München. (Fortsetzung der Verhandlungen über den Rechenschaftsbericht.) Freiherr v. Thon-Dittmer fuhr fort: „Der Bestimmung der Verfassungsurkunde, auf welche hier so viel Gewicht gelegt wird, stehen auch andere entgegen, die bei weitem schlagender das bestrittene Recht der Stände des Reichs beweisen. Der Eingang unserer Verfassung nämlich beruft eine Standschaft, hervorgehend aus allen Classen der im Staat ansässigen Staatsbürger mit den Rechten des Beiraths, der Zustimmung, der Willigung, Wünsche und Beschwerdeführung. Das Correlat eines jeden Rechts ist aber eine Verpflichtung, hier der Regierung den Ständen gegenüber. Nicht minder sagt die Verfassungsurkunde in dem ersten ihrer Paragraphen, der vom Staatsgut handelt: „der ganze Umfang des Königreichs bildet eine untheilbare, unveräußerliche Gesammtmasse aus sämmtlichen Bestandtheilen, an Landen, Leuten, Herrschaften, Gütern, Regalien und Renten.“ Auch in dieser Unveräußerlichkeit der Renten liegt mit die Anerkenntniß, daß, wenn veräußert oder verwendet werden wolle, dieses nur mit Zustimmung der Stände geschehen könne, sey es in Form von Erübrigungen oder eben erhobener Einnahmen. Wohl fühlend, daß die gesetzliche Begründung der gegentheiligen Ansicht nicht stichhaltig sey, hat man indeß an das Gefühl appellirt, die Staatsklugheit herausgefordert, und gesagt, es sey nicht gut, Controversen über Lebens- und Staatsfragen in das ständische Leben hereinzuziehen, sie erschüttern die Festigkeit des Staatshaushalts; man hat von Zerwürfnissen gesprochen, welche eingepflanzt, von Spaltungen, die hervorgerufen würden, des bayerischen Namens unwürdig! Doch ich frage, wer hat sie geschaffen, wer hervorgerufen? Etwa die Stände, die seit dem Jahr 1819 auf demselben Boden blieben, oder die Regierung, die im Jahr 1837 diesen historischen Boden verlassen und eine Doctrin eingeführt, die mit Recht das ganze Land, und insbesondere die Stände des Reichs mit tiefem Schmerz erfüllt hat? Die Stände, hat man ferner gesagt, seyen nicht im Stande, die Bedürfnisse des Landes zu bemessen, man solle ihnen nicht Rechte einräumen, deren Ausübung sie nicht erfassen können. Und doch sollen die Stände Steuern bewilligen, und zwar auf erkanntes Bedürfniß. Das Recht der Steuerbewilligung zwar hat man nie in Frage zu stellen versucht, denn der Buchstabe ist klar; dieses Recht ist vielmehr von allen Seiten bisher als unbestrittbar erkannt worden, weil man es nicht anders erkennen konnte. Wenn man weiter von der Macht des Geistes gesprochen, der die Welt regiert, und vor dem man nicht genug warnen könne, so weiß ich nicht, welcher Geist damit gemeint ist. Ist es aber der Geist eines vernünftigen, zeitgemäßen Fortschreitens, jener Geist, der immer auf der gesetzlichen Bahn sich bewegt, und auch nimmermehr aufzuhalten seyn wird, dann möchte ich in die Warnung nicht einstimmen, ich möchte vielmehr wünschen, daß dieser Geist recht allgemein walten möchte; Zerwürfnisse keinerlei Art würden dann mehr laut werden. Warnt man dagegen vor dem Geist des finstern Rückschrittes, der wieder heraufbeschwören möchte, was längst in das Reich der Vergessenheit versunken, dann stimme ich in die Warnung ein, glaube jedoch, es werde nicht gelingen, diesem finstern Geiste wieder Leben und Odem zu verschaffen. Man hat endlich auf das Vertrauen provocirt und gemeint, das Vertrauen in die Regierung solle sich auch hier bethätigen. Ich glaube, daß die Stände des Reichs es nie an solch' ehrenhaftem Vertrauen haben fehlen lassen. Zu keiner Zeit, glaube ich, hat die Krone sich verrechnet, wenn sie auf das Vertrauen ihrer treuen Bürger volle Rechnung machte. Allein ich wiederhole, das Vertrauen muß ein gegenseitiges seyn, denn ohne Gegenseitigkeit hat kein Vertrauen der Welt irgend einen Haltpunkt. Ich frage aber Alle, ich frage die Minister am Ministertische, wo die Regierung den Ständen mit Vertrauen entgegengekommen? In dieser Beziehung muß ich erinnern an die Ereignisse der jüngsten Zeit, ich muß abermals an die Decimirung der Kammer von 1840erinnern, und fragen, ob darin ein Beweis des Vertrauens lag. Ich muß erinnern an die Aengstlichkeit, mit der alle Zugeständnisse und Erklärungen in Clauseln eingehüllt und in Verwahrungen eingewickelt werden, gleich als rüste man sich gegen einen äußern Feind. Ich muß erinnern an die bei jeder Gelegenheit erfolgenden Zurückweisungen der ständischen Rechte auf die engsten Gränzen, und sollte auch die Zurückweisung bis unter Null jedes Rechts gehen. Ich muß nicht minder mahnen an das stete Vorhalten eines über dem Bereiche der Berathung stehenen Bildes, eines ehrfurchtgebietenden Namens, der nicht in die Debatte gezogen werden sollte. Eines solchen indirecten Zwanges bedurften die Stände Bayerns nicht, denn sie werden fest im Herzen halten die treue Anhänglichkeit an den Thron, sie werden nimmermehr vergessen die wahren Bedürfnisse des Landes, und auch ohne diese stete Mahnung werden sie dieselben anerkennen und billigen Forderungen der Regierung zustimmen. Ich verweise endlich auf die dringende Eile, mit der man sich der Stände zu entledigen sucht, und frage jeden, welches Gefühl in ihm dieß hervorgerufen hat? Ich frage, ob es nicht besser wäre, die Fragen, die uns so lebhaft beschäftigen, durch und durch zu erledigen und
gründlich erschöpfen zu können, als daß man uns mit Sturmeseile von einem Gegenstande zum andern jagt. Wahrlich, nicht gut ist es, wenn Regierung und Stände ihr kaltes Recht einander vorwägend sich gegenüber treten, wenn sie ängstlich, wie zwei feindliche Nachbarn, ihre Gränzen mit Pflöcken und Steinen abmarken und versichern. Bei weitem besser ist es, wenn sie Hand in Hand den Weg der freundlichen Verständigung gehen, und so das eine Ziel verfolgen, das ihnen ja doch gleich sehr am Herzen liegt. Wenn die Stände und die Regierung am Ende doch Eines wollen, warum gehen sie nicht Hand in Hand neben einander, warum ein schroffes Entgegentreten, warum ein Verkümmern der Rechte, die gemeinsam geübt gewiß Niemanden beeinträchtigen? Gedenkt man aber auch der praktischen Folgen jener Theorie, so ist unausbleiblich, daß alles Vertrauen in die Richtigkeit des Budgets zu Grunde geht, daß man überall künstliche Erübrigungen wie Gespenster sieht, und daß man keiner Einnahms- und Ausgabsposition mehr ein Vertrauen schenken zu können glaubt. Eine weitere Folge ist, daß wenn der Anhaltspunkt fehlt, auch die wahre Basis verrückt und kein Gebäude mehr auf diesem wankenden Grundsystem aufgeführt werden kann; denn wo kein wohlbemessenes, durch gemeinsame Verständigung herbeigeführtes Budget vorangeht, kann unmöglich eine Steuerbewilligung darauf begründet werden. – Im engsten Verbande stehen die beiden §§. 3 und 4 des VIIten Titels unsers Grundgesetzes über die Steuerbewilligung; nicht ohne Grund sagt die Verfassung in diesem §. 3: „Der König erholt die Zustimmung der Stände zur Erhebung aller directen Steuern, so wie zur Erhebung neuer indirecten Auflagen, oder zur Erhöhung oder Veränderung der bestehenden,“ dann im §. 4: „Den Ständen wird daher nach ihrer Eröffnung die genaue Uebersicht des Staatsbedürfnisses, so wie der gesammten Staatseinnahmen (Budget) vorgelegt werden, welche dieselbe durch einen Ausschuß prüfen, und sodann über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten.“ Dieses daher ist ein kleines Wörtchen, aber nicht ohne Bedeutung, es bildet die Basis, die Grundlage, auf der fortgebaut werden muß. – Eine andere traurige Folge jener Theorie ist, daß am Ende zu dem Rechte der Stände, die Steurn zu bewilligen oder nicht, geschritten wird, woraus wieder folgt, daß die Erübrigungen verschwinden, und die Interessen des Landes verkümmert werden; den Ständen kann aber wahrlich nicht darum zu thun seyn, der Regierung die Steuern vorzuenthalten, und die materiellen und geistigen Interessen des Landes verwahrlost zu sehen: eben so wenig liegt dieß im Interesse und Wunsche der Regierung. Unser Haushalt ist ein geordneter; er möge es bleiben, nicht erschüttert werden durch gewaltsam herbeigeführte Vorenthaltung der für dessen Erhaltung unausweichlichen Bedürfnisse. – Die Anträge selbst anbelangend, wünscht der Ausschuß, daß eine Verwahrung in das Protokoll niedergelegt werde, der Hr. Abgeordnete der Stadt Nürnberg dagegen hält dafür, daß diese Verwahrung nicht genüge, sondern er will, daß der Rechnung pro 1837/38 die Anerkennung zu versagen sey. Ich gestehe dabei offen, daß ich mich der letztern Modification nicht anschließe. Ich glaube nicht, daß man auf dem gesetzlichen Boden bleibt, wenn man einer Rechnung die Anerkennung versagt, gegen deren formellen und materiellen Inhalt sich nichts erinnern läßt; ich glaube, man würde hiebei die allein richtige Basis der Gesetzlichkeit verlassen, um so mehr, als gerade jene Position, welche eine Verwahrung oder ein rechnungsmäßiges Reservat rechtfertigen würde, ein solches Recht nicht implicirt. Die Stände sind nicht der oberste Rechnungshof, sie haben nur über die Rechnungen ihre Erinnerungen abzugeben, und das Recht, darauf zu dringen, daß die dadurch provocirten Beschwerden gehoben, und die veranlassenden Beamten zur Verantwortung gezogen werden. Wenn aber ein Fall zu solchem Einschreiten nicht vorliegt, so ist auch kein Grund gegeben, den Rechnungsresultaten die Zustimmung zu versagen. Noch weniger scheint mir aber rechnungsmäßig richtig der Antrag, daß man die Anerkennung der Rechnungen vertagen soll. Was soll dieser Antrag? Die Kammer vom Jahre 1837 hat die Principienfrage ohnehin auf die gegenwärtige Kammer vertagt, soll nun diese sie wieder auf 3 Jahre vertagen, und auf die Ständeversammlung von 1843 hinüberwälzen? Nein, entschieden müssen wir uns aussprechen, entschieden unsere Verwahrung niederlegen, und unsere Ansicht erklären, wir müssen das Terrain wahren, das uns gegeben, bis die Zeit kommt, wo es praktische Bedeutung gewinnt. Ich stimme daher für den Antrag des Ausschusses, daß diese Verwahrung mit Entschiedenheit in das Protokoll niedergelegt werde; ich stimme dafür, und schließe mit der Hoffnung, daß die hohe Regierung den Ständen freundlich entgegenkomme, daß sie von jener Theorie abgehe, die nimmermehr zum Guten führt, und daß sie nicht die Ständeversammlung von 1843 in die unangenehme Nothwendigkeit versetzen möge, dieser Verwahrung eine praktische Bedeutung zu geben“
Hr. Enke schloß sich der Ansicht der HH. Schwindl und Bestelmeyer nicht an. Bei dem Gesetzesentwurf, die Vollendung des Bibliothek- und Archivgebäudes dahier betreffend, seyen die Staatsminister des Innern und der Finanzen ganz loyal und ächt constitutionell den Ständen gegenüber getreten, und haben nachgewiesen, wie dringend nothwendig die Vollendung dieses Gebäudes gewesen sey, und daß nur dieses sie bewogen, die Verantwortlichkeit deßhalb den Ständen gegenüber zu übernehmen. Dieses sey gewiß eine erfreuliche Erscheinung, wenn gleich der Nation darin das bedeutende Opfer von 650,000 fl. angemuthet worden – eine erfreuliche Erscheinung darum, weil daraus zu ersehen, daß die Grundsätze der Staatsregierung jetzt andere seyen, als sie im Jahr 1837 gewesen. Diese 650,000 fl. seyen aus den Erübrigungen zu dem Baue verwendet worden; indem nun die Minister kommen, und von den Ständen des Reichs deren Zustimmung verlangen, so gestehen sie ja eo ipso zu, daß den Ständen ein Zustimmungsrecht zu der Verwendung der Erübrigungen zukomme. Deßhalb ziehe er den Antrag des Ausschusses auf Einlegung der Verwahrung der ständischen Rechte vor.
Zur Rechtfertigung gegen die Aeußerungen des Freiherrn v. Thon-Dittmer resumirte Frhr. v. Freiberg sein früheres Votum.
Dr. Schwindl erklärte sich in einem ausführlichen Vortrage unbedingt für das vorgelegte Amendement des Hrn. Bestelmeyer.
(Fortsetzung folgt.)
Karlsruhe, 6 April. In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurde der Titel XX des Strafgesetzes von falscher Beschuldigung, Verleumdung und Ehrenkränkung zur Berathung ausgesetzt. Bei diesem Titel zeigen sich viele Schwierigkeiten. Kein anderer Titel erlitt in der Commission so viele Veränderungen, und es scheint, daß auch die Kammer hier mehr, als bei andern Titeln, Neues beschließen werde. Wenigstens die heutige Sitzung hat damit angefangen. Und doch scheint wahrlich kein anderer Titel weniger dazu geeignet, solche Improvisationen einer Ständekammer zu ertragen, wenn nicht die Einheit des Systems des Titels Noth leiden soll.
Der Titel behandelt zuerst die falschen Beschuldigungen vor der Obrigkeit. Der §. 259 bedroht sie mit Geldstrafe, Gefängniß oder Arbeitshaus bis zu zwei Jahren, sobald der Beschuldiger die bei der Obrigkeit angezeigte strafbare That nicht erweisen, noch auch glaubhaft machen darf, daß er sie für wahr gehalten habe. Welcker schlug vor, die eigentlich falsche Beschuldigung, wie sie hier bedroht sey, nur da anzunehmen, wo sich ergebe, daß der Beschuldiger die behauptete Thatsache selbst erdichtet, oder überhaupt die Anzeige wissentlich falsch gemacht habe, die bloß unerweislichen Beschuldigungen aber geringer zu bestrafen. Aschbach hielt die im Entwurf gedrohte Strafe für die letztern Fälle, die er muthwillige Beschuldigungen nannte, passend, und schlug für die wissentlich falschen Beschuldigungen eine Erhöhung des Strafmaaßes vor. Nach langen Debatten wurde aber auf den Antrag des Vicekanzlers Bekk beschlossen, daß die unerwiesene Beschuldigung, wenn der Beschuldiger nicht glaubhaft mache, daß er sie für wahr gehalten, mit Geld oder Gefängniß, dagegen wenn sie wissentlich falsch geschah, mit Gefängniß oder Arbeitshaus bis zu zwei Jahren bestraft werde.
Der Abg. Christ zog sodann gegen den ganzen Titel zu Felde, er sey zu doctrinell gefaßt und enthalte eine wahre Casuistik. Das Gesetz soll überall nur wenig bestimmen und die Entwicklung der Doctrin überlassen. Es sey nicht möglich, Ehrenkränkungen zu definiren, oder gar Abstufungen und Unterscheidungen zu machen. Das Leben habe keine Begriffe; Begriffsbestimmungen passen daher auf die Fälle in der Anwendung nicht. Geheimrath Duttlinger nennt diese Ausführungen Gemeinplätze, die wahr oder nicht wahr seyen, je nachdem man einen Sinn damit verbinde. Mördes: mit solchen allgemeinen Kritiken sey nichts gesagt, Christ hätte angeben und nachweisen sollen, bei welchen einzelnen Bestimmungen
gefehlt sey und wie. Staatsrath Jolly: tadeln ist leicht, besser machen schwer.
Der §. 161 handelt nun von den Verleumdungen, die §§. 263 und 265 von einfachen Ehrenkränkungen, und zwar §. 263 von solchen, welche in der Form, §. 265 aber von jenen, die im Inhalt einer Aeußerung liegen. Merkwürdig ist, daß sich die letztern, wie die Verleumdungen, nur auf Angriffe gegen den sittlichen Werth des Menschen beziehen, daß dagegen Aeußerungen über andere Eigenschaften, über Kenntnisse und Fähigkeiten, selbst wenn sie unwahre Thatsachen enthalten, mit keiner Strafe bedroht werden. Der Unterschied zwischen den materiellen Ehrenkränkungen des §. 265 und den Verleumdungen des §. 261 besteht, wie der Vicekanzler Bekk gegen Sander und Christ nachwies, darin, daß die letztern die Aussage bestimmter Thatsachen voraussetzten, während allgemeine Beschuldigungen, welche nicht circumstanzirt sind, nur in das Gebiet einfacher Ehrenkränkungen fallen. Aber auch nicht jede Aussage bestimmter, strafbarer oder unsittlicher Handlungen soll zum Gebiet der Verleumdungen gehören, sondern nur die grassesten, jene nämlich, welche, wenn die Aussage wahr wäre, den Andern „der öffentlichen Verachtung preisgeben würden.“ Die von Geheimrath Duttlinger, Staatsrath Jolly und Schaaff bekämpfte Ansicht Christs, daß zwischen Ehrenkränkungen und Verleumdungen kein Unterschied zu machen sey, blieb ohne Unterstützung, ebenso Sanders Vorschlag, bei jeder Verleumdung das „wissentlich falsch“ zu fordern. Dagegen wurde beim §. 261 auf Rottecks Vorschlag beschlossen, daß die Aussage öffentlich, oder vor Personen, oder unter Umständen, deren Verhältnisse sie dem Andern ehrenkränkend oder schädlich machen, geschehen seyn müsse. Nach §. 265 a bleibt der Urheber einer beleidigenden Aeußerung oder Handlung straffrei, wenn er darzuthun oder doch glaubhaft zu machen vermag, daß er keine Absicht, zu beleidigen, gehabt habe. Auf Sanders Vorschlag wurde nun beschlossen, daß eine Aeußerung, welche die Merkmale der Verleumdung an sich trüge, auch da, wo die beleidigende Absicht vorhanden ist, doch nur als einfache Ehrenkränkung zu bestrafen sey, wenn der Thäter glaubhaft machen kann, daß er die ausgesagte Thatsache für wahr gehalten habe. Endlich wurde, wie bei der falschen Beschuldigung, je nachdem die Aussag wissentlich falsch gemacht wurde, oder nur nicht erwiesen werden kann, eine Abstufung in der Strafe gemacht, so daß der §. 261 jetzt so lautet: „Wer von Jemandem widerrechtlicherweise bestimmte strafbare oder unsittliche Handlungen, welche, wenn sie wahr wären, den Andern der öffentlichen Verachtung preisgeben würden, öffentlich aussagt, oder von Personen oder unter Umständen, deren Verhältnisse sie, wie er weiß, dem Andern ehrenkränkend oder schädlich machen, soll, wenn er die ausgesagten Handlungen nicht erweisen kann, mit Gefängniß nicht unter 14 Tagen, und wenn die Aussage wissentlich falsch geschah, mit Gefängniß nicht unter vier Wochen oder Arbeitshaus bis zu zwei Jahren bestraft werden. Vermag er glaubhaft zu machen, daß er die ausgesagten Handlungen für wahr gehalten habe, so trifft ihn nur die Strafe der Ehrenkränkung (§. 263).“
Der §. 263 (von den formellen Ehrenkränkungen) lautet: „Wer einen Andern widerrechtlicherweise verächtlich behandelt, oder sich widerrechtlicherweise Scheltworte oder Schimpfreden, oder überhaupt Reden oder Handlungen gegen denselben erlaubt, welche nach herrschender Sitte Volks- oder Standesmeinung als Beschimpfung gelten, soll wegen Ehrenkränkung mit Verweis oder Gefängniß bis zu vier Monaten bestraft werden.“ v. Rotteck schlug vor: das „widerrechtlicherweise“ wegzulassen, da die Verletzung der Ehre des Andern allemal widerrechtlich sey, und dafür die Absicht, zu beleidigen, als ein Erforderniß aufzunehmen. In Bezug auf das letztere bemerkte Geheimrath Duttlinger, daß schon aus der Natur der Handlung die beleidigende Absicht hervorgehe, und für Fälle, wo die Umstände das Gegentheil nachweisen, der §. 265 a schon sorge. Welcker sprach für Beibehaltung der Worte „widerrechtlicherweise“, da Jemand auch zu Handlungen berechtigt seyn könne, welche die Ehre des Andern kränken, z. B. der Vater, der seinen Sohn vor Andern beschämen wolle, um ihn zu züchtigen. v. Rotteck fand in solchen Fällen den Mangel einer beleidigenden Absicht. v. Rottecks Vorschlag ward angenommen. Dagegen wurde Sanders Vorschlag, den Ausdruck „Standesmeinung“ im Artikel wegzulassen, verworfen, indem bei Gleichheit der Stimmen der Präsident entschied.