Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Sonnabend
Nr. 88.
28 März 1840
Großbritannien.
London, 21 März.
Heute ward im auswärtigen Amt ein Cabinetsrath gehalten, dem sämmtliche Minister beiwohnten.
Der torystische Rechtsgelehrte Frederick Thessiger Esq. ist wirklich ohne Opposition für den Burgflecken Woodstock ins Parlament gewählt worden. Nach erklärtem Poll hielt er von den Hustings eine Rede, worin er den Verdacht zurückwies, als habe er seine Erwählung dem ungesetzlichen Einflusse des Herzogs von Marlborough zu verdanken.
Lord Lyndhurst war in den letzten Tagen an einer heftigen Brustentzündung gefährlich erkrankt, befindet sich aber jetzt in der Genesung.
Der Athenäum-Club hat den französischen Gesandten, Hrn. Guizot, als Ehrenmitglied aufgenommen, und überdieß Se. Excellenz, als eine Anerkennung seiner litterarischen Verdienste, zu einem Festmahl eingeladen. Hr. Guizot hat die Einladung mit Dank angenommen.
(M. Chronicle.) Zwischen der parlamentarischen Lage Frankreichs und Englands waltet gegenwärtig eine große Aehnlichkeit ob. In beiden Ländern sehen wir ganz dasselbe Gleichgewicht der Parteien, und, als Ergebniß davon, dieselben Schwierigkeiten für die Regierung gegenüber der unendlich leichten Stellung der Opposition. Die zwei extremen Meinungen in beiden Ländern brauchen nur in dem Gedanken einig zu seyn, die Regierung sey schlecht, so können sie ihren Tadel augenblicklich in das V rdict eines parlamentarischen Votums verwandeln, während die Gemäßigten und die Centren beider Parlamente allzubittern Haß wider einander hegen, als daß sie sich, auch nur für ein augenblickliches Votum, gegen die extremen Parteien vereinigen könnten. In beiden Ländern hat das Gleichgewicht der Parteien, das der Opposition die Aussicht, zur Gewalt zu gelangen, scheinbar so nahe rückt und dadurch ihre Stellenlust zur wahren Gier steigert, die Opposition wüthend, ja rasend gemacht. Obgleich die verdrängte Partei dem Namen nach die conservative ist, so wird sie doch durch ihren Eifer destructiv, unloyal, jacobinisch. Den König der Franzosen bedroht eine Krisis und eine allgemeine Wahl gefährdet seinen Thron. Seine Conservativen bekümmern sich nicht um die Folgen. „Der König, sagen sie, möge zu Grunde gehen, wenn nur wir unsern Willen durchsetzen.“ Die Tories haben ähnliche Gesinnungen gegen unsere Königin gezeigt. In Einem Punkt indessen sind die Franzosen patriotischer und von Parteigeist weniger verblendet als wir – bei Maaßregeln auswärtiger Politik, die mit den Nationalinteressen in genauer Berührung stehen. So werden, bringt man die orientalische Frage in Anregung, Hr. Thiers, Marschall Soult und Graf Molé dieselbe Sprache führen. Ja, ihre parlamentarischen Anhänger stellen alle ihre Parteiansichten bei Seite, und behalten kein anderes Ziel im Auge als das Interesse und die Würde der Nation. Bei uns verhält sich dieß anders. Lasset irgend einen Umstand eintreten, der das Ministerium nöthigt, gegen fremde Nationen eine feste und kräftige Sprache zu führen – lasset die Nothwendigkeit hievon noch so klar, ja noch so sehr mit der Tory-Politik im Einklange seyn, die Tories werden nichtsdestoweniger eine reine Parteiwaffe daraus machen, und, das Land über Bord werfend, bloß daran denken, wie sie den Ministern einen Schlag versetzen können. So hat Frankreich gewiß neuerlich Symptome der Rivalität und halber Feindschaft an Tag gelegt. Die Tories habe diese Symptome dem ganzen Umfang nach zugestanden und sich darüber ausgesprochen; und doch, während einerseits Lord Aberdeen auftritt, um Frankreich anzuklagen, tritt andererseits Sir Robert Peel auf, und macht uns zweideutige Vorwürfe darüber, daß wir mit Frankreich auf schlechtem Fuße stehen. In Indien ist es derselbe Fall. Welch' fürchterliche Quelle der Anklage ist nicht die Expedition nach Kabul gewesen? Und nun China – sicherlich würde, wenn es mit einigem Anstand geschehen könnte, jeder von ihnen den stets bereiten und haltlosen Donner, wo nicht der Tories, doch wenigstens einiger Renegaten in ihren Reihen hervorholen. Ein in Opposition stehender französischer Staatsmann wäre eines solchen Betragens unfähig. Daher läßt sich erwarten, daß, wie hemmend auch die gegenwärtige Theilung der Parteien auf die innern Angelegenheiten und die Fortschritte Frankreichs wirken mag, die Ansichten dieses Landes hinsichtlich seiner auswärtigen Politik unverändert dieselben bleiben werden.
Am 17 März, dem St. Patriciustage, ward in Dublin ein feierlicher Aufzug aller Mäßigkeitsvereine der Stadt und Umgegend gehalten, mit Musik und Fahnen. Man rechnet, daß gegen 12,000 Menschen daran Theil nahmen. Alles ging ruhig und anständig ab. Beim Vorüberzug am Schloß zeigte sich
der Vicekönig, Lord Ebrington, mit einem ungeheuern Kleeblatt (dem Abzeichen Irlands) vor der Brust, am Fenster, und ward enthusiastisch begrüßt.
Wie die M. Post meldet, ist Laporte eigens nach St. Petersburg abgereist, um die „unvergleichliche“ Taglioni für die Londoner Saison zu gewinnen.
London, 16 März. Unter allen Umständen, welche die letzten Verwickelungen im Orient begleiteten, war das Benehmen Frankreichs am auffallendsten; denn wenn es je eine Frage gab, bei welcher ein aufrichtiges Einverständniß aller friedliebenden Mächte Europa's sowohl hinsichtlich des Princips, als der anzuwendenden Maaßregeln zu erwarten war, so ist es der türkisch-ägyptische Streit gewesen. Es fragt sich dabei erstlich: ob es einem rebellischen Unterthan gestattet seyn soll, seinen rechtmäßigen Souverän zu berauben und am Ende zu entthronen; zweitens: ob man dulden soll, daß durch die Beförderung seiner ehrgeizigen Plane das Gleichgewicht der europäischen Mächte zerstört und vielleicht ein allgemeiner Krieg in Europa herbeigeführt werde. Was die erste Frage anbelangt, so kann Frankreich die Suprematie des Sultans nicht läugnen, denn es hat dieselbe durch Unterzeichnung der Erklärung von Wien anerkannt; überdieß ist sie sogar von Mehemed Ali anerkannt worden. Frankreich kann nicht läugnen, daß der Sultan beraubt wird, wenn einer seiner Beamten eine Provinz, deren Verwaltung ihm anvertraut worden, in ein unabhängiges Reich verwandelt, und was die Folge dieser Beraubung, die Entthronung des Sultans betrifft, so verräth die französische Regierung geringe Kenntniß der menschlichen Natur, wenn sie wähnt, Mehemed Ali werde sich mit dem, was er gegenwärtig fordert, auch künftighin begnügen. Sein Durst nach Macht wird mit jedem neuen Ländererwerb nur zunehmen und er wird von Konstantinopel sprechen, wie Hannibal von Rom: „nil actum,“ bis Konstantinopel in seinem Besitz seyn wird. Endlich wird Frankreich nicht leugnen, daß durch einen solchen Erfolg Mehemed Ali's das europäische Gleichgewicht zerstört würde; dieß leugnen, hieße behaupten, daß zwei kleine, gegeneinander feindliche Staaten jenes Gleichgewicht mit derselben Kraft aufrecht erhalten könnten, wie ein großes, in sich einiges Reich – eine monströse Behauptung, besonders wenn wir bedenken, wie das europäische Gleichgewicht im Osten bedroht werden könnte. Wir würden hier, wäre es nicht eine unnütze Zeitverschwendung, noch ein weiteres Argument zu Gunsten der Reclamationen des Sultans gegen Mehemed Ali aus einem Vergleich des Charakters dieser beiden Fürsten herleiten. Wir müßten dann zuvörderst von dem Sultan sagen, daß sein Benehmen, wie jung er auch ist, bisher den Stempel der Mäßigung und der Freisinnigkeit trug; wir müßten an die Bedingungen, die er Mehemed Ali für seine Wiedereinsetzung in Gunst und Gewalt bot, erinnern, während die Freisinnigkeit des jungen Sultans der kürzlich publicirte Hattischerif, durch welchen der erste Grund zur Freiheit des Volks im osmanischen Reich gelegt worden, hinreichend beweist. Als Gegenbild müßten wir Mehemed Ali's wahren Charakter schildern, seine Falschheit, seinen verrätherischen Sinn, seine Tyrannei und Ungerechtigkeit. Gegen seinen Souverän handelte Mehemed Ali nicht allein treulos, indem er gegen denselben sich empörte, sondern er war auch schändlich genug, gegen den Sultan die Mittel zu kehren, welche dieser zur Behauptung seines eigenen Ansehens ihm anvertraut hatte. Die Tyrannei Mehemed Ali's hat das ganze ägyptische Volk in Armuth und Jammer gestürzt, und Niemand hat sich dabei bereichert, als er selbst; denn der Gebrauch, den er von dem gräßlich erworbenen Geld macht, ist nicht etwa die Interessen des Volks, dem dieses Geld abgepreßt worden, zu fördern, sondern Armeen und Flotten zu schaffen und zu neuen Angriffen gegen seinen Souverän sich zu rüsten. Wer hätte den Plan vergessen, den er während der griechischen Revolution gefaßt, die ganze Bevölkerung von Morea nach Aegypten in die Sklaverei zu schleppen, und Morea dafür mit Arabern und Aegyptern zu bevölkern? Einzig und allein das Einschreiten Englands, Frankreichs und Rußlands verhinderte damals die Ausführung dieses scheußlichen Planes. Wir führen übrigens dieses Argument gegen Mehemed Ali nur an, um die Sophistereien seiner Anhänger zum Schweigen zu bringen. Gern kehren wir wieder auf den Standpunkt zurück, von welchem wir ausgegangen, und stellen wiederholt als unbestreitbaren Satz auf, erstens, daß das Recht des Sultans auf all' seine Besitzungen außer Zweifel ist, ein Recht, welches zu schützen im Interesse aller europäischen Regierungen liegt; zweitens, daß das Gleichgewicht der europäischen Mächte durchaus erheischt, daß das ottomanische Reich in seiner Unabhängigkeit und Integrität erhalten werde. Beides, das Recht des Sultans, wie das Gleichgewicht der europäischen Mächte wird aber zerstört, wenn man duldet, daß Mehemed Ali Aegypten, Syrien, Arabien und Bagdad vom osmanischen Reich losreißt, um damit eine unabhängige Herrschaft zu gründen. Es liegt eben so sehr im Interesse Frankreichs, als Deutschlands und Englands, ein solches Unheil abzuwenden, und wenn Frankreich nicht aufrichtig dazu mitwirkt, so versteht es sein eigenes Interesse nicht, und handelt im Widerspruch mit seinen frühern Erklärungen. Als Frankreich gegen diese Cooperation Einwendungen erhob, argwöhnten Manche, daß es selbstsüchtige Zwecke dabei im Schild führe; man gab zu verstehen, daß seine Absicht keineswegs sey, Mehemed Ali zu einer gerechten und billigen Unterordnung zu bringen, sondern dessen Provinzen in einen unabhängigen, von der Türkei getrennten Staat zu verwandeln, und mit diesem Staat eine Allianz zu schließen, ihn unter seinen Schutz zu nehmen, von seinen Häfen und Flotten Gebrauch zu machen, und dann mit Algier an dem einen, mit Aegypten und Syrien an dem andern Ende, sich zum Beherrscher des mittelländischen Meeres aufzuwerfen. Wir unsererseits weisen einen solchen Verdacht ab. Die französische Regierung weiß wohl, daß sie dergleichen Plane ohne Krieg nicht ausführen könnte, und diesen Krieg hätte sie wahrscheinlich gegen mehr als Eine Macht zu führen. Sie muß fühlen, daß die französische Nation schwerlich denkt, die ungewisse Aussicht des Gelingens eines solchen Traumes könne die gewisse Gefahr eines solchen Krieges aufwiegen, während sie auf der andern Seite recht gut weiß, daß wenn Mehemed Ali auf Aegypten beschränkt und seine Macht in die politische Ausdehnung, die seinem Verhältniß als Unterthan geziemt, zurückgebracht wird, der Friede Europa's gesichert und alle Gefahren auf dessen äußerstem Osten auf Jahre hinaus abgewendet wären. Die französische Regierung ist viel zu aufgeklärt, als daß sie zweifeln sollte, ein solcher Vortheil sey unendlich mehr werth, als jeder Gewinn, den sie aus der selbstsüchtigen Politik, die wir angedeutet haben, ziehen könnte. Rußland, das in dieser Sache so gut wie Frankreich sein besonderes Interesse hat, benahm sich gleichwohl bei allen hierauf bezüglichen Verhandlungen mit Mäßigung, Offenheit und Redlichkeit. Wir wollen hoffen, daß Frankreich das Gleiche thun werde, und wenn diese beiden Mächte und England sich mit Deutschland, welches bei dieser Frage gleichfalls ein großes, augenscheinliches Interesse hat, aufrichtig vereinigen, so kann kein Zweifel seyn, daß die Frage eine befriedigende Lösung erhalten und der Friede, dieses große Ziel Aller, auf die Dauer gesichert werde.
Frankreich.
Paris, 23 März.
Die Kriegserklärung Marokko's gegen Frankreich, welche die gestrige Gazette de France als Gerücht erwähnte, scheint sich zu bestätigen. (S. den heutigen Brief aus Toulon.) Das ministerielle Journal, der Constitutionnel, enthält folgendes Schreiben aus Oran vom 10 März: „Ich kann Ihnen mit Bestimmtheit versichern, daß zwischen dem Sultan von Marokko Muley-Abd-er-Haman und dem Emir Abd-El-Kader ein Vertrag geschlossen worden zu dem Zweck, gegen die Franzosen den „heiligen Krieg“ zu führen, bis dieselben gänzlich von Afrika vertrieben seyn würden. Mehrere Clauseln des Vertrags waren schon früher ins Reine gebracht, nur eine Formalität, die den Stolz des Emirs verletzte, war noch der Stein des Anstoßes. Hinsichtlich der Kriegsmunition und der Zahl der Hülfstruppen waren beide einig geworden; aber der Emir bestand darauf, in diesem Kriege die Prärogative, die Ehre und den Oberbefehl mit dem Sultan selbst zu theilen. Muley-Abd-er-Haman wollte Abd-El-Kader zwar den Oberbefehl über die vereinigte Armee übertragen, ihm dabei aber nur den Titel eines Khalifa zugestehen. Dieß war die einzige Ursache, welche die Coalition dieser beiden mächtigsten Fürsten der Berberei bisher verhindert hat. Abd-El-Kader erlangte endlich, was er wünschte: der Titel „Sultan“ wurde ihm von Muley-Abd-er-Haman zugestanden. Längst schon mußte die französische Regierung von den geheimen Umtrieben Marokko's unterrichtet seyn; sie begnügte sich mit den ausweichenden Antworten und den falschen Protestationen des Gouverneurs von Tanger. Nun wird man genöthigt seyn, gegen Marokko thätlich einzuschreiten. Große Rüstungen werden in Nedroma, einer Gränzstadt Marokko's, gemacht. Abd-El-Kader ist in Tlemsan, wo er seine Cavallerie organisirt.“ (Letztere Angabe ist im Widerspruch mit den Briefen und officiellen Berichten aus Algier, welche die Anwesenheit Abd-El-Kaders in Medeah melden.)
Auch die heutige Gazette de France versichert, daß die neuesten Briefe aus Algier die zwischen dem Sultan von Marokko und Abd-El-Kader gegen die Franzosen geschlossene Allianz bestätigen, und fügt bei: „In Folge dieses Ereignisses sind Befehle nach Toulon abgegangen, und der Eclaireur, ein Touloner Blatt vom 18 März versichert, daß alle auf dortiger Rhede befindlichen segelfertigen Kriegsschiffe im Begriff seyen, nach der afrikanischen Küste abzugehen, um jeden Verkehr zwischen den Häfen von Marokko und Algier zu verhindern.“
(Temps.) Zwischen Marschall Soult und Hrn. v. Molé sollen die Unterhandlungen fortdauern. „Verschaffen Sie sich eine Majorität, dann wollen wir ein Ministerium machen“, sagt der Marschall; „machen Sie ein Ministerium, dann werden wir eine Majorität haben“, antwortet Hr. v. Molé. Dieß ist die Parodie zwischen den Emigranten von Koblenz und den Royalisten im innern Frankreich während der Revolution. „Rückt ein und wir wollen umwälzen“, sagten diese; „wälzt um und wir wollen einrücken“, antworteten die Andern. .. Dieß hinderte aber, wie weltbekannt ist, nicht, daß die Ereignisse zur Vollziehung kamen.
(Temps.) Die Improvisation, welche Hr. Lamartine für die Discussion der geheimen Fonds verspricht, machte heute den Gegenstand der Unterhaltungen in mehreren politischen Salons aus. Der berühmte Dichter soll, um den Eindruck seiner Rede desto besser zum voraus ermessen zu können, die Hauptstellen der Discretion einiger Freunde anvertraut haben, die natürlich Wunder davon erzählten.
(Commerce.) General Jacqueminot ist wieder in Paris eingetroffen. Einige sagen, er komme auf eine Aufforderung von oben, um zu versuchen, dem Ministerium einen Theil der Mitglieder des Vereins, der früher seinen Namen getragen, zu gewinnen; Andere glauben, er sey gekommen, um eine opponirende Kugel der seines Tochtermanns, des Hrn. Duchatel, beizufügen. Könnte es nicht auch geschehen seyn, weil man die Anwesenheit des Chefs des Generalstabs der Nationalgarde in dem Augenblick, wo in Paris die Officierswahlen vor sich gehen, für nöthig erachtet?
(Gazette.) Das Journal des Débats hat ganz mit dem Cabinet gebrochen. Es nennt Hrn. Thiers einen „ambitieux étourdi,“ einen „Figaro.“ Dieß heißt, seine Schiffe verbrennen. Es ist nicht zu verkennen, daß der Conflict zwischen den zwei Schattirungen der Revolution von 1830 den höchsten Grad erreicht hat.
Hr. Jollivet ward von dem Wahlcollegium von Rennes zum Deputirten ernannt. Das Journal des Débats erklärt diese Wahl unter den gegenwärtigen Umständen für in mehrfacher Hinsicht merkwürdig, da dadurch der Kammer einer der ausgezeichnetsten und ehrenwerthesten Männer der 221 zurückgegeben, und ein Mitglied der alten Opposition, Hr. Mangin d'Oins, ersetzt werde.
Paris, 22 März. Unsere politischen Verhältnisse drehen sich dermalen alle um den Gesetzesentwurf über die geheimen Fonds, nicht als ob eine oder die andere der Parteien, in welche die Deputirtenkammer sich theilt, die Nothwendigkeit für die Regierung bestritte, geheime Fonds zur Verfügung zu haben – es fragt sich nur, welche Partei, oder vielmehr, welches Ministerium, dieselben erhalten solle; mit andern Worten, ob die Kammer dem jetzigen Ministerium die geheimen Fonds zugestehen will, oder ob sie durch Verwerfung des Gesetzesentwurfes dieses Ministerium stürzen, und so zur Bildung eines andern Veranlassung geben wolle, dem sie dann die geheimen Fonds bewilligen würde. Folgendes ist der Stand der verschiedenen Parteien. Das Ministerium Thiers hat fast nur das linke Centrum für sich; die sogenannte dynastische Linke oder Partei Barrot hat ihm, seit seiner Geburt, auch ihre Hülfe zugesagt, jedoch nur unter der Bedingung eines näheren Verbandes mit ihr, eine Bedingung, die Hr. Thiers zu erfüllen immer gezögert hat. Die äußerste Linke, ebenso die Legitimisten, sprechen öffentlich gegen alle geheime Fonds, dem Scheine nach aus Grundsätzen der Moral, in der Wirklichkeit aber um durch ein verwerfendes Votum jedes Ministerium zu stürzen. Diejenigen Mitglieder der ehemaligen 221, die noch zusammen halten (und das thut über diese Frage der größere Theil derselben), hatten in den letzten Tagen mehrere Versammlungen: anfänglich sprachen sie sich alle zum Vortheil des Entwurfs und somit des Ministeriums aus, seit einigen Tagen hat sich aber deren Stimmung geändert; in den letzten Versammlungen waren die Ansichten getheilt, einige wollten nur einen Theil der begehrten Summe bewilligen, als Zeichen des nicht vollkommenen Vertrauens; andere Alles, andere sprachen von der Verwerfung des Entwurfs. Letztere behaupten, ein neues Ministerium in Bereitschaft zu haben, dessen vorzüglichste Mitglieder die HH. Soult (Präsident und Kriegsminister), Molé (auswärtige Angelegenheiten), Duchatel, Teste und Lacave-Laplagne seyn würden. In diesem Sinne sprechen sich unverhohlen insbesondere alle diejenigen 221 aus, die auf irgend eine Weise vom Hofe abhängen; und aus diesem Umstande schließen die übrigen Parteien, eine hohe Person suche den Hrn. Thiers wieder vom Ministerium zu entfernen. Der Commissionsbericht des Hrn. Berville (von der Partei Barrot) hat die 221 nicht günstig für die Annahme des Entwurfs gestimmt, indem sie aus verschiedenen Ausdrücken desselben auf eine inn gere
Verbindung zwischen dem Ministerium und jener Partei schließen, als wirklich besteht. Heute Abend, vielleicht auch erst morgen (denn erst übermorgen beginnen die Debatten) findet eine neue Versammlung der 221 statt, wo sie sich über das Votum zu verständigen beabsichtigen. Bis vor einigen Tagen war die Partei Barrot gesonnen, für den Entwurf zu stimmen, in der Hoffnung einer Allianz und um dadurch die Bildung eines neuen Ministeriums Molé-Soult zu hintertreiben (von dem man seit dem 2 März nie aufhörte zu sprechen.) Seit aber das Gerücht ging, die 221 würden für den Entwurf stimmen, entstand bei den Mitgliedern der Opposition die Besorgniß, das Ministerium habe Verbindlichkeiten gegen die 221 eingegangen; so wurden die Barrotisten unschlüssig; erst während der Debatten werden sie sich entscheiden. Uebrigens ist es keineswegs sicher, daß eine hohe Person den Grafen Molé in einem neuen Ministerium wünsche. Denn es ist derselben bekannt geworden, wie letzterer sich gegen die verlangte Dotation des Herzogs von Nemours ausgesprochen und mehrere seiner Freunde unter den Deputirten bewogen habe, gegen den Entwurf zu stimmen. Hr. Thiers hat sich gegen mehrere Personen dahin erklärt, es sey ihm gar nicht unwillkommen, durch ein Votum der 221 gestürzt zu werden, indem er dadurch in der Popularität nur steigen könne, und mächtiger als früher in der öffentlichen Meinung stehen werde. Diese Ansicht über den Einfluß des Hrn. Thiers theilt die Opposition, eben so wie eine andere Ansicht, die demselben Staatsmanne zugeschrieben wird. „Die jetzige Kammer, soll er nämlich gesagt haben, gleicht einer Mördergrube (coupe gorge); kein Ministerium kann mit ihr bestehen, sie muß aufgelöst werden; ich aber will mich zu dieser Maaßregel nicht hergeben, weil, allem Vermuthen nach, die neue Kammer mehr zur linken Seite sich neigen würde, als nach meinen Ansichten gut wäre; Graf Molé kann es auch nicht, weil sein Name an der Spitze eines Ministeriums eine noch radicalere Kammer hervorbringen würde; nur ein gleichsam parteiloses Ministerium kann durch eine Auflösung eine wahre und gute Volksrepräsentation in die Kammer bringen.“ In diesem chaotischen Zustande liegen heute die Dinge; glücklicherweise hat die Regierung eine augenblickliche Ruhe in den auswärtigen Fragen, und kann sich also gänzlich mit der innern Politik abgeben.
Paris, 22 März. Hr. Thiers hat eingesehen, daß er nicht bis zur äußersten Linken gehen könnte, daß sie ihm zu harte, fast unausführbare Bedingungen auflegen würde. Er kann nur die Partei Odilon Barrot für sich gewinnen; Mauguin, Laffitte, Dupont (de l'Eure) versagen ihm ihren Beistand. Hr. Thiers wollte das linke und das rechte Centrum in eine gemeinschaftliche Verwaltung vereinigen; diese Combination scheiterte aber, mit Ausnahme einiger individuellen Abfälle, vollständig. Dadurch wird die Lage sehr verwickelt. Allem Anschein nach dürfte Hr. Thiers dem Könige unter gegebenen Umständen die Alternative, ihm seine Entlassung zu geben oder die Kammer aufzulösen, vorlegen. Bei dieser Voraussetzung ist es dringend, daß der König ein Ministerium zum Ersatz des Hrn. Thiers bereit habe, und man sprach in dieser Beziehung von einer Annäherung zwischen Hrn. v. Molé, dem Marschall Soult, den HH. Villemain, Passy und Teste. Dadurch ließe sie eine gewisse Majorität in der gegenwärtigen Kammer vereinigen und später eine große Aussöhnung versuchen. Marschall Soult würde die Conseilspräsidentschaft und das Kriegsministerium, Molé wieder die auswärtigen Angelegenheiten übernehmen. Nur dieses Ministerium möchte der Stimmung der Gemüther in der Kammer entsprechen. Inzwischen ist Thiers eben so gewandt als thätig, so daß er für den Augenblick die Majorität wohl erringen könnte. Seine Lage ist aber darum um nichts weniger delicat, da er durchaus nur entweder mit der Rechten oder mit der Linken sich bewegen kann, und kaum ein Mittelweg übrig ist. Inmitten dieser Schwierigkeiten suchen die Journale der gemäßigten Linken Hrn. Thiers eine gewisse Popularität zu bereiten, indem sie ihn als aus der Revolution hervorgegangen darstellen. Dieß hat für die ganze Regierung ihre Gefahren; denn sucht man Hrn. Thiers allzuschnell zu stürzen, so legt man ihm dadurch eine so große Wichtigkeit bei, daß man einen furchtbaren Gegner aus ihm macht. Man sollte der Linken Zeit lassen eine Verwaltung zu bilden. So würde am besten constatirt werden, daß sie unfähig ist, den Staat anders als die conservative Partei zu regieren. Sonst Gutunterrichtete behaupten, der Hof wolle mit Hrn. Thiers unverzüglich ein Ende machen, was ich, wie gesagt, für einen Fehler halte. Es scheinen aber besondere Beweggründe vorzuliegen. Der König soll die auswärtigen Angelegenheiten nicht unter der Leitung einer Partei lassen wollen, die jederzeit die Propaganda begünstigt hat, und am Ende einen allgemeinen Conflict herbeiführen könnte. Bei den innern Angelegenheiten kann man Hrn. Thiers gewähren lassen, in der auswärtigen Politik könnte er aber allzu bedeutende, für das Land und Europa bedenkliche Fehler begehen. Inzwischen bleibt Alles bis zum Votum der geheimen Fonds suspendirt. Man möchte sagen, dieß sey eine Partie, bei der zwei Spieler unser Vermögen einsetzen. Erhält Hr. Thiers das Votum der geheimen Fonds, so beginnen erst die Schwierigkeiten für ihn. Die Rechte und die Linke stehen ihm fortwährend gegenüber, und er muß sich entscheiden. Hält er sich an die Linke, so werden die Concessionen kein Ende nehmen, und man wird unvermeidlich zum revolutionären System zurückkommen. Hr. Thiers hat zu viel Regierungsverstand, als daß er nicht davor erschrecken sollte; er würde dabei von Hrn. Odilon Barrot, und Hr. Odilon Barrot selbst von der Linken überflügelt werden. Nimmt Thiers aber seine Zuflucht zu der Rechten, so verliert er seine Popularität, und die Presse wird ihn als einen Renegaten ausschreien. Gerade also an diesen Gränzpunkten beginnt die Gefahr, und die Verwickelung der Interessen ist so groß, daß der Sturz des Hrn. Thiers die Krise nicht einmal beendigt, außer, ich wiederhole es, Hr. v. Molé, Marschall Soult und Hr. Guizot verständigen sich ein für allemal zur Zusammensetzung einer Verwaltung, die im Einverständniß mit den HH. Passy und Teste alle conservativen Fractionen der Kammer vereinigen würde.
Toulon, 21 März. Das Dampfboot Sphinx berührte auf seiner Ueberfahrt von Algier nach Toulon die Rhede von Mahon auf der Insel Minorca. Der Commandant der dort in Station liegenden französischen Gabarre Lamproie rief dem Capitän der Sphinx mit dem Sprachrohr zu: „Sagen Sie dem Hrn. Marinepräfecten, da ich keine Zeit habe, zu schreiben, daß der Sultan von Marokko uns den Krieg erklärt hat; der Consul der Vereinigten Staaten in Mahon hat diese Nachricht als officiell von seinem Collegen in Tanger erhalten.“ Bekanntlich hat schon gestern die Gazette dieses Gerücht erwähnt, das indessen noch mit einigem Mißtrauen aufzunehmen seyn möchte. So wären wir also in Krieg mit dem mächtigen Staat Marokko. Wahrscheinlich haben die festen und energischen Erklärungen unsers Consuls in Tanger wegen des Beistandes, den Muley Abderrahman heimlicherweise dem Emir geleistet, diesen Bruch herbeigeführt. Es ist sehr möglich, daß der Kaiser von Marokko, der seit dem Sturze Hussein Dey's sich als den rechtmäßigen
Herrscher in Algerien betrachtete, und vielleicht von irgend einer auf unsre afrikanische Niederlassung eifersüchtigen Macht aufgereizt wurde, von Abd-El-Kader große Versprechungen, zum Beispiel die Abtretung von Tlemsan und einem Theile der Provinz Oran erhalten, und deßhalb ein offenes Bündniß mit dem Emir geschlossen hat. Gegen Marokko kann Frankreich nur eine Expedition zur See unternehmen. Das Wahrscheinlichste ist, daß man Tanger bombardiren und dieses schönsten Hafens der marokkanischen Küste sich bemächtigen wird. Ein Linienschiff, eine Fregatte und zwei Dampfboote mit Kanonen à la Paixhans wären hinreichend, die Verschanzungen der Stadt zu zerstören. Diese Schiffe könnten 2000 Mann an Bord nehmen, welche Tanger besetzen würden, bis der Kaiser von Marokko uns Genugthuung gewährt hat. Mit dem Beistand dieses mächtigen Alliirten kann Abd-El-Kader uns furchtbaren Widerstand leisten. Muley Abderrahman übt in der Berberei großen politischen und religiösen Einfluß, und es wäre ihm leicht, dem Emir eine Hülfsarmee von 50,000 Mann mit Artillerie zu schicken. Die Provinz Oran wird wohl der Hauptschauplatz des bevorstehenden Kriegs werden.
Niederlande.
Vom Niederrhein, 24 März. Man sieht in kurzem einem neuen Gesetzesentwurf über das Amortisationssyndikat entgegen, und dieß ist eigentlich der Probirstein für alle financiellen Vorschläge der Regierung, denn hier muß es sich zeigen, ob sie hinsichtlich der financiellen Lage des Landes ganz offen zu Werke gehen will. Manche beklagen sich zwar über die große Summe von 58 Millionen, welche das dießjährige Budget ausmacht, und die um einige Millionen mehr beträgt, als das im vorigen December vorgeschlagene. Allein an einigen Millionen stößt man sich in Holland nicht, weil man diese zu finden weiß, wenn nur sonst mit Aufrichtigkeit und Offenheit zu Werke gegangen wird. Man fühlt wohl, daß namentlich im Militär für den Augenblick ungemein viel erspart worden ist, aber man kann sich auch nicht läugnen, daß die Regierung nur gethan hat, was möglich war, ohne von ihrem bisherigen System abzuweichen, und gerade dieß hat man verlangt, und wird es fortwährend verlangen, denn in den Capitalisten ist das Mißtrauen über die Finanzverwirrung erwacht, und läßt sich nur durch Offenheit bezwingen. Ob man mit dieser nöthigen Offenheit zu Werke gehen will, das muß sich bei dem Gesetzesentwurf über das Amortisationssyndikat zeigen. – Zu Fyenord soll in wenigen Tagen das erste eiserne Dampfboot für den Dienst zwischen Terneuzen und Antwerpen vom Stapel laufen, und gleich darauf der Kiel zu einem zweiten gelegt werden. Der directe tägliche Dienst na Antwerpen soll noch im Monat April eröffnet werden, und drei hölzerne Dampfboote vorerst den Dienst versehen. Auch wird die niederländische Dampfbootgesellschaft die Dampfschifffahrt nächstens auf der Maas bis Venloo und wahrscheinlich auch bis Lüttich ausdehnen.
Deutschland.
München, 26 März. Se. k. H. der Kronprinz wohnte heute der öffentlichen Sitzung der zweiten Kammer bis zum Schlusse (4 Uhr Nachmittags) bei, in welcher über den Antrag zweier Abgeordneten, „den Abzug der Armen- und Schulquarten von frommen Stiftungen“ betreffend, berathen wurde, ein Antrag, wobei sich namentlich die Geistlichen beider Confessionen vielfältig vernehmen ließen, und der mit einer Mehrheit von 34 Stimmen angenommen ward. – In den socialen Kreisen der höhern Stände treten seit 14 Tagen dramatische Unterhaltungen, Tableaux und Musik an die Stelle des Tanzes. So fand gestern im Palais J. k. Hoh. der Frau Herzogin von Leuchtenberg die Aufführung zweier französischen Lustspiele auf die gelungenste Weise statt. Der Circus Sr. Hoheit des Herzogs Max bietet gleichfalls einem Theil des Publicums mannichfache Unterhaltung, da in demselben Reitübungen, Pantomimen, Lustspiele und Tableaux wechseln, und der Fürst mit bekannter Freundlichkeit den Zutritt gestattet. Die Concerte, welche die Mitglieder der k. Capelle unter Lachners Leitung alljährlich veranstalten, haben ihren Cyklus eröffnet, und bereits fanden zwei davon statt, welche durch die treffliche Ausführung classischer Werke allgemein ansprachen und zahlreich besucht waren.
Darmstadt, 23 März. Heute erfolgte in unserer zweiten Kammer der Stände die Berathung über den Antrag des Abgeordneten Glaubrech, Hannover betreffend. Zuerst sprach der Antragsteller selbst vom Platze aus. Er wiederholte im Wesentlichen den Inhalt seines früher mitgetheilten Antrags und ging am Schluß der Rede auf die neuern öffentlichen Vorkommnisse in Hannover, die Abgeordnetenwahl der Universität Göttingen und die zur Bewirkung derselben gewählten Mittel, so wie die Maaßregeln der Staatsregierung und der Polizei, einzelnen Abgeordneten und Privaten gegenüber, endlich auf die bekannten Minoritätswahlen über. Er sprach die Hoffnung aus, daß im Sinne und Interesse des hannover'schen Volks, aber auch im Interesse der Regierungen selbst, Interpretation des Bundesbeschlusses über die hannover'schen Wirren seitens der Bundesversammlung und Herstellung eines Rechtszustandes in Hannover erfolgen möge und werde. Ihm schlossen sich in kürzern Vorträgen an die Abgeordneten Schmitt, Emmerling, der zweite Präsident Knorr, die Abgeordneten Hellmann, Brunck und der erste Präsident Schenck. Niemand sprach gegen den Antrag; dagegen ließen alle Redner dem verfassungsfreundlichen und dem hannover'schen Volke geneigten Benehmen unserer Staatsregierung hierbei Gerechtigkeit widerfahren. Die für das Publicum bestimmten Galerien waren mit Zuhörern dicht besetzt; auf der vorbehaltenen Galerie bemerkte man den Frhrn. v. Gagern. Die Abstimmung über den Antrag findet erst später statt. (Oeffentl. Mittheil.)
Hannover. Eine große Anzahl der angesehensten Bürger von Harburg hat den Bürgerrepräsentanten und Wahlmännern schriftlich ihre Gefühle des Dankes und der Freude darüber zu erkennen gegeben, daß sie (durch Ablehnung der Deputirtenwahl) sich nicht scheuten, einfach und kräftig, nicht verführt durch kleinliche Interessen, ihre wahren Gesinnungen auszusprechen. – Der Magistrat hat bekannt gemacht, daß die k. Landdrostei wegen Verweigerung der Wahl befohlen habe, das Wahlcollegium aufzulösen, und neue Wahlmänner wählen zu lassen, weßhalb die Bürger auf den 19 und 20 März auf das Rathhaus geladen wurden. In einer Versammlung der Wahlmänner und Bürgerrepräsentanten wurde zwar der Antrag gestellt, gegen die Auflösung zu protestiren, und bei der Ständeversammlung und dem Bundestag davon Anzeige zu machen, indem ohne Auflösung der Stände auch die Wahlcollegien nicht aufgelöst werden könnten. Der Magistrat erwiederte jedoch, daß nach höherem Befehl gar kein Antrag oder Protest auch nur zu Protokoll genommen werden dürfe. Unter solchen Umständen dürfte denn freilich auch von Harburg eine Deputirtenwahl erreicht werden. (Nordd. Bl.)
Hannover, 23 März. Der Entwurf der neuen Verfassungsurkunde für das Königreich ist beiden Kammern vorgelegt worden. Derselbe besteht aus acht Capiteln. Unter den Bestimmungen dieses Entwurfs heben wir für jetzt folgende hervor: In der Vertretung der beiden Kammern der allgemeinen Ständeversammlung sind keine bedeutenden Abänderungen beantragt, als
daß die lebenslänglichen Mitglieder des Schatzcollegs zum Theil in die erste, zum Theil in die zweite Kammer eintreten. Ein Landtag dauert regelmäßig sechs Jahre, und die Stände werden alle drei Jahre berufen. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht der Zustimmung zur Erlassung, Wiederaufhebung Abänderung und authentischen Interpretation: a) aller Gesetze über die Steuern; b) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche einen directen Eingriff in das Privateigenthum enthalten; c) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, wodurch den Unterthanen oder einzelnen Classen derselben neue Lasten und Leistungen aufgelegt oder die bestehenden erhöht werden sollen. Zu der Erlassung, Wiederaufhebung, Abänderung und authentischen Interpretation gesetzlicher Bestimmungen anderer Art wird das rathsame Gutachten der allgemeinen Ständeversammlung erfordert. Das Recht der ständischen Mitwirkung erstreckt sich nur auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. Dem Könige verbleibt das Recht, dieselben nach Maaßgabe der verfassungsmäßig festgestellten Grundsätze ausarbeiten und sodann verkündigen zu lassen. Die Verwaltung der Domänen und Regalien, so wie ihrer Auskünfte, hängt allein vom Könige ab. Ueber die Ausgaben, welche aus der Landescasse zu bestreiten sind, soll der allgemeinen Ständeversammlung in jeder ordentlichen Diät, also alle drei Jahre, ein nach Hauptdienstzweigen gesondertes Budget vorgelegt werden. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht, das Budget zu prüfen und zu bewilligen. Gleichzeitig wird der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen an Steuern vorgelegt werden. Die Steuern bedürfen der Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung, welche jedesmal für die nächste dreijährige Finanzperiode auszusprechen ist. Wenn die in dieser Verfassungsurkunde begründete landständische Verfassung auf verfassungswidrige Art aufgehoben würde, so ist das Schatzcollegium berechtigt und verpflichtet, den König um Aufrechthaltung jener Verfassung oder um schleunige Berufung der in Gemäßheit derselben bestehenden allgemeinen Ständeversammlung zu bitten, und, wenn dieser Schritt fruchtlos bleiben sollte, den Schutz des deutschen Bundes für die aufgehobene landständische Verfassung anzurufen. (Hannov. Z.)
Preußen.
Vom Niederrhein, 24 März. Der Sturz des belgischen Ministeriums hat bei uns einen größeren Eindruck hervorgebracht, als der des französischen. Der erstere berührt die Interessen unserer Provinz auf eine ziemlich directe Weise, indem dadurch die Förderung unserer Eisenbahn eine neue Verzögerung erleidet. Man hat sich hier ziemlich allgemein darüber gewundert, daß das Ministerium de Theux, das mit der Direction der rheinischen Eisenbahn einen Contract wegen Uebernahme der 4000 Actien geschlossen, welche drei Kölner Bankiers derselben wieder zurückgestellt hatten, diesen Vertrag so lange den Kammern vorzulegen säumte und den unwesentlichsten Gesetzesvorschlägen den Vorzug gab. Der Contract sollte schon im Februar ratificirt seyn, und war im März noch nicht einmal zur Discussion gekommen. Der Grund dieser Verzögerung war aber einzig der, daß man die Stimmung der Kammer kannte, von welcher ein ziemlich bedeutender Theil sich der Genehmigung jenes Vertrags widersetzte. Nur sehr Weni e allerdings verkannten den großen Werth, welchen ein Anschluß Belgiens an unsere Eisenbahn für den belgischen Verkehr haben müßte, aber gerade diese Wenigen gehörten zu den heftigsten Opponenten, und sonderbar genug, gehörten sie zu den Deputirten der Gränzdistricte. Als einer der entschiedensten Gegner sprach sich laut der Deputirte von Verviers aus. Er aber, wie einige andere Deputirte von Lüttich schienen von dem eben so egoistischen, als falschen Gesichtspunkte auszugehen, daß eine Unterbrechung der Bahn zwischen Aachen und Verviers die letztere Stadt zu einem großen Entrepot machen würde, als ob die kleinste Unterbrechung, die mit doppelter Umladung und so vielen andern Unbequemlichkeiten verbunden wäre, nicht den ganzen Waarenzug von Antwerpen nach dem Rhein verhindern würde. Sie fanden Unterstützung bei denjenigen ihrer Collegen, welche der Meinung waren, daß der Staat übervortheilt werde, wenn er für eine Million Actien Pari kaufe, die jetzt nur einige achtzig Procent stehen. Sie vergessen aber, daß die Actien ganz außer dem Handel sind, daß der Ankauf von nur 100,000 Thalern sie schon über 90 Proc., der einer Million sie aber schnell über Pari treiben würde. Trotzdem hielt das Ministerium es für nöthig, die Discussion noch aufzuschieben, um die öffentliche Meinung während deß besser aufklären zu können, und es lud dasselbe den Director des Unternehmens nach Brüssel ein, um ihm dabei mit gutem Rath an die Hand zu gehen. Eine andere Besorgniß, welche es hegte, daß das ursprün liche Capital zur Vollendung der Bahn nicht hinreichen und daß also Belgien sich zu neuen Opfern genöthigt sehen würde, wurde dadurch zerstreut, daß auch der technische Director sich nach Brüssel verfügte und dem Ministerium die vollständigsten Aufschlüsse über den Gang des ganzen Unternehmens gab. Die Sache war endlich zur Reife gediehen, als so unerwartet das dem großen Werke günstig gestimmte Cabinet seinen Austritt nehmen mußte. Die Sache ist dadurch aufs neue in Stocken gerathen, und man muß wieder erst die Bildung einer neuen Regierung abwarten. Daß diese, wie sie auch zusammengesetzt werden möge, den Anschluß mit gleichen Eifer betreiben werde, ist jedoch nicht zu bezweifeln, da es in derselben nicht an praktischen Männern fehlen wird, und der König selbst, welcher der Schöpfer der Eisenbahnen in Belgien genannt werden kann, sich lebhaft dafür interessirt. Aber die vielleicht langwierige Zögerung, die jetzt nothwendig wieder eintritt, erregt eine ziemlich allgemeine Verstimmung, die sich zunächst wieder gegen die ursprünglichen Besitzer jener Actien wendet, welche durch ihre Verfahrungsweise die Beendigung der Bahn länger aufgehalten haben, als sonst nöthig gewesen wäre.
Rußland.
Berlin, 22 März. Das letzte Bulletin der Expedition nach Chiwa soll in St. Petersburg nicht eben einen günstigen Eindruck gemacht haben, da augenscheinlich in demselben noch mehr verhüllt, als ausgesprochen ist. Namentlich fürchtet man, daß durch die strenge Kälte ein Theil der Kamele aufgerieben worden, die dann in den Steppen nicht leicht wieder zu ersetzen seyn möchten. Es ist auffallend, daß gerade um dieselbe Zeit (zu Ende Januars und Anfang Februars), wo es in Europa so ungewöhnlich mild für die Jahreszeit war, die Russen mit einer für den Breitengrad der Kirgisensteppe nicht minder ungewöhnlichen Kälte in Asien zu kämpfen hatten. Es frägt sich nun, ob man bei dem strengen Nachwinter Europa's ebenfalls auf die umgekehrte Erscheinung in Asien schließen darf. – Des Grafen Gurowski kürzlich angekündigtes Buch: La Civilisation et la Russie ist nunmehr hier angekommen. Es ist in Petersburg in der Officin des Journal de St. Petersbourg mit splendider Ausstattung gedruckt und im Commissionsverlage einer dortigen Buchhandlung erschienen. Der Verfasser hat sich in diesem Werk die Aufgabe gestellt, darzuthun, daß das Russenthum die Blüthe des Slawismus sey. Zu diesem Behufe wird einerseits die russische Kirche hochgestellt, die sich durch die Fernhaltung alles Lateinischen die slawische Reinheit zu
bewahren gewußt, und andererseits die russische Sprache als der kräftigste und edelste slavische Dialekt, besonders im Gegensatz zum Polnischen, nachgewiesen, welches letztere in seiner verweichlichten Form nur mit der Sprache des niedern Volks in Rußland, nicht aber mit der der höhern Stände Aehnlichkeit habe. Nächst diesen beiden Hauptmomenten ist es aber auch die Widerlegung mancher in Frankreich, England und Deutschland über das Volks- und Staatsleben des russischen Reichs verbreiteten Ansicht, die dem Buche des Grafen v. Gurowski als Thema dient. Dasselbe wird wahrscheinlich auch seinerseits nicht ohne Widerlegung bleiben. – Mehr noch als dieses, macht seit einigen Tagen ein anderes Buch in der litterarischen Welt, so wie in vornehmen Cirkeln, großes Aufsehen. Es ist dieß der fünfte Band von Varnhagen von Ense's „Denkwürdigkeiten und vermischten Schriften,“ in welchem der Wiener Congreß mit allen seinen interessanten Persönlichkeiten von der in geistigen Porträtzeichnungen bekanntlich Meisterhaftes leistenden Feder des Verfassers dargestellt wird.
St. Petersburg, 17 März. Der Großfürst-Thronfolger tritt heute, begleitet von dem General Kawelin, dem Obristen Jurgewitsch und seinem bisherigen Erzieher, dem Staatsrath Schukowsky, über Berlin die Reise nach Deutschland und den Niederlanden an. – Am Sonnabend traf der Feldmarschall Fürst Paskewitsch aus Warschau hier ein. Seine Anwesenheit hieselbst dürfte mehrere Wochen dauern. Heute findet zu Ehren des Fürsten große Militär-Parade auf dem Admiralitätsplatze statt, zu der sämmtliche Garderegimenter, die in hiesiger Residenz und ihrer Umgegend cantonniren, zusammengezogen sind.
China.
Folgender Artikel des Sun ist geeignet, einiges Licht auf das Zerwürfniß zwischen England und China zu werfen. Das M. Chronicle hatte bemerkt: „So lange die ostindische Compagnie das Monopol des Handels mit China genoß, ging Alles erträglich gut; aber die Systemsänderung, vermöge welcher eine Anzahl unabhängiger Kaufleute an die Stelle der ostindischen Compagnie trat, führte nothwendig zu Schwierigkeiten. Die von der brittischen Regierung ernannten Beamten haben nicht dasselbe Ansehen über handeltreibende Privaten, wie es die ostindische Compagnie über ihre Diener übte, und schon der Art der chinesischen Gesetze und Gewohnheiten zufolge setzen etwanige Unregelmäßigkeiten im Benehmen dieses oder jenes Einzelnen unter unsern mit China verkehrenden Kaufleuten die Gesammtheit derselben drohender Gefahr aus.“ Diesen Satz des Chronicle bezeichnet der Sun als einen oft wiederholten Irrthum, indem der jetzige Streit vielmehr eine Erbschaft von jenem Monopol der indischen Compagnie sey, die sich nicht damit begnügt habe, ihren Beamten in China eine bloß commercielle Stellung zu geben, wie sie z. B. der Consul der Vereinigten Staaten in Canton habe. „England, sagt er, trieb seit beinahe zweihundert Jahren einen ausgedehnteren Handel mit China, als irgend ein anderer europäischer Staat, Portugal selbst nicht ausgenommen, und doch sind die Engländer das einzige Volk, gegen das die Chinesen sich fortwährend eifersüchtig gezeigt haben. Die Ursache davon ist in dem politischen Charakter zu suchen, den die Diener der ostindischen Compagnie in Canton annahmen. Sie erschienen dort nicht als einfache Kaufleute, sondern als die Repräsentanten von Handelsfürsten, die ein unermeßliches Reich fast unmittelbar an der Schwelle von China besaßen. Anstatt bloße Eintauscher von Waaren zu seyn, wie die holländischen und amerikanischen Kaufleute, ließen die Diener der ostindischen Compagnie in Canton bei mehr als einer Gelegenheit deutlich merken, daß ihnen die Macht eines großen Nachbarreichs zur Verfügung stehe, und daß sie vorkommenden Falles davon Gebrauch zu machen nicht abgeneigt seyen. Dieß erregte bei den Chinesen eine Eifersucht, die auf alle Weise zu schüren Holländer und Amerikaner kein Bedenken trugen. Man machte den Chinesen mit Uebertreibungen bemerkbar, wie die ostindische Compagnie in allen Theilen Asiens politischen Einfluß zu gewinnen suche, und ließ dem Kaiser in Peking vorstellen, der einzige Weg, den Ehrgeiz der Engländer hinsichtlich China's zu hemmen, sey, daß „man ihnen nicht festen Fuß im Lande zu fassen gestatte, und sie jederzeit schlechter behandle, als die Kaufleute anderer Nationen.“ Das ließen sich die Chinesen nicht zweimal sagen. Selbst im Jahre 1810, wo brittische Kriegsschiffe in den chinesischen Gewässern Anker geworfen hatten, nöthigte der damalige Gouverneur von Canton, Fu, durch seine Festigkeit die ostindische Compagnie, den Handel unter den nämlichen Bedingungen, die zu dessen Suspension geführt, wieder aufzunehmen, nachdem er zuerst auf der Entfernung der Kriegsschiffe als Präliminarbedingung bestanden, ohne welche kein einziges Pfund Thee an die Engländer abgegeben werden dürfe. Als das Monopol der ostindischen Compagnie aufgehoben, und die brittische Regierung zu dem Entschluß gekommen war, einen Handels-Superintendenten nach Canton zu schicken, da wurde die Unruhe der chinesischen Behörden gränzenlos. Das neue „Barbaren-Auge“ hatten sie gehört, sey ein Mann von hohem Rang und von ganz politischem Charakter, eine Art Mandarin, welcher Loo, dem Vorfahrer Lins, den Vortritt in der „Blume der Mitte“ streitig machen solle. Das erste Auftreten des unglücklichen Lord Napier in China war wirklich von der Art, daß es die vorher gefaßten Besorgnisse der Chinesen nur vermehren konnte. Die Worte seines berühmten Gegenedicts, als ihm der Zugang der Hauptstadt untersagt wurde: „Zittere, Gouverneur Loo, zittere im Innersten!“ so ergötzlich spaßhaft sie uns klingen, erregten kein Lachen bei den gravitätischen Staatsmännern in Peking. Groß ohne Zweifel war anfänglich ihr Schreck, aber als sie die Maximen derer, die sie zu einem solchen Verfahren gegen uns angetrieben, so ziemlich durch den Erfolg bewahrheitet fanden, da wurden sie kühn, und gewiß ist, sie haben uns seitdem noch schnöder behandelt, als zuvor. Jetzt ist es zu spät, unsern ersten falschen Schritt wieder gut zu machen. Die Chinesen hegen jetzt von uns genau dieselbe Meinung, wie wir von ihnen: sie glauben, wir seyen im Grund heillose Memmen, und die beste Manier, uns demüthig zu erhalten, sey, uns mit superlativer Verachtung zu behandeln. So ist demnach unser dermaliger Streit mit China ein Vermächtniß der ostindischen Compagnie: hätten deren Agenten sich ausschließlich auf den Handel beschränkt, und uns so ein Beispiel hinterlassen, das unsre Kaufleute ohne Bloßstellung der Nationalwürde befolgen könnten, so wäre es zu keiner Mißhelligkeit zwischen uns und den Chinesen gekommen. Damit ist es vorbei, und nun gilt es mit Kraft und Entschiedenheit zu handeln, um die Chinesen von unsrer Macht eines Andern zu belehren.“
Was oben der Sun tadelt, findet sich ungefähr auch in einer, unter den dem Parlament vorgelegten chinesischen Papieren befindlichen „Denkschrift des Herzogs v. Wellington“ d. d. 24 März 1835 gerügt, die derselbe als Staatssecretär des Auswärtigen in dem damaligen kurzen Peel'schen Ministerium aus Anlaß der Händel Lord Napiers mit China erließ. Auch er wollte in der Stellung des englischen Handelsaufsehers gegenüber den chinesischen Behörden so viel möglich allen Schein des Politischen vermieden wissen, rieth aber zugleich, daß der brittische Generalconsul immer eine tüchtige Fregatte und einige kleinere Kriegsschiffe in seinem Bereich haben
sollte. Im Uebrigen geben die dem Parlament mitgetheilten Actenstücke, die vom Januar 1834 bis gegen Mitte Novembers 1839 reichen, keine weiteren Aufschlüsse, als das schon Bekannte über die Vorgänge in China. Der Examiner theilt aus der Correspondenz mit den chinesischen Behörden bei verschiedenen Gelegenheiten reichliche Proben des chinesischen Curialstyls mit, aus denen die maßlose Verachtung erhellt, mit welcher die Söhne des Reichs der Mitte auf die „rothborstigen Barbaren“ und alle ihre Bettelkünste herunterschauen. Von Verträgen zwischen dem himmlischen Reich und einer fernen obscuren Insel, heißt es darin mehrfach, könne keine Rede seyn, aber der große Kaiser, der „Ruhm der Vernunft“, wende sein allerbarmendes Auge auch auf diese armen Barbaren, weil sie ohne den Thee und die Rhabarber des himmlischen Reichs elendiglich umkommen müßten u. s. w. In Capitän Elliots Depesche an Lord Palmerston über das Gefecht mit den Kriegsdschunken wird bemerkt, die Chinesen hätten dabei einen von ihm gar nicht erwarteten Muth bewiesen, und überhaupt würden die Chinesen in dieser Hinsicht sehr falsch beurtheilt. – In den Londoner Journalen finden sich von Seite frommer Vereine, deren in England so viele bestehen, Aufrufe, worin das christliche Publicum von Großbritannien, im Namen der Menschlichkeit und der Religion, beschworen wird, diesen ungerechten Krieg nicht zu dulden. Petitionen in ähnlichem Sinne sind auch schon ans Parlament eingelaufen.
Bei dem Mangel an guten Landkarten von China, dessen Inneres für Europäer noch großentheils eine terra incognita ist, empfiehlt der Sun eine in London neu erschienene Karte von Wyld, indem er dazu bemerkt: „Bis jetzt beruhte unsere geographische Kenntniß von China hauptsächlich auf den alten Karten der Jesuiten-Missionäre, auf der Geschichte von Le Comte, der Skizze, welche dem Berichte der holländischen Gesandtschaft im 17ten Jahrhundert angehängt ist, und auf den magern Berichten über bloß einzelne Routen, die in der Beschreibung der Gesandtschaften von Lord Macartney und Sir George Staunton enthalten sind. (Hier wären doch wohl auch einige neuere Quellen, namentlich Gützlaffs „geöffnetes China“, zu erwähnen.) Hr. Wyld hat diese Mittel benützt, sich hauptsächlich aber an die Karten und Atlanten gehalten, die zu Peking und Canton mit chinesischer Schrift erschienen sind, und die eigentliche Lage der Binnenstädte, die Einwohnerzahl und die Production der verschiedenen Bezirke, so wie die Gränzen und die Namen der Provinzen genau angeben. Es ist jedoch bemerkenswerth, daß, während auf diesen Karten das Innere des Landes vollständig, und, wie zu vermuthen, richtig verzeichnet ist, die Seeküste und die Inseln nur sehr unvollkommen abgerissen sind, wie als wollte jenes sonderbare Volk über die Zugänge, Häfen und Forts längs der Küste die Fremden in Unwissenheit erhalten. Dieser Mangel wurde von Hrn. Wyld durch Benützung einer sehr schätzbaren Karte der ostindischen Compagnie, und durch Mittheilungen von Marineofficieren ausgefüllt. Besonders die Forts und haltbaren Küstenpunkte sind sorgfältig verzeichnet, und alle Namen, so viel möglich, der Aussprache der Chinesen getreu eingeschrieben. Das ganze chinesische Reich ist in 23 Provinzen, und diese wieder in Tus, Chus, Tings und Tiens abgetheilt. Eine der Provinzen, Tsche-Kiang, das große Theeland, umfaßt eine Bevölkerung gleich der von Großbritannien und Irland, nämlich 26,257,000 Menschen. Die Gesammtbevölkerung von China soll sich, dem kaiserlichen Staatskalender zufolge, auf 375 Millionen sogenannter Seelen belaufen, was natürlich eine orientalische Uebertreibung ist.“
Druckfehler.
In dem gestrigen Artikel Niederlande soll es Nopalpflanzungen statt Nepal heißen.
Marmier und die deutsche Litteratur.
I. Von den französischen Beurtheilungen deutscher Zustände überhaupt.
Sie haben in Ihren Blättern vom 14 März u. ff. unter dem Titel: „Deutsche Litteratur und französische Kritik“, einem Aufsatz des Mr. Marmier Aufnahme gestattet. Erlauben Sie, daß ich ihm einen andern unter dem Titel: Marmier und die deutsche Litteratur entgegenstelle. Er sollte eigentlich überschrieben seyn: Marmier und Deutschland, denn der französische Litterat hat von der Litteratur Gelegenheit genommen, so ziemlich Alles in seinen Gesichtskreis zu ziehen und seinem Urtheil zu unterwerfen, was Deutschland auf dem Gebiet des öffentlichen und besondern Lebens, und in einzelnen Zweigen seiner Thätigkeit Eigenthümliches hat. Er hat das Alles gebraucht, um seine Paradoxa über unsere Litteratur zu beleuchten und zu accreditiren; daher folge ich der beschränkendern Bezeichnung, mit welcher Sie vorgegangen, und werde auch unter ihr zusammenbringen, was ich auf dem Herzen habe. Sie sind von manchen verständigen Männern meiner Umgebung getadelt worden, und werden auch wohl anderwärts getadelt worden seyn, daß Sie jenem meist seichten und eiteln Geschwätz eines in unsern Dingen sehr flach unterrichteten Fremdlings so viel Raum und durch die Aufnahme in Ihr weitverbreitetes Blatt, unser einziges publicistisch-litterarisches Organ von europäischer Geltung, eine Wichtigkeit gegeben haben, die ihm nicht gebührt, zumal wir darin zu einer Caricatur verzeichnet werden, wie sie die Franzosen in Paris auf den Theatern ihrer Boulevards, unter dem Namen des bon Allemand, in langem Ueberrock, die Hände in den Taschen und den Haarzopf auf dem Rücken, als Spießbürger oder als Bediente über ihre Bühne gehen sehen, und an deren barokem Wesen, kauderwälschem und mit deutschen Brocken versetztem Französisch und unbeholfener Gutmüthigkeit die honnêtes bourgeois du Faubourg S. Antoine ein besonderes selbstgefälliges Wohlgefallen haben. Der Tadel dieser Männer schärfte sich durch die Erwägung, daß man jenem Product durch die Uebersetzung und durch diese Verbreitung eine Anerkennung bezeige, welche durch die eingestreuten Anmerkungen und Ausrufungszeichen nicht aufgehoben werde, und daß man durch solches Verfahren nur einen neuen Beweis oder einen neuen Vorwand denjenigen Fremden liefere, die uns des Mangels an nationalem Selbstgefühl und an Tact für das uns Anständige und Gebührende, und übergroßer Demuth oder Hörigkeit gegenüber den Fremden zeihen. Die Redaction glaubt den Standpunkt bezeichnet zu haben, von dem aus es nicht ohne Interesse ist, zu wissen, wie das Ausland über uns denkt und schreibt. Der „deutschen Würde“ wird dieß keinen Schaden bringen. Ein ähnliches Urtheil über Frankreich, wie es hier über Deutschland verbreitet werde, bemerkten sie, würde, von einem Deutschen ausgegangen, in keinem französischen Blatt Aufnahme gefunden haben, und wäre das gleichwohl geschehen, so würde die Aufnahme allgemeine Mißbilligung gefunden haben. Ich setzte diesen Tadlern entgegen, daß gerade die Unbesorgtheit der Deutschen über den Belang ihres wahren Werths, und die Unabhängigkeit, die sie auch fremdem Urtheil gestatten, wenn es auch aus Vorurtheilen fließe, die Aufnahme erkläre. Ein seines Volks Kundiger würde davon nicht berührt werden, und den Unachtsamen, Zerstreuten, oder nach dem Fremden noch immer mehr Trachtenden als nach dem Einheimischen, könnte das Ganze als Warnung, Einiges darin auch zur Belehrung dienen, und die Verkehrtheit des Products im Ganzen dürfe nicht abhalten, das Rechte oder Gute anzuerkennen, was sich in der Diatribe „des Feindes“ finden könne, zumal wenn dieser, aus französischem Instinct uns abgeneigt, zugleich ein Wohlwollen zeige, das, trotz der Irrthümer und Albernheiten seines Urtheils, doch auf einen Rest von Gutmüthigkeit und auf ein Bestreben hinweise, das Wahre im Einzelnen zu erkennen, was er im Ganzen durch Unwissenheit wahrzunehmen und durch Eitelkeit zu beurtheilen gehindert werde. Auch sey Mr. Marmier nicht so sehr persönlich verantwortlich zu machen für die Thorheiten und Lächerlichkeiten, die er über uns berichte, sondern unterliege nur dem allgemeinen Uebel und Einfluß, dem höchst selten ein Franzose selbst der neuern Zeit und Schule sich entziehen könne, welcher die Deutschen aus denjenigen, die er zufällig in Paris gefunden, und aus dem, was er bei flüchtiger Eile eines kurzen Aufenthalts in ihrem Lande gesehen, oder bei unvollkommener Kenntniß ihrer Sprache sich aus ihren Büchern herausgelesen hat, beurtheile, und ihr ganzes Thun und Lassen in den verzogenen und verdrehten Gesichtskreis französischer Verbildung und des damit verbundenen Uebermuths ziehe, um der aus beiden fließenden trostlosen Effectmacherei ihrer Litteraten zu dienen, durch welche die Franzosen in Gefahr sind, die effectlosesten und geschmacklosesten Schriftsteller zu werden, welche die Zeit aufzuweisen hat.
Was Mr. Lerminier in seinem Buche au de-là du Rhin, welche Benennung er dem altbeliebten là bas substituirt hat, womit man sonst an der Seine unser Land bezeichnete, nach einem kurzen und unfruchtbaren Aufenthalt in einigen Südgegenden über uns gelernt und berichtet, davon haben Sie selbst eine Probe gegeben, und gleichwohl ist er noch der unbefangenste und freieste. Wer sollte Deutschland besser kennen als Mr. Cousin, der seine Lehranstalten zu untersuchen, zu beurtheilen und für Frankreich nutzbar zu machen Beruf und Auftrag hatte, und dem die respectvollen Huldigungen, die er von einzelnen demüthigen und beschränkten Schulpedanten unter uns gefunden hat, den Glauben müssen erregt haben, daß er uns, und wen er sonst seiner Beobachtung und Beurtheilung würdigt, besser verstehe als wir und diese andern selbst? Sicher aber ist allein, daß diese thörichten Huldigung ihm die größte Meinung von sich eingeflößt hat, wenn er sie nicht schon vorher besaß, und er darum bei der Ankündigung seines letzten Buches über den öffentlichen Unterricht in nicht französischen Ländern selbst verkündigte, es werde in Petersburg, Berlin, London und in welchen Hauptstädten der Welt sonst nicht! begierig erwartet. Gleichwohl ist er in seinem französischen Schulwesen oder Universitätsschulunwesen so versessen geblieben, daß er von einer Centralschule zur Bildung künftiger Lehrer nach seinem Zuschnitt als von einer fabrique de grands hommes sprechen konnte, sich also bei uns nicht hat überzeugen lassen, daß große Männer nicht auf Commando fabricirt werden, und daß er Preußen den Rath gibt, die philologischen Seminare in Breslau, Königsberg, Halle und Bonn, die Hauptquellen wissenschaftlicher Tüchtigkeit und Unabhängigkeit, die aus der Verschiedenheit des Betriebes und aus dem Wetteifer fließt, aufzuheben, und für die ganze preußische Monarchie eine solche Fabrik großer Männer nach französischem Zuschnitt in der Hauptstadt zu etabliren. Wer, der diesen Dingen einige Aufmerksamkeit schenkt, kennt nicht Mr. S. Marc-Girardin, dem der Süden
der deutschen Schulwelt zur Ausbeutung zugekommen war, wie Mr. Cousin der Norden, und was er über Unterricht und Anstalten dafür, die er nicht gesehen hat, und, hätte er sie gesehen, die er nicht verstehen konnte, weil ihm die deutsche Sprache fehlte, was, sag' ich, er über sie seinen Landsleuten verkündigt hat, und was er bei dieser Gelegenheit über die Deutschen im Allgemeinen, und z. B. über München gesagt hat, wo nach ihm es nur zwei Classen von Leuten gibt: die eine, welche baut, meißelt und malt, und die andere, welche zusieht, wie man baut, meißelt und malt, aber keine, die denkt. München hat zwar die oberste Administration des Königreichs und abwechselnd die Ständeversammlungen; es verbindet der Akademie der Künste die Akademie der Wissenschaften, hat eine Universität mit 90 Docenten und 1500 Studirenden, die zahlreichsten mittlern Schulen des Landes mit 2000 Schülern – aber es bleibt dabei: à Munic on ne pense pas. On regarde. Voilà Munic! – Sollten wir nach diesen Koryphäen noch der jungen Männer gedenken, die vor wenigen Jahren aus Frankreich zu uns kamen, um an der Quelle deutscher Wissenschaft auf den Universitäten zu schöpfen, und die nach einiger Zeit darauf ausgingen, durch Gründung einer Casse Andere zu solchem Aufenthalt in den Stand zu setzen mit der Aufforderung an ihre Landsleute, zu dem guten Werke beizusteuern, weil hier in den Bergwerken, Schachten und Stollen deutscher Studien und Wissenschaft in der That unter den Schlacken auch Gold- und Silberkörner zu finden wären, und es des französischen Geistes und der französischen Geschicklichkeit bedürfe, sie auszuschmelzen, zu gestalten und zu poliren? Diese Unverschämtheit ward gedruckt, und ihr die Krone dadurch aufgesetzt, daß man sie, Schwarz auf Weiß, selbst den ausgezeichneten Männern zuschickte, zu deren Füßen noch kurz vorher jene eitlen und bethörten Laffen gesessen hatten – Männern, durch deren edlen deutschen Geist sie sich von dem französischen „Esprit“ hätten befreien, durch deren Behandlung wissenschaftlicher Probleme sie sich hätten bilden können, wenn ihr Geist nicht durch die beklagenswürdige Dressur des Noth- und Zwangscamisols der französischen glorreichen Universitäts-, Schul-, Unterrichts- und Disciplinarordnung und durch die Napoleon'sche Uniformitätsmacherei in ihr wäre geistig beengt, verschroben, verdrückt und der Spannkraft ebenso beraubt worden, wie der chinesische Fuß, wenn er lange genug in dem schmalen Maaße seines Leistens gepreßt gewesen ist. Ich weiß, daß es in Frankreich auch im öffentlichen Unterricht, wie auf dem freien Gebiete der Litteratur und des höhern wissenschaftlichen Betriebs, Männer gibt, die Deutschland besser kennen, die den beklagenswürdigen Zustand der französischen Verkommenheit auf dem Gebiete der Litteratur so gut wie der Politik und die Quellen derselben kennen, und darüber seufzen. Sie bilden die Elite, welche die Zukunft dieser an vielen und trefflichen Kräften reichen und einer bessern Zukunft so würdigen Nation vertreten, und die Keime derselben in sich tragen; aber ihrer sind zu wenige gegen die Sprecher, Schreiber und Wortführer französischer Afterweisheit, Afterpolitik und Aftermuse. Sie müssen dem Strome seinen Lauf und den Sturm wehen lassen, wohin er will, und ziehen sich auf sich und in ihr Cabinet zurück, wo ihr Unwille und ihr edelmüthiger Zorn in ihrer Brust oder in Gesprächen mit gleichgesinnten Freunden zwischen den vier Wänden verraucht.
Daß Mr. Marmier nicht dieser heiligen Schaar, sondern der andern und größern zugehört, die aus ihren Vertretern de HH. Cousin, Lerminier, St. Marc-Girardin und zuletzt die jungen Amalgamirkünstler deutscher Schlacken geschickt hat, daß er darum nichts Eigenes, sondern die Reden seiner Geistes- und Effectgenossen bringt, und insofern nicht eigentlich persönlich verantwortlich ist für das, was er Thörichtes sagt, möchte sofort wohl deutlich seyn; aber weil er der Vertreter jener ganzen eitlen Classe ist, mag er hier ein- für allemal eine etwas ernstere Entgegnung finden, damit, wenn man jenseits Lust hat, in diesem Tone fortzufahren, diesseits wenigstens jeder wissen kann, wofür er das Lied des gallischen Hahns zu halten hat. (Ein zweiter Artikel folgt.)
Einführung der Theecultur in Frankreich.
(Beschluß.)
Diese Theestauden sollen im Frühjahr im Süden von Frankreich, in Corsica und in der Bretagne vertheilt werden. Guillemin glaubt, daß steifer Thonboden, auf einem leichten Abhang gelegen, der beste dafür sey; allein dieß ist wahrscheinlich ein Irrthum, denn in Assam, wo der Thee in zahllosen Stellen wild wächst, hat man ihn immer in einer leichten und porösen Erde gefunden, welche dem Wasser nicht erlaubt, auf ihr stehen zu bleiben, und dieß ist ohne Zweifel der Grund, warum man die Staude in dem Thonboden von Brasilien auf Abhängen pflanzen muß. Er schlägt die Bretagne vor wegen der sehr milden Winter, denn diese Provinz hat etwa das Klima von England, und die Nähe des Meeres, verbunden mit der kleinen absoluten Höhe des Landes, erhält dort eine so mäßige Temperatur, daß die Camellia, das Rhododendron Arbutus und andere südliche Pflanzen im Freien gut überwintern. Uebrigens hat er sich wahrscheinlich durch das Klima von Brasilien verleiten lassen, vorauszusetzen, daß die Theestaude die Kälte nicht ertragen könne, während man aus China weiß, daß sie recht wohl in Provinzen, wo Schnee in Menge fällt, fortkommt, und Guillemin selbst hat bemerkt, daß sie in den höchsten Theilen der Gebirge in Brasilien weit üppiger wächst, als in dem heißen Klima von Rio-Janeiro. In China kommt sie als Culturpflanze nur im Norden der Gebirgsreihe vor, welche die südlichen von den nördlichen Provinzen trennt, und in Java hat man sich genöthigt gesehen, die Theegärten auf die höchsten Gebirge der Insel zu verlegen. Früher hielt man hier die Theestauden sorgfältig in Gewächshäusern, aber seitdem man den Plan gefaßt hat, sie zu cultiviren, setzt man sie ins Freie, und sie gedeihen weit besser. Die Schwierigkeit der Cultur liegt nicht in dem Klima, denn die geographische Ausdehnung der Pflanze ist sehr bedeutend, sondern an dem Boden und dem Preis. Nach allen Beobachtungen, die man in Assam an der wildwachsenden Staude gemacht hat, liebt sie nur eine gewisse Art von Boden, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Qualität des Products großentheils davon abhängt. Daß der brasilische Thee nicht gut ist, läßt sich daraus schließen, daß die Brasilianer glauben, die Chinesen geben dem ihrigen sein besonderes Aroma durch Blüthen der Olea fragrans und der Camellia sesanqua, was ein großer Irrthum ist, wie die Theeschmecker der ostindischen Compagnie längst entschieden haben, und bloß zeigt, daß der brasilische Thee nicht aromatisch ist. Der Preis ist eine andere und sehr große Schwierigkeit. In Brasilien kann man das Pfund nicht unter 6 Franken liefern. Daher fährt man, trotz der Menge von angelegten Theegärten, fort, den Thee aus China einzuführen. Nun kostet in Brasilien die Tagsarbeit eines Sklaven etwa 2 Franken, was mehr ist, als in Frankreich, wo dagegen der Boden so theuer ist, daß der Unterschied im Resultat nicht sehr groß seyn mag. Guillemin glaubt zwar, daß sich die Methode der Bereitung verbessern ließe, aber wer die Berichte der ostindischen Compagnie über die Methode ihrer chinesischen Theefabricanten in Assam gelesen hat, weiß, daß sie mit viel größerer Sorgfalt zu Werke gehen, und daß die Bereitungsart der Brasilianer weit unter der ihrigen steht; daß aber die chinesische mehr Zeit und geschicktere,
also theurere Arbeiter verlangt. Ein brasilischer Sklave pflückt in einem Tag etwa 16 Pfund Blätter, weil er alle irgend tauglichen zugleich nimmt, während der Chinese die zu jeder Qualität von Thee bestimmten besonders pflückt, und daher kaum die Hälfte der Masse liefert; was freilich zu einem bessern Resultat führt, aber keineswegs eine Verminderung der Kosten verspricht. Der große Vortheil der europäischen Industrie besteht in den Maschinen; aber hier sind sie nicht anwendbar, und in bloßer Handarbeit ist der Chinese uns nicht nur Mann gegen Mann überlegen, sondern die außerordentliche Wohlfeilheit des Lebens erlaubt ihm zu Preisen zu arbeiten, zu denen man in keinem Land in Europa Arbeiter finden könnte. Es ist daher nicht sehr wahrscheinlich, daß diese Cultur, außer etwa im Fall eines Seekriegs oder wenn China in Folge seiner Streitigkeiten mit England seine Häfen gänzlich schließen würde, die Theecultur in Frankreich gedeihen werde, um so mehr, als die Consumtion nicht viel über 3000 Centner jährlich beträgt, welche fast ausschließend von den reicheren Classen consumirt werden, die im Stande sind, die Qualitäten zu unterscheiden, und die besten zu bezahlen.
Ungarn.
Preßburg, Frühjahr 1840 Mit bangen Gefühlen hatte ich im vorigen Spätjahr das agonisirende Konstantinopel verlassen; mit neugierigen Blicken betrachtete ich den sich verjüngenden Phönix Serbien; mit erwartungsvollem Herzen stieg ich an die gastlichen Ufer des Ungarlandes zu Semlin, Pesth und Preßburg als den Hauptstationen der Donau-Dampfschifffahrt. – Der Preßburger Landtag dauerte eben ein halbes Jahr lang. Die Gegenstände und Debatten sind allerdings merkwürdig, ja in der Geschichte einzig, nämlich: die Hebung der magyarischen Nationalität und Sprache über alle übrigen im Lande. Dieß ist das Alpha und Omega aller ungarischen Landtage seit zwei oder drei Jahrzehnten. Alles Uebrige ist nur Nebensache oder Mittel zu dem bezeichneten Zweck. Unglaublich viel haben die Magyaren in dieser Hinsicht schon errungen, vielleicht mehr als sie selbst hofften. Erscheinungen dieser Art sind freilich nur in Ungarn möglich und begreiflich, wo der Landtag eigentlich nur ein Adeltag ist, wo Recht, Macht, Amt, Gut, Land, Sprache, Litteratur beinahe nur Einer Classe angehört. Die ungarische Constitution ist gut, ja vortrefflich, aber nur für die, welche sie umfaßt. Und dennoch will man Europa glauben machen, Ungarn besitze das schon lange, was andere Völker und Länder erst suchen! Das Land als Land wird auf dem Landtage nicht vertreten; der Bauernstand hat gar keinen Repräsentanten, gar keine Stimme; der Bürgerstand hat Eine, d. h. keine, indem die gesammten Städte Ungarns nur Einem Edelmann gleich sind. Die Protestanten beider Confessionen, über dritthalb Millionen stark, haben acht Superintendenten, von denen nicht ein einziger bei dem Landtag Sitz und Stimme hat. Der an sich löbliche Patriotismus und Nationalismus der Magyaren bekam eine einseitige Richtung. Er will die Ernte des tausendjährigen Zusammenlebens und Zusammenkämpfens der verschiedenen in Ungarn ansässigen Völker jetzt ganz allein an sich ziehen und die schöne Beute ohne Schwertstreich mitten im Frieden sich ausschließlich zueignen. In den schrecklichen, vernichtenden Kriegen gegen Mongolen, Tartaren, Türken u. s. w. floß nicht bloß magyarisches, sondern auch deutsches und slavisches Blut. – Die jetzigen Magyaren haben beinahe für nichts Anderes in der Welt Sinn und Geschmack, als für diese Magyarisirung der andern Mitvölker. In Gesellschaften und mit Einzelnen habe ich oft zwanzig Fragen und Gespräche über andere Sachen angefangen: mäanderartig kommt jedoch Alles wieder auf diese wahrhaft fixe Idee. Einige nicht unlesenswerthe Broschüren erschienen schon im In- und Auslande dagegen, aber im Besitz der Gewalt ignorirt man solche schwache Stimmen der Unschuld und der Gerechtigkeit. In einem gemischten, durch Jahrhunderte sanctionirten gesellschaftlichen Zustande müssen sich vernünftigerweise die heterogenen Elemente nicht verschlingen und vernichten, sondern nur toleriren, assimiliren und ausgleichen, sonst erscheint und wüthet die Hyder des Nationalhasses auf dem Boden des gemeinschaftlichen Vaterlandes, und ist des Geheuls zügelloser Leidenschaften nie ein Ende. Es entsteht ein Völkerfaustrecht. – Daß der Magyare seine Nation liebt und seine Sprache bildet, ist recht und billig; aber zu verlangen, daß darum Alles um ihn herum verstummen und sich magyarisiren soll, ist unrecht, unbillig, unedel. Sprech- und Redefreiheit, und zwar die geistige, verlangen die Magyaren eben bei diesem Landtag von der österreichischen Regierung, und sie selbst wollen ihren Landesbrüdern nicht einmal die physische gönnen. Die Stimme der Natur, die den Magyaren treibt, seine Muttersprache zu lieben, tönt ja auch in der Brust des Slowaken, Horwaten, Rosnaken, Wallachen, Deutschen. Das ewig wahre Princip der Moral und der Humanität: „Quod tibi fieri non vis, alteri ne feceris“ mögen doch auch die guten Magyaren beherzigen. Aller Zwang, es sey ein Schlacht-Zwang oder Gesetz-Zwang, ist in Sachen des Glaubens und des Volksthums mit einem aufgeklärten Jahrhundert unverträglich. Noch widerlicher afficirten mich andere in diesem Lande übliche Mittel der Magyarisirung. Wer da jetzt lateinisch spricht oder schreibt, wird bespöttelt oder ausgelacht; wer deutsch, wird bemitleidet; wer slavisch, wird verdächtigt oder verfolgt. Die skandalösen Spracheinprügelungen zu Kalotsa und andern Orten sind schon aus Schwartners Statistik von Ungarn in Europa bekannt. Einem sonst sehr geschätzten und gelehrten Professor an der königlichen Akademie zu Preßburg wurde vor einigen Jahren ein anonymer schrecklich drohender Brief, worin ein Galgen gezeichnet stand, bloß darum zugeschickt, weil er ein etymologisches Wörterbuch herausgab, in welchem er zeigte, wie viele fremde Wörter die magyarische Sprache enthalte. Aehnliche barbarische, mit Dolch, Prügel etc. gezierte Briefe kamen auch an andere Männer und Schriftsteller, einer sogar an einen Superintendenten. Der hochgeschätzte deutsche Dichter der Tunisias, Patriarch und Erzbischof von Erlau, wurde in magyarischen öffentlichen Zeitschriften verpönt, warum er deutsch dichte! Als unlängst die königliche Resolution von Wien in Preßburg ankam, wo den Magyaren erlaubt wird in der magyarischen Sprache an Se. Majestät zu repräsentiren, soll eine Rotte junger Magyaren in der Reitschule einen Katafalk errichtet und ein komisch-höhnisches Todtenamt der lateinischen und andern nichtmagyarischen Sprachen in Ungarn gehalten und solche darauf bei einem Autodefé in imagine verbrannt haben. Man sagt freilich: das sind Jugendstreiche, nur Excesse Einzelner, die der ganzen Nation nicht zugeschrieben werden können; allerdings! aber in der gegenwärtigen Stimmung der Nation haben sie doch ihre Wurzeln, oder vielmehr sind die Früchte derselben. – Mit schelen Augen sahen die Magyaren den Brillantring, womit unlängst der gütige Kaiser die litterarischen Verdienste des chorwatisch-illyrischen Schriftstellers, Lud. Gay, zu belohnen geruhete. Die Städte, die Zips und sehr viele Ortschaften in ganz Ungarn sind deutsch, der diesseitige Donaukreis, die ganze Karpatenkette ringsum, der volkreichste Landstrich, ist
rein slavisch; Croatien, Slawonien, Dalmatien sind Slaven; von Batska, der türkischen Gränze, bis nach Ofen und Raab hinauf sind Serben: und in einem solchen Lande sollen nach drei Jahren überall alle Kirchenbücher, Processe, Aemter, Gerichte, Zünfte u. s. w. magyarisch geführt werden! Und sollte dieß alles möglich seyn: wird es auch rechtlich und menschlich? wird es auch für das wahre Wohl nützlich und ersprießlich seyn? Das Schweizerland beherbergt auch dreierlei Stämme und Sprachen: Deutsche, Franzosen und Italiener, ungefähr in dem Verhältniß wie das Ungarland: Slaven, Magyaren, Deutsche. – Die Geschichte ist das Weltgericht. Die Geschichte hat nie gebilligt die Sprachtyrannei der Römer, nie gebilligt die Germanisirung der Wenden in Deutschland, nie gebilligt die Englisirung der Indianer in Amerika und Asien: so wird sie auch die jetzige Russisirung der Finnen, die Magyarisirung der Deutschen und Slaven in Ungarn, und andere dergleichen Mißgeburten der Rohheit nicht nur nicht billigen, sondern als unwürdige Völkerplagen verdammen.
Serbien.
Von der serbischen Gränze, 8 März. Von einem Serben. Nach der Verbannung des Fürsten Milosch aus Serbien hoffte man die wohlthätigen Folgen der neuen Verfassung in vollem Maaße zu genießen, die Rechte gesichert, die allgemeine Ruhe und Ordnung im Lande eingeführt zu sehen. Aber diese schönen Hoffnungen sind nur Täuschungen gewesen und fromme Wünsche. Die gegenwärtige Verwaltung ist meistentheils aus beschränkten oder geldgierigen Menschen zusammengesetzt. Ihr Losungswort ist: „wir wollen keine Schwaben (Deutschen) im Lande dulden.“ Mit dieser unpolitischen Prahlerei wollen sie sich unter dem Pöbel einen Namen machen. Man hegt einen allgemeinen Haß gegen die Deutschen. Die regulären Truppen haben nach mehreren tumultuarischen Bewegungen den militärischen Gehorsam ganz aufgesagt, und sind mit Sack und Pack und scharfgeladenen Gewehren am Ende des vergangenen Monats zur Mittagsstunde unter Hurrahruf nach Hause gezogen. Als sie von ihren Officieren an ihre Pflicht gegen die gegenwärtige Verwaltung gemahnt wurden, antworteten sie: „Wem sollen wir dienen? Wir haben keinen Fürsten. Der neuen Verwaltung wollen wir keinen Gehorsam leisten. Wer hat die bestehende Verwaltung erwählt? Sie hat sich selbst eingesetzt; sie ist nicht gesetzlich.“ Major Schiwkowitsch, ein österreichischer Flüchtling, unter dem angenommenen Namen Hranislaw, der sein Vaterland verläugnet, beugte sich vor den Soldaten und wünschte ihnen eine glückliche Reise! Man versichert, daß mehrere Große des Landes ansehnliche Summen aus der Nationalcasse unter dem Vorwand, daß das Capital Zinsen tragen soll, genommen haben, um im Nothfall Serbien zu verlassen und ins Ausland mit vollen Beuteln zu ziehen. – In allen Verwaltungszweigen herrscht die größte Zwietracht, selbst in dem Sowjet (Rath) sollen mehrmal tumultuarische Auftritte vorgefallen seyn, die in persönliche Beleidigungen übergingen und mit dem Faustrecht endigten. Jeder überschreitet seinen Wirkungskreis und mischt sich in die Angelegenheiten des Andern. Fürst Milosch war ein einziger Despot im Lande; nach seiner Verbannung aber sind mehrere Hundert Despoten in Serbien aufgestanden: jeder will nur befehlen, keiner gehorchen. In mehreren Bezirken verweigert das Volk die Abgaben. Ueberall Zwietracht und Parteigeist. Die gemäßigte Partei will Michael Obrenowitsch zum Fürsten haben, die Gegenpartei will den Enkel oder den Sohn des berühmten Helden Georg Petrowitsch Czerni zum Fürsten proclamiren; Mancher ist nur darum thätig, den status quo zu erhalten, um im Trüben fischen und bei einer günstigen Gelegenheit sich selbst zum Fürsten erheben zu können. So wird das arme Volk durch die widersprechenden Absichten seiner Gewalthaber hin und her geworfen – ein betrogenes, aber doch ein schönes, kräftiges, muthiges Geschlecht, aus dem man eine edle Nation bilden könnte; wenn an der Spitze ein Joseph oder Friedrich stände, würde man Wunder sehen. Belgrad befindet sich durch Intriguen in einem Zustande, wie zu Kriegszeiten, als wenn der Feind nahe wäre; in der Nacht werden die Patrouillen in allen Gassen, oft einige Hundert Mann stark, gezählt; alle Fahrzeuge auf der Saawe und auf der Donau werden Tag und Nacht bewacht. Einige besorgen die Ankunft des Fürsten Milosch; Andere haben ganz besondere Plane dabei; die Zeit wird sie enthüllen. Wenige Männer, wie Wutschitsch, Petroniewitsch, Ephrem Obrenowitsch und noch einige, sind es, die das allgemeine Beste wollen, aber sie haben noch nicht den wahren Weg gefunden. – Der junge Fürst Michael Obrenowitsch wird am 14 März in Belgrad erwartet; der russische Consul ist ihm entgegen gereist; man ist beschäftigt, um ihn glänzend zu empfangen. Es sind zwei Triumphpforten errichtet, und die Nationalversammlung ist schon auf den 11 März, in Belgrad zu erscheinen, einberufen worden. Die Illuminationen sollen drei Tage dauern. Den Fürsten soll ein Mihmindar und noch ein Wessier von Konstantinopel aus nach Belgrad begleiten. Es soll eine neue Organisation in allen Verwaltungszweigen in Serbien vorgenommen werden. Wenn aber nach der Ankunft des jungen Fürsten keine bessere Ordnung eintritt, und die Parteien sich nicht ausgleichen, so muß jeder Patriot ausrufen: Unglücklicher Fürst! Unglückliches Serbien!
Die gemischten Ehen in der griechischen Kirche.
Die Streitigkeiten wegen der gemischten Ehen haben in der griechischen Kirche etwa zu derselben Zeit begonnen, zu welcher die Kölnischen Wirren ausbrachen. Die Veranlassung war folgende. Seit der Constituirung des Königreichs Griechenland wurden hier Verheirathungen zwischen Fremden, die dem griechischen Glauben nicht zugethan waren, und Griechinnen immer häufiger, und die griechischen Frauen sollen dergleichen Verbindungen nichts weniger als abgeneigt gewesen seyn. Bald aber suchte die heilige Synode zu Athen dem Ueberhandnehmen solcher Verbindungen entgegenzuwirken, zum Theil aus Glaubenseifer, zum Theil getrieben von der Eifersucht der griechischen Männer und der allgemeinen Antipathie gegen die Fremden. Indessen hatten die Maaßregeln, welche die Synode ergriff, einstweilen nur den Erfolg, daß sich die gemischten Paare von den stets bereitwilligen griechischen Geistlichen auf den jonischen Inseln und namentlich auf Cephalonia trauen ließen. Deßhalb scheint der Patriarch veranlaßt worden zu seyn, den jonischen Geistlichen die Einsegnung der gemischten Ehen durch einen Hirtenbrief zu untersagen.
Im Julius 1838, wo ich dem Patriarchen Gregorios meine Aufwartung zu machen Gelegenheit hatte, und mit dessen Grammatikos (Secretär) öfters zusammenkam, war man gerade mit dieser Angelegenheit beschäftigt. Der Patriarch war entschieden gegen die Zulassung der gemischten Ehen, weil sie das Recht der griechischen Kirche bestimmt für nichtig erkläre. Der 72ste Kanon der sechsten ökumenischen Synode verordnet: „daß es einem orthodoxen Manne nicht gestattet seyn solle, eine ketzerische Frau zu nehmen, noch einer orthodoxen Frau, einen Ketzer zu heirathen: und wenn ein Fall der Art vorgekommen sey, so solle die Ehe als nichtig angesehen werden, und die ungesetzliche
Verbindung alsbald aufgelöst werden. Denn was unvermischbar sey, dürfe auch nicht vermischt werden, und der Wolf dürfe nicht mit dem Lamme gepaart, das Loos der Sünder nicht mit dem Theile Christi verbunden werden. Wer aber diese Verordnung übertrete, solle excommunicirt werden.“ Und in dem Steuerbuche der griechischen Kirche (), einer Sammlung der Kanones mit Erklärungen und Anmerkungen, die im Jahre 1800 zu Leipzig auf Befehl des Patriarchen gedruckt worden ist, findet sich zu dem angeführten Kanon auf S. 194 folgende Bemerkung: „Möchten die Priester auf den Inseln, und überhaupt an allen Orten, wo sich Lateiner befinden, vor der Strafe, welche die Synode droht, zurückbeben, und in keinem Falle gestatten, daß ein Lateiner eine orthodoxe Frau, oder eine Lateinerin einen orthodoxen Mann nehme. Denn wie kann eine Gemeinschaft des Lebens zwischen einem Orthodoxen und einem Ketzer statt finden? Und sollten ohne ihr Wissen solche widerrechtliche Ehe auf irgend eine Weise eingegangen werden, so müssen sie dieselben sofort auflösen u. s. w.“ – Auch in dem Gesetzbuche für die Moldau (vom J. 1816) heißt es §. 91: „Ehen können nicht eingegangen werden zwischen Christen und Nichtchristen, noch auch zwischen Orthodoxen und Nichtorthodoxen;“ ebenso in dem Gesetzbuche für die Walachei (vom J. 1817) Theil III. Cap. 16. §. 2: „Es sollen eine Ehe nicht abschließen können Freie mit Sklaven, oder Christen (d. h. griechische Christen) mit andern Glaubensverwandten.“
Bei diesem Stande des griechischen Kirchenrechts kann es nicht Wunder nehmen, wenn der Patriarch Gregorios fest entschlossen ist, darüber zu wachen, daß gemischte Ehen von den griechischen Geistlichen nicht eingesegnet werden, um so mehr, als in der griechischen Kirche Gewohnheit und Herkommen die gemischten Ehen bisher noch nicht in demselben Maaße geheiligt haben, als dieß in der römisch-katholischen Kirche der Fall gewesen ist.
Inwiefern dennoch Lord Ponsonby Ursache hat, sich über die Maaßregeln des Patriarchen Gregorios in Beziehung auf die jonischen Inseln zu beschweren, vermag ich nicht zu entscheiden. Indessen spricht man davon, daß der Patriarch Gregorios abgesetzt worden Die Thatsache, daß er abgesetzt wurde, ist durch eine Reihe von Briefen, die mit der letzten türkischen Post kamen, verbürgt., und der Metropolit von Thessalonich an seine Stelle treten solle – eine Veränderung, die wenigstens bisher in der Türkei nicht schwer zu bewerkstelligen war. Den Metropoliten von Thessalonich habe ich im Junius 1838 in seiner Metropole besucht, und später in Konstantinopel getroffen. Schon damals wurde gesagt, daß ihn der Patriarch als Nebenbuhler fürchte, und zur heiligen Synode nach Konstantinopel entboten habe, um ihn desto besser überwachen zu können. Der Metropolit ist bereits vorgerückten Alters, aber noch kräftig und frisch. Auf Gelehrsamkeit und Bildung macht er durchaus keinen Anspruch, aber sein praktischer Verstand und seine diplomatische Kunst und Gewandtheit werden allgemein gerühmt. Sollte er durch englische Vermittlung auf den patriarchalischen Thron gelangen, so wird er jedenfalls in seinem Verfahren behutsamer seyn, wenn es auch nicht in seiner Macht oder Absicht liegt, das Recht der griechischen Kirche in Beziehung auf die gemischten Ehen zu ändern.
Reisen und Reiselitteratur.
Die Weltumseglungsfahrt des Astrolabe und der Zélée.
Vom Capitän Dumont d'Urville, dem Commandanten der wissenschaftlichen Expedition der Franzosen, die zuletzt Oceanien besuchte, ist ein Bericht an den Marineminister aus Amboina vom 17 Febr. 1839 eingelaufen. Die beiden Corvetten hatten Tahiti am 16 Sept. verlassen und alle Inseln des Cook-Archipels, sogar Mopelia und Scilly besucht; an den Klippen von Mopelia wären beide Corvetten beinahe gescheitert. Von dort segelten sie nach den Schifferinseln, fuhren den lachenden, fruchtbaren Ufern dieser Eilande entlang, ankerten auf der Nordseite der Insel Oyolova des Lapeyrouse, in dem kleinen Hafen Apia, und blieben dort sechs Tage lang. Ihr Verkehr mit den Eingebornen war freundschaftlich, nur einmal wurde ein Marinezögling von seinem Führer bestohlen. Als aber Hr. Dumont d'Urville bewaffnete Mannschaft ans Land setzen ließ, wurden die gestohlenen Gegenstände zurückgegeben und von dem schuldigen Stamm überdieß noch zwölf Schweinchen als Strafe ausgeliefert. Die Reisenden zogen auf diesem Eiland Nachrichten über das unglückliche Ende Lapeyrouse's und seiner Gefährten ein, und erfuhren mit ziemlicher Gewißheit, daß der Untergang des berühmten Seefahrers durch einen rein zufälligen Umstand herbeigeführt worden. Die Leichen der getödteten Franzosen wurden begraben, nicht gefressen, wie man lange geglaubt hat, denn die Eingebornen der Schifferinseln waren nie Menschenfresser. Endlich wurden zwei oder drei Franzosen, die an ihren Wunden nicht erlagen, von den Wilden gut behandelt, und lebten noch ziemlich lange nach dem Tode Lapeyrouse's auf jenen Eilanden.
Von den Schifferinseln segelte Dumont d'Urville nach der Wawao-Insel, die jetzt ganz von den Missionären der Methodisten beherrscht wird, dann nach den Hapai-Inseln, wo mehrere noch unbekannte Canäle und Klippen in die Seekarte aufgenommen wurden. Hierauf wandte sich die Expedition nach der Tongainselgruppe. Ein Häuptling der Eingebornen, Latschika, gab den Reisenden dort Aufschluß über die Ermordung des französischen Seefahrers, Capitän Bureau. Sein Mörder war ein Häuptling der Insel Piwa, Nakalassé, der Schrecken aller benachbarten Inseln. Am 16 October 1838 warfen die beiden Corvetten bei der Insel Piwa Anker, nur zwei Stunden von der Festung des Häuptlings Nakalassé entfernt. Latschika, welcher den Franzosen als Dolmetscher diente, und ein französischer Officier stiegen ans Land und statteten dem Abuni-Valu (so viel als Oberhaupt oder König) der Insel einen Besuch ab. Sie verlangten von ihm die Auslieferung Nakalassé's. Der Name dieses Abuni-Valu ist Tanoa; er trägt einen langen weißen Bart und scheint gegen siebenzig Jahre alt. Er empfing die beiden Abgesandten mit viel Ehrenbezeugung, betheuerte seine guten Gesinnungen für die Franzosen und seinen Abscheu gegen das Verbrechen Nakalassé's. Aber er fürchtete diesen mächtigen Vasallen, der ihn schon einmal vom Thron gejagt und gezwungen hatte, nach den benachbarten Inseln zu fliehen. Tanoa erklärte daher, daß es ihm unmöglich sey, den Schuldigen auszuliefern, übrigens würde er es recht gerne sehen, wenn die Franzosen Nakalassé züchtigen wollten, und weit entfernt, ihm die geringste Hülfe zu leisten, werde er ihm vielmehr, wenn er auf sein Gebiet sich flüchtete, sogleich abschlachten und fressen, obgleich Nakalassé seines Bruders Tochter geheirathet hatte, und demnach Tanoa's Neffe geworden. Capitän Dumont d'Urville ließ nun fünfzig Matrosen unter dem Commando des Lieutenants Dubouzet ans Land setzen; fast alle Officiere der beiden Corvetten schlossen sich der Expedition als Freiwillige an. Obwohl Nakalassé dem französischen Commandanten gemeldet hatte, er werde sich unter den Trümmern seiner Festung eher begraben, als dieselbe verlassen, ergriff er doch sammt den übrigen Bewohnern bei der Annäherung der Franzosen die Flucht. Die
Festung hatte eine fast uneinnehmbare Lage auf einem Felsen, und hätte von wenigen Menschen vertheidigt werden können. Der ganze Ort wurde, sammt dem Palast Nakalassé's, einem für jene Gegenden wirklich merkwürdigen Gebäude, von den Franzosen in Brand gesteckt. Latschika und Tanoa versicherten, dem Häuptling Nakalassé und seinen Gefährten stehe nun, da ein religiöses Vorurtheil ihn hindere, seine Wohnung an demselben Fleck wieder aufzubauen und an allen andern Orten er in den Händen seiner Feinde sey, kein anderes Loos bevor, als geschlachtet, gebraten und gefressen zu werden.
Dumont d'Urville stieg hierauf mit militärischem Pomp in Begleitung seiner Officiere ans Land und stattete dem Häuptling Tanoa in seinem Hauptort Pao einen Besuch ab. Dieser empfing den Capitän an der Spitze der Aeltesten des Volks; die übrigen Einwohner standen in schweigenden Gruppen umher auf dem Hauptplatz des Dorfes. Die französischen Officiere nahmen an der Seite des Häuptlings Platz, und Capitän Dumont d'Urville ließ der versammelten Menge durch Latschika erklären, daß die Schiffe keineswegs in der Absicht gekommen seyen, die Völker Oceaniens zu bekriegen, sondern nur um Nakalassé wegen des am Capitän Bureau verübten Mordes zu züchtigen. Deßhalb sey die Residenz Nakalassé's zerstört worden, und ein gleiches Loos erwarte jeden Häuptling, der sich vermessen würde, ein französisches Fahrzeug zu beleidigen. Die Strafe könne manchmal wegen der großen Entfernung lang ausbleiben, werde aber stets unfehlbar erfolgen. Latschika verdolmetschte diese Worte den Umstehenden, und wurde öfters durch den Ausruf der angesehensten Häuptlinge: saga! binaka! (Es ist gerecht – es ist gut!) unterbrochen. Die Mahnung schien großen Eindruck auf die Mehrzahl der Eingebornen zu machen; nur einige Häuptlinge, Anhänger Nakalassé's, zogen finstere Gesichter. Tanoa bewirthete hierauf seine Gäste, und diese führten dann zur Ergötzung des Volks ein Exercitium im Feuer aus. Später machte Tanoa dem Capitän Dumont d'Urville einen Gegenbesuch und speiste mit ihm auf seinem Schiff; er und Latschika wurden mit Geschenken entlassen. Die französischen Seefahrer berührten dann noch mehrere kleine Inseln Oceaniens und segelten von dort nach den Molukken weiter.
[1064]
Göppingen, im Königreich Würtemberg. Die Unterzeichneten bringen hiemit zur öffentlichen Kunde, daß sie, seit einem halben Jahre Eigenthümer des hiesigen Mineralbades, dasselbe in einer neuen Gestalt im Laufe des Monats Mai eröffnen werden. Sie haben ihre vier Sauerwasserquellen, deren ausgezeichnete Wirksamkeit schon vor Jahrhunderten durch ganz Deutschland anerkannt und berühmt war, und die nur durch sehr mangelhafte Verwaltung halb in Vergessenheit kommen konnten, durch neue Quellenfassungen nicht nur an Qualität verbessert, sondern auch eine Quantität erreicht, welche jedem Bedürfnisse genügen wird. Das Göppinger Mineralwasser zeichnet sich durch einen außerordentlichen Kohlensäuregehalt, einen bedeutenden Gehalt an Natron und Magnesia, und eine kleine Beimischung von Eisenoxydul aus; es gehört zu den vorzugsweise restaurirenden Mineralwassern, und hat sich bei innerlichem und äußerlichem Gebrauche in allen Krankheiten, die auf Atonie und Schwäche des Organismus beruhen, längst bewährt, namentlich in Schwäche und Verschleimung des Magens, Stockungen im Unterleib, Unordnungen der Menstruation, weißem Fluß, rheumatischen und gichtischen Beschwerden, Nieren- und Blasenleiden, und noch insbesondere in der Reconvalescenz von schweren Krankheiten, namentlich Schleimfiebern. Die Unterzeichneten haben das große Badgebäude einer durchgängigen Veränderung und Verbesserung unterworfen, dasselbe ganz neu meublirt, eine ganz neue Wasserheizungs- und Badeinrichtung mit Hahneneinrichtung hergestellt, und die großen Gärten rings um das Bad neu angelegt. Zweckmäßigkeit, Ordnung, Reinlichkeit, Bequemlichkeit, gute Bewirthung und prompte Bedienung haben sie sich zur Aufgabe gemacht. Die reizende Lage des Bades in der Nähe der freundlichen Stadt, welche dem Curgast jede Bequemlichkeit und eine mannichfaltige Gesellschaft darbietet, an einer Hauptpoststraße in der Mitte zwischen Stuttgart und Ulm gelegen, die gesunde Luft, die großartige Gegend, die Nähe des berühmten Schwefelbades Boll, des Hohenstaufen, Rechberg u. s. f. gereichen der Anstalt zu nicht geringer Empfehlung. Schließlich bemerken sie noch, daß sie im Laufe des Sommers eine umfassende Kaltwasserheilanstalt, in einem besondern Gebäude in der Nähe des Mineralbades eingerichtet, eröffnen werden. – Göppingen, den 22 März 1840
Dr. Palm und Dr. Landerer, praktische Aerzte in Göppingen.
[936-38]
Erfindung, das Meerwasser genießbar zu machen.
Hr. Johann Dietrich,
Sanitäts- und Graphit-Steingutgeschirr- und Bergbau-Inhaber, in der Laimburggasse Nr. 1101 zu Grätz in Steyermark,
hat am 27 Februar in Gegenwart einer von den öffentlichen Behörden aufgestellten Commission die Aechtheit seiner Erfindung, Meerwasser genießbar zu machen, auf das glänzendste bewiesen, worüber folgendes Protokoll aufgenommen, und ihm eine beglaubigte Abschrift davon eingehändigt wurde:
Protokoll,
aufgenommen durch eine Commission im großen Gasthof in Triest den 27 Februar 1840über das durch Hrn. Johann Dietrich in Grätz trinkbar gemachte Meerwasser.
Die Unterzeichneten auf Ersuchen des obenbesagten Hrn. Johann Dietrich, eingeladen durch das Präsidium dieses löbl. k. k. polit. ökon. Magistrats zu einer Commission, welche das trinkbar und zu jedem andern Gebrauch, zu welchem jedes gute Brunnenwasser dient, geeignet gemachte Meerwasser zu untersuchen, welches Hr. Dietrich aus Grätz mittelst eines eigenen Verfahrens hervorbringt, finden sich veranlaßt hierüber zu erklären: daß ein in ihrer Gegenwart geschöpftes Meerwasser dem Erzeuger Hrn. Dietrich übergeben wurde, welcher sich in ein Zimmer mit Schlüssel einsperren ließ, welches neben dem Zimmer lag, in welchem sich die vereinigte Commission befand, nachdem bevor jenes Zimmer auf das strengste untersucht wurde, ob es keine Verbindung mit irgend e nem andern Orte habe, oder irgend eine Flüssigkeit enthalte. Nach Verlauf von beiläufig zwei Stunden übergab Hr. Dietrich der Commission, welche sich keinen Augenblick von dem Orte entfernte, Wasser, welches folgende Eigenschaften besaß: vollkommen klar, geschmacklos, geruchlos, und dessen specifisches Gewicht, gleich jenem des Brunnenwassers am St. Peterplatz, das ist: 1000 des Aräometer von Meißner, war. Es löste die gemeine Seife mit Schaum auf, der sich erhielt. Mit demselben kochte der Erzeuger Erbsen, Linsen und Fleisch, die ersteren ganz weich, und das letztere mit der Suppe von gutem Geschmack. Nachdem eine halbe Unze langsam in einem porcellänenen Gefäße verdünstet wurde, ließ es eine Spur von einem fast unwägbaren, braunen, aschgrauen Körper zurück. Mit Schwefelwasserstoffgas veränderte es sich nicht im mindesten. Das salpetersaure Silber verursachte eine Trübung, und das obbesagte Brunnenwasser mit demselben versucht, äußerte eine stärkere Wirkung. Der salzsaure Baryt trübte es nur leicht, und viel mehr das Brunnenwasser. Der kleesaure Ammoniak verursachte eine leichte Trübung, die sich viel stärker im Brunnenwasser zeigte. Mit kohlensaurer Pottasche veränderte sich nicht im mindesten die Flüssigkeit. Das Wasser mit reinem Ammoniak in Berührung gebracht, wurde nicht im mindesten getrübt, gleiches Resultat gab ebenfalls die Stärke. Mit noch andern Reagentien wurde dieses Wasser versucht, es entsprach aber den
Versuchen mit gutem Wasser, und enthielt im Verhältniß weniger Spuren von Salzsäure, Schwefelsäure und Kalktheilen, als das Wasser aus den Brunnen von Triest. Dieses bezeugen die Unterzeichneten zur Steuer der Wahrheit, und schließen dieses Protokoll.
Triest, den 27 Februar 1840
Joseph Dr. Dolnitscher, mp. Stadtphysikus. L. Napoli, mp. Vorsteher des pharmaceutischen Gremiums. F. H. Rondolini, mp. Vorstehers Adjunct. Barth. Dr. Biasoletto, mp. Mitglied des pharmaceutischen Vereins. Gratis.
Gesehen für die Legalisation der Unterschriften des Hrn. Dr. Joseph Dolnitscher, Stadtphysikus; Luigi Napoli, Vorsteher des pharmaceutischen Gremiums; F. H. Rondolini, Vorstehers Adjuncten und Dr. Barth. Biasoletto, Mitglied des besagten Gremiums.
Vom k. k. polit. ökon. Stadtmagistrat. – Triest, den 8 März 1840
Muzio Joseph Tommasini, mp. Präses.
Für gleichlautende Abschrift. – Triest, den 8 März 1840
Luigi Koller, mp. Registrator und Expeditor.
Wegen Unterhandlungen und weitern Auskünften beliebe man sich an den Erfinder selbst in Grätz, oder an Hrn. J. Walland, Director der Gesellschaft zur Ausfuhr innerösterreichischer Erzeugnisse in Triest, zu wenden.
[1065-66]
Einzahlung zum Hüttensteinacher Eisenwerk.
Der unterzeichnete Verwaltungs-Ausschuß benachrichtigt hiemit die verehrlichen Mitglieder der Hüttensteinacher Eisenwerks-Gesellschaft, daß nunmehr die zweite Nachzahlung auf die emittirten Hauptactien stattfinden solle.
Dieselben werden demnach unter Bezugnahme auf das in §. X der Statuten enthaltene Präjudiz ersucht, die treffenden Beträge (50 fl. pr. Actie) nebst dem Interimsschein behufs der Quittirung
spätestens bis zum 24 April d. J.
an Hrn. Bankier Leonhard Kalb dahier portofrei einzusenden.
Nürnberg, den 20 März 1840
Der Verwaltungs-Ausschuß der Hüttensteinacher Eisenwerks-Gesellschaft.
J. Schnerr. C. Zinn. E. Schmidmer. G. Oye. S. Frhr. v. Tucher.
[922-24]
Kundmachung.
Es wird die im Königreich Böhmen, und zwar im südlichen Theile des Czaslauer Kreises an der Gränze von Mähren, gelegene Herrschaft Schrittens oder Karlswald, auch Stecken genannt, in welchem letzten Orte eine Poststation, 24 Meilen von Wien und 18 Meilen von Prag entfernt, befindlich ist, nebst den mit ihr verbundenen Gütern, welche zusammengenommen ein wohl arrondirtes Ganzes bilden, einen Umfang von 12 Stunden haben, und gerichtlich um 499,910 fl. 9 5/1 kr. in Convent.-Mze. abgeschätzt sind, im Executionswege verkauft werden, wozu von Seiten des hochlöbl. k. k. böhm. Landrechts, als Real-Instanz, drei Licitations-Termine, und zwar der erste auf den 17 Junius, der zweite auf den 22 Julius, und der dritte auf den 19 August d. J. mit dem Beisatze angeordnet worden sind, daß diese Herrschaft erst bei dem dritten Termine auch unter dem Schätzungswerthe losgeschlagen werden wird.
Das von jedem Mit-Licitanten, baar oder in Staatspapieren, nach dem Curs, zu erlegende Vadium beträgt 40,000 fl. in Conv.-Mze.; die übrigen Kaufsbedingnisse sind in den Wiener und Prager Zeitungen bekannt gemacht worden, und die gerichtliche Abschätzung kann entweder bei dem hochlöbl. k. k. böhm. Landrecht, oder bei dem Großhändler Hrn. Moriz Zdekauer in Prag, oder endlich in Wien in der Sequestrations-Kanzlei, Seitenstettergasse, Nr. 195 im ersten Stocke, beliebig eingesehen werden. – Prag, im Februar 1840
[926-27]
Bekanntmachung.
In der Debitsache des Handelsmanns Nikolaus Auvera dahier werden die dem Gerichte unbekannten Gläubiger desselben hiemit öffentlich vorgeladen, ihre Forderungen am
Mittwoch den 15 April l. J.,
Vormittags 9 Uhr,
im dießgerichtlichen Commissionszimmer Nr. 2 anzumelden und geltend zu machen, sofort die Zahlungsvorschläge des Gemeinschuldners zu hören, und sich hierüber oder über ihre anderweitigen Anträge um so gewisser zu erklären, als man auf ihre spätern Anmeldungen und Anträge bei gütlicher Schlichtung dieses Debitwesens keine Rücksicht mehr nehmen könnte.
Würzburg, den 4 März 1840
Königliches Kreis- und Stadtgericht.
A. D.
Schneider.
Trabert.
[1061-63]
Verkauf einer Apotheke
in der Oberamtsstadt Biberach im Königreich Würtemberg.
Die Wittwe des kürzlich gestorbenen Apothekers Zinck hat zum Verkauf ihrer Apotheke im öffentlichen Aufstreich
Donnerstag den 9 April d. J.,
Vormittags 9 Uhr,
bestimmt.
Das erst vor zwei Jahren bis auf den vordern Theil des Erdgeschoßes ganz neu und größtentheils massiv gebaute, geräumige und zu einer Apotheke zweckmäßig eingerichtete Gebäude, liegt in der Mitte der Stadt auf dem Marktplatze, gegen welchen die Façade gerichtet, und das von drei Seiten frei ist.
Dasselbe enthält: unter der Erde zwei gewölbte Keller und einen Vorkeller; in der untern Etage: die helle, geräumige und theilweise neu eingerichtete Apotheke, neben derselben ein heizbares gewölbtes Schreibzimmer, ein weiteres Gelaß, das gewölbte, mit einem laufenden Brunnen versehene Laboratorium, und einen gewölbten Holzstall; in der Belletage: fünf heizbare tapezirte Zimmer, eine Küche, eine Speise und eine weitere Kammer; im dritten Stockwerke: vier heizbare Zimmer, wovon drei tapezirt, eine Küche, eine Speise und die Materialienkammer; unter dem Dache: drei Kräuterkammern, und einen besondern Boden zum Trocknen der Kräuter.
Dazu gehört ein, nur durch die Radgasse getrennter, mit einer Mauer ganz geschlossener Hof, worin sich zwei Nebengebäude befinden deren eines die Waschküche und zwei Destillirapparate, und das andere Holz-, Geflügel- und Kohlenställe nebst zwei Bühnen enthält, mit einem Pump-Brunnen.
Die gut und vollständig eingerichtete Apotheke ist mit guten und dem Geschäfte angemessenen Waarenvorräthen versehen, sie hatte seit vielen Jahren bis auf die jetzige Zeit einen bedeutenden
Absatz, der auch für die Zukunft gesichert ist, da die hiesige Oberamtsstadt, in welcher vier Aerzte sind, mit Einschluß der acht Filialorte 6500, und der ganze Oberamtsbezirk 26,500 Einwohner hat, in ersterer nur eine weitere und auf dem Lande gleichfalls nur eine – drei Stunden von hier entfernte Apotheke sich befindet; überdieß hat die hiesige Stadt neben vier Jahr- auch bedeutende Frucht- und Viehmärkte in jeder Woche, – mehrere Orte benachbarter Oberämter stehen mit derselben, als nur 1 bis 2 Stunden entfernt, in starkem Verkehr, und es herrscht im Allgemeinen in dieser Gegend viel Wohlstand.
Zu dem Verkaufe dieses, nach Lage, Einrichtung und bisherigem Betriebe sehr vortheilhaften Anwesens werden nun die Kaufsliebhaber, Auswärtige mit obrigkeitlich beglaubigten Vermögenszeugnissen versehen, mit dem Bemerken eingeladen, daß die Zahlungs- und übrigen Bedingungen billig gestellt sind, und daß, wenn ein annehmbarer Preis erlöst wird, keine weitere Versteigerung, sondern sogleich die Ratification erfolgen würde, indem die Besitzerin nächste Ostern das ganze Geschäft abzugeben wünscht.
Den 21 März 1840
Louise Zinck, geborne Rau.
[1032]
Stuttgart. In Unterzeichneter ist erschienen und in allen guten Buchhandlungen vorräthig:
Pantheon
auserlesener Erzählungen des Auslandes.
Mit einem Vorworte
von Albert Knapp.
In sechs Bänden.
Subscriptionspreis jedes Bandes von 12-14 Bogen in dem beliebten Schillerformat auf feinstem Velinpapier à 27 kr. rhein. oder 6 gGr. sächs.
Inhalt des ersten Bandes:
Schwarzes Herz, weiße Haut. Nach dem Französischen des Verfassers der „Eisenbahn.“ – Die Entsagung. Von Mrs. Sherwood. Nach der zwei und zwanzigsten Auflage des Englischen.
Freunden einer edlen und unterhaltenden Lecture, besonders solchen, welche durch Grace Kennedy's Erzählungen sich angezogen gefühlt haben, wird hier ein noch weit herrlicher duftender Blumenkranz, gewunden aus den lieblichsten Blüthen der ausländischen Litteraturen – eine ausgezeichnete Sammlung bisher unübersetzter Erzählungen dargeboten. Hauptsächlich enthält: das Pantheon treffliche Erzeugnisse des geistesverwandten Englands, und unter diesen mehr als eines, das im Mutterlande über zwanzig Auflagen erlebt hat und in Deutschland noch unbekannt ist! Die deutsche Bearbeitung ist mit feinem Geschmacke und musterhafter Sorgfalt vollzogen, und für die Gediegenheit des Ganzen bürgt schon der Name des bevorwortenden Dichters. Auf eine große Theilnahme rechnend, setzen wir den Subscriptionspreis für den Band von 12-14 Bogen, in elegantem Umschlag, nur auf 27 kr. oder 6 gGr.; nach Erscheinung des dritten Bandes aber tritt ein erhöhter Ladenpreis ein. Alle sechs Wochen wird ein Band ausgegeben, so daß die ganze Sammlung noch in diesem Jahre in die Hände der geehrten Subscribenten kommt.
Diejenigen, welche dieses werthvolle Werk zu verbreiten suchen, erhalten von jeder guten Buchhandlung auf zehn ein Frei-Exemplar.
Chr. Belser'sche Buchhandlung.
[1089]
Bei J. A. Mayer in Aachen ist so eben erschienen und in allen Buchhandlungen vorräthig:
Hollands romantische Geschichte.
Erzählt
von J. van Lennep.
Aus dem Holländischen übersetzt
von I. F. H. Lerz.
Erste Abtheilung.
Auch unter dem Titel:
Die Caninefaten.
Ein historischer Roman.
8. 2 Bde. eleg. geh. Preis 1 1/2 Thlr. oder 2 fl. 42 kr.
Von dem geistreichen Verfasser des Pflegesohns und der Rose von Dekama läßt sich nur etwas Interessantes erwarten. Das vorliegende Werk, in welchem auf die anziehendste Weise Stoffe aus der ältern Geschichte Hollands in Romanform bearbeitet sind, reiht sich an die besten Schilderungen der Art von Walter Scott, und kann nur den Ruhm des Dichters, auf den Holland mit Recht stolz ist, vermehren. Vorliegende beide Theile, welche in sich abgeschlossen sind, enthalten eine Erzählung, welche durch die Reichhaltigkeit und Eigenthümlichkeit der Charaktere und Schilderungen das Interesse aller gebildeten Leser fesseln wird. Zwei andere Bände folgen bald nach. Die Billigkeit des Preises wird diesem schönen Werke noch größern Eingang verschaffen.
[4399-4414]
Der Gasthof
zur Königin von England,
der Schiffbrücke vis-à-vis in Pesth,
erfreut sich seit dessen Eröffnung des Besuches hoher ausgezeichneter Gäste.
Allen resp. Reisenden empfehle ich mein Haus mit der aufrichtigsten Versicherung, daß ich es mir zur strengsten Pflicht mache, mir durch Billigkeit und Zuvorkommen in jeder Hinsicht das Vertrauen, fernern Besuch und weitere Anempfehlung zuzusichern.
Joh. Bartl.
[1076]
Vacante Lehrerstellen.
Gemäß dem vom großen Rath am 26 Hornung 1840erlassenen Gesetze über das Schullehrer-Seminar des Kantons Zürich werd n die drei ordentlichen Lehrstellen an dieser Anstalt zur Bewerbung ausgeschrieben. Die Stundenzahl der Fächer, für welche die Bewerber nach Maaßgabe ihrer Neigung und Befähigung sich melden können, ist vorläufig so bestimmt: Religion 11 Stunden; deutsche Sprache und Litteratur 15; französische Sprache 18; Mathematik 22; Geschichte 8; Geographie 8; Naturkunde 8; Schreiben und Zeichnen 17; Gesang 12. – Die ordentlichen Lehrer haben 22 bis 27 wöchentliche Lehrstunden zu übernehmen. Ferner sind sie verpflichtet, die für Wiederholungscurse erforderlichen Lehrstunden in ihren Fächern zu geben, und an der Leitung der praktischen Uebungen der Zöglinge im Schulhalten und der Beaufsichtigung derselben in und außer dem Convicte Theil zu nehmen. Einer aus ihnen, den der Erziehungsrath hiefür bezeichnen wird, ist in Fällen von Krankheit oder Abwesenheit des Directors der gesetzliche Stellvertreter desselben. Für diese Leistungen bezieht jeder der Lehrer, nach Maaßgabe der übertragenen Lehrstunden einen Jahresgehalt von 1200 bis 1400 Franken und für jeden stattfindenden Wiederholungscurs eine besondere Entschädigung.
Die Bewerber um diese Stellen müssen evangelischer Confession, und wenn sie den Religionsunterricht übernehmen wollen, Mitglieder der Züricher'schen Geistlichkeit seyn. Sie haben eine Probelection zu halten und erforderlichen Falls auch eine Prüfung zu bestehen. Reisekosten werden jedoch nicht vergütet. Die schriftlichen Anmeldungen, denen ein Bericht und Zeugnisse über bisherige Studien und Leistungen beizulegen sind, müssen bis spätestens
am 17 April
an den Präsidenten des Erziehungsrathes, Hrn. Regierungsrath Dr. Ferdinand Meyer, eingesandt werden.
Zürich, den 18 März 1840
Vor dem Erziehungsrathe.
Die Kanzlei.
[874.76]
Bekanntmachung.
Veranlaßt durch die vielseitigen Anfragen, ergreifen wir diesen Weg, um zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, daß alle durch unsere Vermittlung gehenden Waaren gegen die Gefahren der Reise nach und von allen Uferplätzen des Bodensees nach den Bestimmungen der Azienda Assicuratrice in Triest versichert sind. Die Assecuranz für die Land- gleichwie für die Wasserrouten auf dem Rhein, dem Neckar und der Donau, ab- wie aufwärts, wird ebenfalls, aber nur auf besonderes Verlangen, besorgt.
Indem wir bei Ertheilung der Avise um jedesmalige gefällige Angabe des Werthes der Colli höflichst bitten, halten wir uns zu geneigten Speditions-Aufträgen angelegentlichst empfohlen.
Friedrichshafen und Mannheim,
den 7 März 1840
J. P. Lanz & Comp.
[885-86]
Guts-Verkauf.
In einer sehr freundlichen Gegend des bayerischen Oberlandes, nahe an einer gewerbsamen Provincialstadt gelegen, ist ein im besten Zustande befindliches Gut, aus einem solid gebauten Hauptgebäude mit 8 heizbaren Zimmern etc., einem Oekonomiegebäude, nebst für Dienstboten nöthigen Zimmern, mit laufendem Wasser versehene Waschküche, und Stallung für 6 Kühe, einem Heustadel nebst Wagenremise, bestehend, aus freier Hand zu verkaufen.
Das Ganze ist schön arrondirt, von einem Obst- und Gemüsegarten, in welchem ein Springbrunnen ist, und von 10 Tagwerken Wiesgründen eingeschlossen, so wie von einem hiezu gehörigen Hügel begränzt, welcher die herrlichste Aussicht in das nahe Gebirge darbietet. Die Hälfte des Kaufschillings kann zu 3 1/2 Proc. als erste Hypothek auf dem Anwesen versichert bleiben.
Näheres auf frankirte Briefe, abzugeben im Eckhause der Schönfeld- und Königen-Straße Nr. 4, über eine Stiege, in München.