I. Wanderlieder.
Viele Boten geh'n und gingen
Zwiſchen Erd' und Himmelsluſt,
Solchen Gruß kann keiner bringen,
Als ein Lied aus friſcher Bruſt.
1
Friſche Fahrt.
Laue Luft kommt blau gefloſſen,
Fruͤhling, Fruͤhling ſoll es ſeyn!
Waldwaͤrts Hoͤrnerklang geſchoſſen,
Muth'ger Augen lichter Schein;
Und das Wirren bunt und bunter
Wird ein magiſch wilder Fluß,
In die ſchoͤne Welt hinunter
Lockt dich dieſes Stromes Gruß.
Und ich mag mich nicht bewahren!
Weit von Euch treibt mich der Wind,
Auf dem Strome will ich fahren,
Von dem Glanze ſelig blind!
Tauſend Stimmen lockend ſchlagen,
Hoch Aurora flammend weht,
Fahre zu! ich mag nicht fragen,
Wo die Fahrt zu Ende geht!
1 *
Allgemeines Wandern.
Vom Grund bis zu den Gipfeln,
So weit man ſehen kann,
Jetzt bluͤht's in allen Wipfeln,
Nun geht das Wandern an:
Die Quellen von den Kluͤften,
Die Stroͤm' auf gruͤnem Plan,
Die Lerchen hoch in Luͤften,
Der Dichter friſch voran.
Und die im Thal verderben
In truͤber Sorgen Haft,
Er moͤcht' ſie Alle werben
Zu dieſer Wanderſchaft.
Und von den Bergen nieder
Erſchallt ſein Lied in's Thal,
Und die zerſtreuten Bruͤder
Faßt Heimweh allzumal.
Da wird die Welt ſo munter
Und nimmt die Reiſeſchuh,
Sein Liebchen mitten drunter
Die nickt ihm heimlich zu.
Und uͤber Felſenwaͤnde
Und auf dem gruͤnen Plan
Das wirrt und jauchzt ohn' Ende —
Nun geht das Wandern an!
Der frohe Wandersmann.
Wem Gott will rechte Gunſt erweiſen,
Den ſchickt er in die weite Welt,
Dem will er ſeine Wunder weiſen
In Feld und Wald und Strom und Feld.
Die Traͤgen, die zu Hauſe liegen,
Erquicket nicht das Morgenroth,
Sie wiſſen nur vom Kinderwiegen
Von Sorgen, Laſt und Noth um Brodt.
Die Baͤchlein von den Bergen ſpringen,
Die Lerchen ſchwirren hoch vor Luſt,
Was ſollt' ich nicht mit ihnen ſingen
Aus voller Kehl' und friſcher Bruſt?
Den lieben Gott laß ich nur walten;
Der Baͤchlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd' und Himmel will erhalten,
Hat auch mein' Sach' aufs Beſt' beſtellt!
Im Walde.
Es zog eine Hochzeit den Berg entlang,
Ich hoͤrte die Voͤgel ſchlagen,
Da blitzten viel' Reiter, das Waldhorn klang,
Das war ein luſtiges Jagen!
Und eh' ich's gedacht, war Alles verhallt,
Die Nacht bedecket die Runde,
Nur von den Bergen noch rauſchet der Wald
Und mich ſchauert im Herzensgrunde.
Zwielicht.
Daͤmmrung will die Fluͤgel ſpreiten,
Schaurig ruͤhren ſich die Baͤume,
Wolken zieh'n wie ſchwere Traͤume —
Was will dieſes Grau'n bedeuten?
Haſt ein Reh du, lieb vor andern,
Laß es nicht alleine graſen,
Jaͤger zieh'n im Wald' und blaſen,
Stimmen hin und wieder wandern.
Haſt du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieſer Stunde,
Freundlich wohl mit Aug' und Munde,
Sinnt er Krieg im tuͤck'ſchen Frieden.
Was heut muͤde gehet unter,
Hebt ſich morgen neugeboren.
Manches bleibt in Nacht verloren —
Huͤte dich, bleib' wach und munter!
Nachtwanderer.
I.
Ich wandre durch die ſtille Nacht,
Da ſchleicht der Mond ſo heimlich ſacht
Oft aus der dunklen Wolkenhuͤlle,
Und hin und her im Thal
Erwacht die Nachtigall,
Dann wieder alles grau und ſtille.
O wunderbarer Nachtgeſang:
Von fern im Land der Stroͤme Gang,
Leis Schauern in den dunklen Baͤumen —
Wirr'ſt die Gedanken mir,
Mein irres Singen hier
Iſt wie ein Rufen nur aus Traͤumen.
II.
Er reitet Nachts auf einem braunen Roß,
Er reitet voruͤber an manchem Schloß:
Schlaf' droben, mein Kind, bis der Tag erſcheint,
Die finſtre Nacht iſt des Menſchen Feind!
Er reitet voruͤber an einem Teich,
Da ſtehet ein ſchoͤnes Maͤdchen bleich
Und ſingt, ihr Hemdlein flattert im Wind:
Voruͤber, voruͤber, mir graut vor dem Kind!
Er reitet voruͤber an einem Fluß,
Da ruft ihm der Waſſermann ſeinen Gruß,
Taucht wieder unter dann mit Geſaus,
Und ſtille wird's uͤber dem kuͤhlen Haus.
Wenn Tag und Nacht in verworrenem Streit,
Schon Haͤhne kraͤhen in Doͤrfern weit,
Da ſchauert ſein Roß und wuͤhlet hinab,
Scharret ihm ſchnaubend ſein eigenes Grab.
Die Jäger.
Wir waren ganz herunter.
Da ſprach Diana ein,
Die blickt ſo licht und munter,
Nun geht's zum Wald hinein!
Im Dunkeln Aeuglein funkeln,
Kupido ſchleichet leis,
Die Baͤume heimlich munkeln —
Ich weiß wohl was ich weiß!
Der wandernde Muſikant.
I.
Wandern lieb' ich fuͤr mein Leben,
Lebe eben wie ich kann,
Wollt' ich mir auch Muͤhe geben,
Paßt' es mir doch gar nicht an.
Schoͤne alte Lieder weiß ich,
In der Kaͤlte, ohne Schuh'
Draußen in die Saiten reiß' ich,
Weiß nicht, wo ich Abend's ruh'.
Manche Schoͤne macht wohl Augen,
Meinet, ich gefiel' ihr ſehr,
Wenn ich nur was wollte taugen,
So ein armer Lump nicht waͤr'. —
Mag dir Gott ein'n Mann beſcheeren,
Wohl mit Haus und Hof verſehn!
Wenn wir zwei zuſammen waͤren,
Moͤcht' mein Singen mir vergehn.
II.
Wenn die Sonne lieblich ſchiene
Wie in Waͤlſchland, lau und blau.
Ging' ich mit der Mandoline
Durch die uͤberglaͤnzte Au.
In der Nacht dann Liebchen lauſchte
An dem Fenſter ſuͤß verwacht,
Wuͤnſchte mir und ihr — uns Beiden
Heimlich eine ſchoͤne Nacht.
Wenn die Sonne lieblich ſchiene
Wie in Waͤlſchland, lau und blau,
Ging ich mit der Mandoline
Durch die uͤberglaͤnzte Au.
III.
Ich reiſe uͤber's gruͤne Land,
Der Winter iſt vergangen,
Hab' um den Hals ein guͤlden Band,
Daran die Laute hangen.
Der Morgen thut ein'n rothen Schein,
Den recht mein Herze ſpuͤret,
Da greif ich in die Saiten ein,
Der liebe Gott mich fuͤhret.
So ſilbern geht der Stroͤme Lauf,
Fernuͤber ſchallt Gelaͤute,
Die Seele ruft in ſich: Gluͤck auf!
Rings gruͤßen frohe Leute.
Mein Herz iſt recht von Diamant,
Ein Blum' von Edelſteinen,
Die funkelt luſtig uͤber's Land
In tauſend ſchoͤnen Scheinen.
Vom Schloſſe in die weite Welt
Schaut eine Jungfrau runter,
Der Liebſte ſie im Arme haͤlt,
Die ſeh'n nach mir herunter.
Wie biſt du ſchoͤn! — Hinaus, im Wald
Gehn Waſſer auf und unter,
Im gruͤnen Wald ſing' daß es ſchallt,
Mein Herz, bleib' frei und munter!
Die Sonne uns im Dunklen laͤßt,
Im Meere ſich zu ſpuͤlen,
Da ruh' ich aus vom Tages-Feſt
Fromm in der rothen Kuͤhle.
Hoch fuͤhret durch die ſtille Nacht
Der Mond die goldnen Schaafe,
Den Kreis der Erden Gott bewacht,
Wo ich tief unten ſchlafe.
Wie liegt all' falſche Pracht ſo weit!
Schlaf wohl auf ſtiller Erde,
Gott ſchuͤtz' dein Herz in Ewigkeit,
Daß es nie traurig werde!
IV.
Biſt du manchmal auch verſtimmt,
Druͤck' dich zaͤrtlich an mein Herze,
Daß mir's faſt den Athem nimmt,
Streich' und kneif' in ſuͤßem Scherze,
Wie ein rechter Liebes-Thor,
Lehn' ich ſanft an dich die Wange
Und du ſingſt mir fein ins Ohr.
Wohl im Hofe bei dem Klange
Katze miaut, Hund heult und bellt,
Nachbar ſchimpft mit wilder Miene —
Doch was kuͤmmert uns die Welt,
Suͤße, traute Violine!
V.
Muͤrriſch ſitzen ſie und maulen
Auf den Baͤnken ſtumm und breit,
Gaͤhnend ſtrecken ſich die Faulen,
Und die Kecken ſuchen Streit.
Da komm' ich durch's Dorf geſchritten,
Fernher durch den Abend kuͤhl,
Stell' mich in des Kreiſes Mitten,
Gruͤß' und zieh' mein Geigenſpiel.
Und wie ich den Bogen ſchwenke,
Ziehn die Klaͤnge in der Rund'
Allen recht durch die Gelenke
Bis zum tiefſten Herzensgrund.
Und nun geht's ans Glaͤſerklingen,
An ein Walzen um und um,
Je mehr ich ſtreich', je mehr ſie ſpringen
Keiner fraͤgt erſt lang: warum? —
Jeder will dem Geiger reichen
Nun ſein Scherflein auf die Hand —
Da vergeht ihm gleich ſein Streichen,
Und fort iſt der Muſikant.
Und ſie ſeh'n ihn froͤhlich ſteigen
Nach den Waldeshoͤh'n hinaus,
Hoͤren ihn von fern noch geigen,
Und gehn All' vergnuͤgt nach Haus.
Doch in Waldes gruͤnen Hallen
Raſt' ich dann noch manche Stund',
Nur die fernen Nachtigallen
Schlagen tief aus naͤcht'gem Grund.
Und es rauſcht die Nacht ſo leiſe
Durch die Waldeseinſamkeit,
Und ich ſinn' auf neue Weiſe,
Die der Menſchen Herz erfreut.
VI.
Durch Feld und Buchenhallen,
Bald ſingend, bald froͤhlich ſtill,
Recht luſtig ſey vor allen
Wer's Reiſen waͤhlen will!
Wenn's kaum in Oſten gluͤhte,
Die Welt noch ſtill und weit:
Da weht recht durch's Gemuͤthe
Die ſchoͤne Bluͤthenzeit!
Die Lerch' als Morgenbote
Sich in die Luͤfte ſchwingt,
Eine friſche Reiſenote
Durch Wald und Herz erklingt.
O Luſt, vom Berg zu ſchauen,
Weit uͤber Wald und Strom,
Hoch uͤber ſich den blauen
Tiefklaren Himmelsdom!
Vom Berge Voͤglein fliegen
Und Wolken ſo geſchwind,
Gedanken uͤberfliegen
Die Voͤgel und den Wind.
Die Wolken zieh'n hernieder,
Das Voͤglein ſenkt ſich gleich,
Gedanken gehn und Lieder
Fort bis in's Himmelreich.
Die Zigeunerin.
Am Kreuzweg, da lauſche ich, wenn die Stern'
Und die Feuer im Walde verglommen,
Und wo der erſte Hund bellt von fern,
Da wird mein Braͤut'gam herkommen.
„Und als der Tag graut' durch das Gehoͤlz,
Sah ich eine Katze ſich ſchlingen,
Ich ſchoß ihr auf den nußbraunen Pelz,
Die macht' einmal weite Spruͤnge!“ —
's iſt Schad' nur um's Pelzlein, du kriegſt mich nit!
Mein Schatz muß ſeyn wie die andern:
Braun und ein Stutzbart auf ungriſchen Schnitt
Und ein froͤhliches Herze zum Wandern.
2
Der wandernde Student.
Bei dem angenehmſten Wetter
Singen alle Voͤgelein,
Klatſcht der Regen auf die Blaͤtter,
Sing ich ſo fuͤr mich allein.
Denn mein Aug' kann nichts entdecken;
Wenn der Blitz auch grauſam gluͤht,
Was im Wandeln koͤnnt' erſchrecken
Ein zufriedenes Gemuͤth.
Frei von Mammon will ich ſchreiten
Auf dem Feld der Wiſſenſchaft,
Sinne ernſt und nehm' zu Zeiten
Einen Mund voll Rebenſaft.
Bin ich muͤde vom Studieren,
Wann der Mond tritt ſanft herfuͤr,
Pfleg' ich dann zu muſiziren
Vor der Allerſchoͤnſten Thuͤr.
Der Maler.
Aus Wolken, eh' im naͤcht'gen Land
Erwacht die Kreaturen,
Langt Gottes Hand,
Zieht durch die ſtillen Fluren
Gewaltig die Konturen,
Strom, Wald und Felſenwand.
Wach' auf, wach' auf! die Lerche ruft,
Aurora taucht die Strahlen
Vertraͤumt in Duft,
Beginnt auf Berg und Thalen,
Ringsum ein himmliſch Malen
In Meer und Land und Luft.
Und durch die Stille, Lichtgeſchmuͤckt,
Aus wunderbaren Locken
Ein Engel blickt. —
Da rauſcht der Wald erſchrocken,
Da gehn die Morgenglocken,
Die Gipfel ſtehn verzuͤckt.
O lichte Augen, ernſt und mild,
Ich kann nicht von euch laſſen!
Bald wieder wild
Stuͤrmt's her von Sorg' und Haſſen —
Durch die verworrnen Gaſſen
Fuͤhr mich, mein goͤttlich Bild!
2 *
Der Soldat.
I.
Iſt auch ſchmuck nicht mein Roͤßlein,
So iſt's doch recht klug,
Traͤgt im Finſtern zu 'nem Schloͤßlein
Mich raſch noch genug.
Iſt das Schloß auch nicht praͤchtig:
Zum Garten aus der Thuͤr
Tritt ein Maͤdchen doch allnaͤchtig
Dort freundlich herfuͤr.
Und iſt auch die Kleine
Nicht die Schoͤnſt' auf der Welt,
So giebt's doch juſt Keine
Die mir beſſer gefaͤllt.
Und ſpricht ſie vom Freien:
So ſchwing' ich mich auf mein Roß—
Ich bleibe im Freien
Und ſie auf dem Schloß.
II.
Wagen mußt du und fluͤchtig erbeuten,
Hinter uns ſchon durch die Nacht hoͤr' ich's ſchreiten,
Schwing' auf mein Roß dich nur ſchnell
Und kuͤß' noch im Flug mich, wildſchoͤnes Kind,
Geſchwind,
Denn der Tod iſt ein raſcher Geſell.
Seemann's Abſchied.
Ade, mein Schatz, du mocht'ſt mich nicht,
Ich war dir zu geringe.
Einſt wandelſt du bei Mondenlicht
Und hoͤrſt ein ſuͤßes Klingen,
Ein Meerweib ſingt, die Nacht iſt lau,
Die ſtillen Wolken wandern,
Da denk' an mich, 's iſt meine Frau,
Nun ſuch dir einen andern!
Ade, ihr Landsknecht', Musketier'!
Wir ziehn auf wildem Roſſe,
Das baͤumt und uͤberſchlaͤgt ſich ſchier
Vor manchem Felſenſchloſſe,
Der Waſſermann bei Blitzesſchein
Taucht auf in dunklen Naͤchten,
Der Hayfiſch ſchnappt, die Moͤwen ſchrein —
Das iſt ein luſt'ges Fechten!
Streckt nur auf eurer Baͤrenhaut
Daheim die faulen Glieder,
Gott Vater aus dem Fenſter ſchaut,
Schickt ſeine Suͤndflut wieder,
Feldwebel, Reiter, Musketier
Sie muͤſſen all' erſaufen,
Derweil mit friſchem Winde wir
Im Paradies einlaufen.
Die Spielleute.
Fruͤhmorgens durch die Kluͤfte
Wir blaſen Victoria!
Eine Lerche faͤhrt in die Luͤfte:
„Die Spielleut' ſind ſchon da!“
Da dehnt ein Thurm und reckt ſich
Verſchlafen im Morgengrau,
Wie aus dem Traume ſtreckt ſich
Der Strom durch die ſtille Au,
Und ihre Aeuglein balde
Thun auf die Baͤchlein all',
Im Wald, im gruͤnen Walde
Das iſt ein luſt'ger Schall!
Das iſt ein luſt'ges Reiſen,
Der Eichbaum kuͤhl und friſch
Mit Schatten, wo wir ſpeiſen,
Deckt uns den gruͤnen Tiſch.
Zum Fruͤhſtuͤck muſiziren
Die muntern Voͤgelein,
Der Wald, wenn ſie pauſiren,
Stimmt wunderbar mit ein,
Die Wipfel thut er neigen,
Als geſegnet' er uns das Mahl,
Und zeigt uns zwiſchen den Zweigen
Tief unten das weite Thal.
Tief unten da iſt ein Garten,
Da wohnt eine ſchoͤne Frau,
Wir koͤnnen nicht lange warten,
Durch's Gitterthor wir ſchau'n,
Wo die weißen Statuen ſtehen,
Da iſt's ſo ſtill und kuͤhl,
Die Waſſerkuͤnſte gehen,
Der Flieder duftet ſchwuͤl.
Wir ziehn vorbei und ſingen
In der ſtillen Morgenzeit,
Sie hoͤrt's im Traume klingen,
Wir aber ſind ſchon weit.
Vor der Stadt.
Zwei Muſikanten ziehn daher
Vom Wald aus weiter Ferne,
Der eine iſt verliebt gar ſehr,
Der andre waͤr' es gerne.
Die ſtehn allhier im kalten Wind
Und ſingen ſchoͤn und geigen:
Ob nicht ein ſuͤßvertraͤumtes Kind
Am Fenſter ſich wollt' zeigen?
Dryander mit der Komödianten-Bande.
Mich brennt's an meinen Reiſeſchuh'n,
Fort mit der Zeit zu ſchreiten —
Was wollen wir agiren nun
Vor ſo viel klugen Leuten?
Es hebt das Dach ſich von dem Haus
Und die Kouliſſen ruͤhren
Und ſtrecken ſich zum Himmel raus,
Strom, Waͤlder muſiziren!
Und aus den Wolken langt es ſacht,
Stellt alles durcheinander,
Wie ſich's kein Autor hat gedacht:
Volk, Fuͤrſten und Dryander.
Da gehn die einen muͤde fort,
Die andern nah'n behende,
Das alte Stuͤck, man ſpielt's ſo fort
Und kriegt es nie zu Ende.
Und keiner kennt den letzten Akt
Von allen die da ſpielen,
Nur der da droben ſchlaͤgt den Takt,
Weiß, wo das hin will zielen.
Der verliebte Reiſende.
I.
Da fahr' ich ſtill im Wagen,
Du biſt ſo weit von mir,
Wohin er mich mag tragen,
Ich bleibe doch bei dir.
Da fliegen Waͤlder, Kluͤfte
Und ſchoͤne Thaͤler tief,
Und Lerchen hoch in Luͤften,
Als ob dein' Stimme rief'.
Die Sonne luſtig ſcheinet
Weit uͤber das Revier,
Ich bin ſo froh verweinet
Und ſinge ſtill in mir.
Vom Berge geht's hinunter,
Das Poſthorn ſchallt im Grund,
Mein' Seel' wird mir ſo munter,
Gruͤß' dich aus Herzensgrund!
II.
Ich geh' durch die dunkeln Gaſſen
Und wandre von Haus zu Haus,
Ich kann mich noch immer nicht faſſen,
Sieht alles ſo truͤbe aus.
Da gehen viel Maͤnner und Frauen,
Die alle ſo luſtig ſehn,
Die fahren und lachen und bauen,
Daß mir die Sinne vergehn.
Oft wenn ich blaͤuliche Streifen
Seh' uͤber die Daͤcher fliehn,
Sonnenſchein draußen ſchweifen,
Wolken am Himmel ziehn:
Da treten mitten im Scherze
Die Thraͤnen ins Auge mir,
Denn die mich lieben von Herzen
Sind alle ſo weit von hier.
III.
Lied, mit Thraͤnen halb geſchrieben,
Dorthin uͤber Berg und Kluft,
Wo die Liebſte mein geblieben,
Schwing' dich durch die blaue Luft!
Iſt ſie roth und luſtig, ſage:
Ich ſey krank von Herzensgrund;
Weint ſie Nachts, ſinnt ſtill bei Tage,
Ja dann ſag: ich ſey geſund!
Iſt vorbei ihr treues Lieben,
Nun, ſo end' auch Luſt und Noth,
Und zu allen, die mich lieben,
Fliege, ſage: ich ſey todt!
IV.
Ach Liebchen, dich ließ ich zuruͤcke,
Mein liebes, herziges Kind,
Da lauern viel Menſchen voll Tuͤcke,
Die ſind dir ſo feindlich geſinnt.
Die moͤchten ſo gerne zerſtoͤren
Auf Erden das ſchoͤne Feſt,
Ach koͤnnte das Lieben aufhoͤren,
So moͤgen ſie nehmen den Reſt.
Und alle die gruͤnen Orte,
Wo wir gegangen im Wald,
Die ſind nun wohl anders geworden,
Da iſt's nun ſo ſtill und kalt.
Da ſind nun am kalten Himmel
Viel tauſend Sterne geſtellt,
Es ſcheint ihr goldnes Gewimmel
Weit uͤbers beſchneite Feld.
Mein' Seele iſt ſo beklommen,
Die Gaſſen ſind leer und todt,
Da hab' ich die Laute genommen
Und ſinge in meiner Noth.
Ach waͤr' ich im ſtillen Hafen!
Kalte Winde am Fenſter gehn,
Schlaf ruhig, mein Liebchen, ſchlafe,
Treu' Liebe wird ewig beſtehn!
V.
Gruͤn war die Waide,
Der Himmel blau,
Wir ſaßen beide
Auf glaͤnziger Au.
Sind's Nachtigallen
Wieder, was ruft,
Lerchen, die ſchallen
Aus warmer Luft?
Ich hoͤr' die Lieder,
Fern, ohne dich,
Lenz iſts wohl wieder
Doch nicht fuͤr mich.
VI.
Wolken, Waͤlderwaͤrts gegangen,
Wolken, fliegend uͤber's Haus,
Koͤnnt' ich an euch feſt mich hangen,
Mit euch fliegen weit hinaus!
Taglang durch die Waͤlder ſchweif' ich,
Voll Gedanken ſitz' ich ſtill,
In die Saiten fluͤchtig greif' ich,
Wieder dann auf einmal ſtill.
Schoͤne, ruͤhrende Geſchichten
Fallen ein mir, wo ich ſteh,
Luſtig muß ich ſchreiben, dichten,
Iſt mir ſelber gleich ſo weh.
Manches Lied, das ich geſchrieben
Wohl vor manchem langen Jahr,
Da die Welt vom treuen Lieben
Schoͤn mir uͤberglaͤnzet war.
Find' ich's wieder jetzt voll Bangen:
Werd' ich wunderbar geruͤhrt,
Denn ſo lang iſt das vergangen,
Was mich zu dem Lied verfuͤhrt.
Dieſe Wolken ziehen weiter,
Alle Voͤgel ſind erweckt,
Und die Gegend glaͤnzet heiter,
Weit und froͤhlich aufgedeckt.
Regen fluͤchtig abwaͤrts gehen,
Scheint die Sonne zwiſchendrein,
Und dein Haus, dein Garten ſtehen
Ueber'm Wald im ſtillen Schein.
Doch du harrſt nicht mehr mit Schmerzen,
Wo ſo lang' dein Liebſter ſey —
Und mich toͤdtet noch im Herzen
Dieſer Schmerzen Zauberei.
VII.
Mit meinem Saitenſpiele,
Das ſchoͤn geklungen hat,
Komm' ich durch Laͤnder viele
Zuruͤck in dieſe Stadt.
Ich ziehe durch die Gaſſen,
So finſter iſt die Nacht,
Und alles ſo verlaſſen,
Hatt's anders mir gedacht.
Am Brunnen ſteh ich lange,
Der rauſcht fort, wie vorher,
Kommt mancher wohl gegangen‚
Es kennt mich keiner mehr.
Da hoͤrt' ich geigen, pfeifen,
Die Fenſter glaͤnzten weit,
Dazwiſchen drehn und ſchleifen
Viel' fremde, froͤhliche Leut'.
Und Herz und Sinne mir brannten‚
Mich trieb's in die weite Welt,
Es ſpielten die Muſikanten,
Da fiel ich hin im Feld.
VIII.
Auf einer Burg.
Eingeſchlafen auf der Lauer
Oben iſt der alte Ritter;
Druͤber gehen Regenſchauer,
Und der Wald rauſcht durch das Gitter.
Eingewachſen Bart und Haare,
Und verſteinert Bruſt und Krauſe,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der ſtillen Klauſe.
Draußen iſt es ſtill und friedlich,
Alle ſind in's Thal gezogen,
Waldesvoͤgel einſam ſingen
In den leeren Fenſterbogen.
Eine Hochzeit faͤhrt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenſcheine,
Muſikanten ſpielen munter,
Und die ſchoͤne Braut die weinet.
IX.
Jahrmarkt.
Sind's die Haͤuſer, ſind's die Gaſſen?
Ach, ich weiß nicht, wo ich bin!
Hab' ein Liebchen hier gelaſſen,
Und manch Jahr ging ſeitdem hin.
Aus den Fenſtern ſchoͤne Frauen
Sehn mir freundlich in's Geſicht,
Keine kann ſo friſchlich ſchauen,
Als mein liebes Liebchen ſicht.
An dem Hauſe poch' ich bange —
Doch die Fenſter ſtehen leer,
Ausgezogen iſt ſie lange,
Und es kennt mich keiner mehr.
Und ringsum ein Rufen, Handeln,
Schmucke Waaren, bunter Schein,
Herr'n und Damen gehn und wandeln
Zwiſchendurch in bunten Reih'n.
Zierlich Buͤcken, freundlich Blicken,
Manches fluͤcht'ge Liebeswort,
Haͤndedruͤcken, heimlich Nicken —
Nimmt ſie all' der Strom mit fort.
Und mein Liebchen ſah ich eben
Traurig in dem luſt'gen Schwarm,
Und ein ſchoͤner Herr daneben
Fuͤhrt ſie ſtolz und ernſt am Arm.
Doch verblaßt war Mund und Wange,
Und gebrochen war ihr Blick,
Seltſam ſchaut' ſie ſtumm und lange,
Lange noch auf mich zuruͤck. —
Und es endet Tag und Scherzen,
Durch die Gaſſen pfeift der Wind —
Keiner weiß, wie unſre Herzen
Tief von Schmerz zerriſſen ſind.
X.
In der Fremde.
Ich hoͤr' die Baͤchlein rauſchen
Im Walde her und hin,
Im Walde in dem Rauſchen
Ich weiß nicht, wo ich bin.
Die Nachtigallen ſchlagen
Hier in der Einſamkeit,
Als wollten ſie was ſagen
Von der alten, ſchoͤnen Zeit.
Die Mondesſchimmer fliegen,
Als ſeh' ich unter mir
Das Schloß im Thale liegen,
Und iſt doch ſo weit von hier!
3
Als muͤßte in dem Garten
Voll Roſen weiß und roth,
Meine Liebſte auf mich warten,
Und iſt doch lange todt.
Sehnſucht.
Es ſchienen ſo golden die Sterne,
Am Fenſter ich einſam ſtand
Und hoͤrte aus weiter Ferne
Ein Poſthorn im ſtillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab' ich mir heimlich gedacht:
Ach wer da mitreiſen koͤnnte
In der praͤchtigen Sommernacht!
Zwei junge Geſellen gingen
Voruͤber am Bergeshang,
Ich hoͤrte im Wandern ſie ſingen
Die ſtille Gegend entlang:
Von ſchwindelnden Felſenſchluͤften,
Wo die Waͤlder rauſchen ſo ſacht,
Von Quellen, die von den Kluͤften
Sich ſtuͤrzen in die Waldesnacht.
Sie ſangen von Marmorbildern,
Von Gaͤrten, die uͤber'm Geſtein
In daͤmmernden Lauben verwildern,
Palaͤſten im Mondenſchein,
Wo die Maͤdchen am Fenſter lauſchen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verſchlafen rauſchen
In der praͤchtigen Sommernacht. —
3 *
Abſchied.
O Thaͤler weit, o Hoͤhen,
O ſchoͤner gruͤner Wald,
Du meiner Luſt und Wehen
Andaͤcht'ger Aufenthalt!
Da draußen, ſtets betrogen,
Sauſ't die geſchaͤft'ge Welt,
Schlag' noch einmal die Bogen
Um mich, du gruͤnes Zelt!
Wenn es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Voͤgel luſtig ſchlagen,
Daß dir dein Herz erklingt:
Da mag vergehn, verwehen
Das truͤbe Erdenleid,
Da ſollſt du auferſtehen
In junger Herrlichkeit!
Da ſteht im Wald geſchrieben,
Ein ſtilles, ernſtes Wort
Von rechtem Thun und Lieben,
Und was des Menſchen Hort.
Ich habe treu geleſen
Die Worte ſchlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Weſen
Ward's unausſprechlich klar.
Bald werd' ich dich verlaſſen,
Fremd in der Fremde geh'n,
Auf buntbewegten Gaſſen
Des Lebens Schauſpiel ſehn;
Und mitten in dem Leben
Wird deines Ernſt's Gewalt
Mich Einſamen erheben,
So wird mein Herz nicht alt.
Morgen.
Fliegt der erſte Morgenſtrahl
Durch das ſtille Nebelthal,
Rauſcht erwachend Wald und Huͤgel:
Wer da fliegen kann, nimmt Fluͤgel!
Und ſein Huͤtlein in die Luft
Wirft der Menſch vor Luſt und ruft:
Hat Geſang doch auch noch Schwingen,
Nun ſo will ich froͤhlich ſingen!
Hinaus, o Menſch, weit in die Welt,
Bangt dir das Herz in krankem Muth
Nichts iſt ſo truͤb in Nacht geſtellt,
Der Morgen leicht macht's wieder gut.
Mittagsruh.
Ueber Bergen, Fluß und Thalen,
Stiller Luſt und tiefen Qualen
Webet heimlich, ſchillert, Strahlen!
Sinnend ruht des Tags Gewuͤhle
In der dunkelblauen Schwuͤle,
Und die ewigen Gefuͤhle,
Was dir ſelber unbewußt,
Treten heimlich, groß und leiſe
Aus der Wirrung feſter Gleiſe,
Aus der unbewachten Bruſt,
In die ſtillen, weiten Kreiſe.
Abend.
Schweigt der Menſchen laute Luſt:
Rauſcht die Erde wie in Traͤumen
Wunderbar mit allen Baͤumen,
Was dem Herzen kaum bewußt,
Alte Zeiten, linde Trauer,
Und es ſchweifen leiſe Schauer
Wetterleuchtend durch die Bruſt.
Nacht.
Wie ſchoͤn hier zu vertraͤumen
Die Nacht im ſtillen Wald,
Wenn in den dunklen Baͤumen
Das alte Maͤhrchen hallt.
Die Berg' im Mondesſchimmer
Wie in Gedanken ſtehn,
Und durch verworrne Truͤmmer
Die Quellen klagend gehn.
Denn muͤd ging auf den Matten
Die Schoͤnheit nun zur Ruh,
Es deckt mit kuͤhlen Schatten
Die Nacht das Liebchen zu.
Das iſt das irre Klagen
In ſtiller Waldespracht,
Die Nachtigallen ſchlagen
Von ihr die ganze Nacht.
Die Stern' gehn auf und nieder—
Wann kommſt du, Morgenwind,
Und hebſt die Schatten wieder
Von dem vertraͤumten Kind?
Schon ruͤhrt ſich's in den Baͤumen,
Die Lerche weckt ſie bald —
So will ich treu vertraͤumen
Die Nacht im ſtillen Wald.
Wegweiſer.
„Jetzt mußt du rechts dich ſchlagen,
Schleich' dort und lauſche hier,
Dann ſchnell drauf los im Jagen —
So wird noch was aus dir.“
Dank'! doch durch's Weltgewimmel,
Sagt mir, ihr weiſen Herrn,
Wo geht der Weg zum Himmel?
Das Eine wuͤßt' ich gern.
Täuſchung.
Ich ruhte aus vom Wandern,
Der Mond ging eben auf,
Da ſah ich fern im Lande
Der alten Tiber Lauf,
Im Walde lagen Truͤmmer,
Palaͤſte auf ſtillen Hoͤh'n
Und Gaͤrten im Mondesſchimmer —
O Welſchland, wie biſt du ſchoͤn!
Und als die Nacht vergangen,
Die Erde blitzte ſo weit,
Einen Hirten ſah ich hangen
Am Fels in der Einſamkeit.
Den fragt' ich ganz geblendet:
Komm' ich nach Rom noch heut?
Er dehnt' ſich halbgewendet:
Ihr ſeyd nicht recht geſcheut!
Eine Winzerin lacht' heruͤber,
Man ſah ſie vor Weinlaub kaum,
Mir aber ging's Herze uͤber —
Es war ja alles nur Traum.
Schöne Fremde.
Es rauſchen die Wipfel und ſchauern,
Als machten zu dieſer Stund'
Um die halbverſunkenen Mauern
Die alten Goͤtter die Rund'.
Hier hinter den Myrthenbaͤumen
In heimlich daͤmmernder Pracht,
Was ſprichſt du wirr wie in Traͤumen
Zu mir, phantaſtiſche Nacht?
Es funkeln auf mich alle Sterne
Mit gluͤhendem Liebesblick,
Es redet trunken die Ferne
Wie von kuͤnftigem großen Gluͤck! —
Liebe in der Fremde.
I.
Jeder nennet froh die Seine,
Ich nur ſtehe hier alleine,
Denn was fruͤge wohl die Eine:
Wen der Fremdling eben meine?
Und ſo muß ich, wie im Strome dort die Welle,
Ungehoͤrt verrauſchen an des Fruͤhlings Schwelle.
II.
Wie kuͤhl ſchweift ſich's bei naͤcht'ger Stunde,
Die Zitter treulich in der Hand!
Vom Huͤgel gruͤß ich in die Runde
Den Himmel und das ſtille Land.
Wie iſt da alles ſo verwandelt,
Wo ich ſo froͤhlich war, im Thal.
Im Wald wie ſtill! der Mond nur wandelt
Nun durch den hohen Buchenſaal.
Der Winzer Jauchzen iſt verklungen
Und all der bunte Lebenslauf,
Die Stroͤme nur, im Thal geſchlungen,
Sie blicken manchmal ſilbern auf.
Und Nachtigallen wie aus Traͤumen
Erwachen oft mit ſuͤßem Schall,
Erinnernd ruͤhrt ſich in den Baͤumen,
Ein heimlich Fluͤſtern uͤberall. —
Die Freude kann nicht gleich verklingen,
Und von des Tages Glanz und Luſt
Iſt ſo auch mir ein heimlich Singen
Geblieben in der tiefſten Bruſt.
Und froͤhlich greif ich in die Saiten,
O Maͤdchen jenſeits uͤber'm Fluß,
Du lauſcheſt wohl und hoͤrſt's von weiten
Und kennſt den Saͤnger an dem Gruß!
III.
Ueber die beglaͤnzten Gipfel
Fernher kommt es wie ein Gruͤßen,
Fluͤſternd neigen ſich die Wipfel
Als ob ſie ſich wollten kuͤſſen.
Iſt er doch ſo ſchoͤn und milde!
Stimmen gehen durch die Nacht,
Singen heimlich von dem Bilde —
Ach, ich bin ſo froh verwacht!
Plaudert nicht ſo laut, ihr Quellen!
Wiſſen darf es nicht der Morgen!
In der Mondnacht linde Wellen,
Senk' ich ſtille Gluͤck und Sorgen. —
IV.
Jetzt wandr' ich erſt gern!
Am Fenſter nun lauſchen
Die Maͤdchen, es rauſchen
Die Brunnen von fern.
Aus ſchimmernden Buͤſchen
Ihr Plaudern ſo lieb
Erkenn' ich dazwiſchen,
Ich hoͤre mein Lieb!
Kind huͤt' dich! bei Nacht
Pflegt Amor zu wandern,
Ruft leiſe die andern,
Da ſchreiten erwacht
Die Goͤtter zur Halle
In's Freie hinaus,
Es bringt ſie dir alle
Der Dichter in's Haus.
Wanderſpruͤche.
I.
Es geht wohl anders, als du meinſt,
Derweil du roth und froͤhlich ſcheinſt
Iſt Lenz und Sonnenſchein verflogen,
Die liebe Gegend ſchwarz umzogen;
Und kaum haſt du dich ausgeweint,
Lacht Alles wieder, die Sonne ſcheint —
Es geht wohl anders als man meint.
II.
Herz, in deinen ſonnenhellen
Tagen halt' nicht karg zuruͤck!
Allwaͤrts froͤhliche Geſellen
Trifft der Frohe und ſein Gluͤck.
Sinkt der Stern: alleine wandern
Magſt du bis an's End der Welt —
Bau' du nur auf keinen andern
Als auf Gott, der Treue haͤlt.
III.
Was willſt auf dieſer Station
So breit dich niederlaſſen!
Wie bald nicht blaͤſt der Poſtillon,
Du mußt doch alles laſſen.
IV.
Die Lerche gruͤßt den erſten Strahl,
Daß er die Bruſt ihr zuͤnde,
Wenn traͤge Nacht noch uͤberall
Durchſchleicht die tiefen Gruͤnde.
Und du willſt, Menſchenkind, der Zeit
Verzagend unterliegen?
Was iſt dein kleines Erdenleid!
Du mußt es uͤberfliegen!
V.
Der Sturm geht laͤrmend um das Haus,
Ich bin kein Narr, und geh' hinaus,
Aber bin ich eben draußen,
Will ich mich wacker mit ihm zauſen.
VI.
Am Meer.
Ewig muntres Spiel der Wogen!
Viele haſt du ſchon belogen,
Mancher kehrt nicht mehr zuruͤck.
Und doch weckt das Wellenſchlagen
Immer wieder friſches Wagen,
Falſch und luſtig, wie das Gluͤck.
VII.
Der Wandrer, von der Heimath weit,
Wenn rings die Gruͤnde ſchweigen,
Der Schiffer in Meeres Einſamkeit,
Wenn die Stern' aus den Fluten ſteigen:
4
Die beide ſchauern und leſen
In ſtiller Nacht
Was ſie nicht gedacht,
Da es noch froͤhlicher Tag geweſen.
Erinnerung.
I.
Lindes Rauſchen in den Wipfeln,
Voͤglein, die ihr fernab fliegt,
Bronnen von den ſtillen Gipfeln,
Sagt, wo meine Heimath liegt?
Heut' im Traum ſah ich ſie wieder,
Und von allen Bergen ging
Solches Gruͤßen zu mir nieder,
Daß ich an zu weinen fing.
Ach, hier auf den fremden Gipfeln:
Menſchen, Quellen, Fels und Baum,
Wirres Rauſchen in den Wipfeln, —
Alles iſt mir wie ein Traum.
II.
Die fernen Heimathhoͤhen,
Das ſtille hohe Haus,
Der Berg, von dem ich geſehen
Jeden Fruͤhling in's Land hinaus,
Mutter, Freunde und Bruͤder,
An die ich ſo oft gedacht,
Es gruͤßt mich alles wieder,
In ſtiller Mondesnacht.
4 *
Heimweh.
Wer in die Fremde will wandern,
Der muß mit der Liebſten gehn,
Es jubeln und laſſen die Andern
Den Fremden alleine ſtehn.
Was wiſſet Ihr, dunkele Wipfeln,
Von der alten ſchoͤnen Zeit?
Ach, die Heimath hinter den Gipfeln,
Wie liegt ſie von hier ſo weit.
Am liebſten betracht' ich die Sterne,
Die ſchienen, wenn ich ging zu ihr,
Die Nachtigall hoͤr' ich ſo gerne,
Sie ſang vor der Liebſten Thuͤr.
Der Morgen, das iſt meine Freude!
Da ſteig' ich in ſtiller Stund'
Auf den hoͤchſten Berg in die Weite,
Gruͤß Dich Deutſchland aus Herzensgrund!
An der Graͤnze.
Die treuen Berg' ſteh'n auf der Wacht:
„Wer ſtreicht bei ſtiller Morgenzeit
Da aus der Fremde durch die Haid'?“ —
Ich aber mir die Berg' betracht'
Und lach' in mich vor großer Luſt,
Und rufe recht aus friſcher Bruſt
Parol und Feldgeſchrei ſogleich:
Vivat Oeſtreich!
Da kennt mich erſt die ganze Rund,
Nun gruͤßen Bach und Voͤglein zart
Und Waͤlder rings nach Landesart,
Die Donau blitzt aus tiefem Grund,
Der Stephansthurm auch ganz von fern
Guckt uͤber'n Berg und ſaͤh' mich gern,
Und iſt er's nicht, ſo kommt er doch gleich,
Vivat Oeſtreich!
Ruͤckkehr.
Wer ſteht hier draußen? — Macht auf geſchwind!
Schon funkelt das Feld wie geſchliffen,
Es iſt der luſtige Morgenwind,
Der kommt durch den Wald gepfiffen.
Ein Wandervoͤglein, die Wolken und ich,
Wir reiſ'ten um die Wette,
Und jedes dacht': nun ſpute dich,
Wir treffen ſie noch im Bette!
Da ſind wir nun, jetzt alle heraus,
Die drinn noch Kuͤſſe tauſchen!
Wir brechen ſonſt mit der Thuͤr in's Haus:
Klang, Duft und Waldesrauſchen.
Ich komme aus Italien fern
Und will Euch alles berichten,
Vom Berg Veſuv und Roma's Stern
Die alten Wundergeſchichten.
Da ſingt eine Fey auf blauem Meer,
Die Myrthen trunken lauſchen —
Mir aber gefaͤllt doch nichts ſo ſehr,
Als das deutſche Waldesrauſchen!
Zur Hochzeit.
Was das fuͤr ein Gezwitſcher iſt!
Durch's Blau die Schwalben zucken
Und ſchrei'n: „ſie haben ſich gekuͤßt!“
Vom Baum Rothkehlchen gucken.
Der Storch ſtolzirt von Bein zu Bein;
„Da muß ich fiſchen gehen —“
Der Abend wie im Traum darein
Schaut von den ſtillen Hoͤhen.
Und wie im Traum von den Hoͤhen
Seh' ich Nachts meiner Liebſten Haus,
Die Wolken daruͤber gehen
Und loͤſchen die Sterne aus.
Der irre Spielmann.
Aus ſtiller Kindheit unſchuldiger Hut
Trieb mich der tolle, frevelnde Muth.
Seit ich da draußen ſo frei nun bin
Find' ich nicht wieder nach Hauſe hin.
Durch's Leben jag' ich manch truͤg'riſch Bild,
Wer iſt der Jaͤger da? wer iſt das Wild?
Es pfeift der Wind mir ſchneidend durchs Haar,
Ach Welt, wie biſt Du ſo kalt und klar!
Du frommes Kindlein im ſtillen Haus,
Schau' nicht ſo luͤſtern zum Fenſter hinaus!
Frag mich nicht, Kindlein, woher und wohin?
Weiß ich doch ſelber nicht wo ich bin!
Von Suͤnde und Reue zerriſſen die Bruſt,
Wie raſend in verzweifelter Luſt,
Brech ich im Fluge mir Blumen zum Strauß,
Wird doch kein froͤhlicher Kranz nicht daraus! —
Ich moͤcht' in den tiefſten Wald wohl hinein,
Recht aus der Bruſt den Jammer zu ſchrei'n,
Ich moͤchte reiten an's Ende der Welt,
Wo der Mond und die Sonne hinunter faͤllt.
Wo ſchwindelnd beginnt die Ewigkeit,
Wie ein Meer, ſo erſchrecklich ſtill und weit,
Da ſinken all' Stroͤm' und Segel hinein,
Da wird es wohl endlich auch ruhig ſein.
Letzte Heimkehr.
Der Wintermorgen glaͤnzt ſo klar,
Ein Wandrer kommt von ferne,
Ihn ſchuͤttelt Froſt, es ſtarrt ſein Haar,
Ihm log die ſchoͤne Ferne,
Nun endlich will er raſten hier,
Er klopft an ſeines Vaters Thuͤr.
Doch todt ſind, die ſonſt aufgethan,
Verwandelt Hof und Habe,
Und fremde Leute ſeh'n ihn an
Als kaͤm' er aus dem Grabe;
Ihn ſchauert tief im Herzensgrund,
Ins Feld eilt er zur ſelben Stund.
Da ſang kein Voͤglein weit und breit,
Er lehnt' an einem Baume,
Der ſchoͤne Garten lag verſchneit,
Es war ihm wie im Traume,
Und wie die Morgenglocke klingt,
Im ſtillen Feld er niederſinkt.
Und als er aufſteht vom Gebet,
Nicht weiß, wohin ſich wenden,
Ein ſchoͤner Juͤngling bei ihm ſteht,
Faßt mild ihn bei den Haͤnden:
„Komm' mit, ſollſt ruhn nach kurzem Gang.“ —
Er folgt, ihn ruͤhrt der Stimme Klang.
Nun durch die Bergeseinſamkeit
Sie wie zum Himmel ſteigen,
Kein Glockenklang mehr reicht ſo weit,
Sie ſehn im oͤden Schweigen
Die Laͤnder hinter ſich verbluͤhn,
Schon Sterne durch die Wipfel gluͤhn.
Der Fuͤhrer jetzt die Fackel ſacht
Erhebt und ſchweigend ſchreitet,
Bei ihrem Schein die ſtille Nacht
Gleichwie ein Dom ſich weitet,
Wo unſichtbare Haͤnde baun —
Den Wandrer faßt ein heimlich Graun.
Er ſprach: was bringt der Wind herauf
So fremden Laut getragen,
Als hoͤrt' ich ferner Stroͤme Lauf,
Dazwiſchen Glocken ſchlagen?
„Das iſt des Nachtgeſanges Wehn,
Sie loben Gott in ſtillen Hoͤh'n.“
Der Wandrer drauf: ich kann nicht mehr —
Iſt's Morgen, der ſo blendet?
Was leuchten dort fuͤr Laͤnder her? —
Sein Freund die Fackel wendet:
„Nun ruh zum letztenmale aus,
Wenn du erwachſt, ſind wir zu Haus.“
V. Todtenopfer.
Gewalt'ges Morgenroth,
Weit, unermeßlich — du verzehrſt die Erde!
Und in dem Schweigen nur der Flug der Seelen,
Die ſaͤuſelnd heimzieh'n durch die ſtille Luft. —
Ezelin 5ter Aufz. 2te Sc. S. 241.
Wehmuth.
Ich irr' in Thal und Hainen
Bei kuͤhler Abendſtund',
Ach, weinen moͤcht' ich, weinen
So recht aus Herzensgrund.
Und alter Zeiten Gruͤßen
Kam da, im Thal erwacht,
Gleichwie von fernen Fluͤſſen
Das Rauſchen durch die Nacht.
Die Sonne ging hinunter,
Da ſaͤuſelt' kaum die Welt,
Ich blieb noch lange munter
Allein im ſtillen Feld.
Sonnette.
I.
Es qualmt' der eitle Markt in Staub und Schwuͤle,
So klanglos oͤde wallend auf und nieder,
Wie dacht' ich da an meine Berge wieder,
An friſchen Sang, Felsquell und Waldeskuͤhle!
Doch ſteht ein Thurm dort uͤber dem Gewuͤhle,
Der andre Zeiten ſah und beſſ're Bruͤder,
Das Kreuz treu halten ſeine Rieſenglieder,
Wie auch der Menſchlein Fluth den Fels umſpuͤle.
Das war mein Hafen auf der weiten Wuͤſte,
Oft kniet' ich betend in des Domes Mitte,
Dort hab' ich Dich, mein liebes Kind, gefunden;
Ein Himmelsbote wohl, der ſo mich gruͤßte:
„Verzweif'le nicht! die Schoͤnheit und die Sitte
Sie ſind noch von der Erde nicht verſchwunden.“
II.
Ein alt Gemach voll ſinn'ger Seltſamkeiten,
Still' Blumen aufgeſtellt am Fenſterbogen,
Gebirg' und Laͤnder draußen blau gezogen,
Wo Stroͤme geh'n und Ritter ferne reiten.
Ein Maͤdchen, ſchlicht und fromm wie jene Zeiten,
Das, von den Abendſcheinen angeflogen,
Verſenkt in ſolcher Stille tiefen Wogen —
Das mocht' auf Bildern oft das Herz mir weiten.
Und nun wollt' wirklich ſich das Bild bewegen,
Das Maͤdchen athmet' auf, reicht aus dem Schweigen
Die Hand mir, daß ſie ewig meine bliebe.
Da ſah ich draußen auch das Land ſich regen,
Die Waͤlder rauſchen und Aurora ſteigen —
Die alten Zeiten all' weckt' mir die Liebe.
III.
Wenn zwei geſchieden ſind von Herz und Munde,
Da zieh'n Gedanken uͤber Berg' und Schluͤfte
Wie Tauben ſaͤuſelnd durch die blauen Luͤfte,
Und tragen hin und wieder ſuͤße Kunde.
Ich ſchweif' umſonſt, ſo weit der Erde Runde,
Und ſtieg' ich hoch auch uͤber alle Kluͤfte,
Dein Haus iſt hoͤher noch als dieſe Luͤfte,
Da reicht kein Laut hin, noch zuruͤck zum Grunde.
Ja, ſeit Du todt — mit ſeinen bluͤh'nden Borden
Wich eingsumher das Leben mir zuruͤcke,
Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden.
Doch iſt Dein Bild zum Sterne mir geworden,
Der nach der Heimath weiſt mit ſtillem Blicke,
Daß fromm der Schiffer ſtreite mit den Winden.
Treue.
Wie dem Wanderer in Traͤumen,
Daß er ſtill im Schlafe weint,
Zwiſchen gold'nen Wolken-Saͤumen
Seine Heimath wohl erſcheint:
So durch dieſes Fruͤhlings Bluͤhen
Ueber Berg' und Thaͤler tief,
Sah' ich oft Dein Bild noch ziehen,
Als ob's mich von hinnen rief,
Und mit wunderbaren Wellen
Wie im Traume, halbbewußt,
Gehen ew'ge Lieder-Quellen
Mir verwirrend durch die Bruſt.
Gute Nacht!
Die Hoͤh'n und Waͤlder ſchon ſteigen
Immer tiefer in's Abendgold,
Ein Voͤg'lein fraͤgt in den Zweigen:
Ob es Liebchen gruͤßen ſollt'?
O Voͤg'lein, du haſt dich betrogen,
Sie wohnet nicht mehr im Thal,
Schwing' auf dich zum Himmelsbogen,
Gruͤß' ſie droben zum Letztenmal!
Am Strom.
Der Fluß glitt einſam hin und rauſchte
Wie ſonſt, noch immer, immerfort,
Ich ſtand am Strand gelehnt und lauſchte,
Ach, was ich liebt', war lange fort!
Kein Laut, kein Windeshauch, kein Singen
Ging durch den weiten Mittag ſchwuͤl,
Vertraͤumt die ſtillen Weiden hingen
Hinab bis in die Wellen kuͤhl.
Die waren alle wie Syrenen
Mit feuchtem, langen, gruͤnen Haar,
Und von der alten Zeit voll Sehnen
Sie ſangen leis und wunderbar.
Sing' Weide, ſinge, gruͤne Weide!
Wie Stimmen aus der Liebſten Grab,
Zieht mich Dein heimlich Lied voll Leide
Zum Strom von Wehmuth mit hinab.
Nachruf an meinen Bruder.
Ach, daß auch wir ſchliefen!
Die bluͤhenden Tiefen,
Die Stroͤme, die Auen
So heimlich aufſchauen,
Als ob ſie all' riefen:
„Dein Bruder iſt todt!
Unter Roſen roth
Ach, daß wir auch ſchliefen!“
„Haſt doch keine Schwingen,
Durch Wolken zu dringen!
Mußt immerfort ſchauen
Die Stroͤme, die Auen —
Die werden Dir ſingen
Von Ihm Tag und Nacht,
Mit Wahnſinnes-Macht
Die Seele umſchlingen.“
So ſingt, wie Syrenen,
Von hellblauen, ſchoͤnen
Vergangenen Zeiten,
Der Abend von weitem,
Verſinkt dann im Toͤnen,
Erſt Buſen dann Mund,
Im bluͤhenden Grund.
O ſchweiget Syrenen!
O wecket nicht wieder!
Denn zaub'riſche Lieder
21
Gebunden hier traͤumen
Auf Feldern und Baͤumen,
Und ziehen mich nieder
So muͤde vor Weh
Zu tiefſtillem See —
O weckt nicht die Lieder!
Du kannteſt die Wellen
Des Sees, ſie ſchwellen
In magiſchen Ringen.
Ein wehmuͤthig Singen
Tief unter den Quellen
Im Schlummer dort haͤlt
Verzaubert die Welt.
Wohl kennſt Du die Wellen! —
Kuͤhl wird's auf den Gaͤngen,
Vor alten Geſaͤngen
Moͤcht's Herz mir zerſpringen.
So will ich denn ſingen!
Schmerz fliegt ja auf Klaͤngen
Zu himmliſcher Luſt,
Und ſtill wird die Bruſt
Auf kuͤhlgruͤnen Gaͤngen.
Laß fahren die Traͤume!
Der Mond ſcheint durch Baͤume,
Die Waͤlder nur rauſchen,
Die Thaͤler ſtill lauſchen,
Wie einſam die Raͤume!
Ach, niemand iſt mein!
Herz, wie ſo allein!
Laß fahren die Traͤume!
Der Herr wird Dich fuͤhren.
Tief kann ich ja ſpuͤren
Der Sterne ſtill Walten.
Der Erde Geſtalten
Kaum hoͤrbar ſich ruͤhren.
Durch Nacht und durch Graus
Gen Morgen, nach Haus —
Ja, Gott wird mich fuͤhren.
21 *
Auf meines Kindes Tod.
I.
Das Kindlein ſpielt' draußen im Fruͤhlingsſchein
Und freut ſich und hatte ſo viel zu ſehen,
Wie die Felder ſchimmern und die Stroͤme gehen —
Da ſah der Abend durch die Baͤume herein,
Der alle die ſchoͤnen Bilder verwirrt.
Und wie es nun ringsum ſo ſtille wird,
Beginnt aus den Thaͤlern ein heimlich Singen,
Als wollt's mit Wemuth die Welt umſchlingen,
Die Farben vergeh'n und die Erde wird blaß.
Voll Staunen fragt's Kindlein: ach, was iſt das?
Und legt ſich traͤumend in's ſaͤuſelnde Gras;
Da ruͤhren die Blumen ihm kuͤhle an's Herz
Und laͤchelnd fuͤhlt es ſo ſuͤßen Schmerz,
Und die Erde, die Mutter ſo ſchoͤn und bleich,
Kuͤßt das Kindlein und laͤßt's nicht los,
Zieht es herzinnig in ihren Schooß
Und bettet es drunten gar warm und weich
Still unter Blumen und Moos. —
„Und was weint ihr, Vater und Mutter, um mich?
In einem viel ſchoͤneren Garten bin ich,
Der iſt ſo groß und weit und wunderbar,
Viel Blumen ſteh'n dort von Golde klar
Und ſchoͤne Kindlein mit Fluͤgeln ſchwingen
Auf und nieder ſich drauf und ſingen. —
Die kenn' ich gar wohl aus der Fruͤhlingszeit,
Wie ſie zogen uͤber Berge und Thaͤler weit
Und mancher mich da aus dem Himmelblau rief,
Wenn ich drunten im Garten ſchlief. —
Und mitten zwiſchen den Blumen und Scheinen
Steht die ſchoͤnſte von allen Frauen,
Ein glaͤnzend Kindlein an ihrer Bruſt. —
Ich kann nicht ſprechen und auch nicht weinen,
Nur ſingen immer und wieder dann ſchauen
Still vor großer, ſeeliger Luſt.“
II.
Als ich nun zum erſtenmale
Wieder durch den Garten ging,
Buſch und Baͤchlein in dem Thale
Luſtig an zu plaudern fing.
Blumen halbverſtohlen blickten
Neckend aus dem Gras heraus,
Bunte Schmetterlinge ſchickten
Sie ſogleich auf Kundſchaft aus.
Auch der Kukuk in den Zweigen
Fand ſich bald zum Spielen ein,
Endlich brach der Baum das Schweigen:
„Warum kommſt du heut allein?“
Da ich aber ſchwieg, da ruͤhrt' er
Wunderbar ſein dunkles Haupt
Und ein Fluͤſtern konnt' ich ſpuͤren
Zwiſchen Voͤg'lein, Bluͤt' und Laub.
Thraͤnen in dem Graſe hingen,
Durch die abendſtille Rund
Klagend nun die Quellen gingen,
Und ich weint' aus Herzensgrund.
III.
Was iſt mir denn ſo wehe?
Es liegt ja wie im Traum
Der Grund ſchon wo ich ſtehe,
Die Waͤlder ſaͤuſeln kaum
Noch von der dunklen Hoͤhe.
Es komme wie es will,
Was iſt mir denn ſo wehe —
Wie bald wird alles ſtill.
IV.
Das iſt's, was mich ganz verſtoͤret:
Daß die Nacht nicht Ruhe haͤlt,
Wenn zu athmen aufgehoͤret
Lange ſchon die muͤde Welt.
Daß die Glocken, die da ſchlagen,
Und im Wald der leiſe Wind
Jede Nacht von neuem klagen
Um mein liebes, ſuͤßes Kind.
Daß mein Herz nicht konnte brechen
Bei dem letzten Todeskuß,
Daß ich wie im Wahnſinn ſprechen
Nun in irren Liedern muß.
V.
Freuden wollt' ich dir bereiten,
Zwiſchen Kaͤmpfen, Luſt und Schmerz
Wollt' ich treulich dich geleiten
Durch das Leben himmelwaͤrts.
Doch du haſt's allein gefunden
Wo kein Vater fuͤhren kann,
Durch die ernſte dunkle Stunde
Gingſt du ſchuldlos mir voran.
Wie das Saͤuſeln leiſer Schwingen,
Draußen uͤber Thal und Kluft,
Ging zur ſelben Stund ein Singen
Ferne durch die ſtille Luft.
Und ſo froͤhlich glaͤnzt der Morgen,
'S war als ob das Singen ſprach:
Jetzo laſſet alle Sorgen,
Liebt ihr mich, ſo folgt mir nach!
VI.
Ich fuͤhrt' dich oft ſpazieren
In Winter-Einſamkeit,
Kein Laut ließ ſich da ſpuͤren,
Du ſchoͤne, ſtille Zeit!
Lenz iſt's nun, Lerchen ſingen
Im Blauen uͤber mir,
Ich weine ſtill — ſie bringen
Mir einen Gruß von dir.
VII.
Die Welt treibt fort ihr Weſen,
Die Leute kommen und geh'n,
Als waͤrſt du nie geweſen,
Als waͤre nichts geſcheh'n.
Wie ſeh'n ich mich auf's neue
Hinaus in Wald und Flur!
Ob ich mich graͤm', mich freue,
Du bleibſt mir treu, Natur.
Da klagt vor tiefem Sehnen
Schluchzend die Nachtigall,
Es ſchimmern rings von Thraͤnen
Die Blumen uͤberall.
Und uͤber alle Gipfel
Und Bluͤtenthaͤler zieht
Durch ſtillen Waldes Wipfel
Ein heimlich Klagelied.
Da ſpuͤr' ich's recht im Herzen,
Daß du's, Herr, draußen biſt —
Du weißt's, wie mir von Schmerzen
Mein Herz zerriſſen iſt!
VIII.
Von fern die Uhren ſchlagen,
Es iſt ſchon tiefe Nacht,
Die Lampe brennt ſo duͤſter,
Dein Bettlein iſt gemacht.
Die Winde nur noch gehen
Wehklagend um das Haus,
Wir ſitzen einſam drinne
Und lauſchen oft hinaus.
Es iſt, als muͤßteſt leiſe
Du klopfen an die Thuͤr,
Du haͤtt'ſt dich nur verirret,
Und kaͤmſt nun muͤd zuruͤck.
Wir armen, armen Thoren!
Wir irren ja im Graus
Des Dunkels noch verloren —
Du fandeſt laͤngſt nach Haus.
IX.
Dort iſt ſo tiefer Schatten,
Du ſchlaͤfſt in guter Ruh,
Es deckt mit gruͤnen Matten
Der liebe Gott dich zu.
Die alten Weiden neigen
Sich auf dein Bett herein,
Die Voͤglein in den Zweigen
Sie ſingen treu dich ein.
Und wie in gold'nen Traͤumen
Geht linder Fruͤhlingswind
Rings in den ſtillen Baͤumen —
Schlaf wohl mein ſuͤßes Kind!
X.
Mein liebes Kind, Ade!
Ich konnt' Ade nicht ſagen
Als ſie dich fortgetragen,
Vor tiefem, tiefem Weh.
Jetzt auf lichtgruͤnem Plan
Stehſt du im Myrtenkranze
Und laͤchelſt aus dem Glanze
Mich ſtill voll Mitleid an.
Und Jahre nah'n und geh'n,
Wie bald bin ich verſtoben —
O bitt' fuͤr mich da droben,
Daß wir uns wiederſeh'n!
An einen Offizier, der als Braͤutigam ſtarb.
Friſch flogſt Du durch die Felder
Und faßteſt ihre Hand,
Ringsum der Kreis der Waͤlder
In Morgenflammen ſtand.
O falſches Roth! Verbluͤhen
Mußt' dieſes Bluͤthenmeer,
Wer dachte, daß dies Gluͤhen
Das Abendroth ſchon waͤr'!
Nun dunkeln ſchon die Fernen,
Du wirſt ſo ſtill und bleich,
Wie iſt da weit von Sternen
Der Himmelsgrund ſo reich!
Trompeten hoͤrt' ich laden
Fern durch die ſtille Luft,
Als zoͤgen Kameraden —
Der alte Feldherr ruft.
Es ſinken ſchon die Bruͤcken,
Heut Dir und morgen mir.
Du mußt hinuͤberruͤcken,
Kam'rad, mach' uns Quartier!
Treulieb iſt unverloren.
Empfaͤngſt — wie bald iſt's hin! —
Einſt an den Himmelsthoren
Die muͤde Pilgerin.
Angedenken.
Berg' und Thaͤler wieder fingen
Ringsumher zu bluͤhen an,
Aus dem Walde hoͤrt' ich ſingen
Einen luſt'gen Jaͤgersmann.
Und die Thraͤnen drangen leiſe:
So einſt bluͤht' es weit und breit,
Als mein Lieb dieſelbe Weiſe
Mich gelehrt vor langer Zeit.
Ach ein ſolches Angedenken,
'S iſt nur eitel Klang und Luft,
Und kann ſchimmernd doch verſenken
Rings in Thraͤnen Thal und Kluft!
In der Fremde.
Aus der Heimath hinter den Blitzen roth
Da kommen die Wolken her,
Aber Vater und Mutter ſind lange todt,
Es kennt mich dort keiner mehr.
Wie bald, wie bald kommt die ſtille Zeit,
Da ruhe ich auch, und uͤber mir
Rauſchet die ſchoͤne Waldeinſamkeit
Und keiner mehr kennt mich auch hier.
VI. Geiſtliche Gedichte.
Andre haben andre Schwingen,
Aber wir, mein froͤhlich Herz,
Wollen grad' hinauf uns ſingen,
Aus dem Fruͤhling himmelwaͤrts!
Goͤtterdaͤmmerung.
I.
Was klingt mir ſo heiter
Durch Buſen und Sinn?
Zu Wolken und weiter
Wo traͤgt es mich hin?
Wie auf Bergen hoch bin ich
So einſam geſtellt
Und gruͤße herzinnig,
Was ſchoͤn auf der Welt.
Ja, Bachus, Dich ſeh' ich,
Wie goͤttlich biſt Du!
Dein Gluͤhen verſteh' ich,
Die traͤumende Ruh.
O roſenbekraͤnztes
Juͤnglingsbild,
Dein Auge, wie glaͤnzt es,
Die Flammen ſo mild!
Iſt's Liebe, iſt's Andacht,
Was ſo Dich begluͤckt?
Rings Fruͤhling Dich anlacht,
Du ſinneſt entzuͤckt. —
Frau Venus, Du Frohe,
So klingend und weich,
In Morgenroths Lohe
Erblick' ich Dein Reich
Auf ſonnigen Huͤgeln
Wie ein Zauberring. —
Zart' Buͤbchen mit Fluͤgeln
Bedienen Dich flink,
Durchſaͤuſeln die Raͤume
Und laden, was fein,
Als goldene Traͤume
Zur Koͤnigin ein.
Und Ritter und Frauen
Im gruͤnen Revier
Durchſchwaͤrmen die Auen
Wie Blumen zur Zier.
Und jeglicher hegt ſich
Sein Liebchen im Arm,
So wirrt und bewegt ſich
Der ſelige Schwarm. —
Die Klinge verrinnen,
Es bleichet das Gruͤn,
Die Frauen ſtehn ſinnend.
Die Ritter ſchaun kuͤhn.
Und himmliſches Sehnen
Geht ſingend durch's Blau,
Da ſchimmert von Thraͤnen
Rings Garten und Au. —
Und mitten im Feſte
Erblick' ich, wie mild!
Den Stillſten der Gaͤſte. —
Woher, einſam Bild?
Mit bluͤhendem Mohne,
Der traͤumeriſch glaͤnzt,
Und Lilienkrone
Erſcheint er bekraͤnzt.
Sein Mund ſchwillt zum Kuͤſſen
So lieblich und bleich,
Als braͤcht' er ein Gruͤßen
Aus himmliſchem Reich.
Eine Fackel wohl traͤgt er,
Die wunderbar prangt.
„Wo iſt Einer,“ fraͤgt er,
„Dem heimwaͤrts verlangt?“
Und manchmal da drehet
Die Fackel er um —
Tiefſchauernd vergehet
Die Welt und wird ſtumm.
Und was hier verſunken
Als Blumen zum Spiel,
Siehſt oben Du funkeln
Als Sterne nun kuͤhl. —
22
O Juͤngling vom Himmel,
Wie biſt Du ſo ſchoͤn!
Ich laß das Gewimmel,
Mit Dir will ich gehn!
Was will ich noch hoffen?
Hinauf, ach hinauf!
Der Himmel iſt offen,
Nimm, Vater, mich auf!
II.
Von kuͤhnen Wunderbildern
Ein großer Truͤmmerhauf,
In reizendem Verwildern
Ein bluͤh'nder Garten drauf.
Verſunk'nes Reich zu Fuͤßen,
Vom Himmel fern und nah,
Aus anderm Reich ein Gruͤßen —
Das iſt Italia!
Wenn Fruͤhlingsluͤfte wehen
Hold uͤber'm gruͤnen Plan,
Ein leiſes Auferſtehen
Hebt in den Thaͤlern an.
Da will ſich's unten ruͤhren,
Im ſtillen Goͤttergrab,
Der Menſch kann's ſchauernd ſpuͤren
Tief in die Bruſt hinab.
Verwirrend in den Baͤumen
Geh'n Stimmen hin und her,
Ein ſehnſuchtsvolles Traͤumen
Weht uͤber's blaue Meer.
Und unter'm duft'gen Schleier,
So oft der Lenz erwacht,
Webt in geheimer Feier,
Die alte Zaubermacht.
Frau Venus hoͤrt das Locken,
Der Voͤgel heitern Chor,
Und richtet froh erſchrocken
Aus Blumen ſich empor.
Sie ſucht die alten Stellen,
Das luft'ge Saͤulenhaus,
Schaut laͤchelnd in die Wellen
Der Fruͤhlingsluft hinaus.
Doch oͤd' ſind nun die Stellen,
Stumm liegt ihr Saͤulenhaus,
Gras waͤchſt da auf den Schwellen,
Der Wind zieht ein und aus.
Wo ſind nun die Geſpielen?
Diana ſchlaͤft im Wald,
Neptunus ruht im kuͤhlen
Meerſchloß, das einſam hallt.
22 *
Zuweilen nur Syrenen
Noch tauchen aus dem Grund,
Und thun in irren Toͤnen
Die tiefe Wehmuth kund. —
Sie ſelbſt muß ſinnend ſtehen
So bleich im Fruͤhlingsſchein,
Die Augen untergehen,
Der ſchoͤne Leib wird Stein. —
Denn uͤber Land und Wogen
Erſcheint, ſo ſtill und mild,
Hoch auf dem Regenbogen
Ein andres Frauenbild.
Ein Kindlein in den Armen
Die Wunderbare haͤlt,
Und himmliſches Erbarmen
Durchdringt die ganze Welt.
Da in den lichten Raͤumen
Erwacht das Menſchenkind,
Und ſchuͤttelt boͤſes Traͤumen
Von ſeinem Haupt geſchwind.
Und, wie die Lerche ſingend.
Aus ſchwuͤlen Zaubers Kluft
Erhebt die Seele ringend
Sich in die Morgenluft.
Mariaͤ Sehnſucht.
Es ging Maria in den Morgen hinein,
That die Erd' einen lichten Liebesſchein,
Und uͤber die froͤhlichen, gruͤnen Hoͤh'n,
Sah Sie den blaͤulichen Himmel ſtill ſteh'n.
„Ach, haͤtt' ich ein Brautkleid von Himmelsſchein,
Zwei goldene Fluͤglein — wie floͤg' ich hinein!“
Es ging Maria in ſtiller Nacht,
Die Erde ſchlief, der Himmel wacht',
Und durch's Herze, wie ſie ging und ſann und dacht',
Zogen die Sterne mit goldener Pracht.
„Ach, haͤtt' ich das Brautkleid von Himmelsſchein,
Und goldene Sterne gewoben drein!“
Es ging Maria im Garten allein,
Da ſangen ſo lockend bunt' Voͤgelein,
Und Roſen ſah ſie im Gruͤnen ſteh'n,
Viel' rothe und weiße ſo wunderſchoͤn.
„Ach, haͤtt' ich ein Knaͤblein, ſo weiß und roth,
Wie wollt' ich's lieb haben bis in den Tod!“
Nun iſt wohl das Brautkleid gewoben gar,
Und goldene Sterne in's dunkele Haar,
Und im Arme die Jungfrau das Knaͤblein haͤlt,
Hoch uͤber der dunkelerbrauſenden Welt,
Und vom Kindlein gehet ein Glaͤnzen aus,
Das ruft uns nur ewig: nach Haus, nach Haus!
Jugendandacht.
I.
Daß des verlor'nen Himmels es gedaͤchte,
Schlagen an's Herz des Fruͤhlings linde Wellen,
Wie ew'ger Wonnen ſchuͤchternes Vermuthen.
Geheimer Glanz der lauen Sommernaͤchte,
Du gruͤner Wald, verfuͤhrend Lied der Quellen,
Des Morgens Pracht, ſtillbluͤh'nde Abendgluthen,
Ihr fragt: wo Schmerz und Luſt ſo lange ruhten,
Die ſuͤß das Herz verdunkeln und es hellen?
Wie thut ihr zaub'riſch auf die alten Wunden,
Daß losgebunden in das Licht ſie bluten!
O ſeel'ge Zeit entfloſſ'ner Himmelblaͤue,
Der erſten Andacht ſolch inbruͤnſt'ger Liebe,
Die ewig wollte knieen vor der Einen!
Demuͤthig in der Glorie des Maien
Hob ſie den Schleier oft, daß offen bliebe
Der Augen Himmel, in das Land zu ſcheinen.
Und ſtand ich ſtill, und mußt' ich herzlich weinen
In Ihrem Blick gereinigt alle Triebe:
Da war nur Wonne, was ich mußte klagen,
Im Angeſicht der Stillen, Ewigreinen
Kein Schmerz, als ſolcher Liebe Lieb' ertragen!
II.
Wie in einer Blume himmelblauen
Grund, wo ſchlummernd traͤumen ſtille Regenbogen,
Iſt mein Leben ein unendlich Schauen,
Klar durch's ganze Herz Ein ſuͤßes Bild gezogen.
Stille ſaß' ich, ſah die Jahre fliegen,
Bin im Innerſten Dein treues Kind geblieben.
Aus dem duft'gen Kelche aufgeſtiegen,
Ach! wann lohnſt Du endlich auch mein treues Lieben!
III.
Was wollen mir vertrau'n die blauen Weiten,
Des Landes Glanz, die Wirrung ſuͤßer Lieder,
Mir iſt ſo wohl, ſo bang! Seid ihr es wieder
Der frommen Kindheit ſtille Blumenzeiten?
Wohl weiß ich's, — dieſer Farben heimlich Spreiten
Deckt einer Jungfrau ſtrahlend reine Glieder;
Es wogt der große Schleier auf und nieder,
Sie ſchlummert drunten fort ſeit Ewigkeiten.
Mir iſt in ſolchen linden, blauen Tagen,
Als muͤßten alle Farben auferſtehen,
Aus blauer Fern' Sie endlich zu mir gehen.
So wart' ich ſtill, ſchau in den Fruͤhling milde,
Das ganze Herz weint nach dem ſuͤßen Bilde,
Vor Freud', vor Schmerz? — ich weiß es nicht zu
ſagen.
IV.
Viel Lenze waren lange ſchon vergangen,
Voruͤber zogen wunderbare Lieder,
Die Sterne gingen ewig auf und nieder,
Die ſelbſt vor großer Sehnſucht golden klangen.
Und wie ſo tauſend Stimmen ferne ſangen,
Als riefen mich von hinnen ſeel'ge Bruͤder,
Fuͤhlt' ich die alten Schmerzen immer wieder,
Seit Deine Blicke, Jungfrau, mich bezwangen.
Da war's, als ob ſich ſtill Dein Auge huͤbe,
Lang'ſt ſehnſuchtsvoll nach mir mit off'nen Armen,
Fuͤhlſt ſelbſt den Schmerz, den Du mir ſuͤß gegeben. —
Umfangen fuͤhl' ich innigſt mich erwarmen,
Beruͤhrt mit gold'nen Strahlen mich das Leben,
Ach! daß ich ewig Dir am Herzen bliebe!
V.
Wann Lenzesſtrahlen golden niederrinnen,
Sieht man die Schaaren losgebunden ziehen,
Im Waldrevier, dem neu der Schmuck geliehen,
Die luſt'ge Jagd nach Lieb' und Scherz beginnen.
Den Saͤnger will der Fruͤhling gar umſpinnen,
Er, der Geliebteſte, darf nicht entfliehen,
Fuͤhlt rings ein Lied durch alle Farben ziehen,
Das ihn ſo lockend nimmer laͤßt von hinnen.
Gefangen ſo, ſitzt er viel' ſeel'ge Jahre;
Des Einſamen ſpottet des Poͤbels Scherzen,
Der aller Glorie moͤchte Lieb' entkleiden.
Doch er gruͤßt froͤhlich alle, wie ſie fahren,
Und muthig ſagt er zu den ſuͤßen Schmerzen:
„Gern ſterb' ich bald, wollt ihr von mir je ſcheiden!“
VI.
Wann friſch die buntgewirkten Schleier wallen,
Weit in das Land die Lerchen mich verfuͤhren,
Da kann ich's tief im Herzen wieder ſpuͤren,
Wie mich die Eine liebt und ruft vor allen.
Wenn Nachtigall'n aus gruͤnen Hallen ſchallen,
Wen moͤchten nicht die tiefen Toͤne ruͤhren;
Wen nicht das ſuͤße Herzeleid verfuͤhren,
Im Liebesſchlagen todt vom Baum zu fallen? —
So ſag' auch ich bei jedem Fruͤhlingsglanze:
Du ſuͤße Laute! laß' uns beide ſterben,
Beklagt vom Wiederhallen zarter Toͤne,
Kann unſer Lied auch nie den Lohn erwerben,
Daß hier mit eignem, friſchen Blumenkranze
Uns endlich kroͤne nun die Wunderſchoͤne! —
VII.
Der Schaͤfer ſpricht, wenn er fruͤhmorgens weidet:
„Dort druͤben wohnt Sie hinter Berg' und Fluͤſſen!“
Doch ſeine Wunden deckt Sie gern mit Kuͤſſen,
Wann lauſchend Licht am ſtillen Abend ſcheidet.
Ob neu der Morgenſchmuck die Erde kleidet,
Ob Nachtigallen Nacht und Stern' begruͤßen,
Stets fern und nah bleibt meine Lieb' der Suͤßen,
Die in dem Lenz mich ewig ſucht und meidet. —
Doch hoͤr' ich wunderbare Stimmen ſprechen:
„Die Perlen, die Du treu geweint im Schmerze,
Sie wird ſie ſorglich all' zuſammenbinden,
Mit eigner Kette ſo Dich ſuͤß umwinden,
Hinauf zieh'n Dich an Mund und bluͤhend Herze —
Was Himmel ſchloß, mag nicht der Himmel brechen.“
VIII.
Nun ziehen Nebel, falbe Blaͤtter fallen,
Oed' alle Stellen, die uns oft entzuͤcket!
Und noch einmal tief' Ruͤhrung uns begluͤcket,
Wie aus der Flucht die Abſchiedslieder ſchallen.
Wohl manchem bluͤht aus ſolchem Tod Gefallen:
Daß er nun eng an's bluͤh'nde Herz gedruͤcket,
Von rothen Lippen hold're Straͤuße pfluͤcket
Als Lenz je beut mit Waͤldern, Wieſen allen.
Mir ſagte niemals Ihrer Augen Blaͤue:
„Ruh' auch aus! Willſt Du ewig ſinnen?“
Und einſam ſah' ich ſo den Sommer fahren.
So will ich tief des Lenzes Bluͤthe wahren,
Und mit Erinnern zaubriſch mich umſpinnen,
Bis ich nach langem Traum erwach' im Maie.
IX.
Wenn Du am Felſenhange ſtand'ſt alleine,
Unten im Walde Voͤgel ſeltſam ſangen
Und Hoͤrner aus der Ferne irrend klangen,
Als ob die Heimath druͤben nach Dir weine,
War's niemals da, als rief die Eine, Deine?
Lockt' Dich kein Weh, kein bruͤnſtiges Verlangen
Nach andrer Zeit, die lange ſchon vergangen,
Auf ewig einzugeh'n in gruͤne Scheine?
Gebirge dunkelblau ſteigt aus der Ferne,
Und von den Gipfeln fuͤhrt des Bundes Bogen
Als Bruͤcke weit in unbekannte Lande.
Geheimnißvoll geh'n oben gold'ne Sterne,
Unten erbraust viel Land in dunk'len Wogen —
Was zoͤgerſt Du am unbekannten Rande?
X.
Es wendet zuͤrnend ſich von mir die Eine,
Verſenkt die Ferne mit den Wunderlichtern.
Es ſtockt der Tanz — ich ſtehe ploͤtzlich nuͤchtern,
Muſik laͤßt treulos mich ſo ganz alleine.
Da ſpricht der Abgrund dunkel: Biſt nun meine;
Zieht mich hinab an bleiernen Gewichtern,
Sieht ſtumm mich an aus ſteinernen Geſichtern,
Das Herz wird ſelber zum kryſtall'nen Steine.
Dann iſt's als ob es duͤrſtend Schmerzen ſauge
Aus lang vergeſſ'ner Zeit Erinnerungen,
Und kann ſich ruͤhren nicht, von Froſt bezwungen.
Verſteinert ſchweigen muß der Wehmuth Welle,
Wie willig auch, ſchmoͤlz' ihn ein waͤrmend Auge,
Kryſtall zerfließen wollt' als Thraͤnenquelle.
XI.
Durch's Leben ſchleichen feindlich fremde Stunden,
Wo Aengſten aus der Bruſt hinunterlauſchen,
Verworr'ne Worte mit dem Abgrund tauſchen,
Drin bodenloſe Nacht nur ward erfunden.
Wohl iſt des Dichters Seele ſtumm verbunden
Mit Maͤchten, die am Volk' voruͤberrauſchen;
Sehnſucht muß wachſen an der Tiefe Rauſchen
Nach hellerm Licht und nach des Himmels Kunden.
O Herr! Du kennſt allein den treuen Willen,
Befrei' ihn von der Kerkerluft des Boͤſen,
Laß' nicht die eig'ne Bruſt mich feig' zerſchlagen!
Und wie ich ſchreibe hier, den Schmerz zu ſtillen,
Fuͤhl' ich den Engel ſchon die Riegel loͤſen,
Und kann vor Glaͤnzung nicht mehr weiter klagen.
Lieder.
I.
Friſch eilt der helle Strom hinunter.
Drauf zieh'n viel bunte Schifflein munter,
Und Strom und Schiff und bunte Scheine,
Sie fragen alle: was ich weine?
Mir iſt ſo wohl, mir iſt ſo weh,
Wie ich den Fruͤhling fahren ſeh'.
Viel Lenze ſitz' ich ſchon da oben,
Ein Regenbogen ſteht im Land erhoben
Und durch die Thaͤler, Wieſen, Wogen
Still, wie ein fernes Lied, gezogen,
Schifft immerfort Dein himmliſch Bild —
Doch Strom und Schiff hielt niemals ſtill.
II.
Denk' ich Dein, muß bald verwehen
Alle Truͤbniß weit und breit,
Und die friſchen Blicke gehen
Wie in einen Garten weit.
Wunderbare Voͤgel wieder
Weiden dort auf gruͤner Au',
Einſam Engel, alte Lieder
Ziehen durch den Himmel blau.
Wolken, Stroͤme, Schiffe, alle
Segeln in die Pracht hinein —
Keines kehrt zuruͤck von allen
Und ich ſtehe ſo allein.
An den heiligen Joſeph.
Wenn truͤbe Schleier alles grau umweben,
Zur bleichen Ferne wird das ganze Leben,
Will Heimath oft ſich troͤſtend zeigen;
Aus Morgenroth die gold'nen Hoͤhen ſteigen,
Und aus dem ſtillen, wundervollen Duft
Eine wohlbekannte Stimm' hinuͤberruft.
Du warſt ja auch einmal hier unten,
Haſt ew'ger Treue Schmerz empfunden;
Laͤngſt war Maria fortgezogen,
Wie einſam rauſchten rings die dunklen Wogen!
Da breitet oben Sie die Arme aus:
Komm', treuer Pilger, endlich auch nach Haus!
Seitdem iſt wohl Viel anders worden,
Treulieb auf Erden iſt ausgeſtorben.
Wem koͤnnt' ich's, außer Dir, wohl klagen,
Wie oft in kummervollen Tagen
Mein ganzes Herz hier hofft und bangt,
Und nach der Heimath immer fort verlangt!
Kirchenlied.
O Maria, meine Liebe!
Denk' ich recht im Herzen Dein:
Schwindet alles Schwer' und Truͤbe,
Und, wie heller Morgenſchein,
Dringt's durch Luſt und ird'ſchen Schmerz
Leuchtend mir durch's ganze Herz.
Aus des ew'gen Bundes Bogen,
Ernſt von Glorien umbluͤht,
Stehſt Du uͤber Land und Wogen;
Und ein himmliſch Sehnen zieht
Alles Leben himmelwaͤrts
An das große Mutterherz.
Wo Verlaſſ'ne einſam weinen,
Sorgenvoll in ſtiller Nacht,
Den'n vor allen laͤßt Du ſcheinen
Deiner Liebe milde Pracht,
Daß ein troͤſtend Himmelslicht
In die dunk'len Herzen bricht.
Aber wuͤthet wildverkehrter
Suͤnder frevelhafte Luſt:
Da durchſchneiden neue Schwerdter
Dir die treue Mutterbruſt;
Und voll Schmerzen flehſt Du doch:
Herr! Vergieb ihn'n, ſchone noch!
Deinen Jeſus in den Armen
Ueber'n Strom der Zeit geſtellt,
Als das himmliſche Erbarmen
Huͤteſt Du getreu die Welt,
Daß im Sturm, der truͤbe weht,
Dir kein Kind verloren geht.
Wenn die Menſchen mich verlaſſen
In der letzten ſtillen Stund',
Laß mich feſt das Kreuz umfaſſen.
Aus dem dunkeln Erdengrund
Leite liebreich mich hinaus,
Mutter, in des Vaters Haus!
Morgengebet.
O wunderbares, tiefes Schweigen,
Wie einſam iſt's noch auf der Welt!
Die Waͤlder nur ſich leiſe neigen,
Als ging' der Herr durch's ſtille Feld.
Ich fuͤhl' mich recht wie neu geſchaffen,
Wo iſt die Sorge nun und Noth?
Was mich noch geſtern wollt' erſchlaffen,
Ich ſchaͤm' mich deß im Morgenroth.
Die Welt mit ihrem Gram und Gluͤcke
Will ich, ein Pilger frohbereit,
Betreten nur wie eine Bruͤcke
Zu Dir, Herr, uͤber'n Strom der Zeit.
Und buhlt mein Lied, auf Weltgunſt lauernd,
Um ſchnoͤden Sold der Eitelkeit:
Zerſchlag' mein Saitenſpiel und ſchauernd
Schweig' ich vor Dir in Ewigkeit.
23
Mittag.
Vergeht mir der Himmel
Vor Staube ſchier,
Herr, im Getuͤmmel
Zeig' Dein Panier!
Wie ſchwank' ich ſuͤndlich,
Laͤßt Du von mir,
Unuͤberwindlich
Bin ich mit Dir!
Abend.
Geſtuͤrzt ſind die gold'nen Bruͤcken
Und unten und oben ſo ſtill!
Es will mir nichts mehr gluͤcken,
Ich weiß nicht mehr, was ich will.
Von uͤppig bluͤhenden Schmerzen
Rauſcht eine Wildniß im Grund,
Da ſpielt wie in wahnſinnigen Scherzen
Das Herz an dem ſchwindlichten Schlund. —
Die Felſen moͤchte ich packen
Vor Zorn und Wehe und Luſt
Und unter den brechenden Zacken
Begraben die wilde Bruſt.
Da kommt der Fruͤhling gegangen,
Wie ein Spielmann aus alter Zeit,
Und ſingt von uraltem Verlangen
So treu durch die Einſamkeit.
Und uͤber mir Lerchenlieder
Und unter mir Blumen bunt,
So werf' ich im Graſe mich nieder
Und weine aus Herzensgrund.
Da fuͤhl' ich ein tiefes Entzuͤcken,
Nun weiß ich wohl, was ich will,
Es bauen ſich andere Bruͤcken
Das Herz wird auf einmal ſtill.
23 *
Der Abend ſtreut roſige Flocken,
Verhuͤllet die Erde nun ganz,
Und durch des Schlummernden Locken
Zieh'n Sterne den heiligen Kranz.
Nachtgruß.
Weil jetzo alles ſtille iſt
Und alle Menſchen ſchlafen,
Mein Seel' das ew'ge Licht begruͤßt,
Ruht wie ein Schiff im Hafen.
Der falſche Fleiß, die Eitelkeit,
Was Keinen mag erlaben,
Darin der Tag das Herz zerſtreut,
Liegt alles tief begraben.
Ein andrer Koͤnig wunderreich
Mit koͤniglichen Sinnen
Zieht herrlich ein im ſtillen Reich,
Beſteigt die ew'gen Zinnen.
Morgenlied.
Kein Stimmlein noch ſchallt von allen
In fruͤheſter Morgenſtund,
Wie ſtill iſt's noch in den Hallen
Durch den weiten Waldesgrund.
Ich ſtehe hoch uͤber'm Thale
Stille vor großer Luſt,
Und ſchau' nach dem erſten Strahle
Kuͤhl Schauer in tiefſter Bruſt.
Wie ſieht da zu dieſer Stunde
So anders das Land herauf,
Nichts hoͤr' ich da in der Runde
Als von fern der Stroͤme Lauf.
Und ehe ſich alle erhoben
Des Tages Freuden und Weh,
Will ich Herr Gott Dich loben
Hier einſam in ſtiller Hoͤh. —
Nun rauſchen ſchon ſtaͤrker die Waͤlder,
Morgenlicht funkelt herauf,
Die Lerche ſingt uͤber den Feldern,
Schoͤne Erde nun wache auf!
In der Nacht.
Das Leben draußen iſt verrauſchet,
Die Lichter loͤſchen aus,
Schauernd mein Herz am Fenſter lauſchet
Still in die Nacht hinaus.
Da nun der laute Tag zerronnen
Mit ſeiner Noth und bunten Luſt
Was haſt Du in dem Spiel gewonnen,
Was blieb der muͤden Bruſt? —
Der Mond iſt troſtreich aufgegangen,
Da unterging die Welt,
Der Sterne heil'ge Bilder prangen
So einſam hoch geſtellt!
O Herr! auf dunkelſchwankem Meere
Fahr' ich im ſchwachen Boot,
Treufolgend Deinem goldnen Heere
Zum ew'gen Morgenroth.
Werktag.
Wir wandern nun ſchon viel hundert Jahr,
Und kommen doch nicht zur Stelle —
Der Strom wohl rauſcht an die tauſend gar,
Und kommt doch nicht zur Quelle.
Sonntag.
Weit in das Land die Stroͤm' ihr Silber fuͤhren,
Fern blau Gebirge duftig hingezogen,
Die Sonne ſcheint, die Baͤume ſanft ſich ruͤhren,
Und Glockenklang kommt auf den linden Wogen;
Hoch in den Luͤften Lerchen jubiliren,
Und, ſo weit klar ſich woͤlbt des Himmels Bogen,
Von Arbeit ruht der Menſch rings in die Runde,
Athmet zum Herren auf aus Herzensgrunde.
Fruͤhling.
Und wenn die Lerche hell anſtimmt
Und Fruͤhling rings bricht an:
Da ſchauert tief und Fluͤgel nimmt,
Wer irgend fliegen kann.
Die Erde gruͤßt er hochbegluͤckt,
Die, eine junge Braut,
Mit Blumen wild und bunt geſchmuͤckt,
Tief in das Herz ihm ſchaut.
Den Himmel dann, das blaue Meer
Der Sehnſucht gruͤßt er treu,
Da ſtammen Lied und Saͤnger her
Und ſpuͤren's immer neu.
Die dunkeln Gruͤnde ſaͤuſeln kaum,
Sie ſchau'n ſo fremd herauf.
Tiefſchauernd fuͤhlt' er, 's war ein Traum —
Und wacht im Himmel auf.
Herbſt.
Es iſt nun der Herbſt gekommen,
Hat das ſchoͤne Sommerkleid
Von den Feldern weggenommen
Und die Blaͤtter ausgeſtreut,
Vor dem boͤſen Winterwinde
Deckt er warm und ſachte zu
Mit dem bunten Laub die Gruͤnde,
Die ſchon muͤde geh'n zur Ruh.
Durch die Felder ſieht man fahren
Eine wunderſchoͤne Frau,
Und von ihren langen Haaren
Gold'ne Faͤden auf der Au
Spinnet ſie und ſingt im Gehen:
Eya, meine Bluͤmelein,
Nicht nach andern immer ſehen,
Eya, ſchlafet, ſchlafet ein.
Und die Voͤglein hoch in Luͤften
Ueber blaue Berg' und Seen
Zieh'n zur Ferne nach den Kluͤften,
Wo die hohen Cedern ſteh'n,
Wo mit ihren gold'nen Schwingen
Auf des Benedeiten Gruft
Engel Hoſiannah ſingen
Naͤchtens durch die ſtille Luft.
Winter.
Wie von Nacht verhangen,
Wußt' nicht, was ich will,
Schon ſo lange, lange
War ich todtenſtill.
Liegt die Welt voll Schmerzen,
Will's auch draußen ſchnei'n:
Wache auf, mein Herze,
Fruͤhling muß es ſein!
Was mich frech wollt' faſſen,
'S iſt nur Wogen-Schaum,
Falſche Ehr', Noth, Haſſen,
Welt, ich ſpuͤr' dich kaum.
Breite nur die Fluͤgel
Wieder, ſchoͤnes Roß,
Frei laß ich die Zuͤgel,
So brich durch, Genoß!
Und hat ausgeklungen
Liebes-Luſt und Leid,
Um die wir gerungen
In der ſchoͤnſten Zeit;
Nun ſo trag' mich weiter,
Wo das Wuͤnſchen aus —
Wie wird mir ſo heiter,
Roß, bring' mich nach Haus!
Der Schatzgraͤber.
Wenn alle Waͤlder ſchliefen,
Er an zu graben hub,
Raſtlos in Berges Tiefen
Nach einem Schatz er grub.
Die Engel Gottes ſangen
Derweil in ſtiller Nacht,
Wie rothe Augen drangen
Metalle aus dem Schacht.
„Und wirſt doch mein!“ und grimmer
Wuͤhlt er und wuͤhlt hinab,
Da ſtuͤrzen Steine und Truͤmmer
Ueber dem Narren herab.
Hohnlachen wild erſchallte
Aus der verfall'nen Kluft,
Der Engelgeſang verhallte
Wehmuͤthig in der Luft.
Der Schiffer.
Die Luͤfte linde faͤcheln,
Aus ſtillen Meeres Schaum
Syrenen tauchend laͤcheln,
Der Schiffer liegt im Traum.
Da faßt der Sturm die Wellen
Durchwuͤhlt die Einſamkeit:
Wach't auf, ihr Traumgeſellen,
Nun iſt's nicht Schlafens Zeit! —
In jenen ſtillen Tagen
Wie war ich ſtolz und klug,
In ſichern Gluͤck's Behagen
Mir ſelber gut genug.
Du haſt das Gluͤck zerſchlagen.
Nimm wieder, was du gabſt,
Ich ſchweig' und will nicht klagen,
Jetzt weiß ich, wie du labſt.
Das ſind die maͤcht'gen Stuͤrme,
Die wecken, was da ruht,
Es ſinken Land und Thuͤrme
Allmaͤlig in die Flut.
Kein Meerweib will ſich zeigen,
Kein Laut mehr langt zu mir,
Und in dem weiten Schweigen
Steh' ich allein mit dir.
O fuͤhre an den Riffen
Allmaͤchtig deine Hand,
Wohin wir alle ſchiffen,
Uns zu dem Heimathsſtrand!
Der Soldat.
Und wenn es einſt dunkelt,
Der Erd' bin ich ſatt,
Durch's Abendroth funkelt
Eine praͤcht'ge Stadt:
Von den goldenen Thuͤrmen
Singet der Chor,
Wir aber ſtuͤrmen
Das himmliſche Thor.
Der Waͤchter.
Naͤchtlich macht der Herr die Rund',
Sucht die Seinen unverdroſſen,
Aber uͤberall verſchloſſen
Trifft er Thuͤr und Herzensgrund,
Und er wendet ſich voll Trauer:
Niemand iſt, der mit mir wacht. —
Nur der Wald vernimmt's mit Schauer,
Rauſchet fromm die ganze Nacht.
Waldwaͤrts durch die Einſamkeit
Hoͤrt' ich uͤber Thal und Kluͤften
Glocken in den ſtillen Luͤften,
Wie aus fernem Morgen weit —
An die Thore will ich ſchlagen,
An Pallaſt und Huͤtten: Auf!
Flammend ſchon die Gipfel ragen,
Wachet auf, wacht auf, wacht auf!
Das Kind.
Das Kind ruht aus vom Spielen,
Am Fenſter rauſcht die Nacht,
Die Engel Gott's im Kuͤhlen
Getreulich halten Wacht,
Am Bettlein ſtill ſie ſtehen,
Der Morgen graut noch kaum,
Sie kuͤſſen's, eh ſie gehen,
Das Kindlein lacht im Traum.
Der Umkehrende.
I.
Du ſollſt mich doch nicht fangen,
Duftſchwuͤle Zaubernacht!
Es ſteh'n mit goldnem Prangen
Die Stern' auf ſtiller Wacht,
Und machen uͤber'm Grunde,
Wo Du verirret biſt,
Getreu die alte Runde —
Gelobt ſei Jeſus Chriſt!
Wie bald in allen Baͤumen
Geht nun die Morgenluft,
Sie ſchuͤtteln ſich in Traͤumen,
Und durch den rothen Duft
Eine fromme Lerche ſteiget,
Wenn Alles ſtill noch iſt,
Den rechten Weg Dir zeiget —
Gelobt ſei Jeſus Chriſt!
II.
Hier bin ich, Herr! Gegruͤßt das Licht,
Das durch die ſtille Schwuͤle
Der muͤden Bruſt gewaltig bricht
Mit ſeiner ſtrengen Kuͤhle.
Nun bin ich frei! Ich taum'le noch
Und kann mich noch nicht faſſen —
O Vater, Du erkennſt mich doch,
Und wirſt nicht von mir laſſen!
24
III.
Was ich wollte, liegt zerſchlagen,
Herr, ich laſſe ja das Klagen,
Und das Herz iſt ſtill.
Nun aber gieb auch Kraft, zu tragen,
Was ich nicht will!
IV.
Es wandelt, was wir ſchauen,
Tag ſinkt in's Abendroth,
Die Luſt hat eig'nes Grauen,
Und alles hat den Tod.
In's Leben ſchleicht das Leiden
Sich heimlich wie ein Dieb,
Wir alle muͤſſen ſcheiden
Von allem, was uns lieb.
Was gaͤb' es doch auf Erden,
Wer hielt' den Jammer aus,
Wer moͤcht' geboren werden,
Hielt'ſt Du nicht droben Haus!
Du biſt's, der, was wir bauen,
Mild uͤber uns zerbricht,
Daß wir den Himmel ſchauen —
Darum ſo klag' ich nicht.
V.
Waldeinſamkeit!
Du gruͤnes Revier,
Wie liegt ſo weit
Die Welt von hier!
Schlaf' nur, wie bald
Kommt der Abend ſchoͤn,
Durch den ſtillen Wald
Die Quellen gehn,
Die Mutter Gottes wacht,
Mit ihrem Sternen-Kleid
Bedeckt ſie Dich ſacht
In der Waldeinſamkeit,
Gute Nacht, gute Nacht! —
24*
Der Kranke.
Soll ich Dich denn nun verlaſſen,
Erde, heit'res Vaterhaus?
Herzlich Lieben, muthig Haſſen,
Iſt denn alles, alles aus?
Vor dem Fenſter durch die Linden
Spielt es wie ein linder Gruß,
Luͤfte, wollt ihr mir verkuͤnden,
Daß ich bald hinunter muß? —
Liebe, ferne, blaue Huͤgel,
Stiller Fluß im Thales-Gruͤn,
Ach, wie oft wuͤnſcht' ich mir Fluͤgel,
Ueber euch hinweg zu zieh'n!
Da ſich jetzt die Fluͤgel dehnen
Schaur' ich in mich ſelbſt zuruͤck,
Und ein unbeſchreiblich Sehnen
Zieht mich zu der Welt zuruͤck.
Sterbeglocken.
Nun legen ſich die Wogen,
Und die Gewitter ſchwuͤl'
Sind all' hinabgezogen,
Mir wird das Herz ſo kuͤhl.
Die Thaͤler alle dunkeln,
Iſt denn das Morgenzeit?
Wie ſchoͤn die Gipfel funkeln.
Und Glocken hoͤr' ich weit.
So hell noch niemals klangen
Sie uͤber'n Waldes-Saum —
Wo war ich denn ſo lange?
Das war ein ſchwerer Traum.
Der Pilger.
I.
Man ſetzt uns auf die Schwelle
Wir wiſſen nicht, woher?
Da gluͤht der Morgen helle,
Hinaus verlangt uns ſehr.
Der Erde Klang und Bilder,
Tiefblaue Fruͤhlingsluſt,
Verlockend mild und wilder,
Bewegen da die Bruſt.
Bald wird es rings ſo ſchwuͤle,
Die Welt erathmet kaum,
Berg', Schloß und Waͤlder kuͤhle
Steh'n lautlos wie im Traum,
Und ein geheimes Grauſen
Beſchleichet unſern Sinn:
Wir ſehnen uns nach Hauſe
Und wiſſen nicht wohin?
II.
Dein Wille, Herr, geſchehe!
Verdunkelt ſchweigt das Land,
Im Zug der Wetter ſehe
Ich ſchauernd Deine Hand.
O mit uns Suͤndern gehe
Erbarmend in's Gericht!
Ich beug' im tiefſten Wehe
Zum Staub mein Angeſicht,
Dein Wille, Herr, geſchehe!
III.
Schlag' mit den flamm'gen Fluͤgeln!
Wenn Blitz aus Blitz ſich reißt:
Steht wie in Roſſesbuͤgeln
So ritterlich mein Geiſt.
Waldesrauſchen, Wetterblicken
Macht recht die Seele los,
Da gruͤßt ſie mit Entzuͤcken,
Was wahrhaft, ernſt und groß.
Es ſchiffen die Gedanken
Fern wie auf weitem Meer,
Wie auch die Wogen ſchwanken:
Die Segel ſchwellen mehr.
Herr Gott, es wacht Dein Wille!
Wie Tag und Luſt verweh'n,
Mein Herz wird mir ſo ſtille
Und wird nicht untergeh'n.
IV.
So laß herein nun brechen
Die Brandung, wie ſie will,
Du darfſt ein Wort nur ſprechen,
So wird der Abgrund ſtill
Und bricht die letzte Bruͤcke;
Zu Dir, der treulich ſteht,
Hebt uͤber Noth und Gluͤcke
Mich einſam das Gebet.
V.
Wie ein todeswunder Streiter,
Der den Weg verloren hat,
Schwank' ich nun und kann nicht weiter
Von dem Leben ſterbensmatt.
Nacht ſchon decket alle Muͤden
Und ſo ſtill iſt's um mich her,
Herr auch mir gieb endlich Frieden,
Denn ich wuͤnſch' und hoff' nichts mehr.
VI.
Wie oft wollt' mich die Welt ermuͤden,
Ich beugt' auf's Schwert mein Angeſicht
Und bat Dich frevelhaft um Frieden —
Du wußteſt's beſſer, gabſt ihn nicht.
Ich ſah in Nacht das Land vergehen,
In Blitzen Du die Wetter brachſt,
Da konnt' ich ſchauernd erſt verſtehen,
Was Du zu mir Erſchrock'nen ſprachſt:
„Meine Lieder ſind nicht Deine Lieder,
Leg' ab den falſchen Schmuck der Zeit
Und nimm das Kreuz, dann komme wieder
In Deines Herzens Einſamkeit.“
Und alle Bilder ferne treten
Und tief noch rauſchet kaum die Rund' —
Wie geht ein wunderbares Beten
Mir leuchtend durch der Seele Grund!
Der Pilot.
Glaube ſtehet ſtill erhoben
Ueber'm naͤcht'gen Wellenklang,
Lieſet in den Sternen droben
Fromm des Schiffleins ſichern Gang.
Liebe ſchwellet ſanft die Segel,
Daͤmmernd zwiſchen Tag und Nacht
Schweifen Paradieſesvoͤgel,
Ob der Morgen bald erwacht?
Morgen will ſich kuͤhn entzuͤnden,
Nun wird's mir auf einmal kund:
Hoffnung wird die Heimath finden
Und den ſtillen Ankergrund.
Das kranke Kind.
Die Gegend lag ſo helle,
Die Sonne ſchien ſo warm,
Es ſonnt' ſich auf der Schwelle
Ein Kindlein krank und arm.
Geputzt zum Sonntag heute
Zieh'n ſie das Thal entlang,
Das Kind gruͤßt alle Leute,
Doch niemand ſagt ihm Dank.
Viel Kinder jauchzen ferne,
So ſchoͤn iſt's auf der Welt!
Ging' auch ſpatzieren gerne,
Doch muͤde ſtuͤrzt's im Feld.
„Ach Vater, liebe Mutter,
Helft mir in meiner Noth! —“
Du armes Kind! die ruhen
Ja unter'm Graſe todt.
Und ſo im Gras alleine
Das kranke Kindlein blieb,
Frug keiner, was es weine,
Hat jeder ſein's nur lieb.
Die Abendglocken klangen
Schon durch die ſtille Welt,
Die Engel Gottes ſangen
Und gingen uͤber's Feld.
Und als die Nacht gekommen
Und alles das Kind verließ,
Sie haben's mitgenommen,
Nun ſpielt's im Paradies.
Der Einſiedler.
Komm, Troſt der Welt, Du ſtille Nacht!
Wie ſteigſt Du von den Bergen ſacht,
Die Luͤfte alle ſchlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermuͤd,
Singt uͤber's Meer ſein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.
Die Jahre wie die Wolken geh'n
Und laſſen mich hier einſam ſteh'n,
Die Welt hat mich vergeſſen,
Da tratſt Du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauſchen hier
Gedankenvoll geſeſſen.
O Troſt der Welt, Du ſtille Nacht!
Der Tag hat mich ſo muͤd gemacht,
Das weite Meer ſchon dunkelt,
Laß' ausruh'n mich von Luſt und Noth,
Bis daß das ew'ge Morgenroth
Den ſtillen Wald durchfunkelt.
Der Saͤnger.
I.
Siehſt Du die Waͤlder gluͤhen,
Die Stroͤme flammend ſpruͤhen,
Die Welt in Abendgluten,
Wie traͤumeriſche Fluten,
Wo bluͤh'nde Inſeln trunken
Sich ſpiegeln in dem Duft? —
Es weht und rauſcht und ruft:
O komm, eh' wir verſunken!
Eh' noch die Sonn' verſunken:
Geh'n durch die gold'nen Funken
Still Engel in den Thalen,
Das giebt ſo leuchtend Strahlen
In Blumen rings und Zweigen. —
Wie frommer Wiederhall
Weht noch der Glocken Schall,
Wenn laͤngſt die Thaͤler ſchweigen.
Leis waͤchſt durch's dunkle Schweigen
Ein Fluͤſtern rings und Neigen
Wie ein geheimes Singen,
In immer weitern Ringen
Zieht's alle die da lauſchen
In ſeine duft'ge Rund',
Wo kuͤhl im ſtillen Grund
Die Waſſerkuͤnſte rauſchen.
Wie Wald und Strom im Rauſchen
Verlockend Worte tauſchen!
Was iſt's, daß ich ergrauſe? —
Fuͤhrt doch aus ſtillem Hauſe
Der Hirt die gold'ne Heerde,
Und huͤtet treu und wacht,
So lieblich weht die Nacht,
Lind ſaͤuſelt kaum die Erde.
II.
Und zu den Felſengaͤngen
Der naͤcht'ge Saͤnger flieht,
Denn wie mit Wahnſinns Klaͤngen
Treibt ihn ſein eig'nes Lied.
Bei leuchtenden Gewittern
Schreckt ihn das ſtille Land,
Ein wunderbar Erſchuͤttern
Hat ihm das Herz gewandt.
Bereuend ſinkt ſein Auge —
Da blickt durch Nacht und Schmerz
Ein unſichtbares Auge
Ihm klar in's tiefſte Herz.
Sein Saitenſpiel zur Stunde
Wirft er in tiefſten Schlund
Und weint aus Herzensgrunde,
Und ewig ſchweigt ſein Mund.
Morgendaͤmmerung.
Es iſt ein ſtill Erwarten in den Baͤumen,
Die Nachtigallen in den Buͤſchen ſchlagen
In irren Klagen, koͤnnen's doch nicht ſagen,
Die Schmerzen all' und Wonne, halb in Traͤumen.
Die Lerche auch will nicht die Zeit verſaͤumen,
Da ſolches Schallen bringt die Luft getragen,
Schwingt ſich vom Thal, eh's noch beginnt zu tagen,
Im erſten Strahl die Fluͤgel ſich zu ſaͤumen.
Ich aber ſtand ſchon lange in dem Garten
Und bin in's ſtille Feld hinausgegangen,
Wo leis die Aehren an zu wogen fingen.
O fromme Voͤglein, ihr und ich, wir warten
Auf's frohe Licht, da iſt uns vor Verlangen
Bei ſtiller Nacht erwacht ſo ſehnend Singen.
Das Gebet.
Wen hat nicht einmal Angſt befallen,
Wenn Truͤbniß ihn gefangen haͤlt,
Als muͤßt' er ewig raſtlos wallen
Nach einer wunderbaren Welt?
All' Freunde ſind lang fortgezogen,
Der Fruͤhling weint in einem fort,
Eine Bruͤcke iſt der Regenbogen
Zum friedlich ſichern Heimathsport.
Hinauszuſchlagen in die Toͤne,
Lockt Dich Natur mit wilder Luſt,
Zieht Minne, holde Frauenſchoͤne
Zum Abgrund ſuͤß die ſeel'ge Bruſt;
Den Tod ſiehſt Du verhuͤllet gehen
Durch Lieb' und Leben himmelwaͤrts,
Ein einzig Wunder nur bleibt ſtehen
Einſam uͤber dem oͤden Schmerz. —
Du ſeltner Pilger, laß Dich warnen!
Aus ird'ſcher Luſt und Zauberei,
Die freud- und leidvoll Dich umgarnen,
Strecke zu Gott die Arme frei!
Nichts mehr mußt Du hienieden haben,
Himmliſch betruͤbt, verlaſſen, arm,
Ein treues Kind, dem Vater klagen
Die ird'ſche Luſt, den ird'ſchen Harm.
Es breitet dieſe einz'ge Stunde
Sich uͤber's ganze Leben ſtill,
Legt bluͤhend ſich um Deine Wunde,
Die niemals wieder heilen will.
Treu bleibt der Himmel ſtets dem Treuen,
Zur Erd' das Ird'ſche niedergeht,
Zum Himmel uͤber Zaubereien
Geht ewig ſiegreich das Gebet.
25
Sonntag.
Die Nacht war kaum verbluͤhet,
Nur eine Lerche ſang
Die ſtille Luft entlang.
Wen gruͤßt ſie ſchon ſo fruͤhe?
Und draußen in dem Garten
Die Baͤume uͤber's Haus
Sah'n weit in's Land hinaus,
Als ob ſie wen erwarten.
In feſtlichen Gewanden
Wie eine Kinderſchaar,
Thauperlen in dem Haar,
Die Blumen alle ſtanden.
Ich dacht': ihr kleinen Braͤute,
Was ſchmuͤckt ihr euch ſo ſehr? —
Da blickt' die eine her:
„Still, ſtill, 's iſt Sonntag heute.“
„Schon klingen Morgenglocken,
Der liebe Gott nun bald
Geht durch den ſtillen Wald.“ —
Da kniet' ich froherſchrocken.
Nachtgebet.
Es rauſchte leiſe in den Baͤumen,
Ich hoͤrte nur der Stroͤme Lauf,
Und Berg und Gruͤnde, wie aus Traͤumen,
Sie ſah'n ſo fremd zu mir herauf.
Drin aber in der ſtillen Halle
Ruht' Sang und Plaudern muͤde aus,
Es ſchliefen meine Lieben alle,
Kaum wieder kannt' ich nun mein Haus.
Mir war's als laͤgen ſie zur Stunde
Geſtorben, bleich im Mondenſchein,
Und ſchauernd in der weiten Runde
Fuͤhlt' ich auf einmal mich allein.
So blickt in Meeres oͤden Reichen
Ein Schiffer einſam himmelan —
O Herr, wenn einſt die Ufer weichen,
Sei gnaͤdig Du dem Steuermann!
25 *
Oſtern.
Vom Muͤnſter Trauer-Glocken klingen,
Vom Thal ein Jauchzen ſchallt herauf.
Zur Ruh ſie dort dem Todten ſingen,
Die Lerchen jubeln: wache auf!
Mit Erde ſie ihn ſtill bedecken,
Das Gruͤn aus allen Graͤbern bricht,
Die Stroͤme hell durch's Land ſich ſtrecken,
Der Wald ernſt wie in Traͤumen ſpricht,
Und bei den Klaͤngen, Jauchzen, Trauern,
So weit in's Land man ſchauen mag,
Es iſt ein tiefes Fruͤhlingsſchauern
Als wie ein Auferſtehungstag.
Weihnachten.
Markt und Straßen ſteh'n verlaſſen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh' ich durch die Gaſſen,
Alles ſieht ſo feſtlich aus.
An den Fenſtern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geſchmuͤckt,
Tauſend Kindlein ſteh'n und ſchauen,
Sind ſo wunderſtill begluͤckt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in's freie Feld,
Hehres Glaͤnzen, heil'ges Schauen!
Wie ſo weit und ſtill die Welt!
Sterne hoch die Kreiſe ſchlingen,
Aus des Schnees Einſamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen —
O du gnadenreiche Zeit!
Abſchied.
Abendlich ſchon rauſcht der Wald
Aus den tiefen Gruͤnden,
Droben wird der Herr nun bald
An die Sterne zuͤnden,
Wie ſo ſtille in den Schluͤnden,
Abendlich nur rauſcht der Wald.
Alles geht zu ſeiner Ruh,
Wald und Welt verſauſen,
Schauernd hoͤrt der Wandrer zu,
Sehnt ſich recht nach Hauſe,
Hier in Waldes gruͤner Klauſe
Herz, geh' endlich auch zur Ruh!
Mondnacht.
Es war, als haͤtt' der Himmel
Die Erde ſtill gekuͤßt,
Daß ſie im Bluͤten-Schimmer
Von ihm nun traͤumen muͤßt'.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Aehren wogten ſacht,
Es rauſchten leis die Waͤlder,
So ſternklar war die Nacht.
Und meine Seele ſpannte
Weit ihre Fluͤgel aus,
Flog durch die ſtillen Lande,
Als floͤge ſie nach Haus.
Gluͤck auf.
Gar viel hab' ich verſucht, gekaͤmpft, ertragen;
Das iſt der tiefen Sehnſucht Lebenslauf,
Daß bruͤnſtig ſie an jeden Fels muß ſchlagen,
Ob ſich des Lichtes Gnadenthuͤr thaͤt' auf,
Wie ein verſchuͤtt'ter Bergmann in den Kluͤften
Heraus ſich hauet zu den heitern Luͤften.
Auch ich gelang' einſt zu dem ſtillen Gipfel,
Vor dem mich ſchaudert in geheimer Luſt.
Tief unten rauſchen da des Lebens Wipfel
Noch einmal dunkelruͤhrend an die Bruſt,
Dann wird es unten ſtill im weiten Grunde
Und oben leuchtet ſtreng des Himmels Runde.
Wie klein wird ſein da, was mich hat gehalten,
Wie wenig, was ich Irrender vollbracht,
Doch was den Felſen glaͤubig hat geſpalten:
Die Sehnſucht treu ſteigt mit mir aus der Nacht
Und legt mir an die wunderbaren Schwingen,
Die durch die Stille mich nach Hauſe bringen.
Nachtlied.
Vergangen iſt der lichte Tag,
Von ferne kommt der Glocken Schlag;
So reiſ't die Zeit die ganze Nacht,
Nimmt manchen mit, der's nicht gedacht.
Wo iſt nun hin die bunte Luſt,
Des Freundes Troſt und treue Bruſt,
Des Weibes ſuͤßer Augenſchein?
Will keiner mit mir munter ſein?
Da's nun ſo ſtille auf der Welt,
Zieh'n Wolken einſam uͤber's Feld,
Und Feld und Baum beſprechen ſich, —
O Menſchenkind! was ſchauert Dich?
Wie weit die falſche Welt auch ſei,
Bleibt mir doch Einer nur getreu,
Der mit mir weint, der mit mir wacht,
Wenn ich nur recht an ihn gedacht.
Friſch auf denn, liebe Nachtigall,
Du Waſſerfall mit hellem Schall!
Gott loben wollen wir vereint,
Bis daß der lichte Morgen ſcheint!
Durch!
Ein Adler ſaß am Felſenbogen,
Den lockt' der Sturm weit uͤber's Meer,
Da hatt' er droben ſich verflogen,
Er fand ſein Felſenneſt nicht mehr,
Tief unten ſah er kaum noch liegen
Verdaͤmmernd Wald und Land und Meer,
Mußt' hoͤher, immer hoͤher fliegen,
Ob nicht der Himmel offen waͤr'.