine Abtheilung Husaren und Infanterie auf dem Rathhaus unter den Waffen; aus Leeds sind Kanonen dahin abgegangen. – In einer Chartistenversammlung in Newcastle, welche die Rettung des Lebens der „englischen Martyrer“ – wie man Frost und seine Gesellen nennt – zum Zweck hatte, äußerte ein gewisser James Ayres unter Anderm: „Ehe Frost den Leidenschaften einer schlechten Faction geopfert wird, will ich lieber England von einem Ende bis zum andern in Blut und Flammen sehen. Ehe Frost am Galgen hängen soll, will ich lieber Lord Melbourne und einen andern vornehmen Mann daran hängen sehen. Begnadigt Ihre Maj. nicht die edlen Martyrer unsrer Sache, dann soll im Lande Blut fließen wie Wasser, und der Hochzeittag der Königin dürfte aus einem Freudentag zu einem Tag allgemeiner Trauer werden u. s. w.“ Die wüthende Jacobinerrede wurde mit dem betäubendsten Applaus belohnt.
Das M. Chronicle enthält über die orientalische Frage wieder einen Artikel, welchen das Journal des Débats, das ihn übersetzt, also bevorwortet: „Wir fügen diesem Artikel nur wenige Betrachtungen an, weil die wichtigen Angelegenheiten, von denen er handelt, was man auch sagen möge, noch keine entscheidende Lösung erhalten haben, und dann auch weil wir das Beispiel des Chronicle nicht nachahmen und Bitterkeit in die Verhältnisse werfen wollen, deren Aufrechthaltung uns jederzeit am Herzen liegt. So gern wir auch glauben wollen, daß die englische Regierung mindestens der Form dieses Artikels fremd ist, so bedauern wir doch, in dem Hauptorgan der Partei, die sich immer als die anhänglichste an die französische Allianz gezeigt hat, Kundgebungen einer so ausgesprochenen und dabei um ihre Rechtfertigung so verlegenen üblen Laune zu finden. Um sich Recht zu geben, findet das Chronicle kein besseres Mittel, als daß es die Politik der französischen Regierung gänzlich verdreht, sie unter einem ganz unrichtigen Gesichtspunkt darstellt, und ihr einen Mangel an Freimuth und Würde vorrückt, den wir unsrerseits bloß in der Sprache des englischen Blattes finden.“ Der Artikel des M. Chronicle lautet: „Die Pariser Journale beschäftigen sich viel mit den zwischen Hrn. v. Brunnow und der brittischen Regierung obschwebenden Unterhandlungen. Am 23 Jan. gelangte nach Paris die Nachricht, die Vorschläge Hrn. v. Brunnows seyen angenommen, und sofort äußern die Zeitungen vom 24 sich in einem Ton, der unser größtes Staunen erregt. Selbst indem sie ihre Unwissenheit über den eigentlichen Inhalt der Brunnow'schen Vorschläge eingestehen, bezeichnen sie deren Annahme doch als etwas Ungeheuerliches, als eine Kriegserklärung, als einen Umsturz des ganzen Status quo von Europa. Angenommen, Rußland und England wären über einen Plan zur
Beilegung der orientalischen Frage übereingekommen – wie wir denn nicht zweifeln, daß sie es wirklich sind – wie sollte diese Thatsache unsern Pariser Collegen so überrascht haben? War es seit fünf Monaten nicht notorisch, daß England zu einer den Ansprüchen Mehemed Ali's entgegengesetzten Politik entschlossen? Wurde dieselbe Politik nicht in der von den fünf Mächten – Frankreich mit eingeschlossen – in Konstantinopel übergebenen Collectivnote erklärt? Worin besteht Hrn. v. Brunnows Vorschlag? – wir meinen dessen Princip, nicht dessen Details. Nun, lediglich darin, daß die Verbindlichkeit jener Collectivnote erfüllt werden solle. Von Anfang an war Englands, Rußlands, Oesterreichs und Preußens Zweck die Wahrung der Integrität der Türkei. Eben dieß war auch der erklärte Zweck Frankreichs. Aber wenn nun Frankreich an eine Interpretation des Ausdrucks „Integrität des osmanischen Reiches“ geht, so bedeutet er nach seiner Auslegung: die Theilung der osmanischen Provinzen, die Schöpfung eines Reichs im Reiche zur Vergrößerung eines ehrgeizigen Vasallen, dem gegenüber der Sultan nur noch der unmächtige Pascha eines Reichs ohne ein einziges anderes Element des Festbestandes als das Leben des es factisch beherrschenden Greises seyn, und dessen Gründung nur die Einleitung zu einem gewissen und nicht fernen europäischen Kriege seyn würde. In diese Verdolmetschung der „Integrität“ der Türkei stimmen die andern Mächte allerdings nicht mit ein, noch war das je zu erwarten. Wenn also Frankreich seinem Versprechen entgegen, im Widerspruch (wie wir zu behaupten wagen) mit seinen eigenen Interessen und zum Verderben für die Interessen der Türkei bei seiner Weigerung beharrt, bei der Ausgleichung der Frage sich zu betheiligen, an wem liegt die Schuld? An den persönlichen Animositäten Lord Palmerstons, sagen einige der französischen Journale, wie Courrier und Constitutionnel. Diese Abgeschmacktheit ist zu lächerlich und die Annahmen, auf die sie fußt, zu nichtig, als daß sie eine ernstliche Widerlegung verdiente. Man hat England auf die Gefahren eines russischen Bündnisses, in Bezug auf Konstantinopel, hingewiesen; nun ist aber diese Frage des Bosporus, wie man sie nennt, nicht die einzige, und zudem nicht die wichtigste Frage. Sie ist vielmehr in der großen orientalischen Angelegenheit nur ein Incidentpunkt, der in die Reihe der Mittel zum Zweck gehört. Dennoch möchte Frankreich uns glauben machen, daß diese untergeordnete Frage vor Allem Beachtung verdiene. Nein! die Hauptfrage ist, ob die europäischen Mächte die Anmaßungen Mehemed Ali's dulden dürfen. England, Rußland, Oesterreich, Preußen sind darüber einig, und gern hegen wir noch immer die Hoffnung, daß Frankreich sich nicht wird isoliren wollen. In seiner ganzen so übelgeleiteten Politik neuerer Zeit war Frankreich die Dupe Mehemed Ali's; denn so sehr es ihm auch angelegen seyn mag, den Pascha zu einer Uebereinkunft zu bewegen, bebt das französische Cabinet doch vor jeder Idee einer Anwendung von Zwangsmitteln gegen ihn zurück. Mehemed wußte dieß, und eben dieses Wissen gab ihm den Muth, den Befehlen sämmtlicher Großmächte – Frankreich mit eingeschlossen – Trotz zu bieten. Die französische Regierung eröffnete die Unterhandlungen in der orientalischen Frage mit ungemein schönen Versprechungen an England, mit so schönen, daß man daraus auf eine Identität der Ansichten hätte schließen sollen; aber von Zwangsmaaßregeln wollte sie dann nichts hören, sondern machte den Willen Mehemed Ali's zur Richtschnur für Frankreichs Benehmen. Eine solche Politik laborirt offenbar an einem traurigen Mangel, sey es nun der Geschicklichkeit oder der Aufrichtigkeit; welches von beiden, wollen wir zu entscheiden nicht auf uns nehmen. Aber bei dieser Ineinanderwirrung der orientalischen Frage, bei dieser Entfremdung Frankreichs von England figuriren noch andere Mithandelnde oder Mitsprechende als das französische Cabinet oder der Hof der Tuilerien. Die Presse, selbst die in ihrer Sprache gegen England freundlichste Presse, hat entschieden, daß kein einziger Wunsch Englands Gehör finden, daß Mehemed um jeden Preis unterstützt werde, daß Frankreich, falls man es zur Wahl zwischen einem ägyptischen und einem englischen Bündnisse zwänge, das erstere wählen soll. Für ein Ministerium Soult, das auf keiner Partei ruht, sondern nur durch die aura popularis besteht, müssen Argumente wie die der Presse zum Gesetz werden. Und als Gesetz sind sie wirklich mit all ihren Folgesätzen vom Cabinet an- und aufgenommen. Frankreich macht zu Mehemed Ali's Gunsten Vorschläge, die weder England, noch eine der andern Mächte acceptiren kann. Das Aeußerste, was diese Mächte, um bei Frankreich nicht anzustoßen, thun könnten, wäre, die Sachen so zu belassen, wie sie sind. Das ist das Aeußerste, was Frankreich wirklich hoffen kann. Aber wenn der alte, nicht definitiv geordnete, orientalische status quo sowohl die Türkei als Aegypten in der wachsenden Aussicht auf einen Zusammenstoß zur Unterhaltung eines starken Militär- und Marine-Etats nöthigte, so würde der neue nicht definitiv geordnete status quo nicht nur die Türkei und Aegypten, sondern alle europäischen Mächte zu ähnlichen Vorkehrungen und Ausgaben zwingen. Die Budgets all dieser Staaten würden bald von votirten Ergänzungscrediten anschwellen; die Flotten aller derselben würden von Monat zu Monat Verstärkungen an Schiffen und Mannschaft erhalten, und bald würden wir alle Lasten und mehr als eine bloße Besorgniß des Kriegs haben. Das wäre ein undenkbarer Zustand der Dinge.“
Nachrichten aus Jamaica vom 25 Dec. zufolge hatte sich das Assembly-Haus nach Erledigung vieler wichtigen Geschäfte bis zum 31 März vertagt. Auf den „Inseln unter dem Wind“ waren die Neger, eine oder zwei Pflanzungen ausgenommen, fleißiger geworden. Auf Trinidad war das französische Schiff Elisabeth mit 295 Auswanderern, meist Schweizern, angekommen.
Frankreich.
Paris, 2 Febr. (Sonntag.)
Der Greffier des Pairshofs, Hr. Cauchy, und der Chef der Huissiers, Hr. Demons, begaben sich gleich nach Beendigung der Pairshofsitzung vom 31 Jan. nach den Gefängnissen, um den Gefangenen ihr Urtheil zu verkünden. Moulines und Huart wurden alsbald in Freiheit gesetzt. Blanqui lag, als die beiden Beamten des Gerichtshofs seine Celle betraten, im Bett. Er hörte aufmerksam die Lesung des Urtheils an, ohne ein Wort zu sprechen oder irgend eine Bewegung zu verrathen. Da er aber das Ende der Phrase, die Strafe betreffend, nicht hören konnte, bat er Hrn. Cauchy, dieselbe zu wiederholen. Als der Verurtheilte die Worte hörte: zur Todesstrafe! machte er mit seinen Armen eine leichte Bewegung, schob sie unter die Bettdecke und schien seine Hände auf seine Brust zu legen. Der daneben stehende Brigadier der Gendarmerie faßte, in der Meinung, Blanqui wolle sich das Leben nehmen, dessen Arme, und legte ihm sogleich das Zwangscamisol an. Uebrigens sprach der Verurtheilte kein Wort und verhielt sich völlig ruhig. Die zur Detention Verurtheilten zeigten, als sie das Urtheil hörten, nicht die mindeste Bewegung; sie schienen darauf gefaßt zu seyn. Die fünf zu einfacher Gefängnißstrafe Verurtheilten waren hingegen sehr bestürzt, klagten über die Strenge, mit der sie behandelt worden, und betheuerten ihre Unschuld.
(Moniteur.) Der König hat die von dem Pairshof gegen Ludwig August Blanqui ausgesprochene Todesstrafe in die der Deportation umgeändert. – Schon vor Eröffnung der Debatten, welchen Blanqui und die andern mit ihm am 31 Jan. verurtheilten Angeklagten vor dem Pairshof unterworfen wurden, hatte der König geruht, die Strafe lebenslänglicher Zwangsarbeiten, die bereits durch eine erste Maaßregel der Nachsicht der gegen Armand Barbès ausgesprochenen Todesstrafe substituirt worden, in Deportation umzuändern.
Die Deputirtenkammer hatte in der Sitzung am 1 Febr., wie gestern kurz erwähnt wurde, die Entwickelungen des Hrn. Bresson über eine Zollerhöhung für Flachs- und Hanfgarn angehört. Der Minister hatte Vertagung der Frage verlangt. Eine schwache Majorität durch Aufstehen und Sitzenbleiben hatte die Vertagung abgelehnt. Beim wirklichen Votiren aber über die Frage, ob der Gegenstand unverzüglich in Betracht gezogen werden solle, ward dieselbe mit 155 schwarzen gegen 133 weiße Kugeln verneint. In derselben Sitzung wollte Hr. Dugabé von der Kammer ermächtigt werden, über die traurigen Vorfälle von Foix eine Interpellation an das Ministerium zu richten. Der Siegelbewahrer bemerkte, daß die Sache von dem k. Gerichtshof in Toulouse untersucht werde, und vor Beendigung der Untersuchung der Minister nicht im Stande seyn dürfte, gehörige Auskunft zu geben. Die Kammer entschied mit großer Majorität, daß keine Interpellation stattfinden solle.
Hr. Dugabé hat folgendes Schreiben in die Journale einrücken lassen: „Herr Redacteur! Die Kammer hat sich geweigert, meine Interpellationen über die blutigen Ereignisse im Departement de l'Arriège anzuhören. Dieses Vergessen aller Präcedentien wird, Sie dürfen es glauben, das von einigen Leuten gewünschte Resultat nicht haben. Es ist immer Zeit, für vergossenes Blut Rechenschaft zu fordern, und ich verspreche meinen Mitbürgern, die nächste Gelegenheit zu ergreifen, um endlich die volle Wahrheit über so befremdlich entstellte Thatsachen auszudrücken.“
(Courrier français.) Es scheint, Hr. Guizot habe sich anfangs im achten Bureau gegen die Dotation mit einem Nachdruck ausgesprochen, der alle Zuhörer in Erstaunen setzte. Leider hat der Schluß den Prämissen nicht entsprochen, und Hr. Guizot hat, nachdem er sein Bedauern über die Vorlegung des Entwurfs ausgedrückt, gesagt, daß es noch weit schlimmer seyn würde, ihn zu verwerfen als ihn zu gewähren, weil die Frage nun einmal vor die Kammer gebracht sey. – Nach dieser Ansicht, hat man ihm geantwortet, dürfte die Kammer nur Gesetzesentwürfe verwerfen, die nicht vorgelegt worden.
Das Commerce geht so weit zu behaupten, man habe Hrn. Guizot mehr eine Anstellung höherer Polizei als eine Botschaft übertragen, indem sein Haß gegen die Familie des Kaisers, den er fortwährend Bonaparte nenne, auf den Gedanken geleitet habe, ihm die Aufsicht über diese Familie zu übertragen.
Das Journal des Débats sagt: „Briefe aus London vom 29 Jan. erlauben uns zu versichern, daß nichts weniger gewiß und weniger unmittelbar bevorstehend sey, als der Abschluß des Tractats zwischen England und Rußland in den orientalischen Angelegenheiten.“ Der Courrier français bemerkt dazu: „Die von dem Journal des Débats gegebene Nachricht ist dieselbe, welche das Ministerium seit zwei Tagen verbreitete. Hr. Dufaure erklärte sich heute in der Kammer darüber; nach der von ihm gegebenen Erklärung hätte sich England geweigert, mit Rußland ohne Mitwirkung der Türkei zu unterhandeln, und Lord Palmerston hätte nach Konstantinopel geschrieben und verlangt, daß ein Botschafter der ottomanischen Pforte an den Conferenzen Theil nehme. Das französische Cabinet hätte seinerseits erklärt, daß wenn die Türkei an den Unterhandlungen Theil nehme, es geneigt seyn würde, sich denselben anzuschließen. Dieß will bloß sagen, daß der Sitz der Conferenz, der zuerst in Wien seyn sollte, und einen Augenblick sich in Konstantinopel befand, nach London verlegt werde; diese Vertagung der Frage will aber durchaus noch nicht so viel heißen, daß Lord Palmerston und Hr. v. Brunnow aufgehört hätten, einig zu seyn, oder daß das französische Interesse weniger isolirt sey. Man gewinnt Zeit, und dieß ist Alles.“
(Corresp. der Times.) Paris, 26 Jan. Die seit einiger Zeit meditirte Abberufung des Generals Sebastiani von London darf jetzt als entschieden betrachtet werden. Wie es scheint, hat man den mehr oder minder vollständigen Erfolg der Mission Hrn. v. Brunnows als einen günstigen Anlaß mit Begierde benützt, um diesen langegehegten Plan durchzusetzen. Der König hatte den Bitten Marschall Soults mehr als einmal widerstanden; nachdem aber die Minister in einem der letzten Conseils es zu einer Cabinetsfrage gemacht und gewandt beigefügt hatten, wenn man ihrem Wunsch in diesem Punkt willfahre, so seyen sie bereit, die Kammern um ein gehöriges Geldvotum für den Herzog von Némours behufs seiner bevorstehenden Vermählung zu sollicitiren, da gab der König, durch so gewichtige Motive bestimmt, endlich nach und zu der Entfernung Sebastiani's von der politischen Bühne seine Zustimmung. Die drei Candidaten für den erledigten wichtigen Gesandtschaftsposten waren Broglie, Molé und Guizot. Der erste von den dreien, darüber scheint alle Welt einig, würde die allein geeignete Wahl gewesen seyn; die Ernennung Hrn. Guizots ist aber fast so gut wie entschieden. Diese Wahl, fürcht' ich, wird sich als keine glückliche erweisen. Jedermann kennt seine starken Hinneigungen zu Rußland (?), die durch sein intimes Verhältniß mit der vormals berühmten Fürstin L . . noch entwickelt und verstärkt worden sind. Seine Lebensgewohnheiten, seine linkischen Versuche einen Weltmann vorzustellen, dürften schwerlich den Gesellschaftskreisen zusagen, in denen er sich zu bewegen berufen ist. Bald wird man in England finden, daß der Mann besser für den Umgang mit den ausgezeichneten Professoren der dortigen Universitäten, als zum Gesellschafter der feinen Staatsmänner und des welttonkundigen hohen brittischen Adels paßt. Eine solche Wahl, mag man sie vom politischen oder vom socialen Gesichtspunkt ansehen, erscheint uns als ein Mißgriff, der nur erklärlich wird durch die Nothwendigkeit, einem in Paris desappointirten Staatsmann ein comfortables Nest auswärts zu finden.
Der Marquis von Abrantes, zweiter Sohn des Herzogs von Abrantes, Generalstabsofficier, geht als Adjutant-Major mit den Kriegsschwadronen des 1sten Jägerregiments nach Afrika.
Die Gazette meldet, daß ein von Bordeaux nach Nantes fahrendes Dampfboot an den Küsten von la Rochelle Schiffbruch erlitten habe, und mit Mann und Maus zu Grunde gegangen sey. Es soll 45 Passagiere an Bord gehabt haben.
Der Gesetzesentwurf hinsichtlich des litterarischen Eigenthums, welchen das Ministerium Molé im vergangenen Jahr den Pairs vorlegte, wird demnächst vor die Deputirtenkammer gebracht. Die Buchhändler von Paris haben mehrere Veränderungen des ursprünglichen Entwurfs beantragt und Hr. Villemain hat ihre Bemerkungen günstig aufgenommen. Das Journal des Débats hofft, daß auch die Deputirtenkammer die Wünsche der Pariser Buchhändler berücksichtigen werde.
Nach dem von Hrn. Salvandy verfaßten Entwurf sollte es den Gerichten überlassen seyn, den Schadenersatz, welchen der Nachdrucker dem rechtmäßigen Verleger zu leisten habe, festzusetzen. Bisher geschah es aber immer, daß die Gerichte diesen Ersatz nur nach der Zahl der mit Beschlag belegten nachgedruckten Exemplare abschätzten. Die Folge war, daß die Entschädigung gewöhnlich nur sehr gering ausfiel, da eine weit größere Zahl Exemplare bereits verkauft oder besser versteckt war, und die Nachdrucker wurden deßhalb von ihrem Handwerk nicht abgeschreckt. Die Pariser Buchhändler schlagen nun vor, dem Salvandy'schen Entwurf noch die Clausel beizufügen: „die Entschädigungssumme soll dem Werth von 2000 Exemplaren bei Werken in Einem Band und von 1000 Exemplarei bei Werken in mehreren Bänden gleichkommen.“ Was den Nachdruck der französischen Werke im Ausland anbelangt, wo derselbe bekanntlich zu Brüssel ins Große getrieben wird, so sehen die französischen Buchhändler ein, daß man demselben allein durch Unterhandlungen ein Ende machen könne. Sie stellen daher den Antrag: daß man unverzüglich allen fremden Autoren den gleichen Schutz, die gleichen Rechte, gewähre, wie den französischen Schriftstellern und nicht erst warte, bis andere Staaten Reciprocität üben. „Die französischen Buchhändler – sagt das Journal des Débats – glauben, das beste Mittel, die Ausländer zu einem Aufgeben des schmählichen Nachdrucks zu vermögen, sey, wenn wir selbst zuerst dem Nachdruck aller ausländischen Werke entsagen. Selbst wenn man fortfährt, unsere Bücher nachzudrucken, wollen wir keine Repressalien üben, denn diese Repressalien sind ein Diebstahl, eine Schande für eine civilisirte Nation. Wenn die Stimme eines großen Volks sich für die Gerechtigkeit erhebt, kann sie nicht lange ohne Widerhall bleiben.
Paris, 2 Febr. Sie haben wahrscheinlich den merkwürdigen Artikel des Commerce von gestern über das Bonapartistische Complot und die Aufforderung an die Regierung, dem Spaß ein Ende zu machen, bemerkt. So eben erfahren wir nun, daß nicht bloß der Graf Crouy-Chanel, der Vetter des Marquis, sondern Hr. Charles Durand selbst, auf freien Fuß gestellt worden ist. – Die Aeußerungen der englischen Presse, alle so ungünstig für Hrn. Guizots Gesandtschaft in London, im Sun wie im M. Chronicle und in der Times, machen hier Aufsehen. Daß aber Guizot ein Partisan von Rußland sey, erfahren wir erst aus den englischen Journalen.
Paris, 1 Febr. Das Departement des öffentlichen Unterrichts soll im Budget von 1840 eine Vermehrung von 305,840 Fr. und zwei Glieder mehr im Studienrath erhalten. Eine dieser Stellen, sagt ein Journal, wohl aus eifriger Gefälligkeit, soll Hr. Villemain für Arago bestimmt haben. Das aber ist wohl eine grundlose Unterstellung. Arago ist für den jetzigen Minister des Unterrichts nicht classisch genug, legt nicht Gewicht genug auf die alten Sprachen und den Schulplan der Universität, um in das Allerheiligste selbst aufgenommen zu werden. – Das Journal des Débats läßt sich noch nicht weiter über Guizot vernehmen. Anders verhält es sich in Betreff der Gesetzesvorschläge des Hrn. Passy, dem es einen tödtlichen Haß geschworen hat, und des Betragens von Odilon-Barrot, dem es plötzlich seine zärtliche Liebe zuwendet. Das Journal des Débats ist vorzugsweise das Blatt der Rentner und Beamten; in dieser doppelten Eigenschaft kam es ihm zu, die Gesetzesentwürfe über die Rentenherabsetzung und die Verminderung der Ruhegehalte im Civilwesen mit jener unbegränzten Heftigkeit zu bekämpfen, die man nur in einer Rede pro domo suchen kann. Die ganze Gesellschaft ist in Gefahr, und Hr. Passy wird als der schädlichste Revolutionär angeklagt. Das Alles ist nicht sowohl an sich wichtig, als wegen der mittelbaren Hindeutung auf das, was man von einer gewissen Seite der Kammer und in den höheren Regionen von der nächsten Ministerialkrisis erwartet. Von Teste sagt man bereits, daß man ihn mit all den Einwänden und Intriguen gegen sein Gesetz über den Aemterverkauf und die Reform des Staatsrathes so sehr entmuthigt habe, daß er sich zurückziehen wolle; vielleicht hofft man ein Gleiches gegen Passy zu erreichen, und wer dann an die Stelle der Abgehenden kommen solle, das eben scheint aus den Worten wie aus dem Rückhalte des Journal des Débats sattsam zu erhellen. In einem nunmehr ganz natürlich gewordenen Zusammenhange komme ich alsbald auf Hrn. Odilon-Barrot. Wo wollen Sie anders noch seinen Platz suchen, als auf der Bank der Ministercandidaten! Einstweilen und in der Hoffnung dieser Zukunft, um die er so mühevoll buhlt, freut er sich seines Platzes an der königlichen Tafel, und wird zu den Freunden des Hauses gezählt, und das Journal des Débats macht ihm süße Complimente über die „Mäßigung,“ mit welcher er in den Kammerbureaux gegen die Ausstattung und den Jahresgehalt des Herzogs von Nemours gesprochen, d. h. dieselben im eigentlichen Sinne gebilligt hat. Wir sehen sehr klar, und haben schon längst gesehen und vorausgesagt, wohin dies Alles gegen Odilon-Barrot führen wird; was es aber für ihn erzielen soll, selbst an vergänglicher Größe und schnell verbleichendem Glanze, scheint uns im geringsten nicht zu den wahrscheinlicheren der bevorstehenden Dinge zu gehören. Unsre Gedächtnißrede über den Dahingegangenen liegt bereit, wir können sie ihm halten, wann er will.
Paris, 2 Febr. Die Begnadigung von Blanqui, das heißt die Milderung seiner Strafe in Deportation, hat dem Ministerium Gelegenheit gegeben, die früher stattgehabte Strafänderung zu Gunsten von Barbes in gesetzliche Form einzukleiden. Bekanntlich war die gegen ihn ausgesprochene Todesstrafe in lebenslängliche Zwangsarbeit geändert, gleichwohl aber Barbes nicht auf die Galeere, sondern nach Doullens gebracht worden, wo die zur Deportation Verurtheilten in Ermanglung eines Deportationsortes ihre Strafe zu erstehen haben. Diese in der Form ungesetzliche Menschlichkeit, die dem großen Dupin neulich eine wahre Rabulistenchicane in der Kammer eingegeben hat, ist nun ausgebessert und vervollständigt, Gott sey Dank; nachdem der Großmuth und der Güte Genüge geschehen, ist auch das Gesetz und die Propheten zufrieden gestellt. Blanqui hat, wie die ganze Verhandlung, so auch seine Verurtheilung zur Todesstrafe mit kalter Ruhe angehört. – An dem Horizonte der bevorstehenden Verhandlung über die Ausstattung und den Jahresgehalt des Herzogs von Nemours ziehen trübe Wolken auf. Der anfänglich ausgesprochene Enthusiasmus, die gänzliche Willfährigkeit der Kammer sind in zauderndes Bedenken erkaltet, und selbst Hr. Odilon-Barrot hat die ihm von dem Journal des Débats zugewandten Lobeserhebungen zurückgewiesen. Merkwürdig ist übrigens der doppelte Umstand: kein Zweifel, daß Ludwig Philipp zu den reichsten Fürsten und Begüterten in Europa gehört, kein Zweifel, daß er vollauf im Stande wäre, seinen Sohn ohne fremde Hülfe auszustatten und ihm einen Jahresgehalt zu sichern; die Art und Weise, wie er bei seiner Thronbesteigung im Jahr 1830 sein persönliches und Familienvermögen gesichert hat, sind die stärksten Gründe, dieß zu glauben. Aber auf der andern Seite gibt es sehr viele Personen hier, und zwar Personen, die nichts weniger als Freunde der Dynastie sind, die fest behaupten, daß die
Civilliste, als solche, den ihr obliegenden Beweis führen könnte, weil sie wirklich verschuldet und mit ihren Einkünften im Rückstand sey. Man nennt als hauptsächlichen Grund dieser Verschuldung die großen Ausgaben des Königs in Versailles. Wenn übrigens das jetzt begehrte Gesetz zu Gunsten des Herzogs von Nemours nicht durchgeht, so kann man überzeugt seyn, daß der König in einiger Zeit verlangen wird, man soll die Ausgaben für das Museum in Versailles auf das Staatsbudget übertragen.
Algier, 25 Jan. Ueber die Begebenheiten im Innern fehlt es durchaus an Nachrichten; man weiß nicht einmal, auf welchem Punkt Abd-El-Kader sich befindet. Unsere Neugierde erhält keine andere Nahrung, als durch die beständige Ankunft von Truppen, deren große Zahl uns zu beunruhigen anfängt, (was besonders hinsichtlich der Infanterie gilt, denn Cavallerie können wir eigentlich nie zu viel bekommen.) Die Armee wird stärker seyn, als bei ihrer Landung im Jahr 1830, und dieß dürfte bedeutende Kosten verursachen, welche in künftiger Session den Gegnern Algiers in der Kammer Stoff zu Declamationen geben werden. Uebrigens ist diese große Entwickelung von Streitkräften unnütz, insofern nicht etwa das Ministerium die Absicht hat, durch eine außerordentliche Truppenmasse des künftigen Obergenerals mangelhafte Kenntnisse des Landes und der Kriegskunst zu ersetzen. Besser wäre es freilich gewesen, wenn man die Führung des bevorstehenden Feldzugs nicht dem Marschall Valée übertragen hätte. Dieser hatte einen zweifachen Fehler begangen: als Militär, daß er sich vom Feinde überfallen ließ und dessen Verheerungen sich nicht widersetzte; als Verwalter, daß er nicht einsah, wie wichtig es des Princips wegen sey, auf keine Weise zu dulden, daß die Araber unsern Anfang von Colonisation in der Metidscha, von so geringer Wichtigkeit derselbe auch in materieller Hinsicht war, zerstören. Die Stadt Scherschell, bei welcher der kürzlich erwähnte Seeraub verübt wurde, ist in einem beständigen Bombardementszustand. Es fährt nicht Ein Schiff der königlichen Marine vorüber, ohne einige Kugeln auf dieselbe zu schleudern. Vor drei Tagen feuerte die Brigg Euryale 200 Kugeln auf Scherschell; vorgestern war an dem Dampfboot Chimère die Reihe, welches 150 Kugeln abschoß. Die Städte sind aber in diesem Land nicht so häufig, als daß man sie so leichtsinnig zerstören sollte, und dieß thut man im Augenblick der Eröffnung eines Feldzugs, welcher vielleicht die Besetzung von Scherschell nothwendig macht! Ueberdieß weiß man wohl, daß jener Piratenact von den Kabylen des Stammes Schenuah, welche die Gebirge in der Umgegend von Scherschell bewohnen, verübt worden ist. Die Stadtbewohner hatten daran keinen Theil. Sie unterhielten mit uns einen beständigen Handel, versahen uns mit Getreide, Weizen, Töpfergeschirr, und hatten keinen Grund uns anzugreifen. Eine kürzlich erschienene Broschüre unter dem Titel: De la nécessité de substituer le gouvernement civil au gouvernement militaire pour le succès de la colonisation d'Alger macht hier um so größeres Aufsehen, als der Verfasser dieser Schrift, welche unsere Anhänger der „Säbelregierung“ in so große Entrüstung versetzt, selbst ein Militär, Capitän Leblanc de Prébois vom Generalstabe ist, welcher seit zehn Jahren in Algier lebt und das Land gründlich kennt. Die Schrift ist sehr gut und energisch geschrieben.
Niederlande.
Aus dem Haag, 28 Jan. Die zweite Kammer der Generalstaaten wird in der Mitte des Monats März ihre Sitzungen wieder aufnehmen. Man sagt, es sollten ihr dann von der Regierung mehrere financielle Gesetzentwürfe vorgelegt werden. Es sind bekanntlich der Regierung die Mittel nur bis zu Ende des Junius bewilligt. Es ist aber sehr zweifelhaft, daß sich die Kammer mit Budgetsangelegenheiten beschäftigen werde, bevor die Revision des Staatsgrundgesetzes erledigt oder wenigstens vorgelegt ist. Die Aufhebung des Syndicats soll, nach dem Versprechen der Regierung, in dieser Kammersession auch noch berathen werden. – Der Legationsrath Mazel, welcher seither als diesseitiger Geschäftsträger in Paris functionirte, ist hierher zurückgekehrt und in seine Stelle als Referendarius beim Ministerium des Aeußern wieder eingetreten. – Der König hat in der Nähe seines Palais aus seiner Schatulle ein Haus ankaufen lassen, in welchem die Bureaux für die luxemburgischen Angelegenheiten eingerichtet werden sollen.
Aus dem Haag, 31 Jan. Nach Allem, was man hört, dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß unsere Regierung sich mit den Generalstaaten bezüglich der Revision des Staatsgrundgesetzes zu verständigen suchen werde. Ueberhaupt ist es ja nicht anzunehmen, daß die Regierung absichtlich einen Zwiespalt mit den Generalstaaten unterhalten wolle. Vorgestern hatte, bevor die gewöhnliche Mittwochsaudienz beim Könige begann, eines der ersten Mitglieder der Generalstaaten eine lange Conferenz mit Sr. Maj., wie man vermuthet, bezüglich der Revisionsangelegenheit. – Die Festlichkeiten folgen nun in unserer Residenz rascher aufeinander. Die königl. Familie wird der am 15 d. in Leyden stattfindenden großen Studentenmaskerade, darstellend den Einzug des Herzogs Johann von Bayern in Leyden, beiwohnen. – Zur Errichtung eines neuen Dampfschifffahrsdienstes zwischen Rotterdam und Antwerpen hat sich eine Gesellschaft gebildet und eine Deputation derselben vorgestern Audienz bei dem Könige gehabt. – Die k. bayerische Kammersängerin, Madame Sigl-Vespermann und ihr Bruder, der k. bayerische Kammermusikus, Hr. Sigl, sind hier angekommen und werden sich in den ersten Tagen öffentlich hören lassen; in Amsterdam haben sie großen Beifall geernte.
Deutschland.
München, 5 Febr. Nach Berichten aus Landshut ist daselbst der Regierungsdirector für Niederbayern, Kammer der Finanzen, Karl Joseph Hartmann, mit Tod abgegangen. – Mit nächstem wird in der Kammer der Abgeordneten der Gesetzesentwurf über Sicherstellung des litterarischen Eigenthums zur Berathung kommen. Referent im Ausschluß ist darüber dem Vernehmen nach Hofrath Bayer. Man wünscht allgemein und zweifelt auch nicht, daß dieses von der Regierung trefflich motivirte Gesetz von den Ständen des Reichs angenommen werde.–Der Carneval ist bei uns in vollem Zuge; Bälle folgen auf Bälle, Maskenzüge werden vorbereitet und hatten bereits statt. Der letzte Hofball im Foyer des Hoftheaters, auf welchem die prächtigen und geschmackvollen Charaktermasken aus Kenilworth und Tasso, dann die Quadrillen aus dem Ballet: „Der Aufruhr im Serail,“ erschienen, war überaus brillant und belebt. Mit dem Soirées und Tanzunterhaltungen der höhern Kreise wechseln nun die öffentlichen Maskenbälle im Hoftheater so wie die, welche das Museum, der Frohsinn, der Bürgerverein etc. ihren Mitarbeitern bereiten, ab. Der große Maskenzug der hiesigen Künstler, der die Zahl von 400 Theilnehmern bereits überschritten, wird am 17 Febr. vor den Augen des bis zur höchsten Neugierde gesteigerten Publicums erscheinen, und nach Allem, was darüber verlautet, von ausgezeichneter Schönheit seyn. Das festordnende Comité, aus acht Künstlern bestehend, ist schon seit drei Wochen beschäftigt, theils die Zeichnungen zu den Costumes zu fertigen und zu prüfen, theils auch die passenden Individuen zu
finden, die diese oder jene historische Person vorstellen sollen. Täglich finden hiezu Versammlungen statt, in denen auch die bereits fertigen Anzüge einer strengen Prüfung unterworfen werden. In dem großen Saale des Odeons wird das Bankett und der Ball stattfinden, jedoch wird der Zug zuvor im Hoftheater den Maskenball besuchen und sich den dort anwesenden allerhöchsten Herrschaften zeigen. Schade, daß am besagten Abend jene Räume nicht dreimal größer sind, um die Massen der Schaulustigen zu fassen!
Hohenzollern-Sigmaringen. Unterm 31 Jan. wurde der Präsident und Geheimerath v. Huber, seinem Nachsuchen gemäß, mit besonderer Anerkennung seiner langjährigen treuen Dienste, in den Ruhestand versetzt; der geh. Konferenzrath Frhr. Schenk zu Schweinsberg zum dirigirenden wirkl. Geheimenrath und Vorstand der geheimen Conferenz, sodann zum Director des Hofgerichts befördert und mit der Direction der Landesregierung beauftragt. (Schw. M.)
Karlsruhe, 30 Jan. Die im Schwäbischen Merkur enthaltene Nachricht, daß unsere Stände auf den 6 März wieder einberufen seyen, bedarf einer Berichtigung. Nach Besprechung des Kammerpräsidenten Mittermaier mit dem Vorstand des Justizministeriums Staatsrath Jolly wurde der 9 März als Einberufungstag vorläufig bestimmt. Erst nach Mittheilung und Beistimmung des Staatsministeriums dürfte aber die Einberufung definitiv erfolgen. Die Wahl eines Abgeordneten für hiesige Stadt an die Stelle des Stadtdirectors Stößer wird am 8 d. stattfinden; man spricht davon, daß die Wähler ihr Augenmerk auf den würdigen Staatsrath Nebenius lenken, und man gibt ihnen hiezu vielseitige Beistimmung, da es in der That der passendste Act wäre, dem biedern Staatsmann die Hochachtung des Volks und besonders der Einwohnerschaft der Residenz zu erkennen zu geben. (Seebl.)
Graf Clam-Martinitz.
(Zweiter Artikel.)
Wien, 1 Febr. Das Leichenbegängniß des Grafen Clam hat heute statt gefunden. Die Erzherzoge, fast alle hohen Angestellten und Würdenträger, Hunderte von Generalen und Officieren wohnten demselben bei. Wer diesen feierlichen Trauerzug an sich vorüber wandeln sah, mußte sagen: Oesterreich hat einen schweren Verlust erlitten, einen von denen, die bis in die letzten Spitzen der Monarchie hinaus gefühlt werden. Das ist auch wirklich der Fall. In einer Monarchie von der Ausdehnung und der jahrhundertealten Schule der österreichischen stirbt zwar selbst in dem ausgezeichnetsten Mann kein unersetzlicher; aber es gibt für jeden Zeitpunkt auch besonders geeignete, aus den Ereignissen, welche die Gegenwart bedingen, gleichsam herausgewachsene Männer, mit denen die Verständigung nach allen Seiten hin so wie aus allen Richtungen her, leicht und völlig ist und welche für die Bedürfnisse des Augenblicks, wie schwer oder leicht diese seyen, mit ihrer ganzen Person einzutreten, neben dem äußern auch den innern Beruf, das ist, Kraft, Muth, Einsicht und Gewandtheit haben. Ein solcher Mann war Graf Clam. Er war in jeder Beziehung tüchtig; das aber theilte er mit vielen. Er war durch seine Geburt, durch seine Anlagen so wie durch die Ausbildung, welche Welt und Fleiß denselben gegeben hatten, zu einer der obersten und eingreifendsten Rollen im Kaiserstaate bestimmt; das mag er auch mit Manchem gemein haben. Was ihn aber auszeichnete, war die Gunst solcher vorbereitenden Umstände, die ihn für die gegebenen Verhältnisse nicht bloß zum fähigen, sondern zum geeigneten Manne machten, und diese Gunst, die ein bescheidenes Gemüth allerdings nur als eine Gabe der Vorsehung aufnehmen wird, gab der Brauchbarkeit, dem praktischen Werthe des Mannes den entscheidenden, schwer ersetzbaren Gehalt.
Aufgewachsen als Militär an der Seite des Feldherrn, durch den die Vorsehung auf das überzeugendste dargethan hatte, daß in wirklich entscheidenden Augenblicken Oesterreich der rechte Mann nie fehlt; durch die Schule der ungeheuern Ereignisse vom Jahr 1812 bis zum Jahr 1815 unter solcher Leitung und auf einem Wege gegangen, der ihn mit Allem, was Europa an Männern und Kräften aufzubieten im Stande war, in nahe Berührung brachte; getrieben durch seinen Eifer, durch sein Bedürfniß nach gründlicher Forschung in die Bahn praktischen Dienstes, dann wieder durch das Vertrauen des ersten österreichischen Staatsmannes auf das Feld europäischer Geschäfte geführt; hingestellt endlich durch die Kraft der Ereignisse und durch den Bedarf der Monarchie im Jahre 1830 auf einen der Posten, wo er auf das für die Aufrechthaltung des europäischen Friedens unerläßliche Aufgebot der Streitmittel, und dadurch auf die Haltung des Kaiserstaats nach außen den größten und heilsamsten Einfluß nehmen konnte: so wurde er der Mann, dem nach dem Tode Kaisers Franz der Beruf werden konnte, in diesem schweren Augenblick mitzuhelfen, der Verwaltung und dem Systeme des Cabinets den Triumph der in majestätischer Einfachheit und Ruhe fortschreitenden unerschütterten Bewegung sicherzustellen, in dem die Stärke der Monarchie ihre volle Gewährleistung fand. Zum obersten Feldherrn oder zum obersten Staatsmanne berufen, war vor Grafen Clam die Bahn dazu unfehlbar aufgethan, als plötzlich vor dem noch jungen Manne das Grab sich öffnete und mitten in seinem Glück so wie mitten aus seinen Leistungen der Tod ihn abrief. Der Verlust wurde tief gefühlt in der Hauptstadt, und wird es tief in allen österreichischen Ländern werden, eine Erscheinung, nur in einer in allen ihren Theilen in sich so fest verbundenen Monarchie möglich wie die österreichische, auf welche das segenvolle Bild einer Familie im Großen noch seine volle Anwendung findet.
Der Hof ließ sogleich einen für den folgenden Tag angesagten Ball abstellen; Ihre Maj. die Kaiserin besuchte die unglückliche Wittwe; bis in das Herz aller Gesellschaften und Kreise war die Klage warm und innig; wie seine Leiche begleitet war, haben wir am Eingange gesagt. Es war gewiß ein höchst rührender Anblick, den Sieger von Würzburg und Aspern unter seinen kaiserlichen Brüdern und Neffen hinter dem Trauerwagen des Mannes hergehen zu sehen, der seine Laufbahn auf dem Felde der Schlachten begann, als er sie endete!
Die Vielseitigkeit des Grafen Clam und dabei die tiefe Rechtlichkeit und der ehrenwerthe Charakter jeder Seite an ihm, so wie sein hoher religiöser Sinn machen den Verlust dieses Mannes den verschiedenartigsten Menschen und Ständen schmerzlich. Der Soldat bedauert den heldenmüthigen Gefährten und den künftigen Feldherrn, der Staatsmann den erfahrenen, klugen, gewandten Mann der höheren Geschäfte, der Weltmann den geistreichen, vielunterrichteten Gesellschafter, der Vater und Gatte den edlen, glücklichen, beneidenswerthen Vater und Gatten. Viele hatten sich gewöhnt, diesen Mann als eine der Stützen der Monarchie zu betrachten; viele liebten ihn um der Hoffnungen willen, die sie zur Ehre und zum Nutzen des Vaterlandes auf ihn bauten. Hätten Wünsche ihn festhalten können auf diesem hohlen Boden der Erde, könnten Klagen ihn zurückführen unter uns, er lebte in Jugend und Kraft! Der Mann aber, über den man in Wahrheit das sagen kann, hat gewiß nicht umsonst, er hat sich und seinem Vaterlande zum Ruhme gelebt, und die allgemeine Achtung steht als Monument über seinem Grabe aufgerichtet.
Barthold Georg Niebuhrs Denkwürdigkeiten.
(Zweiter Artikel.)
(Beschluß.)
Nach seiner Zurückkunft nach Königsberg, wo noch der Regierungssitz war, wurde Niebuhr zum Geheimen Staatsrath und Sectionschef für das Staatsschuldenwesen und Geldinstitute ernannt. Wie er bald darauf, als Hardenberg nach erlangter Aussöhnung mit dem französischen Machthaber ans Ruder trat, wegen Unvereinbarkeit seiner Ansichten über wichtige Verwaltungsfragen mit denen dieses Ministers von den Geschäften schied; wie er in den Wissenschaften frisch auflebte und am Aufblühen der Berliner Universität eifrigen Antheil nahm, sowie nachmals an der Wiedererweckung wissenschaftlicher Studien in den Rheinlanden in seiner eigenthümlichen Stellung als freiwilliger Lehrer in Bonn; wie er auch während dieser gelehrten Beschäftigungen noch häufig außerordentlicherweise zu den Sitzungen des Staatsraths beigezogen, und namentlich in den Jahren 1813 bis 1814 wieder politisch verwendet wurde; welche Verhältnisse er mit Spalding, Buttmann, Schleiermacher, Heindorf, Savigny, Ancillon und so vielen andern ausgezeichneten Männern der Epoche knüpfte – das Alles zu schildern, würde
für den Raum dieser Blätter zu weitläuftig seyn, und wir müssen deßhalb auf das Buch selbst verweisen. Besonders reichhaltig war sein halb diplomatisches halb wissenschaftliches Leben in Rom von 1816 bis 1823, gewürzt durch den Umgang mit den Choragen der Wiedergeburt der deutschen Kunst, unter welchen ihm Cornelius der geistvollste schien und der liebste war, sey es, daß er mit ihm und Thorwaldsen auf den alten Jupiter anstieß oder daß sie dessen Lieblingsidee, die Darstellung des jüngsten Gerichts, besprachen. 1) Briefe aus Rom von 1817 und 18, Bd. 2, S. 275, 349.
Was Niebuhr über Italiens Kunstwelt dachte, faßt sich in gewisser Art zusammen in einem Schreiben an Savigny, in welchem er nach gemachter Danksagung für die übersandte Fortsetzung von Goethe's Leben also fortfährt: „Es ist freilich nicht mehr das goldene und silberne Zeitalter der ersten Bände, es ist ein sehr eisernes, und selbst seine Freude und Glückseligkeit ein Rausch, den der Zuschauer nicht theilen kann noch mag. Ein wunderlicher, mir meist unbegreiflicher Rausch – mit Versäumniß des Herrlichsten an manchen Orten, und welche Bewunderungen! Mit mancher steckt die Zeit an, und so muß man sich die Erwähnung der Caracci'schen Galerie im Palast Farnese, überhaupt der bolognesischen Schule, ja der heiligen Petronilla von Guercino, erklären. Ich erinnere mich ja selbst, daß ich am Guercino, ja am Guido Freude hatte. Die ist aber ausgegangen, als ich noch nichts darüber laut lassen werden durfte. Hier unter unsern Freunden ist es orthodox. Niemals aber hätte ich von Francesco Francia kühl, daneben von Domenichino begeistert reden können. So sind freilich die modernen Bologneser selbst. Der Canonicus Schiassi war gefällig genug mich in unbesuchte Capellen zu führen, wo Wunderwerke des Francia vergessen sind, aber er belächelte doch die transalpinische Thorheit. Es scheint mir, als ob es Goethen selbst wie Manchen geht, die sich mit Liebhabereien groß wissen, wofür ihnen gerade der Sinn versagt ist. Ich möchte glauben, daß Goethe für bildlich darstellende Kunst gerade gar keinen Sinn hat, d. h. kein Licht, das, aus ihm selber leuchtend, ihm unabhängig vom Geschmack der Zeit, noch weniger gegen diesen das wahrhaft Schöne zeige. Oder wenn er diese Gabe als Jüngling zu Straßburg hatte, so ist sie ihm in der unseligen Zeit verloren gegangen, deren Erzählung er übersprungen hat, während des Weimarer Hoflebens bis zur italienischen Reise, und wiederhergestellt hat sie sich nicht. Davon zeugte Winckelmann und sein Jahrhundert, Hackerts Leben, die Propyläen, die Kunstaufgaben und Kunstartikel in der Litteraturzeitung, ohne vom Rhein und Main zu reden. Das wäre nun Eins. Ein Anderes ist die ganze Stimmung, worin er nach Italien kommt und in Italien wandelt. Diese ist höchst merkwürdig, und eben deßwegen hätten Sie mir nichts Interessanteres senden können als diese Reisebeschreibung. Aber möchte man nicht darüber weinen? Wenn man so eine ganze Nation und ein ganzes Land bloß als eine Ergötzung für sich betrachtet, in der ganzen Welt und Natur nichts sieht als was zu einer unendlichen Decoration des erbärmlichen Lebens gehört, alles geistig und menschlich Große, alles, was zum Herzen spricht, wenn es da ist, vornehm beschaut, wenn es von Entgegengesetztem verdrängt und überwältigt worden, sich an der komischen Seite des letztern ergötzt. Mir ist dieß eigentlich gräßlich, vielleicht persönlich mehr als ich es Andern zumuthen möchte, aber dem Wesen nach erlasse ich es keinem. Ich weiß sehr wohl, daß ich in das andere Extrem gehe, daß mein politisch-historischer Sinn sich schon ganz mit dem befriedigt fühlt, wofür Goethe keinen Sinn hat, und daß ich nicht allein im göttlichen Tyrol, sondern in Moor und Haide unter freien Bauern, die eine Geschichte haben, vergnügt lebe und keine Kunst vermisse. Aber die Wahrheit liegt nicht immer in der Mitte, obgleich allemal zwischen zwei Extremen. Der jugendliche Goethe gehörte auch mehr in das Rom des fünften Jahrhunderts der Stadt als in das der Cäsaren; mehr in Dante's und Boccaccio's Florenz als in das Ferdinands des Dritten, oder vielmehr er gehörte dort ganz hin, als er Faust, Götz und seine Lieder sang. Welcher Dämon verführte ihn, auch dem achtzehnten Jahrhundert gerecht seyn zu mögen? Aus der italienischen Reise ging der Großcophta hervor, und was alles sonst die große und heilige Natur verhüllt zeigt. Goethe hat Behagen an Venedig, aber er sieht in der Procession des Doge und Senats nicht die Imago der alten Größe, der zahllosen großen und klugen Männer, sondern nur einen Theaterzug. Uebrigens ist es seltsam, wie er das Herrlichste meistens gar nicht gesehen hat, oder wenn er es sieht, es ihm im zweiten Range steht. So sieht er in Padua nicht die Capelle der Annunziata, wo man ganze Tage weilen müßte, sondern gefällt sich auf dem weiten sumpfigen, mit Statuen, die so erbärmlich sind, daß sie in der Peterskirche stehen könnten, staffirten Platz della Valle. Zu Venedig sieht er San Giovanni e Paolo nicht, wo Vivarini's Meisterstücke sind und die Gräber der Helden mit Inschriften, die wohl ans Herz sprechen: die Urne des geschundenen Feldherrn in Candia etc.; nicht San Giobbe, das damals in seiner ganzen Pracht stand. Ueberhaupt wie unglaublich wenig er in Venedig gesehen, weiß nur der, welcher selbst da war. Doch wird auch der, dem dieß nicht beschieden worden, den herzoglichen Palast und die Wunder des Marcusplatzes vermissen. Von Florenz will ich gar nichts sagen, wie man dort durchfliegen konnte, nichts vom Versäumen des Wasserfalls von Terni. Ich sage dieß Alles nur, um meinen Satz wahr zu machen, daß er ohne Liebe gesehen hat.“ 2) Briefe aus Rom von 1817 Bd. 2, S. 288-291.
Wir haben diese beredte Stelle hergesetzt, weil sie besser als irgend eine Niebuhrs Anschauungsweise und seinen ganzen Standpunkt abspiegelt. Sonderbar war es, daß es ihm in Italien nie so recht wohl wurde: er hatte sich so sehnlichst hingewünscht, aber er fand Geist und Wissenschaft, jede Idee, welche das Herz schlagen macht, jede edle Thätigkeit von diesem Boden verbannt – die Italiener eine Nation wandelnder Todten. Er fragte: wo das Leben anekelt, wie kann der, welcher nur durch Menschengeist und Menschenherz sich selbst gehoben und glücklich zu fühlen vermag, an Bildsäulen, Gemälden und Gebäuden Ersatz haben? Wer kann bloß von Gewürzen und Wohlgerüchen leben? 3) A. a. O. S. 268 So kehrte er gerne nach Deutschland zurück. Aber auch hier war inzwischen Manches geworden, was seinen Beifall nicht hatte: der Süden durch gallicanische Tendenzen und Constitutionalismus vom Norden getrennt, der Adel mit oligarchischen Prätensionen ohne Begründung der Basis seines Standes, der Bürgerstand nicht wissend, was zu seinem Frommen diene, der Bauernstand in Gefahr in Zeitpächter und Taglöhner verwandelt zu werden, die öffentliche Meinung bestimmt durch die Autorität des Conversationslexikons. 4) Briefe von 1823 Bd. 3, S. 64, 65. Seine letzten Jahre trübten die Parteikämpfe in Frankreich, die er mit ängstlicher Aufmerksamkeit verfolgte, wegen ihrer Rückwirkung auf Deutschland. Daß sie dort
zu einer Revolution führen würden, hatte er nicht erwartet, weil er die höhern Stände einzig mit ihrem Vortheil beschäftigt und von Träumereien frei wußte; aber er sah die religiösen Wirren an der Nordwestgränze von Deutschland kommen und fürchtete die Einmischung französischer Aufhetzer; er hörte die Tribunendeclamationen von Frankreichs Einengung in Gränzen, die nicht seine natürlichen wären, und fürchtete, daß Liberale und Aristokraten sich vereinigen möchten, um hereinzubrechen gegen das arme zerrissene Deutschland. 5) Briefe von 1827 - 29, Bd. 3, S. 203, 210, 239. Das Entsetzlichste war ihm der Gedanke, daß es geschehen könnte, daß Deutschland eines russischen Gustav Adolf bedürfte, um sich zu erwehren! 6) Briefe von 1826, Bd. 3, S. 169.
Die Galerie des Cardinals Fesch.
Rom, 21 Jan. Es steht dem hiesigen Kunstleben ein neuer und unersetzlicher Verlust bevor. Der Fürst Hieronymus von Montfort soll sich demnächst zu seinem Bruder Joseph Bonaparte nach London verfügen *) Anm. d. R. Er traf auf seiner Reise den 31 Jan. zu Köln ein, und setzte am 1 Febr. seine Reise über Rotterdam nach London fort., um wegen des Verkaufs der Galerie Fesch, in so weit diese nicht nach Ajaccio wandern wird, das Nöthige zu verhandeln. Rom wird also diese Sammlung jedenfalls, ja vielleicht Europa wird sie verlieren, indem die Sage Glauben findet, man suche sie für den Sitz der Bundesbehörden der nordamerikanischen Freistaaten, für Washington zu erwerben. Diese Sammlung wurde mit Kennerblick, Glück und großen baaren Mitteln in dem günstigsten Zeitraum gebildet, und bietet hierin eine Parallele zur Antikensammlung Münchens. Sie umfaßt alle Zeiten und Schulen, und war deßhalb für Rom so wichtig. Ein gedrucktes Verzeichniß existirt nicht, daher kennt man auswärts den Werth und Umfang dieser Sammlung weniger als sie es verdiente. Von Italienern besitzt sie unter Anderm ein wunderschönes Altarblatt Tizians, den ersten Pierin del Vaga, den berühmten Rafael aus Città del Castello, die nackte Mona Lisa Luini's und einige von der Wand gesägte Fresken der ersten Meister. Besonders reich ist die niederländische Schule, aus welcher beinahe von jedem bedeutenden Meister ein vorzügliches und wohlerhaltenes Bild zu sehen ist. Auch die französische Schule bis David einschließlich ist sehr vollständig, und die zwei Jungen von Holbein dürfen neben das Beste gestellt werden, was von diesem Meister existirt. Besonders unterrichtend sind die Kunstanfänge aller Schulen in Einem Saale vereinigt. Die Galerie classique, welche verkauft wird, mag 2000, die nach Ajaccio bestimmte, aus minder werthvollen Bildern bestehende, über 3000 Nummern betragen. – Wenn es schon bei dem Verkaufe der Coësvelt'schen Sammlung in London sehr zu bedauern war, daß sie nach St. Petersburg und nicht nach Deutschland gewandert ist, so wird es noch mehr der Fall bei dieser Sammlung seyn, welche unterrichtend, vielseitig und aus Bildern zusammengesetzt ist, wie sie jetzt kaum oder zu ungeheuern Preisen einzeln erworben werden können. Wir wünschen, sie möge für eine deutsche Hauptstadt oder für das reiche Frankfurt erstanden werden. Der Kaufpreis wird durch Reisende, und die Industrie, welche sich an Kunstsammlungen anschließt, reichlich hereingebracht werden, wie Dresdens und Münchens Beispiel beweisen. Am liebsten würden wir sie aber in Düsseldorf wiedersehen, wo ein schmerzlicher Verlust ersetzt und eine tüchtig vorschreitende Schule dadurch gekräftigt werden würde. Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Galerie bei ihrer Einfuhr in den Kirchenstaat die bindendste Erlaubniß zur freien und ungehinderten Wiederausfuhr erhalten hat.
Zug durch die Wüste nach Schendi, und Aufenthalt daselbst.
(Fortsetzung.)
Wir marschirten langsam, fortwährend auf hartem Sandboden, bis wir am Morgen in ein, mit vielen halbvertrockneten Mimosen waldartig besetztes Felsenthal kamen, wo sich ein tiefer und geräumiger Brunnen mit ziemlich gutem Wasser befindet. Er heißt Mseali, und seine Umgebung war zum Ziel unsers ersten Nachtlagers bestimmt. Wir hatten in der vergangenen sternhellen Nacht die Wüste voll schwarzer Granitfelsen, und an vielen Stellen Spuren von Vegetation gefunden, was unterirdisches Wasser nicht tief unter der Oberfläche vermuthen ließ. Ich fand auch später so oft Gelegenheit diese Bemerkung zu machen, daß ich von der Möglichkeit überzeugt bin, mit Hülfe artesischer Brunnen Tausende von Quadratmeilen der Wüsten Aethiopiens und des Sudans in fruchtbares Land umzuwandeln. Zwei Stunden seitwärts unserer Straße in östlicher Richtung soll sich in Badeñ el Gasali (dem Thale der Gazellen) ein noch ziemlich wohl erhaltener Tempel aus röthlichem Sandstein befinden, nach der Beschreibung aber nur von geringen Dimensionen seyn. Ich würde die Mühe nicht gescheut haben ihn aufzusuchen, da ihn noch kein europäischer Reisender gesehen, der Führer erklärte aber des Weges nicht recht kundig zu seyn, und besorgte sich zu verirren, weßhalb ich die Sache aufgeben mußte.
Wir schliefen bis um 5 Uhr Abends, wo ich aufstand, um die Gegend zu besichtigen. Am Brunnen fand ich mehrere Beduinen, die ihre, meistens schwarzen, Kamele mit Wasser beluden. Sie waren mit recht eleganten leichten Speeren, und schmalen, auf beiden Seiten zugespitzten Schildern aus Hippopotamoshaut bewaffnet, die ich ihnen vergebens feil zu machen versuchte. Zwei Mädchen befanden sich bei ihnen, wovon die eine, noch sehr junge, wie uns die Männer sagten, die renommirteste Schönheit ihres Dorfes sey, das nur einige Stunden von hier liegen soll. Sie war in der That nicht übel, trotz der breiten Brandnarben in den Backen, schön bemalt, und trug als Schmuck zwei schwere Fußschellen von Metall, gleich unsern Baugefangenen, an den Knöcheln. Sie lächelte uns zuerst sehr freundlich an, doch als ich mich ihr nähern wollte, um sie genauer zu betrachten, entsprang sie, von einem plötzlichen Panik ergriffen, in Begleitung ihrer ältern Gefährtin, wie ein Reh durch den Mimosenwald nach den entfernten kahlen Felsbergen. Ich nahm mit meinem Dragoman dieselbe Richtung, und erstieg die Höhen, konnte aber der beiden Mädchen nicht mehr ansichtig werden, wogegen mich auf dem Gipfel eine weite Aussicht über hügliches Land überraschte, in dessen Thälern mehrere grüne Oasen verstreut waren. Doch bemerkten wir nirgends Spuren von Wohnungen. Zu Burkhardts Zeiten war dieser ganze, von den Hassanyeh-Arabern bewohnte Theil der Wüste noch sehr unsicher, seit der neuen Herrschaft hat man nicht das Mindeste mehr zu befürchten, und mag hier so unbesorgt reisen wie in Aegypten. Als wir zurückkehrten, fanden wir den Sklaven des Doctors heftig an einem Sonnenstich erkrankt. Man mußte ihm mehreremal zur Ader lassen, und obgleich darnach bald einige Besserung eintrat, so erlangte der Knabe doch während der ganzen Reise nie ganz seine vorige Gesundheit wieder.
Bei dem nächsten Marsch ward die Karawane nach alter Weise vorausgeschickt, und wir folgten ihr um 2 Uhr in der
Nacht. Die Distanz war ungefähr dieselbe wie gestern, und auch der Charakter der Gegend blieb sich gleich. Doch hatten wir eine Art Abenteuer unterwegs. Es war ziemlich dunkel, und wir mußten uns eng zusammenhalten, um nicht vom Wege abzukommen, als wir durch ein Gebüsch reitend plötzlich mitten unter uns eine ganz unheimliche, und wie verzaubert aussehende Gestalt gewahrten. Es war ein uralter Schwarzer mit langem weißen Bart, ganz nackt, aber mit einem großen geraden Ritterschwert bewaffnet, das er, durch einen Riemen an der Schulter befestigt, nicht an der Seite, sondern über den Rücken hängend trug. Er ritt auf einem schnellfüßigen Eselzwerge, der nicht über zwei Fuß hoch war, so daß der ansehnlich gewachsene Mann die Kniee hoch über den Sattel erheben mußte, um darauf sitzen zu können, ohne mit den Füßen die Erde zu berühren. So trabte er dicht neben meinem hohen Dromedare her, unter dessen Bauch er füglich hätte hindurch schlüpfen können ohne anzustoßen. Wir betrachteten ihn alle sehr verwundert, während er nicht die geringste Notiz von uns zu nehmen schien. Endlich rief er unserm Führer – der gewöhnlich etwas vorausreitet, um uns die wahrlich nicht leicht aufzufindende Direction ohne Weg und Steg durch die so wenig Kennzeichen darbietende Wüste anzuzeigen – einige, mit der den Negern eigenthümlichen Art, gellend ausgestoßene Worte zu; doch dieser, welcher noch mehr Scheu als wir vor dem fremdartigen Wesen zu hegen schien, ritt nur schneller vorwärts, ohne die Anrede zu beantworten. Der Alte lachte murmelnd in seinen Bart hinein, und ehe wir es uns versahen, war er, wie er gekommen, auch hinter den Bäumen eben so schnell wieder verschwunden gleich einem Gespenst der Nacht. Trotz all unserer Bemühung konnten wir von dem Führer keine recht genügende Auskunft über das Vorgefallene erhalten. Doch bin ich überzeugt, daß er irgend einen Aberglauben mit der Erscheinung dieses Mannes in Verbindung brachte, denn er war sichtlich betroffen, und sprach nachher viel von einem übelwollenden Geiste, der im schwarzen Gebirge wohne, den alle Welt unter dem Namen „des Alten vom Berge“ kenne, und dessen Erblickung unter den verschiedenen Gestalten, die er annehme, meist Unheil bedeute, ohne jedoch jemals geradezu zu behaupten, daß, was wir gesehen, dieser Geist gewesen sey. Die Wilden haben also, wie es scheint, auch ihren tropischen Rübezahl.
Wir rasteten abermals in einem mit vertrockneten Mimosen angefüllten Thale. Diese blätterlosen, völlig abgestorben aussehenden Bäume schienen den Winterschlaf der unserigen hier nicht während der Kälte, sondern während der größten Hitze abzuhalten; nach der Regenzeit sollen sie alle wieder im hellsten Grün erglänzen. Der größte Theil davon gehört einer besondern Varietät an, die man hier Samra nennt. Die Hitze hatten wir in der Nacht fast eben so drückend als am Tage gefunden, weil kein Lüftchen mehr wehte, während am Tage, besonders um die Mittagszeit, der Wind, in oft unangenehmen Stößen und fortwährend umspringend, fast aus allen Abtheilungen der Windrose blies. Nicht sehr ermüdet, belustigten wir uns Nachmittags lange mit der Jagd, die jedoch nur auf Turteltauben und Wüstenrephühner stattfindet. Die großen schwarzen und weißen Geyer pflegten, ganz ohne Scheu vor unsern Gewehren, jedesmal wenn ein Schuß fiel eilig herbeizukommen, um die Vögel, welche etwa in einem Baume hängen blieben, oder angeschossen sich zu retten suchten, schnell für sich selbst einzufangen. Ja sie zeigten manchmal sogar Lust dem Jäger seine Beute streitig zu machen, und es war lächerlich mit anzusehen, wenn einer der letzten zu Knüppeln und Steinen seine Zuflucht nehmen mußte, um ihrer los zu werden. Einige sehr hübsch gefiederte Singvögel belebten außerdem häufig die dürren Gebüsche, und nicht selten hörten wir, bei Tag wie bei Nacht, der Schakals heiseres Gebell, ohne jedoch einen derselben erlegen zu können. Von reißenden Thieren fanden wir keine Spur.
Am folgenden Tage erreichte plötzlich die Hitze einen fast unleidlichen Grad. Der Thermometer zeigte um 2 Uhr Nachmittags in meinem Zelte, wo freilich die Reverberation der Sonnenstrahlen die Gluth noch intenser macht, am schattigsten Orte desselben 39° Réaumur, und auf den Sand in die Sonne gelegt 55°, eine Temperatur, die sich nachher drei Tage lang um dieselbe Zeit mit wenigem Unterschiede wiederholte.
Der Wind kam direct aus Süden, und glühte, statt Kühlung zu bringen, wie aus einem hohen Ofen. Nicht nur Metall und Glas, sondern auch Papier, Seide, Leinwand, Holz etc. war ohne Unterschied alles gleich brennend heiß anzufassen. Der einzige kühlere Gegenstand, den man finden konnte, war die eigene Haut, weil der Temperaturgrad der Atmosphäre fast höher stand als der des Blutes. Das Fleisch eines Schafes, das um 11 Uhr Vormittags geschlachtet worden war, mußte schon um 6 Uhr Abends, als ganz unbrauchbar, weggeworfen werden, und zwei lebend mitgenommene Schafe starben über Nacht beim Transport, so wie der größte Theil der von Merāvi mitgenommenen Hühner, von denen wir später bis Karthum uns leider keine mehr verschaffen konnten. Auch mein Hund war dem Verscheiden nahe, und grub sich, kläglich winselnd, einen Fuß tief in die Erde. Fast unbegreiflich ist es es, wie trotz dieser Höllengluth die Eingebornen ganz nackt, mit einem bloßen schmalen Gürtel angethan, hier aushalten können, den Kopf ohne allen andern Schutz als ihre langen Haare dem fürchterlichen Sonnenbrande, die Füße ohne Sandalen dem kochend heißen Sande ausgesetzt.
Der Schauplatz unsers Bivouacs war dießmal in der Nähe einiger Hütten von den Eingebornen, welche starke Viehzucht aber wenig Ackerbau treiben, und sich fast nur von Fleisch und Milch nähren, Marua genannt. Ein großer Theil der Wüste in dieser Region ist mit Binsengras und mehreren Akazien wie Mimosenarten bedeckt, die, wie bereits erwähnt, jetzt abgestorben schienen, aber mit der Regenzeit grün werden, welche dann außer dieser Vegetation auch noch viele andere Futterkräuter hervorruft, von denen jetzt keine Spur mehr existirt. In diesem Zustande erhält sich die Vegetation vom Julius bis April. Während dieser Zeit ist Ueberfluß an Nahrung für die Thiere zu finden, der ohne alle Mühe erlangt wird. Dann aber – denn April, Mai und Junius sind hier die heißesten Monate – beginnt schnell das Vertrocknen aller Pflanzen, und in dieser Jahreszeit muß sich das Vieh mit gedörrtem Binsenstroh und trocknen Baumzweigen begnügen, wozu gelegentlich etwas Durrakörner kommen. Doch kann hiervon nur zu wenig gebaut werden, um irgend darauf zu rechnen. Auch war alles Vieh, was uns in dieser Oasis zu Gesichte kam, durchgängig spindeldürre, und von der elendesten Beschaffenheit. Wir lagerten etwa hundert Schritte vom Dörfchen in einer weiten rings von Bergzügen umschlossenen Fläche, dicht am Fuß eines isolirt aus ihr emporsteigenden Felsens. Ich bestieg diesen Abends um der Aussicht willen, und fand, daß seine von Sonnenbrand und Regen schwarz gefärbten Massen aus dem schönsten feinkörnigen Marmor bestanden. Wenn man Stücke davon abschlug, zeigte er sich von blendender Weiße, an manchen Orten auch roth, an andern schwarz geädert. Von dem Gipfel dieses Felsens, der an 100 Fuß Höhe haben mochte, bemerkte man deutlich mehrere weithin durch die Baumgruppen geschlängelte,
zum Theil sehr beträchtliche Flußbetten, wo sich in der Regenzeit das Wasser sammelt, und dann in großer Fülle hinströmend die Wüste hier in eine gartenähnliche Landschaft umwandeln muß.
Kurz nach Sonnenuntergang sprang der Wind nach Norden um, und ward in einigen Minuten zu einem Orkan, der unsere Zelte widerstandlos niederriß, weil bereits alle Stricke durch die Hitze morsch geworden waren. Ueberhaupt gehen fast alle unsere Effecten nach und nach hier zu Grunde, besonders was von Holz ist. Kein Koffer und keine Kiste will mehr zusammenhalten, selbst meine englische Schatulle, von der besten Arbeit, ist so auseinander gewichen, daß ich mein Geld in einer Serviette transportiren muß.
Am 14 Mai. Dem gestrigen Sturme war bald wieder eine totale Windstille gefolgt, und die Nacht ohne Thau und Luftzug von der gewöhnlichen Ofentemperatur. Eines unserer Dromedare versagte während des Marsches den Dienst, legte sich nieder, und nichts konnte es mehr zum Aufstehen bewegen. Es war ein sehr glücklicher Zufall, daß fast in demselben Augenblick zwei Reisende auf guten Kamelen uns entgegen kamen, von denen unser Kavaß sogleich das eine – denn Noth kennt kein Gebot – mit Gewalt, wenn gleich gegen Bezahlung requirirte. Ohnedieß weiß ich nicht wie wir fortgekommen wären, da das krank gewordene Thier gerade das des Führers, und mit allen unsern nothwendigsten Sachen bepackt war. Es ward sorglos von den Arabern an dem Fleck, wo es sich niedergelegt, zurückgelassen, in der Ueberzeugung daß es schon selbst auf irgend eine Art für sich Sorge zu tragen wissen, und auf dem Rückweg nach dort wieder zu finden seyn werde. Die Gegenden, welche wir heute beim funkelnden Schimmer des Halbmondes durchritten, boten fast nirgends mehr einen öden, vielmehr einen so heiteren und mannichfaltigen Anblick dar, daß man sie füglich die Wüsten-Schweiz von Behēda nennen könnte. Behēda ist nämlich der Name des ganzen großen Landstriches, welchen der Nil, gleich einer Halbinsel, zwischen Schendy, Debbeh und Berber umschließt.
Viele Züge dunkler, gezackter Berge von 1200 - 1500 Fuß Höhe, wo sich, über und zwischen Granit und Porphyr, zuweilen Urkalkstein in zerrissenen Schichten hinzieht, umschlossen fast fortwährend bebuschte Thäler, in denen auch jetzt noch mehrere Bäume grünten. Einer dieser Berge, den wir übersteigen mußten, ward sogar oft für unsere Bequemlichkeit fast zu pittoresk – denn die Dromedare sind schlechte Kletterer. Wir folgten hierauf zwei Stunden lang den Windungen einer tiefen Schlucht, mit hohen und steilen Wänden, auf dem rauhen kiesigen Bett eines ausgetrockneten Flusses, bis uns wieder freundliche Thäler umfingen, deren Boden so glatt wie mit dem Richtscheit geebnet ist, und die in der Regenzeit große Seen mit anmuthigen grünen Inseln bilden. Der Untergrund ist überall steinig oder harter Sand, und unter den Kieseln findet man häufig schöne Onyxe und andere bunte Steine von den verschiedensten Farben. Es fehlt hier nicht an Brunnen, und obgleich ihr Wasser meistens nur lau und so von Sand geschwängert ist, daß es wie Lehmtunke aussieht, ist es doch gesund und ohne allen unangenehmen Geschmack. Es war uns um so willkommener, da das in vielen Schläuchen mitgenommene Wasser wegen ihres üblen Geruches in kurzer Zeit beinahe untrinkbar wird – ein übler Umstand, wenn man täglich wenigstens 5 - 6 Flaschen Wasser braucht, um den kaum je aufhörenden Durst einigermaßen löschen zu können.
Es war ein höchst wilder Fleck im grandiosesten Styl, wo wir am Morgen unsere Zelte aufgeschlagen fanden, ein schwarzblauer Felsenkessel, ohne die geringste Vegetation. Das aus herrlichem Porphyr und gelblichem Granit bestehende Gestein war in Massen der heterogensten Formen, wie durch ein Erdbeben aufgethürmt, und viele dieser riesigen Felsstücke balancirten sich auf eine so unglaubliche Weise über einander, daß man sich jeden Augenblick erwartete eines oder das andere derselben vom Winde herabgeschleudert zu sehen. Welch ein Schatz wäre ein solcher Steinbruch in einer Gegend, wo man bessern Nutzen daraus ziehen könnte! Hier herrscht nur die tiefste Einsamkeit, ein durch nichts unterbrochenes Schweigen, selbst der nahe Brunnen schien nichts Lebendes an sich zu ziehen, bis gegen Abend doch ein Volk Rebhühner herbeikam, unter dem unser Blei auch sogleich eine bedeutende Verwüstung anrichtete. Ich kletterte eine Stunde lang auf den Felsen umher, konnte jedoch keine entfernte Aussicht erlangen, da immer wieder höhere Berge und Felsen diejenigen umgaben, welche ich im Schweiße meines Angesichts erstiegen hatte. Der hiesige Brunnen hatte von allen bisher und nachher angetroffenen das klarste und kühlste Wasser. Der Ort ward von unserm Führer Māgă ga genannt; es befindet sich aber weder ein Dorf noch sonst eine Wohnung weitumher. Ein scharfer Wind, der durch die schmalen Oeffnungen der Schlucht sauste, ließ uns etwas weniger von der Hitze leiden als gewöhnlich, entführte aber zum zweitenmal unsere Zelte in demselben Moment, wo sowohl der Doctor als ich, fast nackt auf unsern Betten liegend, mit dem Schreiben unserer Tagebücher beschäftigt waren, was zwar mehrere kleine Beschädigungen verursachte, aber zugleich eine sehr komische Scene der plötzlichen Aufdeckung und darauf folgenden Verwirrung aller Art veranlaßte. Da man sich hier nichts verschaffen konnte, und Vorräthe sich nicht mehr halten, so hätten wir heute einen gezwungenen Fasttag feiern müssen, wenn nicht die erwähnten Rebhühner und ein halbes Duzend Turteltauben, welche der unermüdliche Akerman uns nach einer Stunde Abwesenheit zurückbrachte, der Noth abgeholfen. Die letzteren Vögel ist man sicher von Alexandrien bis zu der südlichsten Gränze des Sudan fast täglich in beliebiger Quantität erlegen zu können, so daß man, mit einem gehörigen Vorrath von Pulver und Blei versehen, auch in der Wüste, wie sie hier beschaffen ist, ohne weitere Lebensmittel nicht zu verhungern brauchte. Schwerer ist es den Gazellen beizukommen, von denen es uns auf dieser Tour bis jetzt noch nicht glückte, einer einzigen habhaft zu werden, obgleich wir eine große Menge derselben sahen. Insecten erblickt man, außer Spinnen und Heuschrecken, in dieser Jahreszeit fast gar nicht, und ich habe, seit ich Kairo verließ, nur zwei Schmetterlinge gesehen, sie aber nicht gejagt, weil die englischen Kritiker mir dieß als kindisch verwiesen haben. Doch fanden wir Abends den Brunnen von einer prächtigen großen Hornißart, mit breiten schwarzen und goldgelben Ringen, reichlich umschwärmt, deren eine ich meiner Insectensammlung einzuverleiben mich nicht erwehren konnte.
Als eine wohlthätige Notiz für die Reisenden will ich hier Folgendes einschalten. Es ist sehr wesentlich, seine Leute für die Aufschlagung der Zelte an stets zweckmäßigen Orten gut zu dressiren. Diese müssen zwar immer möglichst im Schatten, aber noch nöthiger im Luftzug aufgestellt werden, wobei die sich gegenüberstehenden Oeffnungen des Zeltes schräg gegen den Wind zu richten sind, damit dieser Luftzug erhalten wird, ohne doch in gerader Richtung den Staub hineinzujagen. Bei zu großer Hitze thut man am besten, die Seitenwände ganz wegzunehmen, und nur das Dach als Sonnenschirm ausgespannt zu lassen. Die Decke des Zeltes muß stets da, wo die Sonne eben darauf scheint, mit dicken Strohmatten belegt, und diese, wenn Wasser genug da ist, fleißig begossen werden, eben so der Boden um das Zelt. Diese Kleinigkeiten, wenn man sie gut beobachtet,
werden gewiß einen Unterschied von 8° - 10° in der innern Temperatur hervorbringen, was, auch unter den ungünstigsten Umständen, doch immer einigermaßen soulagirt. Hinsichtlich der Kleidung habe ich bei der häufigen schnellen Abwechslung von Hitze und Kälte helle und weite Halbtuch- oder Kasimirkleider, und außerdem eine feine Flanellweste auf dem bloßen Leibe zu tragen am zweckmäßigsten, und einem zu leichten Leinwandanzuge sehr vorzuziehen gefunden. Die Hauptsache aber ist, den Kopf drei- und vierfach zu bedecken, um ihn vor der Sonne zu schützen, und bei dem geringsten Frösteln, das man fühlt, muß man sogleich die wollene Bernuß oder einen Tuchmantel umthun, welche beide Gegenstände daher immer bei der Hand zu halten sind; denn Erkältung hat hier jedesmal die nachtheiligsten Folgen. Hinsichtlich der Diät habe ich nie ein bestimmtes System befolgt, sondern stets gegessen und getrunken so viel oder so wenig als ich eben hatte und meinen Bedürfnissen angemessen fand. Wozu ich Lust verspürte, habe ich mir nie versagt. Fleisch wie reife Früchte, Fettes und Mageres, Süßes und Saures genoß ich unbedenklich unter einander, jedoch nie im Uebermaaß. Bald trank ich Wein, bald süße und saure Milch, Bier oder Branntwein, den dongolesischen Bilbil, den ägyptischen Mischmisch aus Aprikosen, Mandelmilch (die, beiläufig gesagt, wenn man sich weder Milch noch Eier mehr verschaffen kann, ein vortreffliches Surrogat dafür beim Kaffee und Thee abgibt), gewöhnliche Limonade oder Limonade gazeuse, künstliches Sodawasser mit englischen Pulvern bereitet, oder Sorbet aus Melonenkörnern u. s. w. ganz nach Laune und Thunlichkeit, ohne je Nachtheil davon zu spüren. Nur die Vorsicht gebrauchte ich, faules Wasser vor dem Gebrauche stets abkochen zu lassen, und mich vor kaltem Trinken nach einer Erhitzung wohl zu hüten; ferner, überhaupt nie mehr zu essen und zu trinken, als Hunger und Durst erforderten, doch auch nicht weniger. Vor nichts aber hat man sich in diesen Klimaten mehr in Acht zu nehmen, als vor unnöthigem Mediciniren, denn mehr als Einen habe ich hier durch die bei uns unbedeutendsten, als Präservativ, oder gegen nur leichte Unpäßlichkeit angewendeten Mittel seine Gesundheit, ja sein Leben verlieren sehen. Ich selbst war so glücklich bei der angeführten Lebensweise allen Folgen des Klima's und der aria cattiva in den den Europäern nachtheiligsten Ländern und oft von Epidemien umgeben, stets ohne Fieber noch andere Krankheiten zu entgehen – denn Migraine und ein kurzes Uebelbefinden darf ich dahin nicht rechnen. Die einzige Ausnahme hiervon machte eine gefährliche Dysenterie, die ich mir aber während der Regenzeit im Senaar ganz allein durch das unnütze Nehmen einer Dosis Seidlitz powders selbst muthwillig zuzog, und unglücklicher Weise damals keinen Wein mehr hatte, um dem schädlichen Einflusse der Medicin sogleich wieder entgegen zu arbeiten. Dem Weine räume ich, wie man schon weiß, in heißen Ländern die größte hygieische Kraft ein, doch immer nur insofern man selbst Neigung zu seinem Genuß fühlt, und vielleicht auch früher daran gewöhnt gewesen ist. Denn mein Hauptprincip blieb immer, dem Impuls der Natur zu folgen, und die Lehre: in jedem Lande sich nach der Lebensart der Eingebornen zu richten – als höchst perniciös und abgeschmackt zu betrachten, wenn man sie nicht sowohl dem ersten Grundsatze als der Rücksicht auf frühere Gewohnheit gänzlich unterordnet. So verlangt es wenigstens meine Constitution, und jeder ihr gleichenden werden meine Rathschläge gewiß wohlbekommen. So glaube ich auch, daß wer sich sorgfältig vor Erkältung hütet, frische und gesunde Nahrung genießt, und seine Augen häufig mit frischem Wasser wascht, gewiß keine Ophthalmie in Aegypten zu befürchten hat, und schreibe die tödtlichen Fieber während der Regenzeit im tropischen Klima ebenfalls nur Erkältung und deren Wirkung auf den Magen, oder dem Genuß giftiger Insecten in faulen Wassern zu. Wie ganz sorglos aber gerade die Einwohner dieser Länder, welchen man nachahmen soll, gegen beides sind, hatten wir täglich Gelegenheit zu beobachten. Auch werden sie, so gut als die Europäer, fortwährend die Opfer davon.
(Fortsetzung folgt.)
[367-68]
Antiquariats-Verkauf.
Ich habe ein, größtentheils aus auserlesenen Werken bestehendes, beiläufig
26,000 Bände
umfassendes Antiquarium zu verkaufen. Wer hierauf reflectirt, wolle sich in frankirten Briefen an mich wenden, worauf der bereits im Druck erschienene Katalog sofort folgen und Näheres mitgetheilt werden wird. – Heidelberg, im Februar 1840.
Karl Groos.
[320-21]
Einladung an sämmtliche Künstler des In- und Auslandes zur Theilnahme an der schweizerischen Kunstausstellung im Jahre 1840.
Im Laufe des Sommers 1840 wird von den Künstlergesellschaften und Kunstvereinen der nachbenannten drei Schweizer-Städte eine gemeinschaftliche Kunstausstellung veranstaltet, welche in Basel während des Monats Junius in Bern vom 15 Julius bis 15 August, und in Zürich während des Septembers eröffnet seyn wird; und es werden zu dem Ende die verehrl. Künstler des In- und Auslandes um gefällige Zusendung ihrer Arbeiten ersucht.
Die Vereine der genannten drei Städte können sowohl aus eigenen Mitteln, als von Seiten des übrigen Publicums und durchreisender Fremden, Hoffnung auf nicht ganz unbedeutenden Absatz geben.
Die Bedingungen, woran sich die verehrl. HH. Einsender genau halten wollen, sind folgende:
1) Es werden bloß Originalarbeiten lebender Künstler und innerhalb Jahresfrist verstorbener Schweizerkünstler angenommen.
2) Portofreiheit genießen nur Künstler bei eigenen Arbeiten, und zwar tragen die Vereine die Kosten der Her- und Rückfracht auf die Entfernung von 60 Stunden von der Schweizergränze und bis zu dem Bruttogewicht von 100 neuen Schweizer Pfunden oder 50 Kilogrammen per Kiste. Bei größerer Entfernung und schwererem Gewicht muß mit dem betreffenden Vereine besonders unterhandelt werden. Sendungen von Kunstwerken zur Post werden nur frankirt angenommen. Auch geschehen die vor Ende des Turnus verlangten Rücksendungen auf Kosten des Eigenthümers.
3) Die Verpackung muß von den Einsendern nach folgender Vorschrift geschehen: größere, 3 Quadratfuß überschreitende Werke dürfen nur einzeln in eine Kiste verpackt werden. Die Kisten der Gemälde müssen inwendig mit Papier ausgeklebt, an den vordern Rändern schwarz angestrichen und das Gemälde mit Schrauben darin befestigt seyn, so daß es mit der Kiste aufgestellt werden kann. Auch der Deckel ist mit Schrauben zu befestigen. Mangelt eines dieser Erfordernisse, so wird es auf Kosten des Einsenders angeschafft. Endlich ist jeder Zusendung eine genaue Bezeichnung des Gegenstandes, des Verfertigers, des festen Preises und der endlichen Bestimmung im Falle des Nichtverkaufs beizufügen.
4) Die Versendungen geschehen auf Gefahr des Eigenthümers, wohl aber macht man sich die sorgfältigste Behandlung und Spedirung zur Pflicht.
5) Die Einsendungen müssen so zeitig befördert werden, daß sie spätestens am 15 Mai 1840 in Basel, am 1 Julius in Bern und am 15 August in Zürich eintreffen. Wenn dieselben nicht zu obigen Terminen an den bezeichneten Orten eingehen, so haben die Vereine keine Verpflichtung, die Einsendungskosten zu tragen. Die Zusendungen nach Basel sind an den Basler Kunstverein, nach Bern an die Commission des Berner Kunstvereins, und nach Zürich an die Züricher Künstlergesellschaft zu richten.
6) Allzugeringe Producte, welche von dem betreffenden Vereine für unwürdig der Ausstellung befunden werden, werden dem Einsender auf seine Kosten zurückgeschickt. – Basel, den 18 Januar 1840.
Namens des Basler Kunst-Vereines, der Vorsteher: Felix Sarasin.
Der Secretär: L. August Burckhardt, J. U. D.
[352]
Bekanntmachung.
Zum gerichtlichen Verkauf eines Oelgemäldes auf Holz von Jost v. Winghen – das Brustbild einer alten Frau, in mit Pelz verzierter Kleidung und übereinander geschlagenen Händen, vorstellend, welches 2 Schuh 2 1/2 Zoll hoch und 1 Schuh 8 1/2 Zoll breit ist, mit der Jahreszahl 1594, ist Commission
auf Samstag den 29 Februar l. J.,
Vormittags 10 bis 12 Uhr,
im Geschäftslocale des k. Kreis- und Stadtgerichtsraths Fischer anberaumt, wozu Kaufslustige mit dem Anhange geladen werden, daß in Folge besonderer Uebereinkunft der Interessenten der Hinschlag und die Ausantwortung dieses Bildes bei dieser Tagsfahrt an den Meistbietenden sogleich gegen Baarerlage der Steigerungssumme erfolgt.
Am 28 Januar 1840.
Königliches Kreis- und Stadtgericht München.
Graf v. Lerchenfeld, Dir.
Pichlmayr, Acc.
[5082-84]
Edictal-Ladung.
Der Seifensiedergesell Christian Erdfried Garke, welcher zu Ballenstedt am 15 Junius 1789 geboren und ein Sohn des daselbst verstorbenen Seifensiedermeisters Christian Garke ist, hat seit dem Jahre 1810, wo er unter den herz. anhalt-bernburgischen Truppen den Feldzug gegen Spanien mitgemacht hat und nicht zurückgekehrt ist, keine Nachricht von seinem Leben und Aufenthalt gegeben. Sein Vermögen besteht in 1845 Rthlr. in Gold.
Auf den Antrag der Betheiligten werden der Seifensiedergesell Christian Erdfried Garke oder dessen etwaige unbekannte Erben hierdurch öffentlich vorgeladen, in dem vor herz. Justizamte allhier
auf den 24 April 1840,
Vormittags 11 Uhr,
anberaumten Termine sich zu stellen und sich zu legitimiren, resp. ihre Erbrechte anzumelden, widrigenfalls der genannte Abwesende für todt erklärt, und sein zurückgelassenes Vermögen unter Präclusion der ausgebliebenen unbekannten Interessenten dem nächsten gesetzlichen Erben zugesprochen werden soll.
Ballenstedt, den 3 December 1839.
Herzogl. anhalt. Justizamt daselbst.
Hempel.
[377]
Bekanntmachung.
Die Regierung des eidgenössischen Standes Graubünden beabsichtigt die Stelle eines Kantons-Forstinspectors und eines Bezirksförsters neu zu besetzen. Für erstere ist eine jährliche Besoldung von 1400 Schweizerfranken, und überdieß eine Entschädigung von 2 1/2 Schweizerfranken auf jeden Tag, den der Inspector außer seinem Wohnort beschäftigt wird; für den Bezirksförster ein Jahrgehalt von 940 Schweizerfranken ausgesetzt, wobei diesem letztern bei dringenden Aufträgen auch die Fahrkosten vergütet werden. Dagegen wird von ihnen verlangt, daß sie in der Forstkunde und den dazu gehörenden Fächern die erforderlichen theoretischen Kenntnisse besitzen und sich in ihrem Berufe einige Jahre praktisch geübt haben.
Die respectiven HH. Candidaten sind eingeladen, sich bis zum
20 des nächsten Monats März,
bei der Unterzeichneten schriftlich zu melden, und dieser ihre Zeugnisse einzusenden.
Chur, den 28 Januar 1840.
Die Regierungskanzlei des Kantons Graubünden.
[380-81]
Bekanntmachung
hinsichtlich des Baues von Flachsspinn-Maschinen.
Die unterzeichnete Anstalt – welche für das Königreich Sachsen das ausschließliche Privilegium zum Bau von Flachsspinnmaschinen besitzt – sieht sich in Folge mehrerer Anfragen veranlaßt, hiermit ergebenst bekannt zu machen, daß sie sich unter Leitung eines theoretisch und praktisch gebildeten englischen Maschinenbauers, welcher erst vor kurzem aus England zurückgekehrt ist, wo er sich wieder mit den neuern Erfindungen in dieser Branche der Mechanik bekannt gemacht hat, unausgesetzt mit dem Bau von Flachs- und Wergspinn-Maschinen nach den zweckmäßigsten Systemen beschäftigt.
Die Anstalt ist in Stand gesetzt, jede Bestellung, von welchem Umfange sie auch sey, bestens auszuführen; sie sichert den Bestellern, mag der Auftrag groß oder klein seyn, die prompteste, reellste und billigste Bedienung zu und übernimmt nach Uebereinkunft die Garantie für die gelieferten Gegenstände.
Zugleich erlaubt sie sich hiermit auf ihr Lager von bereits fertigen, theils in England, theils in der Anstalt selbst nach einem ganz vorzüglichen Systeme gefertigten Flachsspinn-Maschinen aufmerksam zu machen, und sie wird bei dem Ankauf dieser Maschinen die möglich billigsten Preise stellen.
Die Maschinenbau-Anstalt zu Schloß Urbigau bei Dresden.
[382-84]
Wein-Versteigerung
zu Forst in der Pfalz am Haardt-Gebirge.
Dienstag den 17 und Mittwoch den 18 März d. J., des Morgens 9 Uhr anfangend, werden aus dem Nachlasse des zu Forst verlebten Gutsbesitzers, Hrn. Theodor Steinmetz, in dem Sterbhause zu Forst, der Theilung wegen, die untenbezeichneten Weine unter den gewöhnlichen Bedingungen mit Bewilligung einer angemessenen Frist zur Abnahme öffentlich versteigert, nämlich:
Die Weine sind in Forst gelagert; auch ist das Weinlager des Verstorbenen bekannt und bedarf keiner Empfehlung.
Die Proben können zwei Tage vor der Versteigerung, auch vor derselben genommen werden.
Deidesheim, den 27 Januar 1840.
Für die Erben
Schuler, k. Notar.
[138]
Im Verlage von G. J. Manz in Regensburg ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Dr. R. Wiseman,
Zusammenhang der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung
mit der geoffenbarten Religion.
Zwölf Vorträge, gehalten zu Rom. In deutscher Uebersetzung herausgegeben von Dr. D. Haneberg. Mit 1 illum. ethnographischen Karte und 6
anatomischen Abbild. Gr. 8. 3 fl. 30 kr. oder 2 Rthlr. 6 gr.
Ungeheuer ist das Feld, aus welchem die Gegner der Religion ihre Einwürfe holen. Bald müssen die Eingeweide der Erde gegen die Bibel zeugen, bald müssen längst versteinerte Thiere aufstehen und wie das Thier der Offenbarung Lästerungen reden, bald schreit die Anthropologie, bald die Physiologie gegen die Religion. Jetzt müssen die vielen Sprachen der Völker in ihrer Vielzüngigkeit einmüthig gegen die heil. Schrift sprechen, bald werden die ägyptischen Mumien, bald ihre Hieroglyphen aufgerufen, bald indische Schriftrollen den mosaischen zum Trotz aufgeschlagen, bald Dalai Lama's Gefolge gegen Rom in Linie gestellt. Um den Gläubigen, die allerdings ihren heiligen Ueberzeugungen treu blieben, wenn sie auf diese Einwürfe nichts anders antworten könnten, als: „ich glaube,“ daneben aber doch auch einen lebendigen Muth haben, diese stolzen Feinde mit Waffen aus ihrer Schmiede zu demüthigen, ein Mittel zur Vertheidigung in die Hände zu geben, hat Dr. Wiseman, dem kein Zweig der allgemeinen Wissenschaften fremd ist, das Werk über den Zusammenhang der Wissenschaft mit der Religion geschrieben. Hier findet der Leser die Einwürfe aus der allgemeinen Sprachkunde, aus der Anthropologie und Physiologie, Chronologie, Geologie, ägyptischen und indischen Archäologie und Astronomie, aus der biblischen Kritik, aus der Religionsgeschichte des Orients aufs schlagendste widerlegt. Trotz der Mannichfaltigkeit der Gegenstände herrscht doch eine schöne Einheit im Ganzen. Indem der Verfasser jede der einzelnen Wissenschaften von Anfang bis hieher verfolgt, erhält der Leser neben den für die Verherrlichung des Christenthums so siegreichen Darstellungen immer auch zugleich einen totalen und gründlichen Ueberblick über das Gebiet der genannten Wissenschaften. Jeder Leser wird in dem Buch öfters durch unerwartete Lösung verwickelter Probleme und Aufhellung der trübsten Aussichten überrascht werden.
[5635-37]
L'EAU FRAICHE,
comme excellent diététique et admirable curatif, ou des vertus médicales de l'eau fraîche et de son usage, tant pour conserver la santé, que pour la rétablir.
Ouvrage traduit de l'Allemand d'après la troisième édition par l'auteur
JEAN GROSS.
Avec une planche.
8. Broché. 1 Thlr.
Leipsie,
F. A. Brockhaus.
Paris,
BROCKHAUS et AVENARIUS.
1840.
[298]
Robert Burns' Gedichte
deutsch von W. Gerhard.
Mit des Dichters Leben und erläuternden Bemerkungen.
Leipzig 1840. Verlag von Johann Ambrosius Barth.
8. cartonnirt 1 Rthlr. 12 gr.
Den trefflichen Schotten, dessen Dichtungen als die Lieder des Pflügers von Ayrshire in Großbritannien den gerechten Ruhm der Classicität sich längst erworben haben, in die deutsche Weltlitteratur einzuführen, wünschte schon Goethe vor mehreren Jahren. Dem Bearbeiter dieser Sammlung ist es ungemein gelungen, Burns' Naivetät, Humor und ächte Lyrik zu erfassen und wiederzugeben; die deutsche Welt wird darum seiner Arbeit gern freundliche Aufnahme gewähren, und die Skizze des Lebens des gefeierten Dichters, wie seine erläuternden Bemerkungen und die Melodientafel als willkommene Zugaben erkennen.
[34]
In der Unterzeichneten ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu haben:
Historisch-kritische
Darstellung des Streites
über die Einheit oder Mehrheit der venerischen Contagien,
von Dr. Friedrich Oesterlen.
Preis 3 fl. 24 kr. od. 2 Rthlr.
Die medicinische Facultät zu Tübingen wurde durch die noch herrschende Dunkelheit dieser Sache veranlasst, im Jahre 1833 eine Preisaufgabe zu stellen, worin sie eine Erörterung des Streits über die Einheit oder Verschiedenheit des Tripper- und Chanker-Contagiums und des Verhältnisses der Pseudosyphilis zu diesen Contagien verlangt. Die Beantwortung des Verfassers erhielt den Preis; nachdem sie weiter ausgeführt und verbessert worden, legt er sie nun der Beurtheilung des ärztlichen Publicums vor.
Wenn die Geschichte irgend einer Krankheit und der verschiedenen Lehren darüber geeignet ist, zu zeigen, wie wenig die meisten Aerzte im Stande sind, aus ihren sogenannten Erfahrungen gesunde Vernunftschlüsse folgerichtig abzuleiten, so ist es der Streit, dessen Darstellung wir uns zur Aufgabe gemacht haben.
Stuttgart und Tübingen.
J. G. Cotta'sche Buchhandlung.
[363]
In allen Buchhandlungen ist zu haben:
Wesenfeld, F., die Weltgeschichte nach Schmidts Lehrbuch, in 4 Tableaux, Imp. Fol. 1 2/3 Thlr.
Dessen Regententafel aus der ganzen Weltgeschichte bis zur neuesten Zeit, Imp. Fol. 5/6 Rthlr.
Dessen Karte über die Völkerwanderungen, Fol. 1/4 Rthlr.
Creutz'sche Buchhandlung in
Magdeburg.
[345-46]
Uranoxyd,
chemisch reines,
zum Malen und Drucken unter Glasur auf Porcellan, liefert à 6 Rthlr. preuß. Cour. per comptant das Leipziger Pfund, auf portofreie Briefe
die chemische Fabrik zu Cumbach
bei Rudolstadt a. d. Saale.
[378]
Den Verkauf der in der Beilage Nr. 30 vom 30 Januar angekündigten Milly-Kerzen der Joh. Lorenz Schäzler'schen Fabrik in München haben die Unterzeichneten gleichfalls übernommen, und empfehlen solche zu gefälliger Abnahme zum Fabrik-Preis à 48 fr. pr. Paket, auch in einzelnen Paketen zu 5, 6 und 8 Stück.
Engler & Comp. in Augsburg.
[292-93]
Stuttgart.
Verkauf eines Landhauses mit
Garten-Anlage.
Zur Zeit durch Familienverhältnisse verhindert, dasselbe selbst bewohnen zu können, sieht der Besitzer eines Landhauses solches zu verkaufen sich veranlaßt. Es besteht in einem zweistockigen, massiv erbauten, 64 Schuh langen, 33 Schuh tiefen, mit 8 größtentheils heizbaren Zimmern, mehreren Kammern, 2 Küchen und einem Gartensaal versehenen Gebäude, hinter welchem sich ein geschlossener Hof mit Remisen, Stallungen, Wasch- und Backhäusern befindet. Unmittelbar außerhalb einer Kreishauptstadt, über die sich eine herrliche Aussicht verbreitet, in dem schönen gesegneten Franken gelegen, ist es von einem, nahe 8 bayer. Morgen großen Garten umgeben, den ein Zaun und Akazienhag umschließen, in welchem neben einem Hopfenland von mehreren 1000 Stöcken viele tragbare hoch- und zwerchstämmige Obstbäume stehen, und der ferner eine geschmackvoll angelegte englische Partie, einen Salon, Fischwasser u. s. w. enthält.
Während auf diese Weise hier das Angenehme und Nützliche sich in der Art vereinigt finden, daß selbst der Mann vom höchsten Range den erwünschtesten Ruhesitz dort finden würde, ist es ebenso gewiß, daß diese Besitzung sich nicht minder für eine Gastwirthschaft, als auch für verschiedene andere Gewerbe eignete. Der Preis ist 7000 fl., welcher dafür verlangt wird.
Auf portofreie Nachfragen macht nähere Mittheilung
Dibolds öffentliches Bureau.
[273-78]
Avertissement.
Ein tüchtiger, vorzugsweise der Landschaftsgärtnerei vollkommen kundiger, und mit Ausführung von Garten-Anlagen im Großen vertrauter Gartenkünstler wünscht eine passende Versorgung.
Unter der Adresse M. Z. werden von der Expedition der Allg. Zeitung portofreie Briefe weiter besorgt.
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Compagnon wird gesucht.
Zu einem im besten Fortgange begriffenen litterarischen Geschäfte, womit Druckerei- und Verlagsgeschäfte jeder Art in Verbindung gebracht werden können, und das sich mit 10,000 bis 15,000 fl. rentirt, wird ein Compagnon mit einer Einlage von 20,000 fl. Reichsw. gesucht. Offerte beliebe man unter der Adresse A. B. Z. an die Expedition der Allg. Zeitung zu senden.