Kinder-
und
Haus-Maͤrchen
Zweiter Theil.
Kinder-
und
Haus-Maͤrchen.
Gesammelt
durch
die Bruͤder Grimm.
Zweiter Band.
Mit zwei Kupfern.
Zweite vermehrte und verbesserte Auflage.
Berlin 1819.
Gedruckt und verlegt
bei G. Reimer.
Kinderwesen und Kindersitten.
1. „Lasset die Kindlein und wehret ihnen nicht zu mir zu kommen, denn solcher ist das Himmelreich;“ dieser heilige Spruch bewaͤhrt sich durch alle Zeiten, uͤberall geht das Leben des Menschen auf, wie eine Blume, eh sie die stechende Sonne blaͤßt und der irdische Staub truͤbt, in reiner, unversehrter Farbe. Hartmann von der Aue weiß darum nicht herrlicher die Tugend einer Frau zu preisen, als wenn er ihre Worte und ihr Wesen mit dem der Kinder vergleicht. Jwein 6470.
si was, daz man an kinden
niemer mohte vinden
suͤzzer worte noch reiner site:
si mohte da betwingen mite
eines engels gedanc,
daz er vil lihte einen wanc
durch si von himel tate.
Ein Engel waͤre darum vielleicht bewogen worden, zu ihr vom Himmel herabzukommen, so wie man glaubt, daß jeden Menschen
von seiner Kindheit an ein Engel begleite. Darin ist auch die Freude begruͤndet, die wir bei dem Anblick der Kinder fuͤhlen, daß ihre Worte und Gebaͤrden treu, wahr und lieblich sind. „Jch liege dir in deinem Herzen und thue dir in den Augen wohl“ sagt das Kind zu seiner Mutter, (Winsbeckin 30.). Gudrun spricht in einem Liede der alten Edda (II. S. 532.): „so war Schwanhild (meine Tochter) in meinem Hause, wie der lieblich anzuschauende Sonnenstrahl.“
2. Ruͤhrend ist es, wenn wir die kleinen Zuͤge aus dem Kinderleben in den alten Dichtungen schon beachtet finden. Man spielt mit Kindern, indem man sich neckend bald zeigt, bald versteckt; davon nimmt Wernher in dem Loblied auf die Jungfrau Maria ein schoͤnes Gleichniß: der Engel, der mit ihr gesprochen und bei ihr stand (S. 106 ),
er verbarg ougen unde munt
sin antlutze ioh den schin;
also spilt er mit der kunigin
als man pfleit mit den kinden.
Fischart hat wohl dieses Spiel gemeint, wenn er von dem Vater spricht, der „mit dem Kind Mumels spielt;“ Gargantua 71 a. Kinder glauben sich zu verbergen, wenn sie die Hand vor das Gesicht halten und so sagt Tyro von Schotten. Str. 33.
wan si tuot als daz kindelin,
swanne daz verdecket diu ougen sin,
so waͤnt ez, daz ez nieman sehe.
3. Der kindischen Lust und Trauer wird oft von den Dichtern jener Zeit gedacht. „Froh wie ein Kind sitzen,“ ist ein bildlicher Ausdruck der Edda (sitia barnteitur. Hymisq. 2.). Freidank sagt 2347
ein kint naͤme ein geverbet ei
fur andre driu oder zwei
und aͤhnlich das Maͤre vom Haͤslein: 54.
ein kint den apfel minnet
unt naͤme ein ei fur des riches lant.
Jm Wartburger Krieg heißt es: (Str. 17. in der Maness. Sammlung) „vor Zorn muß ich zappeln, wie ein Kind, dem man das Ei versagt.“ Und im Wilhelm von Oranse ganz aͤhnlich:
— weinen so diu wip
oder als ein kint nach dem ei.
Ueberhaupt ist das Weinen der Kinder sprichwoͤrtlich. Jm Tristan 4097.
er saz und weinte
als ob er ein kint waͤre.
und in der Wilkina-Saga. (S. 94. und 139.): „das Kind soll haben, wornach es weint.“
4. Sie muͤssen sich der Lehre unterwerfen. Alter Titurel 80.
swa kint lernent uf stan nach stuolen,
die muozzen zem ersten dar kriechen.
Von Alexander und Aristoteles (in der Muͤller. Sammlung Bd. III. 69.):
der meister nam den jungen knaben
unt lerte in die buochstaben
a. b. c. d daz tet im an dem ersten we,
als ez noch tuot den jungen,
die do sint betwungen
mit schuole-meisterscheften.
Auch die Strafe wird erwaͤhnt. Jm Reinfried von Braunschweig spricht der Riese zu dem Helden, ich will mit dir nicht streiten: (Gotha. Hs. Bl 150 a.)
ich wil dich lazzen riten
durch dinen tumblichen muot,
eine weiche, kranke (d. h. schwache) kindes-ruot
horte uber dinen lip!
hastu ze tunde icht, daz trip
unt bis todes vor mir fri.
Aber Walter von der Vogelweide sagt auch schon sprichwoͤrtlich (Man. I. 106 b.):
nieman kan mit gerten
kindes zucht beherten.
d. h. mit der Ruthe (allein) kann man ein Kind nicht erziehen. —
5. Sorglos sind Kinder und leben nach augenblicklicher Lust. So heißts im armen Heinrich: 950.
— du tuost alse diu kint,
diu so gehes muotes sint:
swaz den komet in den muot,
es si ubel oder guot,
dazuo ist in allen gach
unt geriuwet si sere darnach.
Nach dem Bunten und Schimmernden greifen sie zuerst, daher bei Freidank der Spruch: 13
was mit varwe ist uberzogen,
da wurt ein kint vil lihte betrogen.
3688.
wo kint sint bi der gluot,
da ist not, daz man ir huot.
und Ulrich Furterer sagt im Lanzilot Str. 49:
als — kinden tuot gezemen,
den man beut einen apfel rot,
lazzen daz gold in aus den henden nemen.
Dies bezieht sich vielleicht auf die Sage von dem Bruͤderchen, das mit seinem Schwesterchen Schlachtens spielte, es, wie man den Schweinen thut, in die Gurgel schnitt und toͤdtete. Ein alter Mann zu Franecker, wo es der Sage nach geschehen ist, gab den Rath, der oberste Richter solle einen schoͤnen rothen Apfel in die eine Hand nehmen, in die andere einen rheinischen Gulden, das Kind dann zu sich rufen und beide Haͤnde gleich gegen dasselbe ausstrecken; naͤhme es den Apfel, so solle es ledig erkannt werden, naͤhme es aber den Gulden, so solle man es toͤdten. Es geschah, das Kind aber ergriff lachend den Apfel und ward von aller Strafe ledig erkannt. — Es giebt eine ganz aͤhnliche orientalische Sage von Moses (Rosenoͤhl I. 88.). Pharao gewann den Findling sehr lieb, obgleich die Wahrsager ihn warnten, dies koͤnne das Kind des neuen Gestirns seyn; aber der Koͤnig achtete nicht darauf, bis
eines Tages der kleine Moses, den er spielend liebkoste, ihn mit einer Hand beim Bart bis zur Erde niederzog und mit der andern ihm die Krone vom Haupt schlug. Pharao, ergrimmt, will ihn umbringen lassen, die Raͤthe schlagen ihm aber vor, erst zu versuchen, ob das Kind schon den Gebrauch der Vernunft erlangt habe oder nicht. Es ward ihm ein Becken voll Glut, ein anderes voll Gold hingestellt. Moses wollte zwar nach dem Golde greifen, allein der Erzengel Gabriel leitete ihm die Hand nach der Glut, die er nach dem Mund fuͤhrte. Dies entschied und Moses war diesmal gerettet. — Die Weltchronik erzaͤhlt in der Casseler Handschrift, Bl. 79 b., etwas abweichend: Pharao habe spielend mit dem Kinde, ihm die Krone aufgesetzt, aber es habe sie zur Erde geworfen, so daß sie in Stuͤcke zersprungen sey. Ein Priester habe dies als eine von Gott geschickte Vorbedeutung angesehen und um nun zu pruͤfen, ob Absicht oder kindlicher Unverstand Schuld gewesen, sey dem Kind ein gluͤhender Brand vorgehalten worden. Aber es habe kindlich ihn angegriffen und in den Mund gesteckt, wovon es sich verbrannt und weshalb Moses hernach gelispelt.
6. Wenn man Kindern nicht sagen will, wo man das her wisse, wornach sie fragen, so antwortet man wohl: „mein kleiner Finger hat mirs gesagt,“ (auch im Franzoͤsischen: „mon petit doigt me l’a dit“) Dies finden wir schon in einem altdeutschen Gedicht (Muͤller Samml. Bd. III. Fragm. und kl. Ged. St. IX. V. 119.):„min minnester ninger mirs verjach.“ —
7. Wenn man Papier verbrennt, gibt man acht, wie die Funken auf dem schwarzen Grund hin und hergehen und nach und nach verschwinden, besonders auf den allerletzten. Man sagt, das seyen die Leute, die aus der Kirche gingen und der letzte sey der Gloͤckner oder der Kuͤster, der die Thuͤre zuschließe. (Franzoͤs. que c’est l’abbesse qui fait coucher les nonnains.)
8. Frisches Brot aus neuem Korn wird Hasenbrot genannt und der Hase hat es im Walde gebacken; es gibt auch eine Pflanze, die Hasenbrot heißt briza media Linn.). Wenn auf den Bergen Nebel liegt, so ist es der Rauch aus seiner Kuͤche: „der Has kocht.“ Jm plattdeutschen: „de Voß badet sik,“ oder: „de Voß bruet;“ der Nebel heißt: „Voßbad.“
9. Aus den eddischen Liedern verdient es angefuͤhrt zu werden, wie Gudrun nach dem Verderben ihres Geschlechts und mitten im herbsten Schmerz der seligen Zeit gedenkt, wo sie mit ihrem Bruder Haugni in kindlicher Lust zusammengelebt. Atla-mál in groͤnlensku, Str. 68.
Alin vith upp vorom i eino husi,
lekom leik margan ok i lundi óxom,
gaͤddi ockr Grimhildur gulli ok háls-meniom.
Wir beide wurden auferzogen in einem Hause, manches Spiel spielten wir, in dem Walde wurden wir groß, Krimhild (die Mutter) schmuͤckte uns mit Gold und Halsbaͤndern.
Gudrun scheint vorzugsweise ihren Bruder Haugni geliebt zu haben. Wenn sich von mehrern Geschwistern immer zwei, wie
haͤufig geschieht, zusammenhalten und unzertrennlich sind, so pflegt man die beiden Messerchen und Gaͤbelchen zu nennen. Jm plattdeutschen (nach Daͤhnert) heißen auch zwei zusammengewachsene Aepfel Kindappel.
10. Bei der Geburt eines Sohns pflegt der Vater einen Baum zu pflanzen, an manchen Orten den langsam wachsenden Lebensbaum thuia occident. (Vergl. unsere Edda S. 61 Anm. und Kopenh. Edda II. S. 59. Anm.) — Jn Schaffhausen, wenn ein Sohn geboren ist, traͤgt die Magd, die ihn den Verwandten ansagt, eine weiße Schuͤrze und zwei Straͤuße, einen vor der Brust, einen andern in der Hand; wenn es ein Maͤdchen ist aber nur einen. (Stalder II. 355.) — Bei der Taufe erhalten Kinder ein Geschenk von ihrem Pathen. Jm heidnischen Norden geschah dies, wenn sie den Namen, meistens Zunamen erhielten und es hieß die Rafn-festi (Namensfestigung). Als die Wahlkuͤre Swawa, den Sohn Hiorwards, der noch kein Wort gesprochen, Helge nennt, hebt er an zu reden und verlangt nun auch das Geschenk zu dem Namen. Edda II. 33. Dieselbe Sitte beschreibt die juͤngere Edda Daͤmesaga 63. und die Heimskringla VI. 9. Vergl. auch die Thorstein Baͤarm. Saga Cap. 4. Sie macht auch eine merkwuͤrdige Stelle beim Paulus Diaconus de gestis Longob. I. 8. deutlich, wo Frea dem Wodan sagt, weil er den Langbaͤrten einen Namen gegeben, (Odin heißt bekanntlich selbst Langbardur), so muͤsse er ihnen auch (als Geschenk) den Sieg verleihen. — Man pflegt heutzutage dem Kind etwas zu schenken, wenn es die ersten Kleider, Schuhe traͤgt u. s. w. Eine
uralte Sitte ist das Geschenk des Vaters bei dem ersten Zahn, im Nordischen hieß es Tann Fé. und im Grimnismal Str. 5. wird gesagt, daß Freyr seinen Sitz Alfheim als Zahngeschenk von den Goͤttern erbalten habe.
11. Kinderspiele. Die Kindheit selbst wird damit bezeichnet. Hartmann von der Aue sagt, Manesse I. 179 a.
mir hat ein wip genade widerseit,
der ich gedienet han mit stetekeit
sit der stunde, daz ich uf mime stabe reit.
Lichtenstein (Frauendienst von Tieck S. 2.) noch so dumm, als ein Kind, das auf Gerten reiten will. Auch des Kriegspiels wird gedacht; im Titurel Str. 80.
swenn andriu kint diu iungen
ze velt unt an den strazzen
punierten unde rungen,
durch sende not so must er daz nu lazzen.
Konrad von Wuͤrzburg beschreibt die Jugend des Paris im Trojanischen Krieg, 612.:
swenne er unt ander hirtelin,
die sine gesellen waren,
ir spils begonden varen,
so taͤt er ie daz beste
unt was so tugendveste,
daz man in lobte denne.
si waren etswenne
mit strite sament gemeinlich,
also daz si do teilten sich
unt machten krieges parte,
so was er ein gries-warte.
unt ein guot richter under in;
wan swer den sig do fuorte hin,
dem satzte er uf sin houbet
ein schapel wol geloubet,
damit er in do kronte
unt im der tugende lonte,
daz er so fromeklichen streit.
Das Spiel mit drei oder fuͤnf kleinen Steinen wovon einer aufgeworfen und waͤhrend dieser fliegt, die uͤbrigen zusammengestrichen und in die Hand genommen werden, um jenen damit aufzufangen, findet sich uͤberall und ist gewiß uraltNiebuhr sah es bei den Kindern am Euphrat zwischen Basra und Helle. Es heißt bei den Arabern Lakud. Er macht dabei die Bemerkung: „die Spiele der Bauernkinder scheinen in der ganzen Welt dieselbigen zu seyn.“ Reise nach Arabien I, 171. Clarke fand dieses Spiel in ganz Rußland wieder und gedenkt einer griechischen Vase, auf welcher es abgebildet ist. Reise durch Rußland S. 196. (bei Bertuch).. — Ein altes Spiel sind auch die kleinen Windmuͤhlen, zwei Querhoͤlzer mit vier Fluͤgeln, an einem laͤngern Stock befestigt, der in der Hand gehalten wird. Geht kein Wind, so wird gelaufen und der daraus entstehende Zug treibt die Fluͤgel herum. Zwei Knaben mit diesem Spielwerk findet man z. B in einem in Holz geschnittenen Anfangsbuchstab zu dem chronicon Freculphi
Lexovicensis episcopi ed. 1539. Tom. II. L. V. fol. CXLVIIIb. — Bei Hans Sachs Kempt. Ausg. I S. 465. findet sich folgende Stelle:
willt du bei guten Leuten sitzen
fuͤr alle Kuͤrzweil Linsen spitzen
gleich wie ein Kind bei einem Jahr?
was heißt das? —
Ueber die Kinderspiele im Norden hat Sk. Th. Thorlacius antiquitt boreal. spec. V. p. 237. viel Schaͤtzbares zusammengestelltOssian gedenkt auch der Kinderspiele seines Volkes: wie die Distel ein Hirsch, die wandernde Samenwolle ein Reh war (Gall Alterthuͤmer I. S. 51). Ruͤhrend ist, wenn der sterbende Curach zum Ossian sagt (S. 303.) „gieb dieses Schwert (einst) meinem Sohne! Jn dem gruͤnen, binsenreichen Thale von Sliruth verfolgt er (jetzt noch ein Kind) die Samenwolle, die auf dem Fittich der scherzenden Geister flieht. Der Schall des fallenden Wassers dringt zu des Knaben Ohr. Jch hoͤre, sagt er, die Schritte meines Vaters. Mit dem ungleichen Schritt der Freude laͤuft er mich zu treffen, aber er sieht den grauen Strom. Kehre zuruͤck mein Kind und verfolge deine Samenvoͤgelchen, mein Auge wird vor Freude schimmern. wenn ich dich von meiner schwebenden Wolke erblicke.“. Nachzutragen ist ein eigenthuͤmlicher Zug in der Floamanna-Sage (nach der Uebersetzung ins Daͤnische von B. Thorlacius S. 53. 54.), welcher zeigt, wie fruͤh schon bei Kindern in dem heidnischen Norden die Achtung vor ungezaͤhmter Naturkraft geweckt war. Als Thorgil, der Held dieser Sage, fuͤnf Jahr alt war, wollte er mit bei einem Knabenspiel seyn. Die andern weisen ihn ab, weil sie festgesetzt hatten: „daß der nur Theil an
ihren Spielen nehmen duͤrfe, der schon ein lebendes Thier umgebracht.“ Thorgil, mißvergnuͤgt daruͤber, sticht in der Nacht ein Pferd todt, um die Bedingung zu erfuͤllen. Man vergleiche des Tacitus bekannte Stelle von dem eisernen Ring, den die jungen Chatten tragen mußten und nicht eher ablegen durften, bis sie einen Feind erlegt.
12. Einzelne Spiele.
Der Wolf und die Schaafe. Eins macht den Schaͤfer, eins den Wolf und mehrere die Schaafe. Der Schaͤfer spricht: „Schaap, Schaap kamt to Huus.“ — Die Schaafe antworten: „wi droͤvt (wir duͤrfen) nig!“ — „Worum nig?“ — „Dar steit en grooten Wulf vor de Doͤr.“ — „Wat deit he?“ — „Slippt Messen.“ — „Wat will he damit doon?“ — „He will uns all de Keel afsnieden.“ Der Schaͤfer sucht die Schaafe zu schuͤtzen, aber der Wolf faͤngt doch endlich eins, welches hernach an die Stelle des Wolfs tritt. (Schuͤtze holst. Jdiot. I. 261. IV. 17.) — Kaͤtzchen und Maͤuschen. Jst jenem aͤhnlich. Die Katze steht in einem Kreis, die Maus haußen, die Katze will immer heraus, der Kreis aber haͤlt fest zusammen und singt:
„Maͤuschen, laß dich nicht erwischen,
spring uͤber Baͤnk und Tische:
husch! Maͤuschen, husch!“
Bricht die Katze doch durch den Kreis, so wird das Maͤuschen hereingelassen, und der Katze der Zugang versperrt, bis ihr endlich gelingt, das Maͤuschen zu fangen. — Vom Berg ziehen. Einer steht oben auf dem Huͤgel die andern unten suchen ihn
herabzuziehen und seinen Platz zu erhalten, dagegen wehrt er sich. Dabei wird gesungen:
„O Barg (Berg) min!“
„Wo lange is he din?“
„Huͤt oder morgen.“
„Scheer heraf, lat der mi voͤr sorgen!“
Jm Holsteinischen (Schuͤtze III. 101.) doch auch anderwaͤrts uͤblich. — Erbsenspiel. „Gib mir eine Erbse.“ — „Jch hab keine.“ — „Geh zum Muͤller und hol dir eine.“ — „Er gibt mir keine.“ — „So such dir eine.“ — „Jch finde keine.“ — „So blas ich dich.“ — „So wehr ich mich.“ — Nun blasen sich die Kinder ins Gesicht, wer es am laͤngsten, ohne zu lachen aushaͤlt, bekommt von dem andern eine Erbse. — Ringelreihe. (plattd. Kringelkranz). Die Kinder fassen sich bei den Haͤnden und tanzen im Kreis, dabei wird ein Lied gesungen, und wenn die Worte. „sitzt nieder!“ vorkommen, so setzen sie sich ploͤtzlich und stehen wieder auf. Das Lied ist:
Ringel, Ringel, Reihe!
Sind der Kinder dreie,
sitzen auf dem Holderbusch,
schreien alle: musch! musch! musch!
Sitzt nieder!
Es sitzt’ne Frau im Ringelein,
mit sieben kleinen Kinderlein.
Was essens gern? „Fischelein,“
Was trinkens gern? „rothen Wein.“
Sitzt nieder!
Koͤnigstoͤchterlein. Ein Maͤdchen setzt sich in die Mitte, und zieht sein Roͤckchen uͤber den Kopf in die Hoͤhe, die andern Kinder stehen rings herum und halten den Rock. Eins geht um den Kreis und fragt:
„Ringel, Ringel, Thale ringen,
wer sitzt in diesem Thurm drinnen?“
Das Maͤdchen antwortet:
„Koͤnigs-Koͤnigstoͤchterlein!“ —
„Darf man sie auch anschauen?“ —
„Nein, der Thurm ist gar zu hoch,
du mußt einen Stein abhauen.“
Nun schlaͤgt er auf eine Hand, die den Rock muß fallen lassen. Dann geht die Frage von neuem an. Sind alle Steine herunter, so springt das Koͤnigstoͤchterlein auf, und den uͤbrigen, die davon laufen, nach. Wen es erhascht, der muß in den Thurm. — Der Reim lautet auch so:
„Zink, zink. Tellerlein,
da sitzt des Koͤnigs Toͤchterlein
in einem hohen, tiefen Thurm;
wer’s will sehen, muß die Stange brechen!“
Blinde Kuh oder blinde Maus. Einem werden die Augen verbunden, und so sucht er einen andern in einem bestimmten Umfang zu haschen, der dann an seine Stelle kommt. Jm Anfang wird er von einem im Kreis herumgefuͤhrt, damit er nicht weiß,
an welchem Ort er steht; dabei ist im Holsteinischen folgendes Gespraͤch uͤblich (Schuͤtze I. 115). Der Fuͤhrer fragt: „Blinde Ko, ik leide di.“ — Der Blinde: „woneem hen?“ — „Na’n Bullenstall.“ — „Wat sall’k da doon?“ — „Kluͤtjen (Kloͤße) un soͤt Melk eeten.“ — „Jk heff keen Lepel.“ — „Nimm en Schuͤffel (Schaufel).“ — „Jk heff keen Schuͤffel.“ — „Nimm en Tuͤffel (Pantoffel).“ — „Jk heff keen Tuͤffel.“ — „Suͤ to, wo du een krigst.“ Hier laͤßt der Fuͤhrer die blinde Kuh laufen. - Fischart Garg. S. 166 a. gedenkt dieses Spiels. Es wird auch so gespielt, daß der Blinde mit einem Stock in der Hand mitten in einem Kreis steht, der um ihn tanzt. Stoͤßt er mit dem Stock auf die Erde, so muß alles still stehen, er ruͤhrt darauf einen an und haͤlt ihm den Stock hin, dabei pfeift oder brummt er. Jener muß den Stock fassen und den Laut nachahmen, der Blinde aber sucht ihn, nachdem der Laut dreimal wiederholt ist, an der, gewoͤhnlich verstellten Stimme zu errathen. — Fischerspiel. Einer ist Fischer, die andern sind Fische. Der Fischer spricht: „ich fische, ich fische in meines Herrn Teich, ich habe die ganze Nacht gefischt, und habe nichts gefangen als einen Weißfisch,“ oder welchen Namen er will. Der Genannte steht auf und spricht: „ich dachte, es waͤr ein Hecht gewesen,“ und nennt immer andere Fische, der Fischer muß antworten, und darf nicht ja oder nein sagen. Fischart Garg S. 165 b. gedenkt schon dieses Spieles, aͤhnliche gibt es mehrere, z. B. die Kinder stellen Getraide vor, einer hat aber ein Taͤubchen und spricht: „ich lasse mein Taͤubchen fliegen in Gerste.“ Nun antwortet die Gerste: „nein, in
Hafer.“ u. s. w. — Der Fuchs geht herum. Die Kinder stellen sich in einen Kreis, halten die beiden Haͤnde auf den Ruͤcken und stecken die Koͤpfe zusammen. Einer geht um den Kreis, hat ein zusammengewundenes Tuch in der Hand und spricht:
„Sieh dich nicht um,
der Fuchs geht herum!“
Wer sich gegen das Verbot umsieht, erhaͤlt einen Schlag auf den Ruͤcken. Der Fuchs gibt nun einem das Tuch in die Hand der seinen rechten Nebenmann so lang damit jagt und schlaͤgt, bis dieser um den Kreis herum wieder zu seinem vorigen Platz gelangt ist. Dafuͤr wird der Geschlagene der Fuchs.Auf ein aͤhnliches Spiel scheint Shakspeare im Hamlet IV, 2. hinzudeuten, wo es heißt: hide fox and all after! - Etwas anders kommt das Spiel im Holsteinischen vor. (Schuͤtze II. 52). Der herumgeht spricht:
„De Goos (Gans), de Goos, de leggt dat Ei,
un wenn et fallt, so fallt et twi!“
und laͤßt das Tuch hinten einem fallen. Raͤth es dieser, d. h. sieht er sich um und es trifft zu, so ist das Umgehen an ihm, und jener nimmt seinen Platz im Kreis ein. Dreht er sich aber um und das Ei liegt nicht hinter ihm, so bekommt er Schlaͤge oder gibt ein Pfand. — Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg! Ein Hoͤlzchen wird angezuͤndet, und einer reicht es dem andern, indem er dazu spricht:
„Stirbt der Fuchs,
so gilt der Balg,
lebt er lang,
so wird er alt,
frißt er viel,
so wird er dick
und zuletzt gar ungeschickt.“
so lang das Hoͤlzchen brennt, lebt der Fuchs, bei wem er stirbt, der muß die bestimmte Strafe geben. — Flederwisch. Die Kinder sitzen um einen Tisch, unter dessen Platte ein Bindfaden herumgeht, an welchem ein Flederwisch haͤngt. Jeder haͤlt den Faden mit beiden Haͤnden und schiebt ihn fort, dabei wird gesungen:
Flederwischchen, Flederwischchen,
gucke nur nicht uͤbers Tischchen!
Jst das dreimal gesungen, so wird still gehalten, und bei welchem sich dann das Flederwischchen findet, der muß die bestimmte Strafe geben. — Der Baum. Eins ist Rechenmeister, eins gibt Acht, die andern sind Zahlen. Der Rechenmeister spricht:
„Auf einem meiner Baͤume,
den ich hab daheime,
hab ich eins, zwei, drei Blaͤtter.
Auf dem dritten Blatt war eine Schnecke,
die hatte ein Haus zur Decke,
die kroch unter drei, vier Zweige,
sie wollte sitzen treige (traͤge).
Mit ihren zwei Hoͤrnern,
kroch sie auf zwei Doͤrner,
und da kamen behende,
fuͤnf, sechs, sieben Haͤnde,
und nahmen die Schnecke
mit fuͤnf (mit zehn) Fingern hinweg.
Die Zahlen sind willkuͤhrlich, der Rechenmeister kann nur eine oder mehrere, auch zusammengesetzte, nennen. Die aber genannt werden, muͤssen aufstehen und sich vor ihm neigen. Jener, der Acht gibt, muß die Strafe einsammeln, wenn der Rechenmeister eine Zahl nennt die nicht da ist, oder wenn eine, die genannt ist, nicht aufsteht, oder wenn eine falsche aufsteht. — Alle Voͤgel fliegen. Die Kinder sind Voͤgel, sitzen um einen Tisch und legen die beiden Zeigefinger auf den Tisch. Einer ist der Meister und spricht: „alle Voͤgel fliegen!“ und hebt die Finger in die Hoͤhe, worauf alle die Finger in die Hoͤhe heben und fliegen. Dann nennt er einen Vogel der zugegen ist, Lerche, Elster u. s. w. und fliegt, und der genannte Vogel fliegt mit, nennt er aber einen, der nicht zugegen ist, oder ein Thier das nicht fliegt, wobei er jedoch, um die andern zu irren, die Haͤnde in die Hoͤh hebt, und die andern thun es ihm nach, so sind sie in Strafe verfallen. — Buk, sta vast un wipper nig! Einer als Bock steht gebuͤckt, die Haͤnde auf dem Knie, und die andern springen uͤber ihn her (Daͤhnert pommer. Jdiot. u. das Brem. Woͤrterb.). Ein aͤhnliches Spiel heißt in Frankreich cheval fondu, jeder sucht auf den Ruͤcken des Gebuͤckten zu springen, wer nicht herabrutscht und sitzen bleibt, klatscht mit den Haͤnden. — Wo ist gut Bier feil? Jedes von den Kindern erhaͤlt einen bestimmten Platz (gewoͤhnlich wird es unter Baͤumen gespielt), bis
auf eins, das durch Abzaͤhlen uͤbrig bleibtDie beim Abzaͤhlen uͤblichen Reime und Lieder stehen im Anfang zum Wunderhorn. S. 84. 88-91. Und in den Dichtungen aus der Kinderwelt S. 83 ff. 8. auch das Maͤrchen Nr. 141. Jn Hessen haben die Kinder auch einen ganz kurzen Spruch dafur:
Wenn ein Ritter will sein Pferd beschlagen,
Wie viel Naͤgel muß er haben?
Drei oder viere!
Es wird natuͤrlich immer nach Sylben nicht nach Woͤrtern abgezaͤhlt; auf jeden faͤllt eine Sylbe.. Dieser muß herum gehen und obige Frage an einen richten, er erhaͤlt dann zur Antwort: „bei meinem naͤchsten Nachbar.“ Waͤhrend der Zeit wechseln die uͤbrigen ihren Stand, und der fragende muß sehen, daß er zu einem der verlassenen Plaͤtze gelangt; worauf der uͤbrigbleibende an seine Stelle kommt. — Aehnlich ist das Klingelspiel. Die Kinder sitzen in einem Kreis und singen:
Sa, sa sa,
der Wirth ist nicht zu Hause,
wenn er wird nach Hause kommen,
wird er wohl geklinget kommen!
Jetzt klingelt einer mit der Schelle, worauf alle die Plaͤtze wechseln muͤssen, und der klingelnde sich einzuschieben sucht. — Die Kitz. Jedes Kind gibt von seinen Nuͤssen, bis ein großer Haufen davon auf dem Tisch liegt. Dann geht eins hinaus, die uͤbrigen waͤhlen unter den Nuͤssen eine, welche die Kitz (Katze) heißt. Jst dies geschehen, so wird jenes herein gerufen; es darf so lange Nuͤsse von dem Haufen wegnehmen, bis es auf die bestimmte trifft, so wie es die angreift, rufen alle mit großem Geschrei: die
Kitz! - Das Kruscheln, in der Schweiz uͤblich. (Stalder II S. 138) Kleine Muͤnze wird in Krusch (Kleie) versteckt, und hernach bildet man aus der ganzen Masse so viel Haͤufchen, als Kinder dabei sind. Bei solchen Gluͤcksspielen sagen die Knaben im Holsteinischen (Schuͤtze III. 30.), wenn es nur noch auf die letzte Entscheidung ankommt:
„de letzte Hand
klopft an de Wand,
de werd mi nig verlaten!“
Ringe schnellen. Ein altes Kinderspiel, dessen Wolfram von Eschilbach im Parcifal gedenkt:
ame hove er sine tohter vant
unt des burcgraven toͤhterlin,
diu zwei diu snalten vingerlin.
Vielleicht waren es Reife, die eins dem andern mit einer schwanken Gerte zuschnellte; ein noch heute bekanntes Spiel. — Das Ballspiel, ist weit verbreitet und mannigfaltig. Die alten Dichter sahen es als ein Zeichen des Fruͤhlings an, und Walter spricht: „wenn ich die Maͤgdlein auf der Straße sehe den Ball werfen, so kommt uns der Voͤgelein Schall;“ und Nithart (Maness. II. 79 a.)
es wirfet der jungen vil
uf der strazen ein bal;
dast des sumers erstez spiel.
Die Maͤgdlein spielen auch mit (Vgl. Stanheim Maneß. II. 56. die megde wurfen ouch den bal), und Nithart sagt weiter:
wi si toben!
swenne er den bal werfen soll, sost in wol,
wan er welt, wem er den bal dur die luͤfte sende,
si biutent im ir hende,
hernach:
swelhiu den bal kan bejagen,
diu sol lop ze vorderst tragen.
Und einer ruft: „wirf mir her, ich wirfe dir wider.“ Walter sagt auch gleicherweise, Maness I. 126 b.
swer mich ufhebt in balles wis.
Jm Westerwald theilt sich eine Anzahl Knaben in zwei Theile, welche auf einer Ebene von wenigstens 150 Schritten auf beiden Seiten Endpuncte annehmen. Jeder Theil sucht nun einen gemeinschaftlichen runden Baumknorren mit einem sogenannten Saustecken, (der von Dorn oder Hasel, unten krumm seyn und einen Knopf haben muß), uͤber den Endpunct der andern Partei zu schleudern. (Schmidt waͤsterwaͤld. Jdiot.)Aehnlich ist das schottische Golfspiel, nur ausgebildeter. Ausfuͤhrlich beschrieben in einer Reise durch Schottland, uͤbers. von Soltau I. 90. ff.. Jm Maͤrchen vom Froschkoͤnig (Nr. I.) spielt die Koͤnigstochter mit einer goldnen Kugel.
13. Viel staͤtige Sitte ist noch in andern Vergnuͤgungen der Kinder. Da schoͤne, bunt punctirte Marienwuͤrmchen setzen sie auf die Fingerspitzen und lassen es auf und abkriechen, bis es fort fliegt. Dabei singen sie:
Marienwuͤrmchen, fliege weg! fliege weg!
dein Haͤuschen brennt! die Kinder schrein!
Ein ganzes Lied theilt das Wunderhorn I. 235 mit. Die Northern Antiquities I. 322. bemerken dieselbe Sitte in England und selbst den Reim:
Lady-bird, lady-bird, fly and begone!
your house is a-fire and your children at home!
Ein aͤhnliches Liedchen wird gesungen, wenn ein Maikaͤfer, der an einen Faden gebunden ist, auffliegen soll:
Maikaͤferchen, flieg!
dein Vater ist im Krieg,
deine Mutter ist im Vaterland,
das Vaterland ist abgebrannt!
Maikaͤferchen, Maikaͤferchen, fliege weg!
dein Haͤuschen brennt,
dein Muͤtterchen flennt,
dein Vater sitzt auf der Schwelle:
fliegt in Himmel aus der Hoͤlle!
Soll eine Schnecke die Fuͤhlhoͤrner herausstrecken, so wird sie mit folgenden Worten dazu gereizt:
Schneck im Haus,
streck die Hoͤrner raus!
werf ich dich in Graben,
fressen dich die Raben;
hol ich dich heraus,
frißt dich die Maus,
Schneck im Haus!
Jm Holsteinischen (Schuͤtze IV. 144.)
Sniggenhuus!
stik din veer, fief, Hoͤrner ut,
vullt du se nig utsteeken,
so willk din Huus terbreeken.
Sniggenhuus!
Jm Wunderhorn Anhang S. 81. steht noch ein anderes Liedchen. — Dem fliegenden Storch wird nachgerufen:
Storch, Storch, Steinel,
mit dem langen Beinel,
flieg in das Baͤckerhaus,
hol mir einen warmen Weck heraus!
Die jungen Katzen werden von den Kindern geneckt, indem sie ihnen ein Reis, einen Halm, vorhalten und sie auf diese Art hin und herlocken. Jm Oranse wird daher ein Gleichniß genommen:
ir liebe ist ein katzenspiel
si ziuchet unt zuckit,
glich der den halm ruckit
dur schimpf den jungen katzen vor.
Bruder Wernher (Maness. II. 163 a.) wirft der Welt vor, der er folgen muͤsse,
du ziuhest mir den halm
als einer jungen katzen vor.
und in Puͤterichs Ehrenbrief heißt es von Montevillas Grabstein Str. 134.
Dem helm ob ein moͤrkhaz (Mohrkatze) sas,
dargegen ain sy zugen den khazen-knebl,
samb thun zu hof die pueben
vill dikh das spill, das ainer fellt auf dem gebl.
Mancherlei Spiele gibts mit Pflanzen und Blumen. Aus den Stielen der gelben Cichorienbluͤte werden Ringe und Ketten gemacht, oder sie werden bis zur Haͤlfte vierfach gespalten und in einen Brunnen gelegt, worauf sich das Gespaltene zusammenzieht und das Ansehen einer Hyacinthenglocke bekommt. — Die gelben Butterblumen haͤlt man ans Kinn, und der gelbe Widerschein bedeutet, daß man gern Butter ißt. — Die Naͤpfchen der Eicheln mit den Stielen daran werden nach den verschiedenen Formen abgetheilt und als Soldaten aufgestellt. Ueberhaupt aus Stielen und Stengeln machen sich Kinder ihre Waffen, Spieße und Pfeile und schon bei Notker 63, 3. heißt es von ihnen: „diu uzer stengelen iro scoz machont.“ — Aus der abgezogenen Weidenrinde schneiden sich die Knaben Pfeiffen. Um sie unverletzt vom Holz zu loͤsen, klopfen sie den Zweig auf den Knien und singen dazu tactmaͤßig:
Fabian, Sebastian,
lat mi de Weidenfloͤt afgahn!
Am Tage dieses Heiligen soll der Saft in die Baͤume treten. (S. Voß Jdylle V. v. 179.).
14. Noch haben die Knaben besondere Belustigungen, die sich gewoͤhnlich nach den Jahreszeiten richten. Jm Fruͤhjahr bei der zuerst warm scheinenden Sonne, werden diejenigen vorgenommen, die besondere Bewegung des Koͤrpers erfordern. Der Kreisel von der Peitsche herumgetrieben ist ein altes Spiel; schon im Parcifal kommt es vor:
hie diu geisel, dort der topftopf ist der Kreisel (noch gebraͤuchlich in Dilltopf); engl. top, franz. toupie.
laz kint in umbe triben,
so lobt manz vor den wiben.
Und ein Ausdruck bei Reimar dem Alten (Maness. I. 80 b.) ist wahrscheinlich darnach zu erklaͤren: „so wenent topfknaben wislichen tuon,“ dumme Knaben, die mit dem Kreisel spielen, duͤnken sich weise, kluge Leute. — Scherben auf dem Wasser tanzen lassen, welchem der abprallende Stein am meisten Spruͤnge thut, der ist der Sieger. Ein uraltes, weit verbreitetes Spiel. Die Griechen kannten es unter den Namen ἑποστρακισμός (s. Meursii Graecia ludibunda); engl. Shipping, daͤnisch: at slaae Plaͤder (Thorlac. antiq. boreal. sp. IV. 237.) franzoͤs. faire des ricochets. Die aͤußerst mannigfachen bildlichen Ausdruͤcke die in Deutschland uͤblich sind, verdienten einmal vollstaͤndig zusammengestellt zu werden (einen Theil findet man im Morgenblatt 1816 Nr. 16-19.), sie sind fast immer von der huͤpfenden Bewegung des flachen Steins genommen, z. B. die Braut fuͤhren, die Braut, die Jungfrau schlagen (in Hessen), weil diese naͤmlich lustig tanzt und huͤpft. So auch das Baͤuerlein loͤsen; Ferner: im katholischen Schwaben: die liebe Frau loͤsen. Wasserjungfern, das Wassertaͤucherlein machen, Froͤsche werfen, oder: Brot schneiden, Butterbrot streichen, und die einzelnen Ausdruͤcke: pflinzern, plaͤtschern, schiffeln, stelzeln u. s. w. — Tatze, Dotze, heißt in der Schweiz das
allgemein verbreitete Kinderspiel, wo wechselsweise einer mit den zwei ersten Fingern auf die naͤmlichen Finger des andern schlaͤgt (Stalder). — Jm Herbst, wenn die Winde bestaͤndig sind, und in den freien abgeerndeten Feldern, kommt die Reihe an die fliegenden Drachen; auch mit dem abgefallenen Laub gibts Belustigung, einer z. B. laͤßt sich von den uͤbrigen hinein begraben und ganz verhuͤllen. Fuͤr den Winter bleiben die Schneeballen und Schneemaͤnner, das Abdruͤkken der Gestalt in den Schnee (s. Bronners Leben I 118.).
15. Auch eigene Loose, sortes, haben die Kinder, um das zukuͤnftige zu erfahren. Bei den alten Dichtern finden wir das Halm messen, die Art und Weise dabei ist nicht ganz deutlich, wahrscheinlich wurden die Knoten des Halms beruͤcksichtigt, so daß der eine Zwischenraum bejahte, der andere verneinte. Walter von der Vogelweide (Maness. I. 140 b.)Dieselbe Strophe kommt auch jedoch nur sechszeilig und mit einigen Abweichungen, S. 122 b. vor, doch hat sie gerade die entscheidenden Worte „sie thuts nicht, sie thuts!“ richtiger gestellt, und darnach ist die Zeile hier, die mit der Bejahung anfing, und der Verneinung schloß, verbessert. sagt:
mich hat ein halm gemachet fro,
er giht, ich sule gnade vinden.
ich maz daz selbe kleine stro,
als ich hie vor gesach bi den kinden.
hoͤret unde merket, ob siz denne tuo:
sine tuot, si tuot! sine tuot, si tuot! sine tuot, si tuot!
swie dike ich also maz, so was ie daz ende guot;
da hoͤret ouch geloube zuo.
Und der Misenere (Alt Meister Ges. Buch S. 43.):
weiz aber ein man, ob ich noch rechte milte muge irwecken?
ich tuon, ich entuon! ich tuon, ich entuon! (trostet baz ir werden recken!)
ich tuon, ich entuon! ich mezze ein halm zuo lange:Der Dichter sagt: ich beschaͤftige mich zu lange mit der vergeblichen Arbeit. Nur Gott allein weiß die Zukunft.
waz geschen ist, daz weiz man wol, was ez offenbare gemeine,
waz noch geschen sol, wer weiz daz? nieman wenne Got alters eine.
Vielleicht hangt, damit zusammen das noch heute uͤbliche kurz oder lang ziehen, wer das kurze Stuͤck bekommt, hat verloren. (Daher sich auch die Redensart: den kuͤrzern ziehen, erklaͤrt). Gewoͤhnlich werden zwei ungleiche Stuͤckchen von einem Halm dazu von den Kindern genommen, weshalb man auch wohl bloß sagt: den Halm ziehen, wie schon unter den Spielen bei Fischart Garg. S. 169. „das Haͤlmlein ziehen.“ — Einen Kranz knuͤpfen. Eins haͤlt eine Anzahl, meist fuͤnf, Stiele oder Binsen in der Mitte zusammen, das andere verknuͤpft sie oben und unten nach Gutduͤnken; zeigt sich zuletzt, daß gerade ein Kranz daraus geworden, so trifft ein, was man sich in den Sinn genommen hat. — Bekannt ist das Zupfen der weißen Sternblume, es werden fuͤnf Blaͤtter nach einander ausgezogen, dabei folgende Worte gesprochen: „du liebst mich, von Herzen, mit Schmerzen, ein wenig,
gar nicht!“ und dann wird wieder von vorn angefangen, bis das letzte Blaͤttchen auf einen von jenen Ausspruͤchen faͤllt, der dann das wahre verkuͤndigt.
15. Kinderfeste.
Die heiligen drei Koͤnige. Sie erscheinen am 6ten Januar, wo sonst die morgenlaͤndische Kirche die Geburt Christi feierte; doch schon fruͤher in unserer Weihnachtzeit ziehen drei Knaben, als die heil. drei Koͤnige verkleidet, umher. Gewoͤhnlich haben sie nur ein weißes Hemd uͤbergethan, einen Guͤrtel um den Leib und eine Krone von Goldpapier auf dem Kopf; einer hat sich als Mohr Gesicht und Haͤnde geschwaͤrzt. Sie lassen in einem kleinen Kaͤstchen, uͤber dem der Stern steht und das auf einer Stange in die Hoͤhe gehalten wird, das Christkind in der Krippe, die Anbetung der Hirten u. s. w. sehen. Die Vorstellungen sind beweglich und werden herumgedreht, einer beleuchtet sie mit der Laterne. Sie heißen daher auch die Sterndreher. Dabei wuͤnschen sie in einem besondern Spruche Gluͤck zum neuen Jahr. Jm Anhang des Wunderhorns S. 30. steht ihr Lied, hier in Hessen wird es mit einigen Abaͤnderungen gesungen:
wir wuͤnschen dem Herrn einen goldenen Tisch
und in der Mitte einen gebratenen Fisch,
auf alle Ecken ein Glas mit Wein;
da koͤnnen die Herrn frei lustig bei seyn,
frei lustig bei seyn und immerdar,
wir wuͤnschen dem Herrn ein froͤhlich Neujahr.
Wir wuͤnschen dem Bursch ein neues Kleid,
und uͤber das Jahr ein junges Weib.
Wir wuͤnschen der Jungfer einen goldnen Ring
und uͤber das Jahr ein kleines Kind;
ein kleines Kind, ein großer Gott,
der kann uns helfen aus aller Noth.
Fastnachtdienstag. Jm Neckarthal gehen die Knaben mit papiernen Kappen auf dem Kopf und hoͤlzernem Saͤbel an der Seite, oft auch mit Schnurbaͤrten, im Dorfe von Haus zu Haus und singen so lange:
„Eier raus, Eier raus,
der Marder ist im Huͤhnerhaus!“
bis sie einige erhalten die sie Abends verzehren oder verkaufen. (Badische Wochenschrift 1807. Nr. 12.) Jn Hamburg singen die Kinder:
„Js duͤt nig Fastlabendfest?
lustig suͤnd de Buuren,
lustig suͤnd de Boͤrger overall,
lustig suͤnd de Swien im Stall!“
Schuͤtze holst. Jd. III. 60. — Jm Mecklenburgischen bringen arme Kinder den reichern einen gruͤnen Strauß in das Haus, welcher der gruͤne Fastelabendbusch heißt, oder sie sagen:
„Jch bring zum Fastelabend einen gruͤnen Busch,
habt ihr nicht Eier, so gebt mir Wurst!“
Wofuͤr sie eine kleine Gabe empfangen. Sonst trugen sie lange mit gruͤnem Laub umwundene Stecken herum. (Luͤbbert Fastnachtsteufel S. 6. Auch schlagen sie sich mit Ruthen, wie zu Ostern
in Schlesien geschieht (Schmidt Fastelabendsgebraͤuche). Ueberhaupt faͤllt dieses Fest mit der Sommerverkuͤndigung zusammen. Jm Unter-Engadin in der Schweiz gehen am ersten Maͤrz die Knaben mit Schellen behaͤngt von Haus zu Haus um den Heustock herum, als wollten sie ihn einsegnen und erhalten dafuͤr eine Gabe.
Das Gregoriusfest. Ein Schulfest, das auf den 12. Maͤrz, den Gregoriustag, faͤllt, doch auch spaͤter im April gefeiert wird; die Landesgesetze schraͤnken es immer mehr ein, oder haben es ganz aufgehoben. Nachricht davon gibt M. Andr. Weber origo festi Gregor. Helmstad. 1714. und Joh. Caspar Wetzel in der Vorrede zu H. Muͤllers hymnologia sacra. — Aus den Schuͤlern wird einer zum Bischof gewaͤhlt und zwei andere zu Pfarrern. Diese drei erhalten eine angemessene Kleidung, die uͤbrigen Schuͤler gehen in ihrer gewoͤhnlichen Kleidung, nur die kleinern werden phantastisch ausgeputzt mit Federbuͤschen und Baͤndern und tragen Fahnen und Degen, auf welche nach Denis Lesefruͤchten I. 129. auch wohl Limonen gesteckt wurden. Der Zug geht in Begleitung der ordentlichen Lehrer, unter dem feierlichen Gelaͤute der Glocken, nach der Kirche. Dort setzen sich der Bischof und seine zwei Untergeistlichen vor den Altar auf drei Stuͤhle und machen bestaͤndig seltsame und laͤcherliche Geberden Der ordentliche Prediger haͤlt eine Rede; sobald er fertig ist, wird ein Gregoriuslied angestimmt und nun spricht, oder vielmehr agirt, der Bischof die Bischofspredigt, die gewoͤhnlich in Reimen abgefaßt ist. Darauf besteigt er sein Pferd, die Untergeistlichen gehen
neben ihm zu Fuß, und das Umsingen durch die ganze Stadt hebt an. Die aͤltern Schuͤler singen, die juͤngern in Apostel, Heilige, Engel, Koͤnige, Priester, Edelleute, Schneider, Narren und Heiden verkleidet, sammeln an allen Thuͤren Geschenke ein. Dem Bischof werden zwei Maien, Zuckerbaͤume und Stangen mit Pretzeln und Baͤndern vorgetragen. Die Lehrer folgen dem Zug und erhalten dafuͤr eine Pretzel und Geldgabe. Abends gibt der Bischof oder sein Vater einen Schmaus. — Tob. Petermann gab 1654. zu Dresden zwoͤlf christliche Lieder auf dies Fest heraus, doch ist kein eigentliches Volkslied darunter.
Sommerverkuͤndigung. Fruͤhlingsanfang oder der heil. Sonntag zu Mittfasten, Laͤtare Jerusalem, der Rosensonntag, wird (nach der alten Ansicht, die das Jahr nur in Winter und Sommer abtheilt), auch der Sommertag genannt und von den Kindern, Knaben und Maͤdchen, gefeiert. Jn der Pfalz und den umliegenden Gegenden gehen sie an diesem Tag auf den Gassen herum mit hoͤlzernen farbigen Staͤben, an welchen eine mit Baͤndern geschmuͤckte Pretzel haͤngt, und singen von Haus zu Haus den Sommer an, woruͤber sich jedermann freut und wofuͤr sie etwas erhalten. Das Lied steht im Anhang zum Wunderhorn S. 39. 40. und abweichend im Morgenblatt 1819. Nr. 171. Noch kennen wir es nach muͤndlicher Ueberlieferung aus Gernsheim im Darmstaͤdtschen, wo es anhebt:
Stab aus!
dem Winter gehn die Augen aus,
Veilchen, Rosenblumen!
holen wir den Sommer,
schicken wir den Winter uͤbern Rhein;
bringt uns guten, kuͤhlen Wein!
Wird den Kindern nichts gereicht, so singen sie:
der Fuchs der kriecht ins Huͤhnerhaus
und frißt die Eier alle aus!
Auch gehen oft zwei erwachsene junge Bursche in einer Verkleidung herum, indem einer den Sommer, der andere den Winter vorstellt. Sie kaͤmpfen mit einander und der Winter verliert. Man erinnere sich dabei, wie haͤufig die Minnesaͤnger den Kampf zwischen Sommer und Winter beschreiben. Jm Kraichgau tragen die Maͤdchen bei diesem Fest einen mit Jmmergruͤn umwundenen Reif auf einem Stecken, an diesem hangen kleine Spiegel, Goldflitter und Pretzeln. Die Knaben aber tragen viele solcher Kraͤnze, nur kleiner, an ihren Stecken, und geben immer einen als Gegengabe in jedem Hause ab, wo sie fuͤr ihren Gesang Geld, Eier, Schmalz oder Mehl erhalten. Dieser Kranz wird mitten in der Stube uͤber dem Tisch an einem Faden aufgehaͤngt und bleibt, bis er im naͤchsten Jahr durch einen frischen abgeloͤst wird. Durch die aufziehende Ofenwaͤrme bewegt sich der Kranz zuweilen, dann sagen die Kinder, das bedeute etwas Gutes; kommt aber eine Hexe in die Stube, so sagt man, stehe der Kranz still. — Jn Schlesien war es sonst an diesem Tage allgemeine Sitte den Tod auszutreiben, sie hat sich jetzt nur noch auf dem Land und in kleinern Staͤdten erhalten. Es wurde ein Bild von alten Lumpen mit eigenen Gesaͤngen durch die Stadt
getragen und zuletzt ins Wasser geworfen (Henelii Silesiographia renov. II. p. 11.). Jetzt gehen die Kinder mit geschmuͤckten Tannen- oder Fichtenzweigen, wie es heißt: zum Sommer, naͤmlich von Haus zu Haus umher und singen:
wir haben den Tod hinausgetrieben
und bringen den lieben Sommer wieder,
den Sommer und auch den Maie:
der Bluͤmelein sind mancherleie!
Oder:
„Kleene Fischel, kleene
schwimmen uf em Teiche,
rothe Rosen, rothe
stehen uf em Stengel!
der Herr is schoͤn, der Herr is schoͤn,
die Frow is wie a Engel.
Sie erhalten dafuͤr Pretzeln oder anderes Backwerk, und werden die Sommerkinder genannt. (Floͤgel Gesch. der kom Lit. IV. 10. 11. Buͤsching Woͤchentl. Nachr. III. 166.) — Jn Sachsen (nach Hilscher Gedanken uͤber das Tod austreiben. Dresd. 1701.) tragen sie auf den Sonntag Laͤtare den Tod in einem Bilde von Stroh in den Straßen herum. Sie lassen es manchmal zu einem Fenster hineinsehen, da glaubt man, es muͤsse jemand aus dem Hause in diesem Jahr sterben, und um es abzuwenden, gibt man ihnen gern Geld. Sie singen dabei allerlei Gesaͤnge z. B.:
„Nun treiben wir den Tod hinaus,
den alten Weibern in das Haus
den Jungen in den Kasten;
Morgen wollen wir fasten!“
Jn Balth. Schnurrs Kunst- und Wunderbuch S. 127. V. 151 lauten diese Verse etwas verschieden; und dann weiter:
„Wir treiben ihn uͤber Berg und tiefe Thal,
das er nicht wieder kommen soll.
Wir treiben ihn uͤber die Heide,
da thun wir den Schaͤfern zu Leide.“
Oder in Nuͤrnberg:
„Heut ist Mittfasten, wohl ist das!
traͤgt man den Tod ins Wasser wohl ist das!“
Bei diesem Zug laufen die Knaben geschwind, wie die Todtengraͤber, wenn sie eine arme Leiche tragen. Draußen vor dem Thor stuͤrzen sie das Bild ins WasserMan erinnert sich hierbei einer altroͤmischen Sitte. Am 15ten Mai pflegten die vestalischen Jungfrauen, in Begleitung der Magistraͤte und Priester die Bilder von dreißig alten Maͤnnern, aus Binsen gemacht, auf den pons sublicius zu tragen und in die Tiber zu werfen. oder werfen es auch wohl auf den Rabenstein; man glaubt, daß dadurch die Pest abgewendet werde. Jst nun der Winter getoͤdtet, so bringen sie den Sommer. So heißt naͤmlich ein mit Kuchen, bunten Eierschalen, farbiger Wolle, silbernen Guͤrteln, Winterkraͤnzen geschmuͤckter Baum, den die Knaben in die Stadt tragen und gegen ein Geschenk vor die Thuͤre Neuvermaͤhlter setzen; es ist der Baum der Gluͤckseligkeit. Ziehen sie damit durch Doͤrfer, so werden sie beschenkt mit Pretzeln, Eiern und Bohnen. Fromme Leute schicken den
Waisenkindern an diesem Tage ein Erbsengericht. Das Fest ist auch in Franken und Thuͤringen bekannt (wie Eccard fr. orient. I. 438. gleichfalls bezeugt), selbst in Pohlen und in Moskau wird es gefeiert. Oft ist nur einer der Gebraͤuche herrschend, entweder das Austragen des Strohbildes oder das Eintragen des Sommerbaums. - Jm Holsteinischen, besonders im Flecken Neumuͤnster, tragen die Knaben, wenn sie bei der Sommerverkuͤndigung von Haus zu Haus ziehen, einen todten Fuchs oder eine Kraͤhe voraus. Wahrscheinlich bedeutete diese, so wie der Fuchs, mit dem schon oben Boͤses gewuͤnscht wurde, nichts anders, als den besiegten boͤsen Geist, den Winter. S. Schuͤtze Jdiot. III. 165-167. wo auch das Lied, das dabei gesungen wird, mitgetheilt ist. Sie fordern darin milde Gaben in Geld und SpeisenDas Betteln auf eine Kraͤhe war auch bei den Griechen bekannt; s. Athenaͤus VIII. 59., der das Volkslied dabei anfuͤhrt.. An einigen Orten, auch in Frankfurt am Main, wird das Fest noch fruͤher, schon Ende Februar, zur Fastnacht gefeiert, wo naͤmlich der Storch sich zum erstenmal zu zeigen pflegt, dessen Ankunft sonst in mehreren Staͤdten durch den Stadttrompeter feierlich angekuͤndigt wurde; wofuͤr dieser einen Trunk aus dem Stadtkeller ehielt (s. die Alpenrosen fuͤr 1817. S. 51.). Der Anhang des W. H. theilt, S. 21., ein Lied aus den Rheingegenden mit, welches zum Theil mit jenem Holsteinischen uͤbereinstimmt. Die Kinder tragen hier bei ihrem Umgang einen gebundenen Hahn, der also die Stelle des Fuchses vertritt. Merkwuͤrdig ist, daß bei den Griechen eine aͤhnliche Fruͤhlingsfeier statt fand (s. Zell uͤber die
Volkslieder der Griechen im Morgenblatt 1819. Nr. 170. 171.). Nachricht daruͤber hat sich beim Athenaͤus erhalten (VIII. 60. p. 360.). Naͤmlich zu Anfang des Fruͤhlings trugen die Kinder auf Rhodus eine Schwalbe herum, sammelten Eßwaaren und sangen ein Lied dabei. Dies nannte man schwalbeln (χελιδονίζειν) und einer der sieben Weisen, Kleobulus aus Lindus, soll bei einer Hungersnoth die Sitte eingefuͤhrt haben. Die Schwalbe, die schwarz ist und unten weiß zu werden beginnt, scheint ein Bild von der in das Licht uͤbergehenden Nacht, oder des besiegten Winters zu seyn. Das Lied ist dieses:
Die Schwalbe ist wieder
ist wieder gekommen,
sie bringet den Fruͤhling
und liebliche Tage.
Weiß ist sie am Bauche,
schwarz am Ruͤcken.
Wie? giebst du nicht eine Feige
uns aus dem reichen Haus?
Eine Schaale mit Wein,
ein Koͤrbchen mit Kaͤs und Mehl,
Eiersemmeln auch
liebet die Schwalbe.
Nun, sollen wir was kriegen oder soll’n wir gehn?
dein Gluͤck, wenn du uns gibst, wir lassen dich sonst nicht,
wir schleppen dir die Thuͤre mit der Schwelle fort,
aber auch die Frau, die drinnen sitzt, die holen wir.
Klein ist sie ja, leicht holen wir die kleine Frau.
Doch bringst du etwas, bringe uns recht viel und gut.
Mach auf die Thuͤr, der Schwalbe mach die Thuͤr auf;
nicht alte sind wir, sind ja junge Knaben nochEine freie aber gluͤckliche Uebersetzung von Praͤtorius ist im Wunderhorn I. 161. (Bettelei der Voͤgel) mitgetheilt..
Ein Kinderfest in Spanien, das Laborde (Itiner. I. 57. 58.) beschreibt, zeigt nur die Vernichtung des Winters. Jn Barcelona naͤmlich, laufen die Knaben den Tag von Mittfasten in Haufen von dreißig oder vierzig durch alle Straßen, einige mit Saͤgen, andere mit Scheitern, andere mit Tuͤchern, in welche man ihnen Geschenke legt. Sie singen dabei in der Landessprache ein Lied, welches enthaͤlt, daß sie die alleraͤlteste Frau in der ganzen Stadt suchen, um sie mitten durch den Leib entzwei zu saͤgen, zur Ehre der Mittfasten. Von Zeit zu Zeit stehen sie still, besonders vor den Laͤden, und verdoppeln ihren Gesang. Sie thun, als ob sie die Alte gefunden haͤtten, sogleich fassen einige die Saͤge an beiden Enden und nehmen die Stellung Saͤgender an. Einige schenken ihnen Geld, Brot, Eier und auch Holz, um damit die entzweigesaͤgte Alte zu verbrennen. Aus Dankbarkeit heben sie noch einmal ihren Gesang an. Werden sie aber abgewiesen, oder wohl gar mit Wasser begossen, so antworten sie durch hoͤhnisches Schreien. Es ist offenbar nichts anders, als das Austreiben des Todes oder Winters, welcher hier als eine alte Frau dargestellt und vom Feuer oder der Sonne verzehrt wird.
Maitag. Jn Schwaben gehen die Kinder mit Sonnenaufgang in den Wald, die Knaben tragen Staͤbe mit seidenen Tuͤchern, die Maͤdchen Zweige mit Baͤndern. Jhr Fuͤhrer ist ein Maikoͤnig, der sich eine Koͤnigin waͤhlen darf. Beide fangen den Tanz an, der mit dem Kußtanz schließt, wo ein Kreis gebildet wird, in dessen Mitte ein Knabe steht, der nach seinem Gefallen einem Maͤdchen das Tuch zuwirft und es kuͤßt. Darauf kommt dieses in den Kreis und fordert auf, so geht es weiter. Jn England wurde am Maitag vormals (bis zur Reformation) um eine mit Baͤndern geschmuͤckte Stange getanzt. Ein Knabe war als Jungfrau Maria verkleidet, ein anderer wie ein Moͤnch, und noch ein dritter ritt auf einem Steckenpferd mit Klingschellen und bunten Streifen. - Jn Schlesien peitschen die Kinder einander scherzweise zu Ostern mit bunten, aus Weiden geflochtenen Peitschen, die Schmagostern heißen, und bespritzen sich mit Wasser. Sie bekommen bunte Eier, Kuchen und ein zu diesem Feste gebackenes Geldbrot geschenkt. Mit einem ausgeschmuͤckten Maibaum ziehen sie, waͤhrend bestimmte Lieder gesungen werden, von Haus zu Haus und erhalten Geld und Fastenpretzeln. Auf der Spitze des Baums, gewoͤhnlich eine Fichte oder Tanne, sitzt eine Lappenpuppe, die mit Goldpapier, farbigen Eierschalen und Strohgewinden umhangen ist (Allg. Anzeiger der Deutschen 1808., Nr. 250.) Merkwuͤrdig, daß auch in Marseille der Gebrauch herrscht, sich mit Wasser zu bespritzen (Millins Reise ins suͤdl. Frankr. Bd. 3.). Das Peitschen ist eben so im Erzgebirge uͤblich. - Jm Oestreichischen waͤhlen die Dorfjungen zu Pfingsten einen Pfingstkoͤnig,
kleiden ihn mit gruͤnen Zweigen, schwaͤrzen ihm das Angesicht und werfen ihn auch wohl in kleine Baͤche (Denis Lesefruͤchte I. 129.). Es zeigt sich auch hier die Jdee von dem besiegten, schwarzen Winter.
Johannistag. Bekanntlich wird dieser Tag der am hoͤchsten stehenden und daher auch fallenden Sonne durch mancherlei Gebraͤuche, meist durch ein Bergfeuer und durch einen ausgehaͤngten Frucht- und Blumenkranz, gefeiert. Jn Kreuznach und andern Staͤdten des Rheins werden an dem Johannistag auch die Brunnen gereinigt und neue Brunnenmeister erwaͤhlt, wobei sich die Nachbarn versammeln und ein kleines Fest geben. Die Kinder ziehen umher und sammeln Eier, die sie in einen mit Feldblumen geschmuͤckten Korb auf Blaͤtter legen und sich Abends zu einem Feste backen lassen. Man hat Nachricht von dieser Sitte bis ins fuͤnfzehnte Jahrhundert. Das Lied, das sie beim Einsammeln singen, steht im Anhang des Wunderh. S. 40. 41. Jm Anspachischen trugen die Knaben sonst einen geputzten Baum durch die Straßen und sangen dabei (Fischer Gesch. von Anspach S. 178). Jn Schlesien wird am Johannistag bei der Bildsaͤule des Johannnes von Nepomuk, oft auch ohne diese, von Birken eine Laube gesteckt, in welche sich ein huͤbsches, armes Maͤdchen in seinen Sonntagskleidern, mit Blumenkraͤnzen und Baͤndern ausgeschmuͤckt, setzt und die Braut heißt. Andere Maͤdchen springen unter Gesang herum und jeder Voruͤbergehende muß ihnen eine Gabe reichen. Eben so gab es sonst in Leipzig ein Johannismaͤnnchen, mit welchem am Gesundbrunnen viel Laͤrm getrieben wurde. (Allgem.
Anz. der Deutschen 1803. Nr. 250.) Jn den Nuͤrnberger Vorstaͤdten ziehen die Knaben vor die Haͤuser und betteln Holz, indem sie ein eigenes Lied dazu singen:
I, o, heu o,
zuͤndt der Madt ihrn Rockn o!
geht zsamm, ihr leibn Boube,
Scheidla wolln mer zsamma souchn.
Wollt er as ka Scheidla gebn,
wolln mers Jauhr nimmer derlebn.
I, o, heu o,
zuͤndt der Madt ihrn Rockn o!
Die zusammengebrachten Scheiter fahren sie auf einem Schubkarrn an den Bleicherweiher beim Spittelthore, zuͤnden sie an, und wenn das Holz brennt, springen sie daruͤber, wie aller Orten beim Sonnenwendefeuer geschieht. Man erhaͤlt dadurch Gesundheit aufs ganze Jahr. Sie laden die Voruͤbergehenden zu diesem Sprunge ein, die einige Kreuzer fuͤr diese Erlaubniß geben. Auch im Oestreichischen ist es Sitte der Knaben (Denis Lesefruͤchte I. 130.).
Der heilige Nicolaus, (Klas, Klobes, Sinter). Er kommt den 6. December Abends. Doch schon einige Tage vorher poltert sein Knecht Barthel an der Thuͤre, rasselt mit Ketten, macht auch wohl die Thuͤre auf und wirft, ohne sich sehen zu lassen, den guten Kindern Nuͤsse, gedoͤrrtes Obst, Rosinen hinein, man spricht dann: „der heil Niklaus meldet sich!“ Endlich erscheint er selbst als Bischof (der heilige Nikolaus war Bischof zu
Myra) angethan, und nimmt eine Pruͤfung mit den Kindern vor; die guten duͤrfen ihr Koͤrbchen irgendwo hinsetzen und finden es dann den andern Morgen voll Geschenke; die boͤsen aber werden von dem Knecht Barthel geaͤngstigt, bis sie Besserung versprechen (Denis Lesefruͤchte I. 131). Jn der Grafschaft Mark und Homburg versammeln sich die Kinder Abends vorher und jedes hat einen seiner Schuhe mit Hafer gefuͤllt. Dieser wird auf eine große Schuͤssel geschuͤttet, um das Pferd des heil. Niklas, der in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember anlangt, damit zu fuͤttern. Am Morgen finden die Kinder seine Gaben in der schoͤnsten Ordnung aufgestellt. Die Zuckerbaͤcker bilden ihn als einen geharnischten, reisigen Mann ab. Jn der Grafschaft Mark, so wie in allen westwaͤrts liegenden Laͤndern wird nur an diesem Tag bescheert, im Homburgischen auch noch Weihnachten. (Reichs Anzeiger 1796. I. S. 166.) Die Hollaͤnder sagen, er komme auf einem kleinen, weißen Pferde zum Schornstein eingeritten (Grabners Reise in den Niederlanden S. 365.). An vielen Orten, in Oberschwaben, auch in Hessen, wird er als Vorgaͤnger der Christbescheerung angesehen, auch wohl mit dem rußigen, Schrecken einjagenden Knecht Ruprecht verwechselt, so daß von diesem allein die Rede ist. Guten Kindern bringt er Aepfel, Nuͤsse, Spielzeug, den boͤsen aber eine vergoldete oder mit Goldflittern geschmuͤckte Ruthe. Ein Kinderlied daruͤber steht im Anhang des Wunderh. S. 28. 29. (Vergl. Scheffers Haltaus S. 155. 156.) Jn Thuͤringen verfertigt man an diesem Tage Niklaszoͤpfe, ein Backwerk in Gestalt eines geflochtenen Haarzopfes. Die Sitte
wird durch eine Sage erklaͤrt, wornach der heil. Niklas einem armen Manne, der seine drei Toͤchter in der hoͤchsten Noth, der Verfuͤhrung uͤberliefern wollen, einen Beutel mit Gold in die Kammer geworfen; wofuͤr diese bei ihrer Verheirathung dankbar dreifache Semmeln gebacken und unter arme Kinder ausgetheilt. (Reichs Anzeiger 1794. II. 1406.) —
Weihnachten. Am 25. Dezember, dem Tage der wiedersteigenden Sonne, wo die Geburt des Heilands gefeiert wird, ist das hoͤchste Fest fuͤr Kinder: da kommt das Christkind und bescheert. Jn Franken klopfen die Kinder drei Donnerstage vorher, bald einzeln, bald truppweise, mit einem hoͤlzernen Hammer an Thuͤren und Fenster; sie sagen etliche Reime her, deren es verschiedene gibt, und erhalten dafuͤr Geld, Eßwaaren, alte Kleidungsstuͤcke und dergleichen. Diese Sitte ist auch in Holland und in der Schweiz bekannt und soll das Verlangen der Welt nach dem Heiland bedeuten, sie klopft an die Thore ihres Gefaͤngnisses an, damit sie sich oͤffnen und der Herr erscheine (Spieß archival. Nebenarbeiten II. 86. und Scheffers Haltaus S. 263.). Am Christtage freut sich die ganze Natur, man glaubt, daß selbst das Vieh in der Nacht sich aufrichte, im Holsteinischen wird ihm besseres Futter vorgelegt und vor die Krippe ein Licht gestellt; auch gingen sonst die Maͤnner hinaus in den Wald, klopften an die Baͤume und sprachen: „frouwet ju jy Boͤme, de hillige Karst is kamen!“ diese Worte hatten die Kraft, daß Eichen und Buchen reichliche Fruͤchte trugen. Unter den Gaben des Christkinds sind drei eigenthuͤmlich und bestaͤndig: der Baum, der mit Wachslichtern und
Goldflittern hell erleuchtet und mit allen Fruͤchten des Jahres geschmuͤckt ist. Er scheint die neu beginnende, von einer neuen Sonne erleuchtete, Welt unter dem alten Bilde eines Baums darzustellen, und ist das Gegenstuͤck zu dem, welcher am Laͤtarefest herumgetragen wird; wie uͤberhaupt diese beiden die eigentlichen und Hauptfeste und die andern davon abgeleitet sind. Ferner: das Backwerk aus Honig, denn der Honig ist aus der aͤltesten Zeit die reine, himmlische Nahrung, weshalb auch die Jungfrau Maria mit der Biene verglichen wurde (s. altd. Waͤlder II. 208 209). Er steht dem irdischen und schweren Bohnen- und Erbsengericht entgegen, das am Laͤtarefest gereicht wurde. Endlich: die Gestalten und Figuren in Zucker, Teig oder Wachs abgedruͤckt, oder in Holz geschnitzt, welche allerlei Fruͤchte, Puppen, Thiere, alles Lebende was fliegt und kriecht, darstellen, das sich um den Lebensbaum zu versammeln scheint. Bei den Saturnalien der Alten, welche am 23. Dezember sich schlossen, wurden gleichfalls Wachslichter angezuͤndet, Honig und kleine Bilder (sigilla) geschenkt, daher schon Gedike in einer ausfuͤhrlichen Abhandlung (Berliner Monatsschrift 1784 S. 78-87.) beide Feste in Verbindung gebracht. Allein auch an den altnordischen Jolabend, der mitten im Winter gefeiert wurde und ohne Zweifel ein Fest der steigenden Sonne war, darf man erinnern, zumal da Koͤnig Hagen Adelstan befahl, es auf den Christtag zu legen, so daß dieser jetzt durch Joltag bezeichnet wird. — Bescheert wird entweder den Abend vorher, welcher im plattd. daher Kindjeesabend heißt, oder den Christtag Morgens fruͤh, immer aber bei Licht, und das Christkind verkuͤndigt sich durch Klingeln
(daher auch im plattd. Klinggeestabend), welches die im Finstern harrenden Kinder herbeiruft. Wo es am Morgen geschieht, da erlaubt man Abends vorher den Kindern, wie beim Niklasfest, ihre Teller an einen bestimmten Ort, jedoch umgekehrt, zu setzen, oder wie es in Hessen heißt: zu stuͤlpen, auf welche dann die Geschenke gelegt werden. Armen und nicht zur Familie gehoͤrigen Kindern, welchen man etwas schenken will, sagt man daher, sie sollten ihre Teller bringen und stuͤlpen.
Kindertag. Der 28. December, an welchem naͤmlich Herodes die unschuldigen Kinder zu Bethlehem ermorden ließ, fuͤhrt gewoͤhnlich diesen Namen. Schon in den alten Zeiten wurde er als ein Festtag angesehen und unter dem Namen Fest oder Tag der unschuldigen Kindlein (dies innocentium puerorum) mit allerlei Gebraͤuchen begangen. Vorzuͤglich war er fuͤr die Kinder feierlich; noch letzt laͤßt man die Chorknaben bei der Messe und Vesper in beinah priesterlicher Kleidung erscheinen und weiset ihnen ihren Stand in den vornehmsten Klappstuͤhlen des Chors an. An manchen Orten wird er auch Fitzel- oder Pfefferleins-Tag genannt. Die Eltern pflegen naͤmlich Morgens ihre Kinder im Scherz mit Ruthen aus dem Bett zu treiben; welches man Auskindeln, Fitzeln, auch Dingeln nennt. Jn Franken ist der umgekehrte Gebrauch, daß die Eltern von den Kindern mit den sogenannten Kindelruthen begruͤßt werden. S. Scheffers Haltaus S. 166. Dies Auskindeln ist bei den Protestanten eben so uͤblich, wie bei den Katholiken. Die Ruthen werden von solchen Gewaͤchsen gebunden, welche um
diese Jahrszeit noch gruͤn sind, oder es werden auch nur einzelne Zweige von Buchsbaum, Rosmarin, Lorbeer, Pomeranzen genommen und damit gefitzelt. Gemeinlich geschieht es auf die Haͤnde, dazu spricht man: „schmeckt der Pfeffer gut?“ oder auch:
„Jst das Pfefferleinsbrot gut?
ists gesalzen?
ists geschmalzen?“
An manchen Orten haben die Bauern noch einen besondern Reim:
„Frischa, frischa, gruna,
sollt mer oisig lona (sollt mir jetzo lohnen)
Pfeffernuͤß und Brondaweiy,
und an ganzen Dohler dreiy;
get mer oisig muͤt. (gebt mir ihn gleich mit).
Man gibt darnach den Kindern einen sogenannten Fitzelslohn an Geld oder Eßwaaren. Es fitzeln auch Erwachsene, Eheleute, Anverwandte und Bekannte einander. Zuweilen uͤberschickt man auch nur eine schoͤne Fitzelruthe, zum Zeichen, daß man an einander denke. An manchen Orten wird umgewechselt, und am Kindertage das weibliche Geschlecht von dem maͤnnlichen, am Neujahrstage das maͤnnliche von dem weiblichen mit der Ruthe geschlagen, dabei haben die Maͤdchen einen besondern Reim:
„wachsa, wachsa, grun,
der liben Fra ir Sun,
schmeckt’s Neujahr gut?
schmeckt’s Neujahr gut?“
An einigen Orten (Haltaus fuͤhrt namentlich Regensburg an)
waͤhlten sonst die Kinder an dem Kindertag einen Bischof aus ihrer Mitte, welcher der Kinderbischof oder Schulbischof genannt und mit Gepraͤnge in der Stadt herum gefuͤhrt wurde. also wie bei dem Gregoriusfest.
16. Geschenke. Wenn Eltern oder Freunde von einer Reise heimkehren, bringen sie den Kindern Geschenke mit, die Knaben erhalten Spielzeug, ein Pferdchen, eine Jagd, Pfeife und Trommel, Bilder; die Maͤdchen aber Kleider und Putzsachen. Die Eltern fragen auch wohl bei der Abreise: „was soll ich dir mitbringen?“ wie im Maͤrchen vom Loͤweneckerchen vorkommt (Nr. 88) und im Aschenputtel (Nr. 21.) So wird vom armen Heinrich erzaͤhlt:
unt daz kinden wol dohte
zuo ir kintlichem spil,
des gap der herre ir vil;
ouch half in sere, daz diu kint
so lihte zuo gewenende sint.
er gewan ir swaz er veile vant,
spiegel
Ein Theil des Haarschmuckes.
unde harbant
unde swaz kinden liep solde sin:
gurtel unde vingerlin.
Cunrat Dankbrotsheim (aus Hagenau?) faͤngt sein heiliges Namenbuch (handschriftlich zu Straßburg Ms. Johann. B. 142.
und gedichtet im Jahr 1435.) in Beziehung auf jene Sitte, auch wohl auf die Weihnachtsbescheerung, folgendergestalt an:
Jhesus, Marien liebes Kint,
dem himel und erde gehorsam sint, —
in des namen angefangen
habe ich dis buchlein bedraht
und jungen kinden das gemaht,
das si darinne leren,
das sich ir selde werde meren.
welch knabe zu disem buch hat minne
der vindet ein guldin roͤssel drinne
stiff gesattelt und vin gezoumet,
dast ernst und ist mir nit getroumet,
dann es ein luter wahrheit ist,
und komet das kindelin Jhesus Crist
mit sinem guldinen bredigerstul
und seczet sich nebent in die schul
und bringet im das roͤssel darin.
ist aber das kint ein megetin,
so bringet des lieben kindes muter
rocke, mentel und vehe-futerPelzfutter, vielleicht ist zu lesen: mit vehe-futer da ein Vehen-mantel noch sonst vorkommt. Salomom u. Markolf V. 1617.,
sidene borten mit gold beslagen,
und was ein toͤchterlin sol tragen:
nuwe huben, berlechte loͤcke,
flucken-belcze und bouwel roͤcke
und uff sin houbet ein stiffe kronNeue Hauben: außen mit Voͤgeln seidegenaͤht bei Nithart. Maness. S. 76 a breite, in der Kaiserchronik Heidelb. Hs. Bl. 73 b. — Perlenschnuͤre in die Locken zu flechten. — Ein flockiger Pelz. — Baumwollne Roͤcke. — Eine starke Krone, wohl von Golddraht geflochten, aͤhnlich den Goldbaͤndern, die Schapel hießen (Nibel. 6630.). Jm Weinschwelg V. 46. werden „chrone, tschappel unde chranz“ zusammen genannt.,
als wolte es zu dem dancze gon,
und wirt lutselig und wol herkant
und ist das heilig nambuch genant
und kan den kinden zu schulen locken
und simelkuchen in milchroum brocken
und in den sussen hunigseim
und mahte es Cunrad Danckbroczheim.
17. Neckereien. Wenn das Kind bei der Abreise fragt: „was bringst du mir mit, wenn du wiederkommst“ so antwortet man wohl: „ein silbern Warteinweilchen, ein golden Nixchen in einem Niemalen-Buͤchschen.“ — Wollen sie etwas erzaͤhlt haben, so faͤngt man an: „et was mol Maͤnneken, wull Nuͤte (Nuͤsse) pluͤcken, will ju et gerne hebben, so will ick et vertellen?“ Die Kinder antworten dann ja und nun gehts wieder von vornen an: „et was mol Maͤnneken, wull Nuͤte pluͤcken u. s. w.“ Hierher gehoͤren auch die Maͤrchen vom Fuchs und den Gaͤnsen (Nr. 86.) und vom goldenen Schluͤssel (Nr. 161.).
18. Kindersprache. Außer den haͤufig angewandten Diminutiven giebt es hier viele Klangwoͤrter, vorzuͤglich die Thiere werden nach ihren Naturlauten genannt. Z. B. Muh-kuh (plattd. Bu-koͤken), Piephuhn (plattd. Tuͤt-hoͤnken), Kikeriki-Hahn, Blaͤlamm, Wauhund oder Wauwau, Misekatz, Bibi (Federvieh), Wulle-Gans, Bil-Ente, Hottpferd, Hies-Faͤleken (Fuͤllchen) u. s. w. — Die Worte, die zuerst gelernt und gesprochen werden, sind in ihrer Wurzel oft nicht zu erkennen. Daͤdi, Vater (in der Schweiz) erklaͤrt sich noch durch Atte, Tatte; aber unverstaͤndlich ist schon Naͤnnaͤ und Dodoch, Mutter, oder Dodooli und Großdodoch, Großmutter. Ditti, klein Kind, hoͤrt man auch noch in den Maingegenden, dagegen du Appeli (Naͤrrchen) Goͤf, Goov und Fitsch, Fitscheli (s. Stalder), Schmeichelnamen kleiner Kinder, wohl nur in der Schweiz allein. Man schmeichelt ihnen auch indem man sie Taͤubchen, Huͤhnchen, Puͤterken, nennt. Das juͤngste und gewoͤhnlich das liebste Kind heißt Nestquackchen, im plattd. Neest-kiken, Neest-puuk, in der Schweiz Graͤttschi. Dagegen ein Kind das Tuͤcke im Kopf hat, wird dort Kufer genannt; ein unbehilfliches im Oestreichischen Hascherl. — Dann sind auch fuͤr sie oder bei ihnen eigene bildliche Ausdruͤcke gebraͤuchlich. Das Trinkwasser heißt Gaͤnsewein (Gooswin), in die Wiege (plattd. die Eija), ins Bett gehen: in die Federallee spatziren gehn; sich verneigen: ein Juͤmpferli machen. Von einem unartigen Kind sagt man in Pommern: dat is mi een Kruͤdken (Kraͤutchen)! oder man droht ihm: Moder ward di dat Lendenbrood
gewen! mit der Ruthe kommen!“ Auch sagt man im Scherz: dat di dat Muͤseken beit (das Maͤuschen beiße)! — Ein huͤbsches Kindergebet ist im Holsteinischen (Schuͤtze Jdiot. III. 63.) uͤblich: „leeve Gott, lat mi fromm un good waren un min Hemd to luͤtje (zu klein, d. h. laß mich wachsen).“ Und in Hessen:
„im Himmel steht ein Baum,
dran haͤng ich meinen Traum,
dran haͤng ich meine Suͤnden;
in Gottes Namen schlaf ich ein!“
19. Kinderlieder. Sie enthalten einen einzelnen poetischen Gedanken, ein Bild, ein Gleichniß, oft ohne einen weitern Zusammenhang. Das Kind blickt mit seinen reinen Augen umher, ein Vogel fliegt vorbei, ein Kaͤferchen setzt sich auf seine Hand, ein Bluͤmchen liegt neben ihm im Gras, ein armes Maͤdchen sitzt unter einem Baum und weint, das wird ganz unschuldig und kindlich vorgestellt, und darin liegt der eigene Reiz dieser Lieder. Gaͤlur heißen sie im nordischen und scharfsinnig wird eine Stelle in dem dunkeln eddischen Hrafnagalldr (Edda I. S. 221.) aus diesen einschmeichelnden Gesang bezogen (quo nutriculae deliniunt tristes puerulos et somnum iis alliciunt). Eine Sammlung deutscher Kinderlieder enthaͤlt ein Anhang zum Wunderhorn, und eine spaͤtere: „Dichtungen aus der Kinderwelt“ erschien in Hamburg 1815. Auch Meinert in den Liedern des Kuhlaͤndchens hat einige S. 381-83. mitgetheilt.
20. Die erste Kindheit Wolfdieterichs, wie sie die eigenthuͤmliche Darstellung des, in Dresden handschriftlich sich befindlichen Heldenbuchs erzaͤhlt, verdient hier mitgetheilt zu werden, da sie ohnehin wie ein Maͤrchen lautet und in der (Jnhalt und Sprache nach so sehr verderbten) Ueberarbeitung noch das naive und lebendige der fruͤheren Dichtung durchblickt.
Als Hugdieterich von der Heerfahrt heim kommt, wird ihm sein, waͤhrend der Zeit geborenes, Kind entgegen gebracht; er freut sich, daß es so schoͤn ist. Ein Einsiedel, der es christlich getauft, hatte ihm ein mitwachsendes Hemd gegeben, wodurch es gegen jede Gefahr, vor jeder Wunde, Wasser- und Feuersnoth gesichert war und jedes Jahr seine Kraft um Mannestaͤrke wuchs. Das war heimlich geschehen, weil Hugdieterich, noch ein Heide, nichts davon wissen durfte. Jetzt war das Kind vier Jahr alt und schon so stark als vier Maͤnner; wenn man ihm ein Brot gab und ein Hund wollte es ihm wegnehmen, so packte es ihn und schlug ihn an eine Wand. Der ungetreue Sabin nimmt von dem Gerede, das daruͤber entsteht, Anlaß, dem Koͤnig den Ursprung des Kindes verdaͤchtig zu machen, als sey es vom Teufel gekommen (ein vertauschter Wechselbalg?) und bringt es endlich dahin, daß er es will toͤdten lassen.
Koͤnig Hugo zu Puntung sprache: „heimlich must toͤdten mein Kind!
ich trag dirs aus dem Gemache, wenn sie entschlafen sind.“
Puntung, vor Schrecken rothe, sprach: „edler Koͤnig rein,
ich will an seinem Tode wahrlich unschuldig seyn.“
Hugdieterich droht ihm aber:
„und laß dich willig finden, wann ich im Willen bin:
du hast sechszehn Kinder, die haͤng ich an die Zinn
dazu dich und dein Fraue zu allervorderst an!“
Er heißt ihn vor seine Kammer kommen: wenn alles entschlafen sey, wolle er ihm das Kind geben.
der Koͤnig ging zu seim Bette, da lag das Messer sein,
das Kind aufheben er thaͤte, er sprach: „und thust du wein’,
ich stoß dirs in dein Herze, du unreines Kind!“
doch behuͤt’ es Gott vor Schmerze, daß es schlief; gar geschwind
wohl aus der Kemenate der Koͤnig sein Kind ihm gab.
Puntung eilt dannen drate (schnell), thaͤt von der Burg hin trab’.
Da er kam weit hin danne, das Kind thaͤt ruͤhren sich,
es sah den Tag gar schoͤne, sprach: „Mutter, decke mich!“
Puntung der sprach: „schweig stille!“ wie bald es da geschwieg!
thaͤt an seim Harnisch spielen. Sie vermieden die rechten Stieg
und kamen auf ein Heide, da niemand bei ihnen was:
Puntung zog aus der Scheide, setzt das Kind auf das Gras.
Da es das Schwert sah glitzen, das Kind, so wohl gethan,
vor Freuden nimmer wollt sitzen, wollt das Schwert greifen an.
Da erbarmt ihn des Kindes und sein Herz wird weich, daß er, der allein hundert Maͤnnern den Tod schon gegeben, selbst nicht
das Leben ihm nehmen kann. Er stoͤßt sein Schwert ein und fuͤhrt es zu dem Rand eines Brunnen, auf dessen Wasser Rosen liegen. Er zeigt ihm diese und denkt, es wuͤrde sich darnach buͤckenKriemhild sagt, im ungedruckten Rosengarten 253,2: „sie sollen wie ein kint spielen in den rosen rot.“ und so sich selbst hineinstuͤrzen, aber das Kind achtet der Rosen nicht, sondern legt sich nieder ins Gras und waͤlzt sich darin. Puntung versteckt sich eine Ackerslaͤnge weit und hat acht, was geschieht. Als es Nacht werden will, kommen viele Thiere, die gern beim Wasser sind, Eber, Hirsche, Baͤren; auch die hungrigen Woͤlfe laufen daher, sie sehen das Kind, aber die goͤttliche Gnade waltet, daß sie es nicht anruͤhren. Puntung, als er das Wunder schaut, erstaunt und spricht. „du bist kein Teufelskind! doch will ich dich noch versuchen.“ Er machte ein Kreuz von Holz und stellte es ihm hin. So wie das Kind das Kreuz erblickt, greift es darnach, betrachtet es und nimmts in den Arm.
Puntung sprach: „bist du worden getauft, du bleibst gesund,
kein Thier thaͤt dich nicht morden.“ Er kuͤßt es an den Mund:
„Weib und Kind will ich wagen, will sie eh verderben lan.“
Das Kind thaͤt er hintragen, saß auf sein Roß wonnesam.
Er sprach: „du bist genesen vor den Woͤlfen wunderlich,
darum dein Nam’ soll wesen hinfuͤr: Wolfdieterich!“
21. Rudolf von Montfort hat in seinem noch ungedruckten Gedicht von Wilhelm von Orlenz, sehr natuͤrlich und lieblich das
Kinderwesen geschildert. Der Knabe kam an den Hof des Koͤnigs von England, um dort in ritterlicher Zucht aufzuwachsen. Der Koͤnig fuͤhrte ihn in das Gemach der Frauen, die ihn zu sehen wuͤnschten, weil sie von seiner Schoͤnheit und seinen tugendreichen Sitten gehoͤrt hatten. Als Wilhelm eintrat, sahen sie ihn mit Lust an, und gruͤßten ihn liebreich. Neben der Koͤnigin saß ihr Toͤchterlein, Amalie, ein bluͤhendes Maienreis und eine Wonne der Augen, denn es war nicht anders, als der helle Sonnenglanz. Nie hat eine Mutter schoͤnere Kinder geboren, als die beiden da waren. Der Koͤnig faßte sein Toͤchterlein bei der Hand und sprach: „liebes Kind, du hast dir schon lange einen Spielkammeraden gewuͤnscht, da hab ich einen gefunden. Komm, ich will dich mit ihm bekannt machen und ihm sagen, daß er artig mit dir umgeht. Er ist ein Kind, wie du, ihr koͤnnt ohne Arg manchen Tag mit einander spielen. Sey du aber auch freundlich gegen ihn, wenn er bei dir ist.“ Nun war das Maͤdchen nicht aͤlter als sieben Jahr und sprach, ohne sich dessen zu schaͤmen: „Vaͤterlein, das freut mich gar sehr, es soll mein Spielkammerad seyn, ich will gehen und mich zu ihm setzen. Sag ihm auch, daß er zu mir geht.“ „Ja, Wilhelm, komm her,“ sprach der Koͤnig. Da ging das Maͤdchen zu ihm und sagte: „setz dich zu mir.“ Bloͤd und schuͤchtern, wie Knabensitte ist, wollte er nicht, ob ers gleich von Herzen gern gethan haͤtte. Es faßte ihn aber bei der Hand und nun saßen die beiden schoͤnen Kinder beisammen, und wer nur da war, mußte die Augen auf sie richten. Was sie wollte, das that er; was er wollte, das that sie. Sie erzaͤhlten sich einander ihre Geschichten,
sie sagte ihm vielleicht, daß ihre DockeDocke ist der alte Name, und Puppe, (zunaͤchst wahrscheinlich aus dem Franzoͤsischen poupée eingefuͤhrt) findet sich vor dem 16. Jahrh. noch nicht. Die gloss. pez. hat mima, tohcha und die gerbertische p. 47. Dokka est simulacrum puellarum. Es heißt wie pupa, κόρη, eben sowohl eine Jungfrau, geschmuͤcktes Maͤdchen (s. Stalder schweiz. Jdiotikon I. 236.), als ein ausgestopftes und bekleidetes Bild desselben. Ueber das lateinische pupa, poppea findet man Nachweisungen bei Ducange; es ist bekannt, daß die roͤmischen, wie die heutigen Maͤdchen, schon Puppen hatten. womit sie als Kinder spielten und welche sie, sobald sie herangewachsen waren, der Venus opferten: tanquam virginitatis suae insignia, ut fauste futurum matrimonium cederet, wie sich Forcellini ausdruͤckt. Ob von daher die Docken geradezu gekommen, oder ob sie mit altheidnischen Lappenfiguren zusammenhangen, welche der Indiculus superstitionum simulacra de pannis facta nennt, darf um so eher unentschieden bleiben, als ja beide einen gemeinschaftlichen oder verwandten viel aͤltern Ursprung haben koͤnnen. Es sind die kleinen wohlthaͤtigen Wesen, deren Leben an das eines Menschen gebunden ist, dem sie daher willig und zugethan sich bezeigen. Eccard bemerkt bei der Erklaͤrung des Indiculus (fr. orient. I. 436.), daß man in Wurzburg ein Kindergespenst Hullen-Poͤpel nenne; das heiße der Frau Holle Puppe und zu der Ehre dieser Goͤttin seyen jene heidnischen Puppen verfertigt worden. An die Alraunen denkt er aber auch, und das laͤßt sich in sofern hoͤren, als auch diesen pflegen Hemdlein angelegt zu werden (s. deutsche Sagen I. 136.) — Eschenbach redet im Oranse (II. 16 a) von seiner mit der Docke spielenden Tochter und gedenkt ihrer auch im Parcifal 11009, 11802; fuͤr spaͤtere Zeit ist Fischart anzufuͤhren, der im Gargantua sagt, 74 a: „Und was ists Wunder, daß die Weiber so fein wissen mit ihren Ehegetrauten umzugehen, da sie es doch von Jugend auf mit Docken und Puppen spielsweise also gewohnen.“ so huͤbsch waͤre und ihre Nachtigall so schoͤn saͤnge und so suͤßen Schall haͤtte. Er wußte etwa von seinem Habicht (Sprinzelin, falco cyaneus) zu sagen, wie er ihn habe steigen gesehenDies ist ein epischer Zug. Gerade so kommt er bei Ottokar von Horneck vor, S. 166 a.. So saßen sie bei
einander, bis sie scheiden mußten. Da sprach sie: „Wilhelm, Gott behuͤte dich, komm bald wieder zu mir.“ „Ja, antwortete er, das thue ich gerne“Parcifals Kindheit und Jugend ist auch herrlich in dem Gedicht von ihm beschrieben. Aus dem 16. Jahrh. hat sich das lebendigste Bild in Fischart’s Gargantua im 14ten Cap. erhalten. Jn der neuern Zeit ist das Kinderwesen schoͤn und ruͤhrend und mit großer Wahrheit dargestellt, von Jean Paul in Fixlein (S. 96. l02,) im Leben des Schulmeister Wutz, hinter der unsichtbaren Loge (II. 370. ff.) und im Jubelsenior S. 72-75. Von Arnim in Traugotts Erinnerung aus seiner Jugend im ersten Band der Graͤfin Dolores. Auch Ernst Wagners Kinderjahre gehoͤren hierher..
22. Einige hierher gehoͤrigen Strophen aus einem Liede des Meister Alexander (hinter Gottfrieds Tristran S. 144.) moͤgen schließen:
Hiebevorn, do wir kinder waren
unt diu zit was in den jaren,
daz wir liefen uf die wisen,
von jenen her wider zuo disen,
da wir understunden
viol funden:
da sicht man nu rinder bisen.
sie redeten kintlich
— do die mait
von ir docken sait,
wie die weren gestalt,
do engegene er ir verzalt,
waz sin sprinz het gevangen.
Ueber das Spiel der Kinder mit dem Sprinz, vergl. auch Parcifal 12838 ff.
Jch gedenke wol, daz wir sazen
0in den bluomen unde mazen
wellich diu schoneste mochte sin?
da schein unser kintlich schin
mit dem nuwen kranze
zuo dem tanze:
alsus gat diz zil von hin!
Secht, do liefe wir erdberen suochen
von der tannen zuo der buochen
uber stoc unde uber stein,
der wile daz diu sunne schein.
do rief ein walt-wiser
durch die riser:
„wol dan kinder, unt gat hein!“Understunden, zuweilen — bisen, wild herumrennen — Blumen messen, welche die schoͤnste sey; Walter von der Vogelw. erzaͤhlt von dem Streit der Blumen (Man. I. 177 b.):
„du bist kurzer, ich bin langer!
alse stritent si uf dem anger
bluomen unde kle.“
diz zil, diese Zeit — ein walt-wiser, ein Foͤrster, Waldhuͤter..
Kinderglauben.
1. Wenn ein Bruͤderchen oder Schwesterchen geboren wird, und die Kinder fragen, woher es gekommen sey? so sagt man ihnen: aus dem Brunnen, da hole oder schoͤpfe man sie heraus. Fischart im Gargantua fuͤhrt das schon an. Gewoͤhnlich ist aber an dem Ort ein gewisser Brunnen, auf den man verweist, und wenn sie hineingucken, sehen sie ihre eigenen Koͤpfe unten im Wasser und glauben desto mehr daran. Kindibrunnon kommt schon in alten Diplomen (Pistorius III. 544. als ein Ortsname vor. Kanne (im Chronus S. 133. Anm.) bezieht diesen Glauben auf die durch die Mythe der ganzen alten Welt gehende Jdee von Tod und Wiedergeburt im Wasser. Er bemerkt noch, daß bei Detmold ein solcher Geburtsbrunnen Luͤnsborn heiße.
Oder man sagt: ein Engel bringe sie, und der habe zugleich das Zuckerwerk mitgebracht, das ihnen bei der Kindtaufe oder vorher gegeben wird; gewoͤhnlich sind es bunte Zuckererbsen. Oder: der Storch fische die Kinder im Wasser und bringe sie in seinem rothen Schnabel getragen, darum wird er angesungen:
Klapperstorch, Langbein,
bring meiner Mutter ein Kind heim,
leg es in Garten,
will es fein warten,
legs auf die Stiegen!
will es fein wiegen.
Oder auch niederdeutsch:
Ebeer Langbeen
wenneer wult du to Lande teen etc.
Der Name des Storchs Adebar, bedeutet nach einigen Kindtraͤger, von baren, tragen, andere erklaͤren Oudevar durch: alter Vater. Unter den Nuͤrnberger Spielwaaren ist der Storch mit dem Wickelkind im Schnabel sehr haͤufig. Er bringt, nach Fischart, auch die rothen Schuhe mit.
Jn Frankreich sagt man, die Kinder wuͤchsen aus dem Kohl und laͤgen oben in den großen Haͤuptern. Doch scheint die Jdee von dem Lebensbrunnen auch in der Bretagne nicht fremd. Cambry voyage dans le Finisterre I. 175. gedenkt des Volksglaubens, wornach man ein Kinderhemd in gewisse Brunnen lege; gehts unter, so stirbt das Kind im Jahre, schwimmts dagegen, so lebt es lang. Man thut das feuchte Hemd den Kindern an und glaubt sie dadurch vor Schaden zu bewahren.
Bronner erzaͤhlt in seinem Leben (Zuͤrch 1795. I. 23. 24): „da fragte ich meinen Vater einst bei Tisch: wo ist denn unser Bruͤderlein hergekommen? Die Hebamme saß auch dabei. Diese Frau da, sagte er, hat es aus dem Krautgarten hereingebracht, du kannst noch heute den hohlen Baum sehen, aus dem die kleinen Kinder immer herausschauen, die man denn abholen laͤßt, sobald man ihrer verlangt.“ Es war eine hohle Weide an einem
Teich, Bronner schaute hinein und sah den Knaben im Wasser; sein Vater hieß ihn rufen: „Buben, wo seyd ihr?“ und er zweifelte nicht mehr. - Jn einem Kinderlied kommt vor:
die andere geht ans Bruͤnnchen
und findt ein goldenes Kindchen.
2. Wenn die Kinder, die noch in der Wiege liegen, mit ihren Haͤndchen spielen, darnach greifen, als haͤtten sie ein besonderes Wohlgefallen daran, so glaubt man, sie thaͤten es bloß darum, weil ihnen ihre Aermchen und Haͤndchen ganz wie von Gold und glaͤnzend vorkaͤmen. - Laͤcheln sie im Schlaf, so reden die Engel mit ihnen. — Wenn sie das Schluchsen bekommen, sagt man: „nun waͤchst ihnen das Herz.“ — Faͤllt ein Kind, so sagt man: „da liegt ein Spielmann begraben!“ Hungert es: „die Froͤsche murrten in seinem Leib“ (stomachus latrat) wie Fischart anfuͤhrt. Nach Schuͤtze (holst. Jdiot.) pflegt man zu sagen: Jung iß, sonst kommt der Hund und frißt dir den Magen weg. — Will es nicht schlafen, so legt man ihm einen Schlafapfel, den moosartigen Auswuchs an der wilden Rose unter das Kissen; man glaubt, es erwache nicht eher, als bis er wieder weggenommen werde. (Stalder II. 321.)
3. Kinder gehen oft gefaͤhrliche Wege, uͤber eine schmale Bruͤcke oder die Balken unterm Dach, aus dem Brunnenrand, und doch begegnet ihnen kein Ungluͤck; das macht, weil jedes Kind seinen Engel hat, der es bewahrt, haͤlt und fuͤhrt. Auch die Worte, die es reden soll, giebt er ihm in den Mund. So
heißt es in einem altdeutschen Gedicht der Koloczer Sammlung S. 148. V. 127.
daz kint sprach mit sinne,
als im sin engel gab die lere.
und S. Georg 3200 ff.
daz kint von deme keiser gie,
jene, disse unde die
hatten vmme ez grozen gedranch;
hin durch si tet ez den wanch,
man het ez furwar ertreten,
wan daz zu ime was geweten
ein engel, daz ime niht gescach.
Vergl. eine Erzaͤhlung von Hans Sachs: die Engelshut, Kempt. Ausg. II. 4. Abth. S. 170-172. — Damit haͤngt wohl zusammen der Glaube von dem Kindlein in Kindesaugen, das zornig herausschaut, wenn es unzufrieden mit ihm ist. S. Brentano’s Gruͤndung von Prag. S. 110. und Anmerkung S. 434.
4. Wenn die Kinder Abends vor Muͤdigkeit mit den Augen blinzen und gleichwohl noch gern wach blieben, aber nicht koͤnnen, so heißt es: das Sandmaͤnnchen kommt! plattdeutsch de Sandsaier (Sandsaͤher) kumt. (Daͤhnert und Schuͤtze holst. Jdiot. IV. p. 3. 4.). Schuͤtze meint Sandsaier sey entstellt aus Saatsaier; das Kind, wenn es schlaͤfere, sey still, wie es still ist, wann gesaͤet wird. Offenbar gezwungen: es liegt die Jdee zum Grund, daß Sand ausgesaͤet und in die Augen gestreut werde, was
ja auch als spruͤchwoͤrtliche Redensart bekannt ist. — Jn Baien sagt man: das Pechmaͤnnchen kommt! (Schmidt Westerwaͤld. Jdiot.) das naͤmlich mit Pech die Augen zuklebt. - Nach der griechischen Mythe sprengt der Schlaf, wie dort Sand, Lethewasser in die Augen, und weht mit seinen Fluͤgeln bis man entschlaͤft. Bei Zeus setzt er sich auf die hoͤchste Tanne des Jda in das stachelvolle Gezweig (Jlias XIV. 290.). —
5. Jn Baiern schreckte man zur Zeit Aventins (B. Chronik 171 b) die Kinder mit dem Ausruf: „schweige, die Drud kommt uͤber dich!“ Jn Franken und Schwaben sagt man: „still, die eiserne Bertha kommt!“ Jn Hessen und Thuͤringen fuͤrchten sich die Kinder vor der Frau Holle, sie zieht sie in ihren Teich (s. das Maͤrchen Nr. 24.), die guten macht sie zu Gluckskindern, die boͤsen zu Wechselbaͤlgen (s. deutsche Sagen I. S. 7.). Jn Pommern (nach Daͤhnert ist es de olle Moͤme (die alte Mutter) oder auch de Water-moͤme; auf der Jnsel Foͤhrde: de blinde Jug. Sonst zeigt sich dort als Schreckbild de ruge Claas (der rauhe Niklas), und um Weihnachten de Bullkater (welches auch der Name fuͤr ein heranziehendes dickes Regen- und Donnergewoͤlk ist). Jm Ditmars. de Pulter (Polter)-Klas. Jm Oestreichischen Klaubauf, Grambus auch Berthel (Denis Lesefruͤchte I. 131.). Jn der Schweiz heißt (nach Stalder) das Gespenst Bauwi, Baui, womit wahrscheinlich der holstein. Buman und unser Bautzemann, Botzemann zusammen kommt; gewoͤhnlich vermummt sich jemand
mit weißen Tuͤchern und nimmt einen Besen in die Hand, man hat in Hessen noch einen Reim daruͤber:
Es geht ein Botzemann auf unserm Boden herum,
er ruͤttelt sich, er schuͤttelt sich,
er wirft sein Saͤckchen hinter sich,
es geht ein Botzemann auf unserm Boden herum!
Der Knecht Ruprecht dagegen, welcher den Kindern den 6. December erscheint, hat ein berußtes, ganz schwarzes Gesicht. Schon im Wartburger Krieg droht Ofterdingen: „Ruprecht, min knecht, muoz uwer har gelich den toren schern!“ Maness. II. 2 b. Jn der Lausitz wird dieser noch heute Dieterich von Bern genannt (Altd. Waͤlder I. 323). Jm Hanauischen sagt man zu einem unartigen Kind: „wart, der Großvater kommt!“
6. Manchmal ziehen viele kleine Wolken, die man Laͤmmerchen heißt, am Himmel ganz langsam, und scheint nun die Abendroͤthe daruͤber, so sagt man den Kindern: „da fuͤttert der liebe Gott seine Heerde Schaͤfchen mit Rosenblaͤttern. — Nach Fischart sind die Wolken bei den Kindern Wolle oder Blumendolder, das Gewoͤlk Spinneweb oder Schinhut (Schaubhut, Scheinhut, umbella bei Oberlin; Schinhut bei Hebel; vergl Troj. Kr. 5936). Wenn die Wolken fallen, kann man alle Lerchen sehen. (Bei Gruter germanica proverbia p. 95: „wenn die Wolken fallen, so ists gut Lerchen fangen.“) — Wenn die Sterne Nachts hell blinken und die Kinder wollen noch nicht zu Bett, so heißt es: „seht Kinder, die Himmelsthuͤre hat der liebe Gott auch schon zugemacht.“ Die Sterne sind die
goldnen Naͤgel, womit das Thor beschlagen ist und der Mond ist das Schloß daran.“
7. Faͤllt Schnee, so sind es Federn aus dem großen Bett, das dem lieben Gott aufgegangen ist; oder Frau Holle macht ihr Bett. Hierzu gehoͤrt eine merkwuͤrdige Stelle Herodots (Melpom. c. 7 ), wonach bereits die alten Scythen glaubten, die noͤrdlichen Weltgegenden seyen unsichtbar und unzugaͤnglich, weil Erde und Himmel mit Federn angefuͤllt seyen und dies deutet er weiterhin (c. 31.) selbst auf Schnee.
Vom wehenden Schnee in großen Flocken: „Muͤller und Baͤcker schlagen sich mit einander“ (s. Jean Pauls Ouintus Fixlein S. 102.) Das sagt man auch, wenn es zugleich regnet und schneit. Schnee ist Mehl (wie Fischart auch anmerkt), im Jslaͤndischen miöll, nix candidissima, gerade wie wir Mehlthau haben. — Der Wind ist ein gieriges Thier, das Nahrung fuͤr seine Kinder sucht. Praͤtorius fuͤhrt an in der Weltbeschreibung I. 49.: „zu Bamberg in Franken zur Zeit eines starken Windes, hat ein alt Weib ihren Mehlsack in die Hand gefaßt, und denselben aus dem Fenster in die freie Luft nebenst diesen Woͤrtern ausgeschuͤttet:
lege dich, lieber Wind,
bringe das deinem Kind!
Sie wollte hiermit den Hunger des Windes stillen, da sie glaubte derselbige wuͤthe darum, wie ein fraͤßiger Loͤwe, oder ein grimmig Wolf.“ Jn der Rockenphilosophie S. 265. „wenn der
Wind sehr wehet, so kann man solchen stillen, wenn man einen Mehlsack ausstaͤubet und darzu spricht:
sieh da Wind,
koch’ ein Mus fuͤr dein Kind!“
8. Das Blut der Kinder macht alles, was es anruͤhrt, wieder rein und gesund oder stellt den natuͤrlichen Zustand wieder her, und zwar darum, weil es selbst als etwas ganz reines betrachtet wird. So vernichtet es in dem Maͤrchen von dem treuen Johannes den Zauber und gibt dem Stein das menschliche Leben wieder. Man hat viele Sagen, daß es allein den sonst unheilbaren Aussatz hat heilen koͤnnen (s. Armer Heinrich S. 173 ff.). Auf dieser Reinheit der Kinder beruht noch ein anderer Glaube, daß naͤmlich Mauern uͤber ein Kind gebaut allein unverruͤcklich fest staͤnden. Nach einer Daͤnischen Sage (s. die Sammlung von Thiele I. S. 3.) stuͤrzten die Waͤlle von Kopenhagen immer wieder ein, bis ein unschuldiges Kind, das man auf einen Stuhl an einen Tisch mit Spielzeug gesetzt und von zwoͤlf Maurern schnell hatte uͤberwoͤlben lassen, zur Grundlage derselben genommen wurde. Verwandt ist die Brittische Sage von dem Gebaͤude eines Koͤnigs, das nicht zu Stande kommen konnte, weil jede Nacht wieder verschwand, was am Tage gebaut war. Worauf die Zauberer behaupteten, es werde nur dann stehen, wenn der Kalk mit dem Blute eines der ohne Vater geboren worden (also eines ganz reinen Kindes), gemischt werde. Das war aber das Kind Merlin. Mart. Poloni chronicon bei Schilter script. rer. ger. p. 353.)
9. Jn der Jdee der Reinheit und Unschuld der Kinder liegt es auch, wenn die Entscheidung durch das Loos haͤufig in ihre Hand gelegt wird, noch heute pflegen bei den oͤffentlichen Gluͤcksspielen Knaben in das Rad zu greifen. Aber schon in dem altfriesischen Gesetz (Tit. 14. bei Georgisch S. 422.) war bestimmt, daß wenn kein Priester zugegen war, „jeder unschuldige Knabe“ eins von den verhuͤllten, auf den Altar oder heilige Reliquien gelegten Staͤbchen hervorziehen konnte, wodurch entschieden wurde, ob die Angeklagten an einem Morde schuldig oder unschuldig waren.
Jnhalt.
-
Seite
87. Der Arme und der Reiche 1
88. Das singende, springende Loͤweneckerchen 6
89. Die Gaͤnsemagd 14
90. Der junge Riese 22
91. Dat Erdmaͤnneken 32
92. Der Koͤnig vom goldenen Berg 38
93. Die Rabe 45
94. Die kluge Bauerntochter 53
95. Der alte Hildebrand 58
96. De drei Vugelkens 63
97. Das Wasser des Lebens 68
98. Doctor Allwissend 76
99. Der Geist im Glas 78
100. Des Teufels russiger Bruder 84
101. Der Teufel Grunrock 89
102. Der Zaunkoͤnig und der Baͤr 92
103. Vom suͤßen Brei 96
104. Die treuen Thiere 97
105. Maͤrchen von der Unke 102
106. Der arme Muͤllerbursch und das Kaͤtzchen 103
107. Die Kraͤhen 107
108. Hans mein Jgel 111
109. Das Todtenhemdchen 118
110. Der Jude im Dorn 119
111. Der gelernte Jaͤger 123
112. Der Dreschflegel im Himmel 130
-
Seite
113. De beiden Kuͤnnigeskinner 131
114. Vom klugen Schneiderlein 142
115. Die klare Sonne bringts an den Tag 146
116. Das blaue Licht 148
117. Das eigensinnige Kind 152
118. Die drei Feldscheerer 153
119. Die sieben Schwaben 156
120. Die drei Handwerksburschen 160
121. Der Koͤnigssohn, der sich vor nichts fuͤrchtet 164
122. Der Krautesel 172
123. Die Alte im Wald 181
124. Die drei Bruͤder 184
125. Der Teufel und seine Großmutter 186
126. Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ 190
127. Der Eisen-Ofen 197
128. Die faule Spinnerin 204
129. Die vier kunstreichen Bruͤder 207
130. Einaͤuglein, Zweiaͤuglein und Dreiaͤuglein 212
131. Die schoͤne Katrinelje und Pif, Paf, Poltrie 222
132. Der Fuchs und das Pferd 224
133. Die zertanzten Schuhe 225
134. Die sechs Diener 230
135. Die weiße und schwarze Braut 239
136. De wilde Mann 245
137. De drei schwatten Princessinnen 249
138. Knoist un sine dre Suͤhne 251
139. Dat Maͤken von Brakel 252
140. Das Hausgesinde 252
141. Das Laͤmmchen und Fischchen 253
142. Simeliberg 256
143. Up Reisen gohn 259
144. Das Eselein 260
145. Der undankbare Sohn 264
146. Die Ruͤbe 265
147. Das junggegluͤhte Maͤnnlein 269
148. Des Herrn und des Teufels Gethier 271
149. Der Hahnenbalken 272
-
Seite
150. Die alte Bettelfrau 273
151. Die drei Faulen 274
152. Das Hirtenbuͤblein 275
153. Die Sternthaler 276
154. Der gestohlene Heller 277
155. Die Brautschau 278
156. Die Schlickerlinge 279
157. Der Sperling und seine vier Kinder 280
158. Das Maͤrchen vom Schlauraffenland 283
159. Das Dietmarsische Luͤgenmaͤrchen 285
160. Raͤthsel-Maͤrchen 285
161. Der goldene Schluͤssel 286
Kinder-Legenden.
1. Der heilige Joseph im Walde 289
2. Die zwoͤlf Apostel 293
3. Die Rose 294
4. Armuth und Demuth fuͤhren zum Himmel 295
5. Gottes Speise 297
6. Die drei gruͤnen Zweige 298
7. Mutter-Gottes-Glaͤschen 301
8. Das alte Muͤtterchen 301
9. Die himmlische Hochzeit 303
Druckfehler.
S. 32. Z. 5. von oben statt Lievhawer l. Leivhawer.
— 34. — 10. — unten — nu l. un.
— 35. — 8. — oben — goen l. gaen.
— 36. — 12. — — — drucke’n l. druckete’n.
— 37. — 7. — — — Erdmaͤnnekes l. Erdmaͤnnekens.
— - — - — — — Ton l. Don.
— 67. — 9. — — — trog l. drog.
— 68. — 2. — — — Kinnekes l. Kinnerkes.
— 81. — 12. — — — haben!“ „Denkst l. haben! Denkst
— 133. — 3. — unten — Axt l. Exe.
— - — 5. — — — Axt l. Exen.
— 134. — 5. — — — to enne l. to Enne (zu Ende).
— 155. — 11. — oben — eines l. einer.
— 175. — 2. — unten — die Fliegen l. die fliegen.
— - — 9. — — — es ihr l. es ihm.
— 245. — 9. — — — soͤk l. soͤt.
— - — - — — — nimmt l. nieemt.
87.
Der Arme und der Reiche.
Vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden unter den Menschen wandelte, trug es sich zu, daß er eines Abends muͤde war und ihn die Nacht uͤberfiel, eh’ er zu einer Herberge kommen konnte. Nun standen auf dem Weg vor ihm zwei Haͤuser einander gegenuͤber, das eine groß und schoͤn, das andere klein und aͤrmlich anzusehen, und gehoͤrte das große einem reichen, das kleine einem armen Manne. Da dachte unser Herr Gott: dem Reichen werde ich nicht beschwerlich fallen, bei ihm will ich anklopfen. Der Reiche, als er an seine Thuͤre klopfen hoͤrte, machte das Fenster auf und fragte den Fremdling, was er suche? Der Herr antwortete: „ich bitte nur um ein Nachtlager.“ Der Reiche guckte den Wandersmann an vom Haupt bis zu den Fuͤßen, und weil der liebe Gott schlichte Kleider trug und nicht aussah wie einer, der viel Geld in der Tasche hat, schuͤttelte er mit dem Kopf und sprach: „ich kann euch nicht aufnehmen, meine Kammern liegen voll Kraͤuter und Samen, und sollte ich einen jeden herbergen, der an meine Thuͤre klopfte, so koͤnnte ich selber den Bettelstab in die Hand nehmen. Sucht anderswo ein Auskommen.“
Schlug damit sein Fenster zu und ließ den lieben Gott stehen. Also kehrte ihm der liebe Gott den Ruͤcken, ging hinuͤber zu dem kleinen Haus und klopfte an. Kaum hatte er angeklopft, klinkte der Arme schon sein Thuͤrchen auf und bat den Wandersmann einzutreten und bei ihm die Nacht uͤber zu bleiben: „es ist schon finster, sagte er, und heute koͤnnt ihr doch nicht weiter kommen.“ Da gefiel es dem lieben Gott und er trat zu ihm ein; die Frau des Armen reichte ihm die Hand, hieß ihn willkommen und sagte, er moͤchte sichs bequem machen und vorlieb nehmen, sie haͤtten nicht viel, aber was es waͤre, gaͤben sie von Herzen gern. Dann setzte sie Kartoffeln ans Feuer und derweil sie kochten, melkte sie ihre Ziege, damit sie ein Bischen Milch dazu haͤtten. Und als der Tisch gedeckt war, setzte sich der liebe Gott zu ihnen und aß mit und schmeckte ihm die schlechte Kost gut, denn es waren vergnuͤgte Gesichter dabei. Wie sie gegessen hatten und Schlafenszeit war, rief die Frau heimlich ihren Mann und sprach: „hoͤr’, lieber Mann, wir wollen uns heut’ Nacht eine Streu dahin machen, damit der arme Wanderer sich in unser Bett legen und ausruhen kann, er ist den ganzen Tag uͤber gegangen, da wird einer muͤd.“ „Von Herzen gern, antwortete er, ich wills ihm anbieten,“ ging zu dem lieben Gott und bat ihn, wenns ihm recht waͤre, moͤcht’ er sich in ihr Bett legen und seine Glieder ordentlich ausruhen. Der liebe Gott aber wollte den beiden Alten ihr Lager nicht nehmen, doch ließen sie nicht ab, bis er es endlich that und sich in ihr Bett legte; sich selbst aber machten sie eine Streu auf die Erde. Am andern Morgen standen
sie vor Tag schon auf und kochten dem Gast ein armes Fruͤhstuͤck. Als nun die Sonne durchs Fensterlein herein schien und der liebe Gott aufgestanden war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann seines Weges ziehen. Doch als er in der Thuͤre stand, sprach er: „weil ihr so mitleidig und fromm seyd, so wuͤnscht euch dreierlei, das will ich euch erfuͤllen.“ Da sagte der Arme: „was soll ich mir sonst wuͤnschen, als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, so lang wir leben, gesund sind und unser nothduͤrftiges, taͤgliches Brot haben; fuͤrs Dritte weiß ich mir nichts zu wuͤnschen.“ Der liebe Gott sprach: „willst du dir nicht ein neues Haus fuͤr das alte wuͤnschen?“ Da sagte der Mann, ja, wenn das ging, waͤrs ihm wohl lieb. Nun erfuͤllte der Herr ihre Wuͤnsche und verwandelte ihr altes Haus in ein schoͤnes neues, und als das geschehen war, verließ er sie und zog weiter.
Als es voller Tag war, der Reiche aufstand und sich ins Fenster legte, sah er gegenuͤber ein schoͤnes neues Haus stehen statt der alten Huͤtte. Da machte er Augen, rief seine Frau und sprach: „Frau, sieh einmal, wie ist das zugegangen? Gestern Abend stand dort eine elende Huͤtte und nun ists ein schoͤnes neues Haus; lauf doch einmal hinuͤber und hoͤr’, wie das gekommen ist.“ Die Frau ging hin und fragte den Armen aus, der erzaͤhlte ihr: „gestern Abend kam ein Wanderer, der suchte Nachtherberge, und heute Morgen beim Abschied hat er uns drei Wuͤnsche gewaͤhrt: die ewige Seligkeit, Gesundheit in diesem Leben und das nothduͤrftige taͤgliche Brot und statt unserer alten Huͤtte ein schoͤnes neues Haus.“ Als die Frau des Reichen das gehoͤrt hatte, lief
sie fort und erzaͤhlte es ihrem Manne, der sprach: „ich moͤchte mich zerreissen und zerschlagen, haͤtt’ ich das gewußt, der Fremde ist auch bei mir gewesen, ich habe ihn aber abgewiesen.“ „Eil dich, sprach die Frau, und setz dich auf dein Pferd, der Mann ist noch nicht weit, du mußt ihn einholen, und dir auch drei Wuͤnsche gewaͤhren lassen.“
Da setzte sich der Reiche auf und holte den lieben Gott ein, redete fein und lieblich zu ihm und sprach, er moͤcht’s nicht uͤbel nehmen, daß er ihn nicht gleich eingelassen, er haͤtte den Schluͤssel zur Hausthuͤre gesucht, derweil waͤre er weggegangen; wenn er zuruͤckkaͤme, muͤßte er bei ihm einkehren. „Ja, sprach der liebe Gott, wenn ich einmal zuruͤckkomme, will ich es thun.“ Da fragte der Reiche, ob er nicht auch drei Wuͤnsche thun duͤrfte, wie sein Nachbar? „Ja, sagte der liebe Gott, das duͤrfe er wohl, es waͤre aber nicht gut fuͤr ihn, und sollte sich lieber nichts wuͤnschen.“ Der Reiche aber meinte, er wollte sich schon etwas Gutes aussuchen, wenn es nur gewiß erfuͤllt wuͤrde. Sprach der liebe Gott: „reite nur heim und drei Wuͤnsche, die du thust, die sollen erfuͤllt werden.“
Nun hatte der Reiche, was er wollte, ritt heimwaͤrts und besann sich, was er sich wuͤnschen sollte; wie er so nachdachte und die Zuͤgel fallen ließ, fing das Pferd an zu springen, so daß er immerfort in seinen Gedanken gestoͤrt wurde und sie gar nicht zusammen bringen konnte. Da ward er uͤber das Pferd aͤrgerlich und sprach in Ungeduld: „ei so wollt’ ich, daß du den Hals zerbraͤchst!“ und wie er das Wort ausgesprochen, plump! fiel er
auf die Erde und lag das Pferd todt und regte sich nicht mehr und war der erste Wunsch erfuͤllt. Weil er aber geizig war, wollt’ er das Sattelzeug nicht im Stich lassen, schnitt’s ab, hing’s auf den Ruͤcken und mußte nun zu Fuß nach Haus gehen. Doch troͤstete er sich, daß ihm noch zwei Wuͤnsche uͤbrig waͤren. Wie er nun dahin ging durch den Sand und als zu Mittag die Sonne heiß brannte, ward’s ihm so warm und verdrießlich zu Muth, der Sattel druͤckte ihn dazu auf den Ruͤcken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen, was er sich wuͤnschen sollte. Wenn er meinte, er haͤtte etwas, da schien’s ihm hernach doch viel zu wenig und gering. Da kam’s ihm so in die Gedanken, was es seine Frau jetzt gut habe, die sitze daheim in einer kuͤhlen Stube und lasse sich’s wohl schmecken. Das aͤrgerte ihn ordentlich und ohne daß er’s wußte, sprach er so hin: „ich wollt’, die saͤß daheim auf dem Sattel und koͤnnt’ nicht herunter, statt daß ich ihn da auf dem Ruͤcken schleppe.“ Und wie die Worte zu End’ waren, da war der Sattel von seinem Ruͤcken fort, und merkte er, daß sein zweiter Wunsch auch in Erfuͤllung gegangen war. Da ward ihm erst recht heiß und er fing an zu laufen und wollte sich daheim ganz einsam hinsetzen und auf was Großes fuͤr den letzten Wunsch nachdenken. Wie er aber ankommt und seine Stubenthuͤr aufmacht, sitzt da seine Frau mittendrin auf dem Sattel und kann nicht herunter, jammert und schreit. Da sprach er: „gib dich zufrieden, ich will dir alle Reichthuͤmer der Welt herbei wuͤnschen, nur bleib da sitzen.“ Sie antwortete aber: „was helfen mir alle Reichthuͤmer der Welt, wenn ich auf dem Sattel sitze;
du hast mich darauf gewuͤnscht, du mußt mir auch wieder herunter helfen.“ Er mochte wollen oder nicht, er mußte den dritten Wunsch thun, daß sie vom Sattel ledig waͤr’ und heruntersteigen koͤnnte, und der ward auch erfuͤllt. Also hatte er nichts davon als Aerger, Muͤh’ und ein verlorenes Pferd; die Armen aber lebten vergnuͤgt, still und fromm bis an ihr seliges Ende.
88.
Das singende, springende Loͤweneckerchen.
Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reise vor und beim Abschied fragte er seine drei Toͤchter, was er ihnen mitbringen sollte. Da wollte die aͤlteste Perlen, die zweite Diamanten, die dritte aber sprach: „lieber Vater, ich wuͤnsche mir ein singendes, springendes Loͤweneckerchen (Lerche).“ Der Vater sagte: „ja, wenn ich es kriegen kann, sollst du es haben“ kuͤßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, hatte er Perlen und Diamanten fuͤr die zwei aͤltesten, aber das singende, springende Loͤweneckerchen fuͤr die juͤngste hatte er umsonst aller Orten gesucht, und das that ihm leid, denn sie war sein liebstes Kind. Da fuͤhrte ihn sein Weg durch einen Wald und mitten darin war ein praͤchtiges Schloß und nah’ am Schloß stand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber sah er ein Loͤweneckerchen singen und springen. „Ei, du kommst mir noch recht!“ sagte er und war froh und rief seinem Diener, er sollte hinaufsteigen und das Thierchen
fangen. Wie der aber an den Baum herantrat, sprang ein Loͤwe darunter auf, schuͤttelte sich und bruͤllte, daß das Laub an den Baͤumen zitterte: „wer mir mein singendes, springendes Loͤweneckerchen stehlen will, den fress’ ich auf!“ Da sagte der Mann: „das hab’ ich nicht gewußt, daß der Vogel dir gehoͤrt; kann ich mich nicht von dir loskaufen?“ „Nein!“ sprach der Loͤwe, „da ist nichts, was dich retten kann, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet, willst du aber das thun, so schenk’ ich dir das Leben und den Vogel fuͤr deine Tochter obendrein.“ Der Mann aber wollte nicht und sprach: „das koͤnnte meine juͤngste Tochter seyn, die hat mich am liebsten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme.“ Dem Diener aber war angst und er sagte: „es koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund seyn!“ Da ließ sich der Mann uͤberreden, nahm mit traurigem Herzen das singende, springende Loͤweneckerchen und versprach dem Loͤwen zu eigen, was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde.
Wie er nun zu Haus eintritt, war das erste, was ihm begegnete, niemand anders, als seine juͤngste, liebste Tochter; die kam gelaufen und kuͤßte und herzte ihn, und als sie sah, daß er ein singendes, springendes Loͤweneckerchen mitgebracht hatte, freute sie sich noch mehr. Der Vater aber konnte sich nicht freuen, sondern fing an zu weinen und sagte: „o weh! mein liebstes Kind, den kleinen Vogel hab’ ich theuer gekauft, dafuͤr hab’ ich dich einem wilden Loͤwen versprechen muͤssen, wenn er dich hat, wird er dich zerreissen und fressen“ und erzaͤhlte ihr da alles, wie es
zugegangen war und bat sie, nicht hin zu gehen, es moͤcht’ auch kommen was wollte. Sie aber troͤstete ihn und sprach: „liebster Vater, weil ihr’s versprochen habt, muß es auch gehalten werden, ich will hingehen und den Loͤwen schon besaͤnftigen, daß ich wieder gesund zu euch heim komme.“ Am andern Morgen ließ sie sich den Weg zeigen, nahm Abschied und ging getrost in den Wald hinein. Der Loͤwe aber war ein verzauberter Koͤnigssohn und bei Tag ein Loͤwe und mit ihm wurden alle seine Leute zu Loͤwen, in der Nacht aber hatten sie ihre natuͤrliche Gestalt wieder. Als sie nun ankam, that er gar freundlich und ward Hochzeit gehalten und in der Nacht war er ein schoͤner Mann, und da wachten sie in der Nacht und schliefen am Tag und lebten eine lange Zeit vergnuͤgt mit einander. Einmal kam er und sagte: „morgen ist ein Fest in deines Vaters Haus, weil deine aͤlteste Schwester sich verheirathet und wenn du Lust hast hinzugehen, sollen dich meine Loͤwen hinfuͤhren.“ Da sagte sie ja, sie moͤchte gern ihren Vater wiedersehen, und fuhr hin und wurde von den Loͤwen begleitet; da war große Freude, als sie ankam, denn sie hatten alle geglaubt, sie waͤre schon lange todt, und von den Loͤwen zerrissen worden. Sie erzaͤhlte aber, wie gut es ihr ging und blieb bei ihnen, so lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr sie wieder zuruͤck in den Wald. Wie die zweite Tochter heirathete und sie wieder zur Hochzeit eingeladen war, sprach sie zum Loͤwen: „diesmal will ich nicht allein seyn, du mußt mitgehen.“ Der Loͤwe aber wollte nicht und sagte, das waͤre zu gefaͤhrlich fuͤr ihn, denn wenn dort ein Strahl eines brennenden
Lichts ihn anruͤhre, so wuͤrd’ er in eine Taube verwandelt und muͤßte sieben Jahre lang mit den Tauben fliegen. Sie ließ ihm aber keine Ruh’, und sagte, sie wollt’ ihn schon huͤten und bewahren vor allem Licht. Also zogen sie zusammen und nahmen auch ihr kleines Kind mit. Sie aber ließ dort einen Saal mauern, so stark und dick, daß kein Strahl durchdrang, darin sollt’ er sitzen, wenn die Hochzeitslichter angesteckt wuͤrden. Die Thuͤr aber war von frischem Holz gemacht, das sprang und bekam einen kleinen Ritz, den kein Mensch bemerkte. Nun ward die Hochzeit mit Pracht gefeiert, wie aber der Zug aus der Kirche zuruͤckkam mit den vielen Fackeln und Lichtern an dem Saal vorbei, da fiel ein duͤnner, duͤnner Strahl auf den Koͤnigssohn, und wie dieser ihn beruͤhrt hatte, in dem Augenblick war er auch verwandelt, und als sie hinein kam und ihn suchte, sah sie ihn nicht, aber eine weiße Taube saß da, die sprach zu ihr: „sieben Jahr muß ich nun in die Welt fortfliegen, alle sieben Schritte aber will ich einen rothen Blutstropfen und eine weiße Feder fallen lassen, die sollen dir den Weg zeigen, und wenn du mir da nachfolgst, kannst du mich erloͤsen.“
Da flog die Taube zur Thuͤr hinaus und sie folgte ihr nach und alle sieben Schritte fiel ein rothes Blutstroͤpfchen und ein weißes Federchen herab und zeigte ihr den Weg. So ging sie immer zu in die weite Welt hinein und schaute nicht um sich und ruhte sich nicht, und waren fast die sieben Jahre herum; da freute sie sich und meinte, sie waͤren bald erloͤst und war noch so weit davon. Einmal, als sie so fortging, fiel kein Federchen mehr
und auch kein rothes Blutstroͤpfchen, und als sie die Augen aufschlug, da war die Taube verschwunden. Und weil sie dachte, Menschen koͤnnen dir da nichts helfen, so stieg sie zur Sonne hinauf und sagte zu ihr: „du scheinst in alle Ritzen und uͤber alle Spitzen; hast du keine weiße Taube fliegen sehen?“ — „Nein, sagte die Sonne, ich habe keine gesehen, aber da schenk ich dir ein Schaͤchtelchen, das mach auf, wenn du in großer Noth bist.“ Da dankte sie der Sonne und ging weiter bis es Abend war und der Mond schien, da fragte sie ihn: du scheinst ja die ganze Nacht, durch alle Felder und Waͤlder: hast du keine weiße Taube fliegen sehen?“ — „Nein, sagte der Mond, ich habe keine gesehen, aber da schenk ich dir ein Ei, das zerbrich wenn du in großer Noth bist.“ — Da dankte sie dem Mond und ging weiter, bis der Nachtwind wehte, da sprach sie zu ihm: „du wehst ja durch alle Baͤume und unter alle Blaͤtterchen weg, hast du keine weiße Taube fliegen sehen?“ „Nein, sagte der Nachtwind, ich habe keine gesehen, aber ich will die drei andern Winde fragen, die haben sie vielleicht gesehen.“ Der Ostwind und der Westwind kamen und sagten, sie haͤtten nichts gesehen, der Suͤdwind aber sprach: „die weiße Taube hab’ ich gesehen, sie ist zum rothen Meer geflogen, da ist sie wieder ein Loͤwe geworden, denn die sieben Jahre sind herum, und der Loͤwe steht dort im Kampf mit einem Lindwurm, der Lindwurm ist aber eine verzauberte Koͤnigstochter.“ Da sagte der Nachtwind zu ihr: „ich will dir Rath geben, geh’ zum rothen Meer’, am rechten Ufer da stehen große Ruthen, die zaͤhl’ und die eilfte schneid’ dir ab und schlag’ den
Lindwurm damit, dann kann ihn der Loͤwe bezwingen und beide bekommen auch ihren menschlichen Leib wieder; dann schau dich um und du siehst den Vogel Greif am rothen Meer sitzen, schwing’ dich auf seinen Ruͤcken mit deinem Liebsten, der Vogel wird euch uͤbers Meer nach Haus tragen; da hast du auch eine Nuß, wenn du mitten uͤber dem Meer bist, laß sie herab fallen, alsbald wird sie aufgehen und ein großer Nußbaum aus dem Wasser hervorwachsen, auf dem sich der Greif ruht, und koͤnnte er nicht ruhen, waͤr’ er nicht stark genug, euch hinuͤber zu tragen, und wenn du es vergißt, die Nuß herabfallen zu lassen, wirft er euch ins Meer hinunter.“
Da ging sie hin und fand alles, wie der Nachtwind gesagt hatte und schnitt die eilfte Ruthe ab, damit schlug sie den Lindwurm, alsbald bezwang ihn der Loͤwe und da hatten beide ihren menschlichen Leib wieder. Und wie sich die Koͤnigstochter, die vorher ein Lindwurm gewesen war, frei sah, nahm sie den Mann in den Arm, setzte sich auf den Vogel Greif und fuͤhrte ihn mit sich fort. Also stand die arme, weitgewanderte und war wieder verlassen, sie sprach aber: „ich will noch so weit gehen als der Wind weht und so lang als der Hahn kraͤht, bis ich ihn finde.“ Und ging fort, lange lange Wege, bis sie endlich zu dem Schloß kam, wo beide zusammen lebten, da hoͤrte sie daß bald ein Fest waͤre, wo sie Hochzeit mit einander machen wollten. Sie sprach aber: „Gott hilf mir doch noch!“ und nahm das Schaͤchtelchen, das ihr die Sonne gegeben hatte, da lag ein Kleid darin, so glaͤnzend, wie die Sonne selber. Da nahm sie es heraus und
zog es an, und ging hinauf in das Schloß und alle Leute sahen sie an und die Braut selber; und das Kleid gefiel ihr so gut, daß sie dachte, es koͤnnte ihr Hochzeitkleid geben und fragte, ob es nicht feil waͤre? „Nicht fuͤr Geld und Gut, antwortete sie, aber fuͤr Fleisch und Blut.“ Die Braut fragte, was sie damit meine? Da sagte sie: „laßt mich eine Nacht in der Kammer schlafen, wo der Braͤutigam schlaͤft.“ Die Braut wollte nicht und wollte doch gern das Kleid haben, endlich willigte sie ein, aber der Kammerdiener mußte dem Koͤnigssohn einen Schlaftrunk geben. Als es nun Nacht war, und der Prinz schon schlief, ward sie in die Kammer gefuͤhrt, da setzte sie sich ans Bett und sagte: „ich bin dir nachgefolgt sieben Jahre, bin bei Sonne, Mond und den Winden gewesen und hab’ nach dir gefragt, und hab’ dir geholfen gegen den Lindwurm, willst du mich denn ganz vergessen?“ Der Koͤnigssohn aber schlief so hart, daß es ihm nur vorkam, als rausche der Wind draußen in den Tannenbaͤumen. Wie nun der Morgen anbrach, da ward sie wieder hinausgefuͤhrt, und mußte das goldene Kleid hingeben; und als auch das nichts geholfen hatte, ward sie traurig, ging hinaus auf eine Wiese, setzte sich da hin und weinte. Und wie sie so saß, da fiel ihr das Ei noch ein, das ihr der Mond gegeben hatte und sie schlug es auf: ei! da kam eine Glucke heraus mit zwoͤlf Kuͤchlein ganz von Gold, die liefen herum und piepten und krochen der Alten wieder unter die Fluͤgel, so daß nichts schoͤneres auf der Welt zu sehen war. Da stand sie auf, trieb sie auf der Wiese vor sich her, so lange bis die Braut aus dem Fenster sah, und da gefiel ihr das kleine
Wesen so gut, daß sie gleich herab kam und fragte, ob sie nicht feil waͤren? „Nicht fuͤr Geld und Gut, aber fuͤr Fleisch und Blut; laßt mich noch eine Nacht in der Kammer schlafen, wo der Braͤutigam schlaͤft.“ Die Braut sagte ja und wollte sie betruͤgen, wie am vorigen Abend, als aber der Koͤnigssohn zu Bett ging, fragte er seinen Kammerdiener, was das Murmeln und Rauschen in der Nacht gewesen sey. Da erzaͤhlte der Kammerdiener alles, daß er ihm einen Schlaftrunk haͤtte geben muͤssen, weil ein armes Maͤdchen heimlich in der Kammer geschlafen haͤtte, und heute Nacht solle er ihm wieder einen geben. Sagte der Koͤnigssohn: „gieße den Trank neben das Bett aus,“ und zur Nacht wurde sie wieder hereingefuͤhrt, und als sie anfing wieder zu erzaͤhlen, wie es ihr traurig ergangen waͤr’, da erkannt’ er gleich an der Stimme seine liebe Gemahlin, sprang auf und sprach: „so bin ich erst recht erloͤst, mir ist gewesen, wie in einem Traum, denn die fremde Koͤnigstochter hat mich bezaubert, daß ich dich vergessen mußte, aber Gott hat mir noch zu rechter Stunde geholfen.“ Da gingen sie beide in der Nacht heimlich aus dem Schloß, denn sie fuͤrchteten sich vor dem Vater der Koͤnigstochter, der ein Zauberer war, und setzten sich auf den Vogel Greif, der trug sie uͤber das rothe Meer, und als sie in der Mitte waren, ließ sie die Nuß fallen. Alsbald wuchs ein großer Nußbaum, darauf ruhte sich der Vogel und dann fuͤhrte er sie nach Haus, wo sie ihr Kind fanden, das war groß und schoͤn geworden, und sie lebten von nun an vergnuͤgt bis an ihr Ende.
89.
Die Gaͤnsemagd.
Es lebte einmal eine alte Koͤnigin, der war ihr Gemahl schon lange Jahre gestorben und sie hatte eine schoͤne Tochter, wie die erwuchs, wurde sie weit uͤber Feld auch an einen Koͤnigssohn versprochen. Als nun die Zeit kam, wo sie vermaͤhlt werden sollten, und das Kind in das fremde Reich abreisen mußte, packte ihr die Alte gar viel koͤstliches Geraͤth und Geschmeide ein: Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was ihr zu einem koͤniglichen Brautschatz gehoͤrte, denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Haͤnde des Braͤutigams uͤberliefern sollte, und jede bekam ein Pferd zur Reise, aber das Pferd der Koͤnigstochter hieß Falada und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und schnitt damit in ihre Finger, daß sie bluteten; darauf hielt sie ein weißes Laͤppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab sie der Tochter und sprach: „liebes Kind verwahr sie wohl, sie werden dir unterweges Noth thun.“
Also nahmen beide von einander betruͤbten Abschied, das Laͤppchen steckte die Koͤnigstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich auf’s Pferd und zog nun fort zu ihrem Braͤutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst und rief ihrer Kammerjungfer: „steig ab und schoͤpfe mir mit meinem Becher,
den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bach, ich moͤchte gern einmal trinken.“ „Ei, wenn ihr Durst habt, sprach die Kammerjungfer, so steigt selber ab, legt euch an’s Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn!“ Da stieg die Koͤnigstochter vor großem Durst herunter, neigte sich uͤber das Waͤsserlein im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie: „ach Gott!“ da antworteten die drei Blutstropfen: „wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.“ Aber die Koͤnigsbraut war gar demuͤthig, sagte nichts und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort und der Tag war warm, daß die Sonne stach und sie durstete bald von neuem; da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer: „steig ab und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken!“ denn sie hatte aller boͤsen Worte laͤngst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmuͤthiger: „wollt’ ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.“ Da stieg die Koͤnigstochter hernieder vor großem Durst und legte sich uͤber das fließende Wasser, weinte und sprach: „ach Gott!“ und die Blutstropfen antworteten wiederum: „wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen!“ Und wie sie so trank und sich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen, und floß mit dem Wasser fort, ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerjungfer hatte aber zugesehen und freute sich, daß sie Macht uͤber die Braut bekaͤme, denn damit, daß diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach geworden.
Als sie nun wieder auf ihr Pferd steigen wollte, das da hieß Falada, sagte die Kammerfrau: „auf Falada gehoͤr’ ich und auf meinen Gaul gehoͤrst du,“ und das mußte sie sich gefallen lassen, dann hieß sie die Kammerfrau auch noch die koͤniglichen Kleider ausziehen und ihre schlechten anlegen, und endlich mußte sie sich unter freiem Himmel verschwoͤren, daß sie am koͤniglichen Hof keinem Menschen nichts davon sprechen wollte, und wenn sie diesen Eid nicht abgelegt haͤtte, waͤre sie auf der Stelle umgebracht worden. Aber Falada sah das alles an und nahm’s wohl in Acht.
Die Kammerfrau stieg nun auf Falada und die wahre Braut auf das schlechte Roß, und so zogen sie weiter, bis sie endlich in dem koͤniglichen Schloß eintrafen. Da war große Freude uͤber ihre Ankunft, und der Koͤnigssohn sprang ihnen entgegen, hob die Kammerfrau vom Pferde und meinte, sie waͤre seine Gemahlin und sie wurde die Treppe hinaufgefuͤhrt, die wahre Koͤnigstochter aber mußte unten stehen bleiben. Da schaute der alte Koͤnig am Fenster und sah sie im Hofe halten, nun war sie fein und zart und sehr schoͤn, ging hin ins koͤnigliche Gemach und fragte die Braut nach der, die sie bei sich haͤtte und da unten im Hofe staͤnde, und wer sie waͤre? „ei, die hab’ ich mir unterwegs mitgenommen zur Gesellschaft, gebt der Magd was zu arbeiten, daß sie nicht muͤßig steht.“ Aber der alte Koͤnig hatte keine Arbeit fuͤr sie und wußte nichts, als daß er sagte: „da hab’ ich so einen kleinen Jungen, der huͤtet die Gaͤnse, dem mag sie helfen! Der Junge hieß Kuͤrdchen (Conraͤdchen), dem mußte die wahre Braut helfen Gaͤnse huͤten.
Bald aber sprach die falsche Braut zu dem jungen Koͤnig: „liebster Gemahl, ich bitte euch, thut mir einen Gefallen!“ Er antwortete: „das will ich gerne thun.“ „Nun so laßt mir den Schinder rufen und da dem Pferd, worauf ich her geritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterweges geaͤrgert hat;“ eigentlich aber fuͤrchtete sie sich, daß das Pferd sprechen moͤchte, wie sie mit der Koͤnigstochter umgegangen waͤre. Nun war das so weit gerathen, daß es geschehen und der treue Falada sterben sollte, da kam es auch der rechten Koͤnigstochter zu Ohr und sie versprach dem Schinder heimlich ein Stuͤck Geld, das sie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienst erwiese. Jn der Stadt war ein großes, finsteres Thor, wo sie Abends und Morgens mit den Gaͤnsen durch mußte, „unter das finstere Thor moͤchte er dem Falada seinen Kopf hinnageln, daß sie ihn doch noch als einmal sehen koͤnnte.“ Also versprach das der Schindersknecht zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter das finstere Thor fest.
Des Morgens fruͤh, als sie und Kuͤrdchen unterm Thor hinaus trieben, sprach sie im Vorbeigehen:
o du Falada, da du hangest,
da antwortete der Kopf:
o du Jungfer Koͤnigin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wuͤßte,
ihr Herz thaͤt ihr zerspringen!
da zog sie still weiter zur Stadt hinaus und sie trieben die Gaͤnse auf’s Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß
sie hier und machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber, und Kuͤrdchen sah sie und freute sich, wie sie glaͤnzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen. Da sprach sie:
weh’! weh’! WindchenD. h. Windchen wehe! nicht die Ausrufung eheu!,
nimm Kuͤrdchen sein Huͤtchen,
und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
Und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen wegwehte uͤber alle Land, daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war sie mit dem Kaͤmmen und Aufsetzen fertig und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kuͤrdchen boͤs und sprach nicht mit ihr, und so huͤteten sie die Gaͤnse bis daß es Abend wurde, dann fuhren sie nach Haus.
Den andern Morgen, wie sie unter dem finstern Thor hinaustrieben, sprach die Jungfrau:
o du Falada, da du hangest,
es antwortete:
o du Jungfer Koͤnigin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wuͤßte,
das Herz thaͤt ihr zerspringen!
Und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fing an ihr Haar auszukaͤmmen, und Kuͤrdchen lief und wollte darnach greifen, da sprach sie schnell:
weh’! weh’! Windchen,
nimm dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen
und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
Da wehte der Wind und wehte ihm das Huͤtchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte sie laͤngst ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwischen, und sie huͤteten die Gaͤnse bis es Abend wurde.
Abends aber, nachdem sie heim kamen, ging Kuͤrdchen vor den alten Koͤnig und sagte: „mit dem Maͤdchen will ich nicht laͤnger Gaͤnse huͤten.“ „ Warum denn?“ sprach der alte Koͤnig. „Ei, das aͤrgert mich den ganzen Tag.“ Da befahl ihm der alte Koͤnig, zu erzaͤhlen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da sagte Kuͤrdchen: „des Morgens, wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie:
Falada, da du hangest,
da antwortet der Kopf:
o du Koͤnigsjungfer, da du gangest,
wenn das deine Mutter wuͤßte,
das Herz thaͤt ihr zerspringen!
Und so erzaͤhlte Kuͤrdchen weiter was auf der Ganswiese geschaͤhe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen muͤßte.
Der alte Koͤnig befahl ihm aber, den naͤchsten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgens war, setzte sich
hinter das finstere Thor und hoͤrte da, wie sie mit dem Haupt des Falada sprach; und dann ging er ihr auch nach in das Feld und barg sich in einem Busch auf der Wiese. Da sah er nun bald mit seinen eigenen Augen, wie die Gaͤnsemagd und der Gaͤnsejung die Heerde getrieben brachten und nach einer Weile sie sich setzte und ihre Haare losflocht, die strahlten von Glanz. Gleich sprach sie wieder:
weh’! weh’! Windchen,
fass’ Kuͤrdchen sein Huͤtchen
und laß’n sich mit jagen,
bis daß ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
Da kam ein Windstoß und fuhr mit Kuͤrdchens Hut weg, daß es weit zu laufen hatte, und die Magd kaͤmmte und flocht ihre Locken still fort, welches der alte Koͤnig alles beobachtete. Darauf ging er unbemerkt zuruͤck und als Abends die Gaͤnsemagd heim kam, rief er sie bei Seite und fragte: „warum sie dem allem so thaͤte?“ „Das darf ich euch und keinem Menschen nicht sagen, denn so hab’ ich mich unter freiem Himmel verschworen, weil ich sonst um mein Leben waͤre gekommen.“ Er aber drang in sie und ließ ihr keinen Frieden, „willst du mir’s nicht erzaͤhlen,“ sagte der alte Koͤnig endlich, „so darfst du’s doch dem Kachelofen erzaͤhlen.“ „Ja, das will ich wohl“ antwortete sie. Damit mußte sie in den Ofen kriechen und schuͤttete ihr ganzes Herz aus, wie es ihr bis dahin ergangen und wie sie von der boͤsen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber der Ofen hatte oben
ein Loch, da lauerte ihr der alte Koͤnig zu und vernahm ihr Schicksal von Wort zu Wort. Da war’s gut und Koͤnigskleider wurden ihr alsbald angethan und es schien ein Wunder, wie sie so schoͤn war; der alte Koͤnig rief seinen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falsche Braut haͤtte, die waͤre bloß ein Kammermaͤdchen, die wahre aber staͤnde hier, als die gewesene Gaͤnsemagd. Der junge Koͤnig aber war herzensfroh, als er ihre Schoͤnheit und Tugend erblickte und ein großes Mahl wurde angestellt, zu dem alle Leute und guten Freunde gebeten wurden, obenan saß der Braͤutigam, die Koͤnigstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war verblendet und erkannte jene nicht mehr in dem glaͤnzenden Schmuck. Als sie nun gegessen und getrunken hatten und gutes Muths waren, gab der alte Koͤnig der Kammerfrau ein Raͤthsel auf: was eine solche werth waͤre, die den Herrn so und so betrogen haͤtte, erzaͤhlte damit den ganzen Verlauf und fragte: „welches Urtheils ist diese wuͤrdig?“ Da sprach die falsche Braut: „die ist nichts bessers werth, als splinternackt ausgezogen in ein Faß inwendig mit spitzen Naͤgeln beschlagen geworfen zu werden, und zwei weiße Pferde davor gespannt muͤssen sie Gaß auf Gaß ab zu Tode schleifen!“ „Das bist du, sprach der alte Koͤnig, und dein eigen Urtheil hast du gefunden und darnach soll dir widerfahren,“ welches auch vollzogen wurde; der junge Koͤnig vermaͤhlte sich aber mit seiner rechten Gemahlin und beide beherrschten ihr Reich in Frieden und Seligkeit.
90.
Der junge Riese.
Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen und ward gar nicht groͤßer, und wuchs in etlichen Jahren nicht haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen und pfluͤgen, da sagte der Kleine: „Vater, ich will mit hinaus.“ „Nein, sprach der Vater, bleib du nur hier, draußen bist du zu nichts nutz, du koͤnntest mir auch verloren gehen.“ Da fing der Daͤumling an zu weinen, und wollte der Vater Ruhe haben, mußt’ er ihn mitnehmen. Also steckte er ihn in die Tasche und auf dem Felde that er ihn heraus und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam uͤber den Berg ein großer Riese daher. „Siehst du dort den großen Butzemann?“ sagte der Vater und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig waͤre, „der kommt und holt dich.“ Der Riese aber hatte lange Beine, und wie er noch ein Paar Schritte gethan, da war er bei der Furche, nahm den kleinen Daͤumling heraus und ging mit ihm fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schreck kein Wort sprechen und glaubte, sein Kind waͤre nun verloren, also, daß er’s sein lebtag nicht wieder sehen wuͤrde.
Der Riese aber nahm es mit sich und ließ es an seiner Brust saugen, und der Daͤumling wuchs und ward groß und stark nach Riesen-Art und als zwei Jahre herum waren, ging der Alte mit ihm in den Wald und wollt’ ihn versuchen und sprach: „zieh dir da eine Gerte heraus.“ Da war der Knabe schon so stark, daß
er einen jungen Baum mit den Wurzeln aus der Erde riß. Der Riese aber dachte, das muß besser kommen und nahm ihn wieder mit, saͤugte ihn noch zwei Jahre, und als er ihn da in den Wald fuͤhrte, sich zu versuchen, riß er schon einen viel groͤßeren Baum heraus. Das war aber dem Riesen noch nicht genug und er saͤugte ihn noch zwei Jahre, ging dann mit ihm in den Wald und sprach: „nun reiß einmal eine ordentliche Gerte aus.“ Da riß der Junge den dicksten Eichenbaum aus der Erde, daß es krachte und war ihm nur ein Spaß. Wie der alte Riese das sah, sprach er: „nun ist’s gut, du hast ausgelernt,“ und fuͤhrte ihn zuruͤck auf den Acker, wo er ihn geholt hatte. Sein Vater pfluͤgte gerade wieder, da ging der junge Riese auf ihn zu und sprach: „sieht er wohl, Vater, wie’s gekommen ist, ich bin sein Sohn.“ Da erschrak der Bauer und sagte: „nein, du bist mein Sohn nicht, geh’ weg von mir.“ „Freilich bin ich sein Sohn, laß er mich einmal pfluͤgen, ich kann’s so gut, wie er auch.“ — „Nein, du bist mein Sohn nicht, du kaunstkannst auch nicht pfluͤgen, geh’ nur weg von mir.“ Weil er sich aber vor dem großen Mann fuͤrchtete, ließ er den Pflug los, ging weg und setzte sich zur Seite an’s Land. Da nahm der Junge das Geschirr und wollte pfluͤgen, und druͤckte blos mit der einen Hand darauf, aber der Druck war schon so gewaltig, daß der Pflug tief in die Erde ging. Der Bauer konnte das nicht mit ansehen und rief ihm zu: „wenn du pfluͤgen willst, mußt du nicht so gewaltig druͤcken, das gibt ja schlechte Arbeit!“ Der Junge aber spannte die Pferde aus, und spannte sich selber vor den Pflug und sagte: „geh’ er nur nach Haus,
Vater, und sag’ er der Mutter, sie sollt’ eine rechte Schuͤssel voll zu essen kochen; ich will derweil den Acker schon herumreißen.“ Da ging der Bauer heim und bestellte es bei seiner Frau und die kochte eine tuͤchtige Schuͤssel voll, der Junge aber pfluͤgte das Land, zwei Morgen Felds, ganz allein, und dann spannte er sich auch selber vor die Egge und eggte alles mit zwei Eggen zugleich. Wie er fertig war, ging er in den Wald und riß zwei Eichenbaͤume aus, legte sie auf die Schultern und hinten und vorn eine Egge drauf, und hinten und vorn auch ein Pferd, und trug das alles wie ein Bund Stroh nach Haus. Wie er in den Hof kam, erkannte ihn seine Mutter nicht und fragte: „wer ist der entsetzliche, große Mann?“ der Bauer sagte: „das ist unser Sohn.“ Sie sprach: „nein, unser Sohn ist das nimmermehr, so groß haben wir keinen gehabt, unser war ein kleines Ding; geh’ nur weg, wir wollen dich nicht.“ Der Junge aber schwieg still, zog seine Pferde in den Stall, gab ihnen Hafer und Heu und brachte alles in Ordnung; und wie er fertig war, ging er in die Stube, setzte sich auf die Bank und sagte: „Mutter, nun haͤtt’ ich Lust zu essen, ist’s bald fertig?“ da sagte sie ja, getraute sich nicht ihm zu widersprechen und brachte zwei große, große Schuͤsseln voll herein, daran haͤtten sie und ihr Mann acht Tage lang satt gehabt. Er aber aß sie allein auf und fragte, ob sie nicht mehr haͤtten? „Nein, sagte sie, das ist alles, was wir haben.“ „Das war ja nur zum Schmecken, ich muß noch mehr haben.“ Da ging sie hin und setzte einen großen Schweinekessel voll uͤber’s Feuer und wie es gahr war, trug sie es herein. „Nun, da ist noch ein
Bischen,“ sagte er, und aß das alles noch hinein; es war aber doch noch nicht genug. Da sprach er: „Vater, ich seh’ wohl, bei ihm werd’ ich nicht satt, will er mir einen Stab von Eisen verschaffen, der stark ist, daß ich ihn vor meinen Knieen nicht zerbrechen kann, so will ich wieder fort gehen.“ Da war der Bauer froh und spannte seine zwei Pferde vor den Wagen, fuhr zum Schmid und holte einen Stab so groß und dick, als ihn die zwei Pferde nur fahren konnten. Der Junge aber nahm ihn vor die Knie und ratsch! zerbrach er ihn wie eine Bohnenstange in der Mitte entzwei. Der Vater spannte da vier Pferde vor und holte einen Stab so groß und dick, als ihn die vier Pferde fahren konnten. Den nahm der Sohn auch, knickte ihn vor dem Knie entzwei, warf ihn hin und sprach: „Vater, der kann mir nicht helfen, er muß besser vorspannen und einen staͤrkern Stab holen.“ Da spannte der Vater acht Pferde vor und holte einen so groß und dick, als ihn die acht Pferde nur fahren konnten. Wie der Sohn den kriegte, brach er gleich oben ein Stuͤck davon ab und sagte: „Vater, ich sehe, er kann mir doch keinen Stab anschaffen, ich will nur so weggehen.“
Da ging er fort und gab sich fuͤr einen Schmiedegesellen aus. Er kam in ein Dorf, darin wohnte ein Schmied, der war ein Geitzmann, goͤnnte keinem Menschen etwas und wollte alles haben; zu dem trat er nun in die Schmiede und fragte ihn, ob er keinen Gesellen brauche. „Ja,“ sagte der Schmied und sah ihn an und dachte, das ist ein tuͤchtiger Kerl, der wird gut vorschlagen und sein Brot verdienen: „wie viel willst du Lohn haben?“
„Gar keinen Lohn will ich haben, sagte er, nur alle 14 Tage, wenn die andern Gesellen ihren bezahlt kriegen, will ich dir zwei Streiche geben, die mußt du aushalten.“ Das war der Geitzmann von Herzen zufrieden und dachte damit viel Geld zu sparen. Am andern Morgen sollte der fremde Gesell’ zuerst vorschlagen, wie aber der Meister den gluͤhenden Stab bringt und er den ersten Schlag thut, da fliegt das Eisen von einander und der Ambos sinkt in die Erde, so tief, daß sie ihn gar nicht wieder herausbringen konnten. Da ward der Geitzmann boͤs und sagte: „ei was, dich kann ich nicht brauchen, du schlaͤgst gar zu grob, was willst du fuͤr den einen Zuschlag haben?“ Da sprach er: „ich will dir nur einen ganz kleinen Streich geben, weiter nichts.“ Und hob seinen Fuß auf und gab ihm einen Tritt, daß er uͤber vier Fuder Heu hinausflog. Darauf nahm er den dicksten Eisenstab aus der Schmiede als einen Stock in die Hand und ging weiter.
Als er eine Weile gezogen war, kam er zu einem Amt und fragte den Amtmann, ob er keinen Großknecht noͤthig haͤtte. Ja, sagte der Amtmann, er koͤnnte einen brauchen, er sehe aus wie ein tuͤchtiger Kerl, der schon was vermoͤchte, wie viel er Jahrslohn haben wollte. Da sprach er wieder, er wollt gar keinen Lohn, aber alle Jahre wollt’ er ihm drei Streiche geben, die muͤßte er aushalten. Das war der Amtmann zufrieden, denn er war auch so ein Geitzhals. Am andern Morgen, da sollten die Knechte ins Holz fahren und die andern waren schon auf, er aber lag noch im Bett. Da rief ihn einer an: „nun steh auf,
es ist Zeit, wir wollen in’s Holz, du mußt mit.“ „Ach, sagte er ganz grob und trotzig, geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle mit einander.“ Da gingen die andern zum Amtmann und erzaͤhlten ihm, der Großknecht laͤge noch im Bett und wollte nicht mit in’s Holz fahren. Der Amtmann sagte, sie sollten ihn noch einmal wecken und ihm heißen die Pferde vorspannen. Der Großknecht sprach aber wie vorher: „geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle mit einander.“ Darauf blieb er noch zwei Stunden liegen, da stieg er endlich aus den Federn, holte sich aber erst zwei Scheffel voll Erbsen vom Boden, kochte sie und aß sie in guter Ruhe, und wie das alles geschehen war, ging er hin, spannte die Pferde vor und fuhr in’s Holz. Bald vor dem Holz war ein Hohlweg, wo er durch mußte, da fuhr er den Wagen erst vorwaͤrts, dann mußten die Pferde stille halten und er ging hinter den Wagen und nahm Baͤume und Reisig und machte da eine große Hucke (Verhack), so daß kein Pferd durchkommen konnte. Wie er nun vor’s Holz kam, fuhren die andern eben mit ihren beladenen Wagen heraus und wollten heim, da sprach er zu ihnen: „fahrt nur hin, ich komme doch eher als ihr nach Haus.“ Er fuhr aber nur ein Bischen ins Holz und riß gleich zwei von den allergroͤßten Baͤumen aus der Erde, die lud er auf den Wagen und drehte um. Wie er vor die Hucke kam, standen die andern noch da und konnten nicht durch, da sprach er: „seht ihr wohl, waͤr’t ihr bei mir geblieben, waͤr’t ihr eben so gerade nach Haus gekommen und haͤttet noch eine Stunde schlafen koͤnnen.“ Er wollte
nun zufahren, aber seine vier Pferde die konnten sich nicht durcharbeiten, da spannte er sie aus, legte sie oben auf den Wagen, spannte sich selber vor, huͤf! zog er alles durch und das ging so leicht, als haͤtt’ er Federn geladen. Wie er druͤben war, sprach er zu den andern: „seht ihr wohl, ich bin eher durchgekommen als ihr“ und fuhr fort und die andern mußten stehen bleiben. Jn dem Hof aber nahm er einen Baum in die Hand und zeigte ihn dem Amtmann, und sagte: „ist das nicht ein schoͤnes Klafterstuͤck?“ Da sprach der Amtmann zu seiner Frau: „der Knecht ist gut, wenn er auch lang schlaͤft, er ist doch eher wieder da, als die andern.“
Nun diente er dem Amtmann ein Jahr; wie das herum war und die andern Knechte ihren Lohn kriegten, sprach er, nun waͤr’s Zeit, er wollte auch gern seinen Lohn sich nehmen. Dem Amtmann ward aber Angst dabei, daß er die Streiche kriegen sollte und bat ihn gar zu sehr, er moͤchte sie ihm schenken, lieber wollte er selbst Großknecht werden und er sollte Amtmann seyn. „Nein, sprach er, ich will kein Amtmann werden, ich bin Großknecht und will’s bleiben, ich will aber austheilen, was bedungen ist.“ Der Amtmann wollt’ ihm geben, was er nur verlangte, aber es half nichts, der Großknecht sprach zu allem nein. Da wußte sich der Amtmann keinen Rath und bat ihn nur um vierzehn Tage Frist, er wollte sich auf etwas besinnen; da sprach der Großknecht, die sollt’ er haben. Der Amtmann berief alle seine Schreiber zusammen, die sollten sich bedenken und ihm einen Rath geben; die besannen sich lange, endlich sagten sie, man muͤßte den Großknecht
ums Leben bringen; er sollte große Muͤhlsteine um den Brunnen im Hof anfahren lassen und dann ihn heißen hinabsteigen und den Brunnen rein machen, und wenn er unten waͤre, wollten sie ihm die Muͤhlsteine auf den Kopf werfen. Der Rath gefiel dem Amtmann und da ward alles eingerichtet und wurden die groͤßten Muͤhlsteine herangefahren. Wie nun der Großknecht im Brunnen stand, rollten sie die Steine hinab, und die schlugen hinunter, daß das Wasser in die Hoͤh’ spruͤtzte. Da meinten sie gewiß, der Kopf waͤr’ ihm eingeschlagen, aber er rief: „jagt doch die Huͤhner vom Brunnen weg, die kratzen da oben im Sand und werfen mir die Koͤrner in die Augen, daß ich nicht sehen kann.“ Da rief der Amtmann: bsch! bsch! und that als scheuchte er die Huͤhner weg. Wie nun der Großknecht fertig war, stieg er herauf und sagte: „seht einmal, ich hab’ doch ein schoͤn Halsband um,“ da waren es die Muͤhlensteine, die trug er um den Hals. Wie der Amtmann das sah, ward ihm wieder Angst, denn der Großknecht wollt’ ihm nun seinen Lohn geben; da bat er wieder um vierzehn Tage Bedenkzeit und ließ die Schreiber zusammen kommen, die gaben endlich den Rath, er sollt’ ihn in die verwuͤnschte Muͤhle schicken, und ihm heißen, dort in der Nacht noch Korn malen, da sey noch kein Mensch Morgens lebendig herausgegangen. Der Anschlag gefiel dem Amtmann; also rief er ihn noch denselben Abend, und sagte, er sollte acht Malter Korn in die Muͤhle fahren und in der Nacht noch malen, sie haͤttens noͤthig. Da ging der Großknecht auf den Boden und that zwei Malter in seine rechte Tasche, zwei in die linke, vier nahm er in einem
Quersack halb auf den Ruͤcken, halb auf die Brust und ging so nach der verwuͤnschten Muͤhle. Der Muͤller aber sagte ihm, bei Tag koͤnnt’ er recht gut da malen, aber nicht in der Nacht, da sey die Muͤhle verwuͤnscht, und wer da noch hineingegangen, der sey am Morgen todt darin gefunden worden. Er sprach: „ich will schon durchkommen, macht euch nur fort und legt euch auf’s Ohr.“ Darauf ging er in die Muͤhle und schuͤttete das Korn auf und wie’s bald elf schlagen wollte, ging er in die Muͤllerstube und setzte sich auf die Bank. Als er ein bischen da gesessen hatte, that sich auf einmal die Thuͤr auf und kam eine große, große Tafel herein, und auf die Tafel stellte sich Wein und Braten und viel gutes Essen, alles von selber, denn es war niemand da der’s auftrug. Und darnach ruͤckten sich die Stuͤhle herbei, aber es kamen keine Leute, bis auf einmal sah er Finger, die handthierten mit den Messern und Gabeln und legten Speisen auf die Teller, aber sonst konnt’ er nichts sehen. Nun war er hungrig und sah die Speisen, da setzte er sich auch an die Tafel und aß mit und ließ sich’s gut schmecken. Wie er aber satt war und die andern ihre Schuͤsseln auch ganz leer gemacht hatten, da wurden die Lichter auf einmal alle ausgeputzt, das hoͤrte er deutlich, und wie’s nun stockfinster war, so kriegte er so etwas wie eine Ohrfeige in’s Gesicht; da sprach er: „wenn noch einmal so etwas kommt, so theil’ ich auch wieder aus;“ und wie er zum zweiten Mal eine kriegte, da schlug er gleichfalls mit hinein. Und so ging das fort die ganze Nacht, er ließ sich nicht schrecken, und schlug nicht faul um sich herum; bei Tagesanbruch aber hoͤrte alles auf. Wie der
Muͤller aufgestanden war, wollt’ er nach ihm sehen und verwunderte sich, daß er noch lebte. Da sprach er: „ich habe Ohrfeigen gekriegt, aber ich habe auch Ohrfeigen ausgetheilt und mich satt gegessen.“ Der Muͤller freute sich und sagte, nun waͤre die Muͤhle erloͤst und er wollt’ ihm gern zur Belohnung viel Geld geben. Er sprach aber: „Geld will ich nicht, ich habe doch genug.“ Dann nahm er sein Mehl auf den Ruͤcken und ging nach Haus und sagte dem Amtmann, er habe die Sache ausgerichtet und wollte nun seinen bedungenen Lohn haben. Wie der Amtmann das hoͤrte, da ward ihm erst recht Angst und er wußte sich nicht zu lassen und ging in der Stube auf und ab, daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunterliefen. Da machte er das Fenster auf nach ein wenig frischer Luft, eh er sich’s aber versah, hatte ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er durchs Fenster in die Luft hinein flog, immer fort, bis ihn niemand mehr sehen konnte. Da sprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns, nun muͤßte sie den andern Streich hinnehmen, die sagte aber: „ach nein, ich kanns nicht aushalten“ und machte auch ein Fenster auf, weil ihr die Schweißtropfen die Stirn’ herunter liefen. Da gab er ihr gleichfalls einen Tritt, daß sie auch hinaus flog und noch viel hoͤher als ihr Mann; und der rief ihr zu: „komm doch zu mir!“ sie aber rief: „komm du doch zu mir, ich kann nicht zu dir;“ und sie schwebten da in der Luft und konnte keins zum andern, und ob sie da noch schweben, das weiß ich nicht; der junge Riese aber nahm seine Eisenstange und ging weiter.
91.
Dat Erdmaͤnneken.
Et was mal en rik Kuͤnig west, de hadde drei Doͤchter had, de woͤren alle Dage in den Schlott-Goren spazeren gaan, un de Kuͤnig, dat was so en LievhawerLeivhawer von allerhand wackeren Boͤmen west; un einen, den hadde he so leiv had, dat he denjenigen, de uͤnne en Appel dervon pluͤckede, hunnerd Klafter unner de Eere verwuͤnschede. As et nu Hervest war, da worden de Appel an den einen Baume so raut, ase Blaud. De drei Doͤchter gungen alle Dage unner den Baum un seihen to, ov nig de Wind ’n Appel herunner schlagen haͤdde, awerst se fannen ir levedage kienen, un de Baum, de satt so vull, dat he brecken wull, un de Telgen (Zweige) hungen bis up de Eere. Da gelustede den jungesten Kuͤnigskinne gewaldig, un et segde to sinen Suͤstern: use Teite (Vater), de hett us viel to leiv, ase dat he us verwuͤnschen deihe; ik gloͤve, dat he dat nur wegen de fruͤmden Lude dahen hat.“ Un indes pluͤcked dat Kind en gans dicken Appel af un sprunk fur sinen Suͤstern und segde: „a! nu schmecket mal, mine lewen Suͤsterkes, nu hew ik doch min levedage so wat schones no nig schmecket.“ Da beeten de beiden annern Kuͤnigsdoͤchter auch mal in den Appel, un da versuͤnken se alle drei deip, so deip unner de Eere, dat kien Haan mer danach krehete.
As et da Middag is, da wull se de Kuͤnig do Diske roopen, do sind se nirgens to finnen, he soͤket se so viel im Schlott un in Goren, awerst he kun se nig finnen. Da werd he so bedroͤwet,
un let dat ganse Land upbeien (aufbieten), un wer uͤnne sine Doͤchter wier brechte, de sull ene davon tor Fruen hewen. Da gahet so viele junge Lude uwer Feld, un soͤket, dat is gans ut der Wise (uͤber alle Maßen); denn jeder hadde de drei Kinner geren had, wiil se woͤren gegen jedermann so fruͤndlig un so schoͤn von Angesichte west. Un et togen auck drei Jaͤgerburschen ut, un ase da wol en acht Dage rieset hadden, da kummet se up en grot Schlott, da woren so huͤbsche Stoben inne west, un in einer Zimmer is en Disch decket, darup woͤren so soͤte Spisen, de sied noch so warme, dat se dampet, awerst in den ganzen Schlott is kien Minsk to hoͤren noch to seihen. Da wartet se noch en halwen Dag, un de Spisen bliewet immer un dampet, bis up et lest, da weret se so hunerig, dat se sik derbie settet un ettet, un macket mit en anner ut, se wullen up den Schlotte wuhnen bliewen, un wuͤllen daruͤmme loosen, dat eine in Huse blev un de beiden annern de Dochter soͤketen; dat doet se auk, un dat Loos dreppet den oͤlesten. Den annern Dag, da gaet de twei juͤngesten soͤken, un de oͤleste mot to Huse bliewen. Am Middage kuͤmmt der so en klein klein Maͤnneken un hoͤlt um ’n Stukesken Braud ane, da nuͤmmt he von dem Braude, wat he da funnen haͤdde un schnitt en Stuͤcke rund umme den Braud weg, un will uͤnne dat giewen, indes dat he et uͤnne reiket, lett et dat kleine Maͤnneken fallen un segd, he sulle dok so gut sin un giewen uͤn dat Stuͤcke wier. Da will he dat auck doen un bucket sik, mit des nuͤmmt dat Maͤnneken en Stock un paͤckt uͤnne bie den Haaren un giwt uͤnne duͤete Schlaͤge. Den anneren Dag, da
is de tweide to Hus bliewen, den geit et nicks better; ase de tweide da den Avend nah Hus kuͤmmet, da segd de oͤleste: „no, wie haͤtt et die dann gaen?“ — „o et geit mie gans schlechte.“ Da klaget se sik enanner ehre Naud, awerst den jungesten hadden se nicks davonne sagd, den hadden se gar nig lien (leiden) mogt un hadden uͤnne jummer den dummen Hans heiten, weil he nig recht van de Weld was. Den dridden Dag, da blivt de jungeste to Hus, da kuͤmmet dat kleine Maͤnneken wier un hoͤlt um en Stuͤcksken Braud an, da he uͤnne da giewen haͤtt, let he et wier fallen un segd, he muͤgte dock so gut sien un reicken uͤnne dat Stuͤcksken wier. Da segd he to den kleinen Maͤnneken: „wat! kannst du dat Stuͤcke nig sulwens wier up nummen, wenn du die de Moͤhe nig mal um dine daͤglige Narunge giewen wust, so bist du auck nig werth, dat du et etest.“ Do word dat Maͤnneken so boͤs un sehde, he moͤst et doen; he awerst nig fuhl, nam min lewe Maͤnneken un drosch et duet doͤr (tuͤchtig durch), da schrige dat Maͤnneken so viel un rep: „hoͤr up, hoͤr up, nuun lat mie geweren, dann will ik die auck seggen, wo de Kuͤnigsdoͤchter sied;“ wie he dat hoͤrde, haͤll he up to slaen un dat Maͤnneken vertelde, he woͤr en Erdmaͤnneken und sulke woͤren mehr ase dusend, he moͤgte man mit uͤnne gaen, dann wulle he uͤnne wiesen, wo de Kuͤnigsdoͤchter weren. Da wist he uͤnne en deipen Born, da is awerst kien Water inne west, da segd dat Maͤnneken, he wuste wohl, dat et sine Gesellen nig ehrlich mit uͤnne meinten, wenn he de Kuͤnigskinner erloͤsen wulle, dann moͤste he et alleine doen. De beiden annern Broer wullen wohl auck geren de Kuͤnigsdoͤchter
wier hewen, awerst se wullen der kiene Moͤge un Gefahr umme doen, he moͤste so en grauten Korv nuͤmmen, un moͤste sik mit sinen Hirschfaͤnger un en Schelle darinne setten un sik herunner winnen laten, unnen da woͤren drei Zimmer, in jeden sette ein Kuͤnigskind un haͤdde en Drachen mit villen Koͤppen to lusen, den moͤste he de Koͤppe afschlagen. Ase dat Erdmaͤnneken nu dat alle sagd hadde, verschwand et. Ase’t Awend is, da kuͤmmet de beiden anneren un fraget, wie et uͤn goengaen haͤdde, da segd he: „o, so wit gud“ un haͤdde keinen Minsken sehen, ase des Middags, da wer so ein klein Maͤnneken kummen, de haͤdde uͤn umme en Stuͤcksken Braud biddit, do he et uͤnne giewen haͤdde, haͤdde dat Maͤnneken et fallen laten un haͤdde segd, he mogtet uͤnne doch wier up nuͤmmen, wie he dat nig hadde doen wullt, da haͤdde he anfangen to puchen, dat haͤdde he awerst unrecht verstan un haͤdde dat Maͤnneken pruͤgelt, un da haͤdde et uͤnne vertellt, wo de Kuͤnigsdoͤchter waͤren. Da aͤrgerten sik de beiden, so viel, dat se gehl un groͤn woͤren. Den anneren Morgen da gungen se to haupe an den Born un mackten Loose, wer sik dat erste in den Korv setten sulle, do feel dat Loos wier den oͤllesten to, he mot sik darin setten un de Klingel mitnuͤmmen, da segd he: „wenn ik klingele, so mutt gi mik nur geschwinne wier herupwinnen.“ Ase he en bitken herunner is, da klingelte wat, da winnen se uͤnne wier heruper, da sett sik de tweide herinne, de maket ewen sau; nu kuͤmmet dann auck de Riege an den jungesten, de laͤt sik awerst gans derinne runner winnen. Ase he ut den Korwe stiegen is, da nuͤmmet he sinen Hirschfaͤnger un geit vor der ersten
Doer staen un lustert, da hort he den Drachen gans lute schnarchen; he macket langsam de Doͤre oppen, da sitt da de eine Kuͤnigsdochter un haͤd op eren Schot niegene (neun) Drachenkoͤppe ligen un luset de. Da nuͤmmet he sinen Hirschfaͤnger un hogget to, do sied de niegne Koppe awe. De Kuͤnigsdochter sprank up un faͤl uͤnne um den Hals un drucket un piepete (kuͤßte) uͤnn so viel; um nuͤmmet ihr Bruststuͤcke, dat wor von rauen Golle west, un henget uͤnne dat umme. Da geit he auck nach der tweiten Kuͤnigsdochter, de haͤd en Drachen mit sieven Koͤppe to lusen un erloͤset de auck, so de jungeste, de hadde en Drachen mit viere Koͤppen to lusen had, da geit he auck hinne. Do froget se sich alle so viel, un drucke’ndruckete’n un piepete’n ohne uphoͤren. Da klingelte he sau harde, bis dat se oͤwen hoͤrt. Da set he de Kuͤnigsdoͤchter ein nach der annern in den Korv un let se alle drei heruptrecken, wie nu an uͤnne de Riege kuͤmmt, da fallet uͤn de Woore (Worte) von den Erdmaͤnneken wier bie, dat et sine Gesellen mit uͤnne nig gud meinden. Da nuͤmmet he en groten Stein, de da ligt, un legt uͤn in den Korv, ase de Korv da ungefaͤhr bis in de Midde herup is, schnien de falsken Broer owen dat Strick af, dat de Korv mit den Stein up den Grund fuͤll un meinten, he woͤre nu daude un laupet mit de drei Kuͤnigsdoͤchter wege un latet sik dervan verspreken, dat se an ehren Vater seggen willt, dat se beiden se erloͤset haͤdden; da kuͤmmet se to’m Kuͤnig un begert se tor Frugen. Unnerdes geit de jungeste Jaͤgerbursche gans bedroͤwet in den drei Kammern herummer un denket, dat he nu wull sterwen moͤste, da suͤht he an der Wand ’n Fleutenpipe hangen,
da segd he: „woruͤmme hengest du da wull, hier kann ja doch keiner lustig sin.“ He bekucket auck de Drachenkoͤppe un segd: „ju kuͤnnt mie nu auck nig helpen;“ he geit so mannigmal up un af spatzeren, dat de Erdboden davon glat werd. Up et lest, da kriegt he annere Gedanken, da nuͤmmet he de Floͤtenpipen van der Wand un blest en Stuͤcksken, up eenmahl kummet da so viele ErdmaͤnnekesErdmaͤnnekens, die jeden TonDon den he daͤht, kummt eint mehr; da blest he so lange dat Stuͤcksken, bis det Zimmer stopte-vull is. De fraget alle, wat sin Begeren woͤre, da segd he, he wull geren wier up de Ere an Dages Licht, da fatten se uͤnne alle an, an jeden Spir (Faden) Haar, wat he up sinen Koppe hadde, un sau fleiget se mit uͤnne herupper bis up de Ere. Wie he owen is, geit he glick nach den Kuͤnigs-Schlott, wo grade de Hochtit mit der einen Kuͤnigs-Dochter sin sulle, he geit up den Zimmer, wo de Kuͤnig mit sinen drei Doͤchtern is. Wie uͤnne da de Kinner seihet, da wered se gans beschwaͤhmt (ohnmaͤchtig), da werd de Kuͤnig so boͤse un laͤt uͤnne glick in een Gefaͤngnisse setten, wiel he meint, he haͤdde den Kinnern en Leid anne daen. Ase awer de Kuͤnigsdoͤchter wier to sik kummt, da biddet se so viel, he mogte uͤnne doch wier lose laten. De Kuͤnig fraget se, woruͤmme, da segd se, dat se dat nig vertellen dorften, awerst de Vaer de segd, se sullen et den Owen (Ofen) vertellen. Da geit he herut un lustert an de Doͤre, un hoͤrt alles; da laͤt he de beiden an en Galgen haͤngen un den einen givt he de jungeste Dochter; un da trok ik en Paar glaͤserne Schohe an, un da stott ik an en Stein, da segd et: klink! da waͤren se caput.
92.
Der Koͤnig vom goldenen Berg.
Ein Kaufmann, der hatte zwei Kinder, einen Buben und ein Maͤdchen, die waren beide noch klein und konnten noch nicht laufen. Es gingen aber zwei reichbeladene Schiffe von ihm auf dem Meer, und sein ganzes Vermoͤgen war darin, und wie er meinte, dadurch viel Geld zu gewinnen, kam die Nachricht, sie waͤren versunken. Da war er nun statt eines reichen Mannes ein armer Mann und hatte nichts mehr uͤbrig, als einen Acker vor der Stadt; um sich nun sein Ungluͤck ein bischen aus den Gedanken zu schlagen, ging er dahinaus. Und wie er da so auf und abging, stand auf einmal ein kleines schwarzes Maͤnnchen neben ihm und fragte, warum er so traurig waͤre und was er sich so sehr zu Herzen naͤhme. Da sprach der Kaufmann: „wenn du mir helfen koͤnntest, wollt’ ich dir es wohl sagen.“ — „ Wer weiß, sagte das schwarze Maͤnnchen, sag’ mirs nur, vielleicht helf’ ich dir.“ Da erzaͤhlte der Kaufmann, daß ihm sein ganzer Reichthum auf dem Meer zu Grunde gegangen waͤre und habe er nichts mehr uͤbrig, als diesen Acker. „O! da bekuͤmmere dich nicht, sagte das Maͤnnchen, wenn du mir versprichst, das, was dir zu Haus am ersten widers Bein stoͤßt, in zwoͤlf Jahren hierher auf den Platz zu bringen, sollst du Geld haben so viel du willst.“ Der Kaufmann dachte, das ist ein geringes, was kann das anders seyn, als dein Hund, aber an seinen kleinen Jungen dachte
er nicht, und sagte ja und gab dem schwarzen Mann Handschrift und Siegel daruͤber und ging nach Haus.
Als er nach Haus kam, da hatte sich sein kleiner Junge so gefreut, daß er sich an den Baͤnken hielt, zu ihm hinwackelte und ihn an den Beinen fest packte. Da erschrack der Vater und wußte nun was er verschrieben hatte, weil er aber immer noch kein Geld sah, dachte er, es waͤr’ nur ein Spaß von dem Maͤnnchen gewesen. Ohngefaͤhr einen Monat nachher ging er auf den Boden und wollte das alte Zinn zusammensuchen und verkaufen, um noch etwas daraus zu loͤsen, da sah er einen großen Haufen Geld liegen. Wie er das Geld sah, war er vergnuͤgt, kaufte wieder ein, ward ein groͤßerer Kaufmann, als vorher, und ließ Gott einen guten Mann seyn. Unterdessen ward der Junge groß und ein gescheidter Mensch. Je mehr aber die zwoͤlf Jahre herbeikamen, je aͤngster es dem Kaufmann ward, so daß man ihm die Angst im Gesicht sehen konnte. Da fragte ihn der Sohn einmal, was ihm fehle; der Vater wollt’ es nicht sagen, aber er hielt so lange an, bis er ihm endlich sagte, er habe ihn ohne daß er es gewußt, einem schwarzen Maͤnnchen versprochen fuͤr vieles Geld und habe seine Handschrift mit Siegel daruͤber gegeben, und nun muͤsse er ihn, wenn zwoͤlf Jahre jetzt herum waͤren, ausliefern. Da sprach der Sohn: „o Vater, laßt euch nicht bang seyn, das soll schon gut werden, der Schwarze hat keine Macht uͤber mich.“
Da ließ sich der Sohn von dem Geistlichen segnen und als die Stunde kam, gingen sie zusammen hinaus auf den Acker und der Sohn machte einen Kreis und stellte sich mit seinem Vater
hinein. Da kam das schwarze Maͤnnchen und sprach zu dem Alten: „hast du, was du mir versprochen hast?“ der schwieg aber still und der Sohn sprach: „was willst du hier?“ Da sagte das schwarze Maͤnnchen: „ich habe mit deinem Vater zu sprechen und nicht mit dir.“ — Der Sohn sprach: „du hast meinen Vater betrogen und verfuͤhrt, gib die Handschrift heraus.“ — „Nein, sagte das schwarze Maͤnnchen, mein Recht geb ich nicht auf.“ Da redeten sie noch lange mit einander, endlich wurden sie einig, der Sohn, weil er nicht dem Erbfeind und nicht mehr seinem Vater zugehoͤre, solle sich in ein Schiffchen setzen, das auf einem hinabwaͤrts fließenden Wasser stehe, und der Vater solle es mit seinem eigenen Fuß fortstoßen und da solle der Sohn dem Wasser uͤberlassen bleiben. Da nahm er Abschied von seinem Vater und setzte sich in ein Schiffchen und der Vater mußte es mit seinem eigenen Fuß fortstoßen. Und das Schiffchen drehte sich herum, daß der unterste Theil oben war, die Decke aber im Wasser, und der Vater glaubte, er waͤr’ verloren, ging heim und trauerte um ihn.
Das Schiffchen aber floß ganz ruhig fort und ging nicht unter und der Juͤngling saß sicher darin, und so floß es lange, bis es endlich an einem unbekannten Ufer festsitzen blieb. Da stieg er an’s Land, sah ein schoͤnes Schloß vor sich liegen und ging drauf los, wie er aber hineintrat, war es verwuͤnscht und alles leer, bis er zuletzt in einer Kammer eine Schlange antraf. Die Schlange aber war eine verwuͤnschte Jungfrau, die freute sich, wie sie ihn sah und sprach zu ihm: „kommst du, mein Erloͤser, auf dich habe ich schon zwoͤlf Jahre gewartet, dies Reich ist verwuͤnscht,
und du mußt es erloͤsen. Heute Nacht kommen zwoͤlf Maͤnner, schwarz und mit Ketten behangen, die werden dich fragen, was du hier machst, da schweig aber still und gib ihnen keine Antwort, und laß sie mit dir machen, was sie wollen; sie werden dich quaͤlen, schlagen und stechen, laß alles geschehen, nur rede nicht: um zwoͤlf Uhr muͤssen sie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwoͤlf andere kommen, in der dritten vier und zwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwoͤlf Uhr ist ihre Macht vorbei und wenn du dann ausgehalten und kein Woͤrtchen gesprochen hast, so bin ich erloͤst und komme zu dir und stehe dir bei und habe das Wasser des Lebens, damit bestreich’ ich dich und dann bist du wieder lebendig und gesund wie zuvor.“ Da sprach er: „gern will ich dich erloͤsen,“ und es geschah nun alles so, wie sie gesagt hatte: die schwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort abzwingen und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer schoͤnen Koͤnigstochter, die kam mit dem Wasser des Lebens und machte ihn wieder lebendig. Und dann fiel sie ihm um den Hals und kuͤßte ihn und ward Jubel und Freude im ganzen Schloß, und ihre Hochzeit wurde gehalten und er war Koͤnig vom goldenen Berge.
Also lebten sie vergnuͤgt zusammen und die Koͤnigin gebar einen schoͤnen Knaben, und acht Jahre waren schon herum, da fiel ihm sein Vater ein, daß sein Herz davon bewegt ward und er wuͤnschte, ihn einmal heimzusuchen. Die Koͤnigin wollte ihn aber nicht fortlassen und sagte: „ich weiß schon, daß das mein Ungluͤck ist,“ er ließ ihr aber keine Ruhe, bis sie einwilligte.
Beim Abschied gab sie ihm noch einen Wuͤnschring und sprach: „nimm diesen Ring und steck’ ihn an deinen Finger, wo du dich hinwuͤnschest, wirst du alsbald hinversetzt, nur mußt du mir versprechen, daß du ihn nicht gebrauchst, mich von hier weg zu deinem Vater zu wuͤnschen.“ Da versprach er’s, steckte den Ring an seinen Finger und wuͤnschte sich heim vor die Stadt, wo sein Vater lebte. Alsbald war er auch davor, aber nicht darin; wie er nun vor’s Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlassen, weil er so seltsam und reich gekleidet war. Da ging er auf einen Berg, wo ein Schaͤfer huͤtete, mit diesem tauschte er die Kleider und zog den alten Schaͤferrock an und ging also ungestoͤrt in die Stadt ein. Als er zu seinem Vater kam, gab er sich zu erkennen, der aber sprach, er glaube nimmermehr, daß er sein Sohn sey, er haͤtte zwar einen gehabt, der sey laͤngst todt, weil er aber sehe, daß er ein armer duͤrftiger Schaͤfer sey, so wolle er ihm einen Teller voll zu essen geben. Da sprach der Schaͤfer zu seinen Eltern: „ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen koͤnnt?“ — „Ja, sagte die Mutter, unser Sohn hatte eine Himbeere unter dem rechten Arm.“ Da streifte er das Hemd von seinem Arm und da sahen sie die Himbeere und waren nun uͤberzeugt, daß es ihr Sohn war. Darauf erzaͤhlte er ihnen, er waͤre Koͤnig vom goldenen Berge und eine Koͤnigstochter seine Gemahlin und sie haͤtten einen schoͤnen Sohn von sieben Jahren. Da sprach der Vater: „nun und nimmermehr ist das wahr, das ist ein schoͤner Koͤnig, der in einem zerlumpten Schaͤferrock hergeht.“ Da ward
er zornig, drehte seinen Ring herum, ohne an sein Versprechen zu denken und wuͤnschte beide, seine Gemahlin und seinen Prinzen, zu sich. Jn dem Augenblick waren sie auch da, aber die Koͤnigin, die klagte und weinte und sagte, er haͤtte sein Wort gebrochen und sie ungluͤcklich gemacht. Er besaͤnftigte sie und redete sie zufrieden und sie stellte sich auch, als gaͤbe sie nach, aber sie hatte Boͤses im Sinn.
Da fuͤhrte er sie hinaus vor die Stadt auf den Acker und zeigte ihr das Wasser und wo das Schiffchen war abgestoßen worden und dann sprach er: „ich bin muͤd, setz’ dich nieder, ich will ein wenig auf deinem Schooß schlafen.“ Da legte er seinen Kopf auf ihren Schooß und sie lauste ihn ein wenig, bis er einschlief. Als er eingeschlafen war, zog sie den Ring von seinem Finger und den Fuß, den sie unter ihm stehen hatte, zog sie auch heraus und ließ nur den Toffel unter ihm liegen; dann nahm sie ihren Prinzen und wuͤnschte sich wieder in ihr Koͤnigreich. Als er aufwachte, da lag er da ganz verlassen und seine Gemahlin mit dem Prinzen war fort und der Ring vom Finger auch, nur der Toffel stand noch da zum Wahrzeichen. „Nach Haus zu deinen Eltern kannst du nicht wieder gehen, dachte er, die sagen, du waͤrst ein Hexenmeister, du willst aufpacken und gehen, bis du in dein Koͤnigreich kommst. Also ging er fort und kam endlich zu einem Berg, wo drei Riesen ihres Vaters Erbe theilen wollten und als sie ihn vorbeigehen sahen, riefen sie ihn und sagten, kleine Menschen haͤtten klugen Sinn, er sollt’ ihnen die Erbschaft vertheilen, das war ein Degen, wenn einer
den in die Hand nahm und sprach: „Koͤpf’ alle runter, nur meiner nicht,“ so lagen alle Koͤpfe auf der Erde; zweitens ein Mantel, wer den anzog, war unsichtbar; drittens ein Paar Stiefeln, wenn man die an den Fuͤßen hatte und sich wohin wuͤnschte, so war man gleich da. Er sprach, sie muͤßten ihm die drei Stuͤcke einmal geben, damit er sie probiren koͤnne, ob sie auch alle noch in gutem Stand waͤren. Da gaben sie ihm den Mantel, den that er um, und wuͤnschte sich zu einer Fliege, alsbald war er eine Fliege. „Der Mantel ist gut, sprach er, nun gebt mir einmal das Schwert.“ Sie sagten: „nein, das geben wir nicht, denn wenn du spraͤchst: „Koͤpf’ alle runter, nur meiner nicht!“ so waͤren unsere Koͤpfe alle herab und du haͤttest deinen noch; doch gaben sie es ihm, wenn er’s an den Baͤumen probiren wollte, das that er und das Schwert war auch gut. Nun wollt’ er noch die Stiefeln haben, sie sprachen aber: „nein, die koͤnnen wir nicht geben, wenn du die anhaͤttest und spraͤchst, du wolltest oben auf dem Berg seyn, so stuͤnden wir da unten und haͤtten nichts.“ „Nein, sprach er, das will ich nicht thun,“ da gaben sie ihm die Stiefel auch noch. Wie er nun alle drei Stuͤcke hatte, da wuͤnschte er sich auf den goldenen Berg, und alsbald war er dort, und die Riesen verschwunden und war also ihr Erbe getheilt. Als er nah beim Schloß war, hoͤrte er Geigen und Floͤten und die Leute sagten ihm, seine Gemahlin halte Hochzeit mit einem andern Prinzen. Da zog er seinen Mantel an, und machte sich zur Fliege, ging in’s Schloß hinein und stellte sich hinter seine Gemahlin, und niemand sah ihn. Wenn
sie ihr nun ein Stuͤck Fleisch auf den Teller legten, nahm er’s weg und aß es, und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm er’s weg und trank’s; sie gaben ihr immer und sie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da schaͤmte sie sich, stand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; Da sprach sie vor sich: „ist denn der Teufel uͤber mir oder mein Erloͤser kam nie!“ da gab er ihr ein paar derbe Ohrfeigen und sagte: „kam dein Erloͤser nie, er ist uͤber dir, du Betruͤgerin! habe ich das an dir verdient?“ Darauf ging er hin und sagte, die Hochzeit waͤr’ aus, er waͤre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrsten und Raͤthen, die da waren. Er aber gab kurze Worte und fragte, ob sie sich entfernen wollten oder nicht? da wollten sie ihn fangen, aber er zog sein Schwert und sprach: „Koͤpf’ alle runter, nur meiner nicht!“ Da lag alles gleich im Blut darnieder und er war wieder Koͤnig vom goldenen Berge.
93.
Die Rabe.
Es war einmal eine Mutter mit einem Toͤchterchen, das war noch klein und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geschah es, daß das Kind einmal unruhig war und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, es half nicht. Da ward sie ungeduldig und weil die Raben so um das Haus herumflogen, machte sie das Fenster auf und sagte: ich wollt’ du waͤrst eine Rabe und floͤgst
fort, so haͤtt’ ich Ruh,“ und kaum hatte sie das Wort gesagt, so war das Kind eine Rabe und flog von ihrem Arm zum Fenster hinaus. Die Rabe aber flog weg und niemand konnte ihr folgen, sie flog aber in einen dunkelen Wald und blieb lange Zeit darin. Darnach fuͤhrte einen Mann sein Weg in diesen Wald und er hoͤrte die Rabe rufen und ging der Stimme nach; und als er naͤher kam, sagte die Rabe zu ihm: „ich bin verwuͤnscht worden und bin eine Koͤnigstochter von Geburt, du kannst mich erloͤsen.“ Da sprach er: „wie soll ich das anfangen?“ Da sagte sie: „geh’ hin in das Haus dort, darin sitzt eine alte Frau, die wird dir Essen und Trinken reichen und dich davon genießen heißen, aber du darfst nichts nehmen, denn wenn du trinkst, so trinkst du einen Schlaftrunk und dann kannst du mich nicht erloͤsen. Jm Garten hinter dem Haus ist eine große Lohhucke, darauf sollst du stehen und mich erwarten; den Nachmittag um zwei Uhr komm’ ich in einer Kutsche, die ist mit vier weißen Hengsten bespannt, wenn du aber dann nicht wach bist, sondern schlaͤfst, so werd’ ich nicht erloͤst.“ Der Mann sprach, er wollt’ alles thun, die Rabe aber sagte: „ach ich weiß es wohl, du kannst mich nicht erloͤsen, du nimmst doch etwas von der Frau.“ Da versprach der Mann noch einmal, er wollte gewiß nichts anruͤhren von dem Essen und Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm und sagte: „ei, was seyd ihr abgemattet, kommt und erquickt euch, esset und trinkt.“ „Nein, sagte der Mann, ich will nicht essen, nicht trinken;“ sie ließ ihm aber keine Ruhe und sprach: „wenn ihr dann nicht essen wollt, so thut einen Zug aus dem
Glas, einmal ist keinmal,“ bis er sich uͤberreden ließ und einen Trunk nahm. Nachmittags gegen zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten; wie er da stand, auf einmal ward er so muͤd’ und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aushalten, und mußte sich ein bischen legen; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich gelegt, da fielen ihm die Augen von selber zu und er schlief ein und schlief so fest, daß ihn nichts auf der Welt haͤtte erwecken koͤnnen. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren und war schon in voller Trauer und sprach: „ich weiß doch schon, daß er schlaͤft!“ Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schuͤttelte ihn und rief ihn an, er wollte nicht erwachen. Sie rief aber so lang’ bis sie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte, da sagte sie: „ich sehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤsen kannst, aber morgen will ich noch einmal wiederkommen, dann habe ich vier braune Hengste vor dem Wagen, aber du darfst bei Leibe nichts nehmen von der Frau, kein Essen und kein Trinken.“ Da sagte er: „nein gewiß nicht.“ Sie sprach aber: „ach! ich weiß es wohl, du nimmst doch etwas!“ Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau und sagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da sprach er: „nein, ich will nicht essen und trinken.“ Sie aber stellte das Essen und Trinken vor ihn hin, daß der Geruch zu ihm aufging und beredete ihn, daß er wieder etwas trank. Gegen zwei Uhr ging er in den Garten auf die Lohhucke und wollte
auf die Rabe warten, da ward er wieder so muͤde, daß seine Glieder ihn nicht mehr hielten und er konnte sich nicht helfen, er mußte sich legen und ein bischen schlafen. Wie nun die Rabe daher fuhr mit vier braunen Hengsten, war sie wieder in voller Trauer und sagte: „ich weiß doch schon, daß er schlaͤft!“ Und als sie hin zu ihm kam, lag er da und schlief fest, da stieg sie aus dem Wagen, schuͤttelte ihn und sucht’ ihn zu erwecken; das ging aber noch schwerer als gestern, bis er endlich erwachte. Da sprach die Rabe: „ich sehe wohl, daß du mich nicht erloͤsen kannst, Morgen Nachmittag um zwei Uhr will ich noch einmal kommen, aber das ist das letztemal, meine Hengste sind dann schwarz und ich habe auch alles schwarz; du darfst aber nichts nehmen von der alten Frau, kein Essen und kein Trinken.“ Da sagte er: „nein gewiß nicht.“ Sie sprach aber: „ach, ich weiß es wohl, du nimmst doch etwas!“ Am andern Tag kam die alte Frau und sagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da sprach er: „nein, ich will nicht essen und trinken.“ Sie aber sagte, er sollte nur einmal schmecken, wie gut das alles sey, Hungers koͤnnte er doch nicht sterben; da ließ er sich uͤberreden und trank doch wieder etwas. Als es Zeit war, ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wartete auf die Koͤnigstochter, da ward er wieder so muͤde, daß er sich nicht halten konnte und sich hinlegte und so fest schlief als waͤr’ er von Stein. Um zwei Uhr kam die Rabe und hatte vier schwarze Hengste und die Kutsche und alles war schwarz; sie war aber in voller Trauer und sprach: „ich weiß doch schon, daß er schlaͤft und mich nicht erloͤsen kann.“
Als sie zu ihm kam, lag er da und schlief fest, sie ruͤttelte ihn und rief ihn, aber sie konnt’ ihn nicht aufwecken, er schlief in einem fort. Da legte sie ein Brot neben ihn hin, davon konnte er so viel essen, als er wollte, es wurde nicht all’; dann ein Stuͤck Fleisch, davon konnt’ er auch so viel essen, als er wollte, es wurde nicht all’; zum dritten eine Flasche Wein, davon konnt’ er trinken, so viel er wollte, es wurde nicht all’. Darnach nahm sie ihren goldenen Ring vom Finger und steckt ihm den an und war ihr Name darein gegraben, und endlich legte sie einen Brief hin, darin stand, was sie ihm gegeben hatte und daß es nie all’ wuͤrde und es stand auch darin: „ich sehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤsen kannst, willst du mich aber noch erloͤsen, so komm nach dem goldenen Schloß von Stromberg, da kannst du es, das weiß ich gewiß.“ Und wie sie ihm das alles gegeben hatte, setzte sie sich in ihren Wagen und fuhr weg in das goldene Schloß von Stromberg.
Als der Mann aufwachte und sah, daß er geschlafen hatte, ward er von Herzen traurig und sprach: „gewiß nun ist sie vorbei gefahren und ich habe sie nicht erloͤst.“ Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geschrieben stand, wie es zugegangen war. Also machte er sich auf und ging fort und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht, wo es lag. Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald und ging vierzehn Tage darin fort, und konnte sich nicht herausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war so muͤde,
daß er sich an einen Busch legte und einschlief; am andern Tag ging er weiter und wollt’ sich am Abend wieder an einen Busch legen, da hoͤrt’ er ein Heulen und Jammern, daß er nicht einschlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute die Lichter anstecken, sah er eins schimmern und machte sich auf und ging ihm nach, da kam er vor ein Haus, das schien so klein, denn es stand ein großer Riese davor. Da dacht’ er bei sich: „gehst du wohl hinein oder nicht, wenn du’s thust, kommst du vielleicht um’s Leben, du willst aber doch einmal hineingehen.“ Wie er nun drauf zu ging und der Riese ihn sah, sprach er: „es ist gut, daß du kommst, ich habe doch lange nichts gegessen, jetzt will ich dich gleich zum Abendbrot verschlucken.“ Laß das gut seyn, sprach der Mann, wenn du essen willst, so hab’ ich was bei mir.“ „Wenn das ist, sagte der Riese, so bist du gut.“ Da gingen sie beide hinein und setzten sich an den Tisch und der Mann holte sein Brot, Wein und Fleisch, was nicht all’ wurde, hervor, und sie aßen sich beide recht satt. Darnach sagte der Mann zum Riesen: „kannst du mir nicht sagen, wo das goldene Schloß von Stromberg ist.“ Der Riese sprach: „ich will einmal auf meiner Landkarte nachsehen, darauf sind alle Staͤdte, Doͤrfer und Haͤuser.“ Da holt’ er seine Landkarte, die er in der Stube hatte, und suchte das Schloß, konnte es aber nicht finden; „das thut nichts, sprach er, ich habe oben in einem Schranke noch mehr Landkarten, da will ich einmal sehen, ob es darauf zu finden ist.“ Sie sahen zu, konnten’s aber nicht finden. Der Mann wollte nun weiter gehen, der Riese aber sprach, er sollte noch ein Paar
Tage warten, er haͤtte einen Bruder, der waͤr’ aus und holte was zu essen, wenn der kaͤme, der haͤtte auch eine gute Landkarte, da wollten sie noch einmal suchen, der faͤnd’s gewiß. Also wartete der Mann, bis der Bruder nach Haus kam, der sagte, er wuͤßte es nicht gewiß, er glaubte aber, das goldene Schloß von Stromberg staͤnde auf seiner Karte. Da aßen sich die drei noch einmal recht satt und dann ging der zweite Riese hin und sprach: „nun will ich einmal zusehen auf meiner Karte;“ allein das Schloß war auch nicht darauf. Da sagt’ er, er haͤtte noch oben eine Kammer voll Landkarten, da muͤßt’ es darauf stehen. Wie er nun die herunter gebracht hatte, suchten sie von neuem, und endlich fanden sie das goldene Schloß von Stromberg, aber es war viele tausend Meilen weit weg. „Wie werd’ ich nun dahin kommen?“ sprach der Mann. „Ei, sagte der Riese, zwei Stunden hab’ ich Zeit, da will ich dich bis in die Naͤhe tragen, dann muß ich aber wieder nach Haus und das Kind saͤugen, das wir haben.“ Da trug der Riese den Mann bis etwa noch hundert Stunden vom Schloß und sagte: „jetzt muß ich zuruͤck, den uͤbrigen Weg kannst du wohl allein gehen.“ — „O ja, sagte der Mann, das kann ich wohl.“ Wie sie sich nun trennen wollten, sprach der Mann: „wir wollen uns erst recht satt essen;“ und sie aßen zusammen und darauf nahm der Riese Abschied und ging heim. Der Mann aber ging vorwaͤrts Tag und Nacht, bis er endlich zu dem goldenen Schloß von Stromberg kam. Da stand es aber auf einem glaͤsernen Berge, und oben darauf sah er die verwuͤnschte Jungfrau fahren; nun wollte er hinauf zu ihr, aber
er glitschte immer wieder herunter. Da war er ganz betruͤbt und sprach zu sich selbst: „am besten ist, du baust dir hier eine Huͤtte, Essen und Trinken hast du ja.“ Also baute er sich eine Huͤtte und saß darin ein ganzes Jahr und sah die Koͤnigstochter alle Tage oben fahren, konnte aber nicht hinauf zu ihr kommen.
Da hoͤrte er einmal wie drei Riesen sich schlugen, und rief ihnen zu: „Gott sey mit euch!“ Sie hielten bei dem Ruf inne, als sie aber niemand sahen, fingen sie wieder an sich zu schlagen und das zwar ganz gefaͤhrlich. Da sprach er wieder: „Gott sey mit euch!“ sie hoͤrten wieder auf, guckten sich um, weil sie aber niemand sahen, fuhren sie auch wieder fort sich zu schlagen. Da sprach er zum drittenmal: „Gott sey mit euch!“ und dacht’, du mußt doch sehen, was die drei vorhaben, ging hin und fragte sie, warum sie so auf einander losschluͤgen. Da sagte der eine, er haͤtt’ einen Stock gefunden, wenn er damit wider eine Thuͤr schluͤge, so spraͤnge sie auf; der andere sagte, er haͤtte einen Mantel gefunden, wenn er den umhinge, so waͤr’ er unsichtbar; der dritte aber sprach, er haͤtte ein Pferd gefangen, mit dem koͤnnte man den glaͤsernen Berg hinaufreiten. Da sprach der Mann: „fuͤr die drei Sachen will ich euch etwas geben, Geld habe ich zwar nicht, aber andere Dinge, die noch mehr werth sind; doch muß ich sie vorher probiren, damit ich sehe, ob ihr auch die Wahrheit gesagt habt.“ Da ließen sie ihn aufs Pferd sitzen, hingen ihm den Mantel um und gaben ihm den Stock in die Hand, und wie er das alles hatte, konnten sie ihn nicht mehr sehen und er pruͤgelte sie tuͤchtig durch, rief:
„nun, seyd ihr zufrieden?“ und ritt den Berg hinauf. Oben aber vor dem Schloß, das war verschlossen, da schlug er mit dem Stock vor die Thuͤr, gleich sprang sie auf, und er ging hinein und die Treppe hinauf oben in den Saal, da saß die Jungfrau und hatte einen goldenen Kelch mit Wein vor sich stehen; sie konnt’ ihn aber nicht sehen, weil er den Mantel um hatte. Und als er vor sie kam, zog er den Ring vom Finger, den sie ihm gegeben hatte und warf ihn in den Kelch, daß es klang. Da rief sie: „das ist mein Ring, so muß auch der Mann da seyn, der mich erloͤst!“ Sie suchten im ganzen Schloß, und fanden ihn nicht, er aber war hinaus gegangen, hatte sich auf’s Pferd gesetzt und den Mantel abgeworfen. Wie sie nun vor das Thor kamen, sahen sie ihn, und schrien vor Freude; und er stieg ab und nahm die Koͤnigstochter in den Arm, da kuͤßte sie ihn und sagte: „jetzt hast du mich erloͤst.“ Darauf hielten sie Hochzeit und lebten vergnuͤgt mit einander.
94.
Die kluge Bauerntochter.
Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Haͤuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter: „wir sollten den Herrn Koͤnig um ein Stuͤckchen Rottland bitten.“ Da der Koͤnig ihre Armuth hoͤrte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf saͤen; und
als sie ihn beinah herum hatten, da fanden sie in der Erde einen Moͤrsel von purem Gold. „Hoͤr’, sagte der Vater zu dem Maͤdchen, weil unser Herr Koͤnig so gnaͤdig ist gewesen und hat uns diesen Acker geschenkt, so muͤssen wir ihm den Moͤrsel wiedergeben.“Die Tochter aber wollt’ es nicht bewilligen und sagte: „Vater, wenn wir den Moͤrsel haben und haben den Stoͤßer nicht, dann muͤssen wir auch den Stoͤßer schaffen, darum schweigt lieber still.“ Er wollt’ ihr aber nicht gehorchen, nahm den Moͤrsel und trug ihn zum Herrn Koͤnig und sagte, den haͤtt’ er gefunden in der Heide. Der Koͤnig nahm den Moͤrsel und fragte, ob er nichts mehr gefunden? nein, sprach der Bauer, da sagte der Koͤnig: „er sollte nun auch den Stoͤßer herbeischaffen.“ Der Bauer sprach, den haͤtten sie nicht gefunden; aber das half ihm soviel, als haͤtt’ er’s in den Wind gesagt, er ward in’s Gefaͤngniß gesetzt und sollte so lange da sitzen, bis er den Stoͤßer herbeigeschafft haͤtte. Die Bedienten mußten ihm taͤglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefaͤngniß kriegt, da hoͤrten sie, wie der Mann als fort schrie: „ach! haͤtt’ ich meiner Tochter gehoͤrt! ach! ach! haͤtt’ ich meiner Tochter gehoͤrt!“ Da gingen die Bedienten zum Koͤnig und sprachen das, wie der Gefangene als fort schrie: „ach! haͤtt’ ich doch meiner Tochter gehoͤrt!“ und wollte nicht essen und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten, sie sollten ihn vor ihn bringen und da fragte der Herr Koͤnig, warum er also fort schreie: „ach! haͤtt’ ich meiner Tochter gehoͤrt!“ „ Was hat eure Tochter denn gesagt?“ — „Ja, sie hat gesprochen, ich sollt’ den Moͤrsel nicht bringen, sonst muͤßt’ ich auch den Stoͤßer schaffen.“
„Habt ihr dann so eine kluge Tochter, so laßt sie einmal herkommen.“ Also mußte sie vor den Koͤnig kommen; der fragte sie, ob sie dann so klug waͤre? und sagte, er wollt’ ihr ein Raͤthsel aufgeben, wann sie das treffen koͤnnte, dann wollt’ er sie heirathen. Da sprach sie ja, sie wollts errathen. Da sagte der Koͤnig: „komm zu mir nicht gekleidet, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wenn du das kannst, will ich dich heirathen.“ Da ging sie hin, und zog sich aus splinter nackend, da war sie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fischgarn und setzte sich hinein und wickelte sich hinein, da war sie nicht nackend, und borgte einen Esel fuͤrs Geld und band dem Esel das Fischgarn an den Schwanz, daran er sie fortschleppen mußte, und war das nicht geritten und nicht gefahren, und mußte sie der Esel in der Fahrgleiße schleppen, so daß sie nur mit der großen Zehe auf die Erde kam, und war das nicht in dem Weg und nicht außer dem Weg. Und wie sie so daher kam, sagte der Koͤnig, sie haͤtte das Raͤthsel getroffen und sey alles erfuͤllt. Da ließ er ihren Vater los aus dem Gefaͤngniß und nahm sie bei sich als seine Gemahlin und befahl ihr das ganze koͤnigliche Gut an.
Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr Koͤnig einmal auf die Parade zog, da trug es sich zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß hielten, die hatten Holz verkauft; etliche mit Ochsen und etliche mit Pferden. Da war ein Bauer, der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein junges Fuͤllchen, das lief weg und legte sich an einen Wagen, wo zwei Ochsen davor
waren, mittendrein. Als nun die Bauern zusammen kamen, fingen sie an sich zu zanken, schmeißen und laͤrmen und der Ochsenbauer wollte das Fuͤllchen behalten und sagte, die Ochsen haͤtten’s gehabt, und der andere sagte, nein, seine Pferde haͤtten’s gehabt und es waͤr’ sein. Der Zank kam vor den Koͤnig und der that den Ausspruch: wo das Fuͤllen gelegen haͤtte, da sollt’ es bleiben, und also bekam’s der Ochsenbauer, dem’s doch nicht gehoͤrte. Da ging der andere weg, weinte und lamentirte uͤber sein Fuͤllchen; nun so hatte er gehoͤrt, wie daß die Frau Koͤnigin so gnaͤdig sey, weil sie auch von armen Bauersleuten gekommen waͤre, ging zu ihr und bat sie, ob sie ihm nicht helfen koͤnnte, daß er sein Fuͤllchen wieder bekaͤme. Sagte sie: „ja, wenn ihr mir versprecht, daß ihr mich nicht verrathen wollt, will ich’s euch sagen: morgen fruͤh, wenn der Koͤnig auf der Wachtparade ist, so stellt euch hin mitten in die Straße, wo er vorbei kommen muß, nehmt ein großes Fischgarn und thut als fischtet ihr, und fischt also fort und schuͤttet es aus, als wenn ihr’s voll haͤttet,“ und sagte ihm auch, was er antworten sollte, wenn er vom Koͤnig gefragt wuͤrde. Also stand der Bauer am andern Tag da, und fischte auf einem trockenen Platz; wie der Koͤnig vorbei kam und das sah, schickte er seinen Laufer hin, der sollte fragen, was der naͤrrische Mann vorhabe. Da gab er zur Antwort: „ich fische.“ Fragte der Laufer, wie er fischen koͤnnte, es waͤr’ ja kein Wasser da. Sagte der Bauer: „so gut als zwei Ochsen koͤnnen ein Fuͤllen kriegen, so gut kann ich auch auf dem trockenen Platz fischen.“ Da ging der Laufer hin und brachte dem Koͤnig
die Antwort, da ließ er den Bauer vor sich kommen und sagte ihm, das haͤtte er nicht von sich, von wem er das haͤtte? und sollt’s gleich bekennen. Der Bauer aber wollt’s nicht thun und sagte immer, Gott bewahr! er haͤtt’ es von sich. Sie banden ihn aber auf ein Gebund Stroh und schlugen und drangsalten ihn so lange, bis er’s bekannte, daß er’s von der Frau Koͤnigin haͤtte. Als der Koͤnig nach Haus kam, sagte er zu seiner Frau: „warum bist du so falsch mit mir, ich will dich nicht mehr zur Gemahlin, deine Zeit ist um, geh wieder hin, woher du kommen bist, in dein Bauernhaͤuschen.“ Doch erlaubte er ihr eins: sie sollte sich das Liebste und Beste mitnehmen, was sie wuͤßte und das sollte ihr Abschied seyn. Sie sagte: „ja lieber Mann, wenn du’s so befiehlst, will ich es auch thun,“ und fiel uͤber ihn her und kuͤßte ihn und sprach, sie wollte Abschied von ihm nehmen. Dann ließ sie einen starken Schlaftrunk kommen, Abschied mit ihm zu trinken, der Koͤnig that einen großen Zug, sie aber trank nur ein wenig, da gerieth er bald in einen tiefen Schlaf. Und als sie das sah, rief sie einen Bedienten und nahm ein schoͤnes weißes Linnentuch und schlug ihn da hinein, und die Bedienten mußten ihn in einen Wagen vor der Thuͤre tragen und fuhr sie ihn heim in ihr Haͤuschen. Da legte sie ihn auf ihr Bettchen, und er schlief Tag und Nacht in einem fort, und als er aufwachte, sah er sich um und sagte: „ach Gott! wo bin ich denn?“ rief seinen Bedienten, aber es war keiner da. Endlich kam seine Frau vor’s Bett und sagte: „lieber Herr Koͤnig, ihr habt mir befohlen, ich sollte das Liebste und Beste aus dem Schloß mitnehmen, nun hab’
ich nichts Besseres und Lieberes als dich, da hab’ ich dich mitgenommen.“ Der Koͤnig sagte: „liebe Frau, du sollst mein seyn und ich dein,“ und nahm sie wieder mit ins koͤnigliche Schloß und ließ sich auf’s neue mit ihr vermaͤhlen und werden sie ja wohl noch auf heutigen Tag leben.
95.
Der alte Hildebrand.
Es war amahl a Baur und a Baͤurin, und doͤ Baͤurin, doͤ hat der Pfarra im Dorf gern gsegn, und da hat er allewei gwunschen, wann er nur amahl an ganzen Tag mit der Baͤurin allan recht vergnuͤgt zubringa kunnt, und der Baͤurin der wars halt a recht gwesn. No da hat er amahl zu der Baͤurin gsagt: „hanz mei liebi Baͤurin, hietzt hab i was ausstudirt, wie wir halt amahl recht vergnuͤgt mitanander zubringa kunnten. Wißts was, oͤs legts eng auf’m Mittwoch in’s Bett, und sagts engern Mon oͤs seits krang, und lamatirts und uͤbelts nur recht, und das treibts fort bis auf’m Sunta, wann i die Predi halt, und da wir (werde) i predigen, daß wer z’Haus a krangs Kind, an krangen Mon, a krangs Weib, an krangen Vader, a krange Muader, a krange Schwester, Bruader, oda wer’s sunst nacha is, hat, und der thut a Wollfarth auf’m Goͤckerliberg in Waͤlischland, wo ma um an Kreuzer an Metzen Lorberbladeln kriegt, dem wird’s krange Kind, der krange Mon, ’s krange Weib, der krange Vader,
d’ krange Muader, d’ krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha is, auf der Stell gsund.“
„Doͤs wir i schon machen,“ hat die Baͤurin drauf gesagt. No, drauf, auf’m Mittwoch hat si halt d’ Baͤurin in’s Bett glegt und hat g’lamatirt und g’uͤbelt als wie, und ihr Mon hat ihr alles braucht, was er nur g’wißt hat, s’ hat aber halt nix g’holfn. Wie denn der Sunta kuma is, hat d’ Baͤurin gsagt: „mir is zwar so miserabel als ob i glei verschaden sollt, aber ans moͤcht i do no vor mein End, i moͤcht halt in Herrn Pfarra sei Predi hoͤrn, doͤ er heund halten wird.“ „A mei Kind, sagt der Baur drauf, thu do doͤs nit, du kunntst schlechter wern, wannst aufstundst. Schau, es wir i in d’ Predi gehn, und wir recht acht gebe, und wir dir alles wieder derzoͤhln was der Herr Pfarra gsagt hat.“ „No, hat d’ Baͤurin gsagt, so geh halt und gib recht Acht und derzoͤhl mir alles was d’ ghoͤrt hast.“ No und da is der Baur halt in d’ Predi ganga, und da hat der Herr Pfarra also angfangt zun predigen und hat halt gsagt, wann ans a krangs Kind, an krangen Mon, a krangs Weib, an krangen Vader, a krange Muader, a krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha war, z’ Haus haͤt, und der wollt a Wollfarth machen auf’m Goͤckerliberg in Waͤlischland, wo der Metzen Lorberbladeln an Kreuzer kost, dem wird’s krange Kind, der krange Mon, ’s krange Weib, der krange Vader, d’ krange Muader, d’ krange Schwester, Bruader, oda wer’s sunst nacha war, auf der Stell gsund wern, und wer also doͤ Ras unternehma wollt, der soll nach der Meß zu ihm kuma, da wird er ihm den Lorbersack gebn
und den Kreuzer. Da war niembd froͤher als der Baur und nach der Meß is er gleich zum Pfarra ganga und der hat ihm also den Lorbersack gebn und den Kreuzer. Drauf is er nach Haus kuma und hat schon bei der Hausthuͤr eini gschrien: „juchesha liebs Weib! hietzt is so viel, als obst gsund warst! Der Herr Pfarra hat heunt predigt, daß wer a krangs Kind, an krangen Mon, a krangs Weib, an krangen Vader, a krange Muader, a krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha war, z’ Haus hat, und der macht a Wollfarth auf’m Goͤckerliberg in Waͤlischland, wo der Metzen Lorberbladeln an Kreuzer kost, dem wird ’s krange Kind, der krange Mon, ’s krange Weib, der krange Vader, d’ krange Muader, d’ krange Schwester, Bruader oda wer’s sunst nacha war, auf der Stell gsund, und hietzt hab i mir schon den Lorbersack ghohlt vom Herrn Pfarra und den Kreuzer, und wir glei mein Wanderschaft antreten, daß d’ desto ehender gsund wirst;“ und drauf is er fort ganga. Er war aber kam fort, so is die Baͤurin schon auf gwesn und der Pfarra war a glei do. Hietzt lassen mir aber doͤ zwa indessen auf der Seiten, und gaͤnga mir mit’n Baur. Der is halt alleweil drauf los ganga, damit er desto ehender auf’m Goͤckerliberg kummt, und wie halt so geht, begegnt ihm sein Gvatter. Sein Gvatter doͤs war an Armon (Eiermann), und der is just von Mark kuma, wo er seine Ar verkauft hat. „Globt seyst, sagt sein Gvatter, wo gehst denn so trabi hin Gvatter?“ „Jn Ewigkeit, Gvatter,“ sagt der Baur, „mein Weib is krang worn, und da hab’ i heund in Herrn Pfarra sein Predi ghoͤrt, und da hat er predigt, daß wann aner z’ Haus
an krangs Kind, an krangen Mon, a krangs Weib, an krangen Vader, a krange Muader, a krange Schwester, Bruader, oda wers sunst nacha war, hat, und er macht a Wollfarth auf’m Goͤckerliberg in Waͤlischland, wo der Metzen Lorberbladeln an Kreuzer kost, dem wird ’s krange Kind, der krange Mon, ’s krange Weib, der krange Vader, d’ krange Muader, d’ krange Schwester, Bruader, oder wers sunst nacha war, auf der Stell gsund, und da hab i mir von Herrn Pfarra den Lorbersack und den Kreuzer g’hohlt, und hietzt trit i halt mein Wanderschaft an.“ „Aber hanz Gvatter, hat der Gvatter zum Baur gsagt, seits denn gar so dacket (einfaͤltig), daß so was glauben koͤnts. Wißt’s was is? der Pfarra moͤcht gern mit engern Weib an ganzen Tag allan recht vergnuͤgt zubringa, drum hab’n’s eng den Baͤrn anbunden, daß ihr’en aus’n Fuͤßen kumts.“ „Mein, hat der Baur gsagt, so moͤcht i do wissen, ob das wahr is.“ „No, hat der Gvatter gsagt, wast was, setz di in mein Arkorb eini, so will i di nach Haus trag’n, und da wirst es selber segn.“ No, das is also gschegn, und der Baur hat si in Gvatter sein Arkorb eini gsetzt, und der hat’n nach Haus trag’n. Wie’s nach Haus kuma san, holla, da is schon lusti zuganga. Da hat die Baͤurin schon fast alles, was nur in ihren Hof war, abg’stochen ghabt, und Krapfen hats bachen, und der Pfarra war a schon da, und hat a sein Geige mitbracht g’habt. Und da hat halt der Gvatter anklopft und d’ Baͤurin hat gfragt, wer draussen war. „J bin’s Gvatterin, hat der Gvatter gsagt, mei gebts mir heund Nacht a Herberg, i hab meini Ar auf’m Mark nit verkauft, und hietzt
muß i’s wieder nach Haus trage, und soͤ san gar z’ schwar, i bring’s nit fort, es is a schon finster.“ „Ja mein Gvatter, sagt d’ Baͤurin drauf, oͤs kumts mir recht zur unglegna Zeit. No, weils halt aber nit anders is, so kumts eina, und setzt’s eng dort auf d’ Ofenbank.“ No, hat si der Gvatter also mit sein Buckelkorb auf d’ Ofenbank gsetzt. Der Pfarra aber und d’ Baͤurin doͤ warn halt recht lusti. Endli fangt der Pfarra an und sagt: „hanz mein liebi Baͤurin, oͤs koͤnts ja so schoͤn singa, singts mir do ans.“ „A, sagt die Baͤurin, hietzt kann i nix mehr singa, ja in mein junge Jahren, da hab i ’s wohl koͤnna, aber hietzt is schon vorbei.“ „Ei, sagt wieder der Pfarra, singts do, nur a bißl.“ No, da fangt die Baͤurin an und singt:
„J hab mein Mon wohl ausgesandt
Auf’m Goͤckerliberg in Waͤlischland!“
Drauf singt der Pfarra:
„J wollt er blieb da a ganzes Jahr
Was fragt i nach dem Lorbersack,
Halleluja!“
Hietzt fangt der Gvatter hinten an, und singt (da muß i aber derzoͤhln, daß der Baur Hildebrand ghassen hat), singt also der Gvatter:
„Ei du, mein lieber Hildebrand,
Was machst du auf der Ofenbank?
Halleluja!“
Und hietzt singt der Baur in Korb drinna:
„Hietzt kann i das Singa nimmermehr leiden
Hietzt muß i aus mein Buckelkorb steigen.“
und steigt aus’n Korb und pruͤgelt den Pfaffen beim Haus hinaus.
96.
De drei Vuͤgelkens.
Et is wul dusent un meere Jaare hen, da woͤren hier im Lanne luter kleine Kuͤnige, da hed auck einer up den Keuterberge wuͤnt (gewohnt), de gink sau geren up de Jagd. Ase nu mal mit sinen Jaͤgern vom Schlotte heruttrok, hoͤen (huͤteten) unner den Berge drei Maͤkens ire Koͤge (Kuͤhe), un wie sei den Kuͤnig mit den vielen Kuͤen seien, so reip de oͤlleste den annern beden Maͤkens to, un weis up den Kuͤnig: „helo! helo! wenn ik den nig kriege, so will ik keinen!“ da antworde de tweide up de annere Side vom Berge, un weis up den, de dem Kuͤnige rechter Hand gink: „helo! helo! wenn ik den nig kriege, so will ik keinen!“ Da reip de juͤngeste un weis up den, de linker Hand gink: „helo! helo! wenn ik den nig kriege, so will ik keinen.“ Dat woͤren averst de beden Ministers. Dat hoͤrde de Kuͤnig alles, un ase von der Jagd heime kummen was, leit he de drei Maͤkens to sik kummen un fragete se, wat se da gistern am Berge segd hedden. Dat wullen se nig seggen, de Kuͤnig frog awerst de oͤlleste, ob se uͤn wol tom Manne hewen wulle? da segde se ja, un ere beiden Suͤstern friggeten de beiden Ministers,
denn se woͤren alle drei scheun un schir (klar, schoͤn) von Angesicht, besunners de Koͤnigin, de hadde Hare ase Flass.
De beiden Suͤstern awerst kregen keine Kinner, un ase de Kuͤnig mal verreisen moste, let he se tor Kuͤnigin kummen, um se up to munnern, denn se war grae (gerad) swanger. Se kreg en kleinen Jungen, de hadde ’n ritsch-roen Stern mit up de Weld. Da sehden de beiden Suͤstern, eine tor annern, se wullen den huͤbsken Jungen in’t Water werpen. Wie se’n darin worpen hadden (ik gloͤve, et is de Weser west) da fluͤgt ’n Vuͤgelken in de Hoͤgte, dat sank:
tom Daude bereit,
up wietern Bescheid,
tom Lilien-Strus:
wacker Junge, bist du’s?
da dat de beiden hoͤrten, kregen se de Angst up’n Lieve un makten, dat se fort keimen. Wie de Kuͤnig na Hus kam, sehden se to uͤm, de Kuͤnigin hedde ’n Hund kregen, da segde de Kuͤnig: „wat Gott deiet, dat is wole dahn!“
Et wunde awerst ’n Fisker an den Water, de fiskede den kleinen Jungen wier herut, ase noch ewen lebennig was, un da sine Fru kene Kinner hadde, foerden (fuͤtterten) se ’n up. Na ’n Jaar was de Kuͤnig wier verreist, da kreg de Kuͤnigin wier ’n Jungen, den namen de beiden falsken Suͤstern un warpen ’n auck in’t Water, da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte un sank:
tom Daude bereit,
up wietern Bescheid,
tom Lilien-Strus:
wacker Junge, bist du’s?
Un wie de Kuͤnig toruͤgge kam, sehden se to uͤm, de Kuͤnigin hedde wier ’n Hund bekummen, un he segde wier: „wat Gott deit, dat is wole dahn!“ Awerst de Fisker trok duͤsen auck ut den Water, un foerd ’n up.
Da verreisede de Kuͤnig wier, un de Kuͤnigin kreg ’n klein Maͤken, dat warpen de falsken Suͤstern auck in’t Water, da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte un sank:
tom Daude bereit,
up wietern Bescheid,
tom Lilien-Strus:
wacker Maͤken, bist du’s?
Un wie de Kuͤnig na Hus kam, sehden se to uͤm, de Kuͤnigin hedde ’ne Katte kregt. Da worde de Kuͤnig beuse und leit sine Fru in’t Gefaͤnknis smieten, da hed se lange Jaare in setten.
De Kinner woͤren unnerdes anewassen, da gink de oͤlleste mal mit annern Jungens herut to fisken, da wuͤllt uͤn de annern Jungens nig twisken sik hewen un segget: „du Fuͤndling, gaa du diner Wege,“ da ward he gans bedroͤwet un fraͤggt den olen Fisker, ob dat war woͤre? De vertellt uͤn, dat he mal fisked hedde un hedde uͤn ut den Water troken (gezogen). Da segd he, he wulle furt un sinen Teiten (Vater) soͤken. De Fisker de biddet ’n, he moͤgde doch bliven, awerst he let sik gar nig hallen, bis de Fisker et tolest to givt. Da givt he sik up den Weg un geit meere Dage hinner’n anner, endlich kuͤmmt he vor ’n graut allmaͤchtig
Water, davor steit ’ne ole Fru un fiskede. „Guden Dag, Moer,“ segde de Junge. — „Groten Dank!“ — „Du suͤst da wol lange fisken, e du ’n Fisk faͤngest.“ — „Un du wol lange soͤken, e du dinen Teiten findst: wie wust du der denn da oͤver’t Water kummen?“ sehde de Fru. — „Ja, dat mag Gott witten!“ — Da nuͤmmt de ole Fru uͤn up den Ruͤggen un draͤgt ’n der doͤrch, un he soͤcht lange Tiid un kann sinen Teiten nig finnen. Ase nu wol ’n Jaar voroͤwer is, da trekt de tweide auck ut, un will sinen Broer soͤken. He kuͤmmt an dat Water un da geit et uͤn ewen so, ase sinen Broer. Nu was nur noch de Dochter allein to Hus, de jammerde so vil na eren Broern, dat se upt lest auck den Fisker bad, he moͤgte se treken laten, se wulle ere Broerkes soͤken. Da kam se auck bie den grauten Water, da sehde se tor olen Fru: „guden Dag, Moer!“ — „groten Dank!“ — — „Gott helpe ju bie juen fisken.“ Ase de ole Fru dat hoͤrde, da word se ganz fruͤndlich, un drog se oͤver’t Water, un gab er ’n Roe (Ruthe) un sehde to er: „nu gah man juͤmmer up duͤsen Wege to, mine Dochter! un wenn du bie einen groten schwarten Hund vorbei kuͤmmst, so must du still un drist, un one to lachen, un one uͤn an to kicken, vorbie gaan. Dann kuͤmmest du an ’n grot open Schlott, up’n Suͤll (Schwelle) most du de Roe fallen laten un stracks doͤrch dat Schlott an den annern Side wier herut gahen; da is ’n olen Brunnen, darut is ’n groten Boom wassen, daran haͤnget ’n Vugel im Buer, den nuͤmm af, dann nuͤmm noch ’n Glaß Water ut den Brunnen, un gaa mit duͤsen beiden den suͤlvigen Weg wier toruͤgge, up den Suͤll nuͤmm de Roe auck wier
mit, un wenn du dann wier bie den Hund vorbie kummst, so schlah uͤn in’t Gesicht, awerst suͤ to, dat du uͤn treppest, un dann kumm nur wier to mie toruͤgge.“ Da fand se et grade so, ase de Fru et sagd hadde, un up den Ruͤckwege da fand se de beiden Broer, de sik de halve Welt dorchsoͤcht hadden. Se ging tosammen, bis wo de swarte Hund an den Weg lag, den schlog se in’t Gesicht, da word et ’n schoͤnen Prinz, de geit mit uͤnen, bis an dat Water. Da stand da noch de ole Fru, de froͤgede sik ser, da se alle wier da woͤren, un trogdrog se alle oͤver’t Water, un dann gink se auck weg, denn se was nu erloͤst. De annern awerst gingen alle na den olen Fisker, un alle woͤren froh, dat se sik wier funnen hadden, den Vuͤgel awerst huͤngen se an der Wand.
De tweide Suhn kunne awerst nig to Huse rasten un nam ’n Flitzebogen un gink up de Jagd. Wie he moͤe was, nam he sine Floͤtepipen un mackte ’n Stuͤcksken. De Kuͤnig awerst woͤr auck up de Jagd un hoͤrde dat, da ging he hin, un wie he den Jungen drap, so sehde he: „we hett die verloͤwt hier to jagen?“ — „O, neimes (niemand).“ — „ Wen hoͤrst du dann to?“ — „Jk bin den Fisker sin Suhn.“ — „De hett ja keine Kinner!“ — „ Wenn du’t nig gloͤwen wust, so kum mit.“ Dat dehe de Kuͤnig un frog den Fisker, de vertaͤlle uͤn alles, un dat Vuͤgelken an der Wand fing an to singen:
De Moͤhme (Mutter) sitt allein,
wol in dat Kerkerlein!
o Kuͤnig, edeles Blod!
Dat sind dine Kinner god.
De falsken Suͤstern beide
de dehen de KinnekesKinnerkes
Leide,
wol in des Waters Grund,
wo se de Fisker fund!
Da erschracken se alle un de Kuͤnig nam den Vugel, den Fisker un de drei Kinner mit sik na den Schlotte, un leit dat Gefaͤnknis upschluten un nam sine Fru wier herut, de was awerst gans kraͤnksch un elennig woren. Da gav er de Dochter von den Water ut den Brunnen to drinken, da war se frisk un gesund. De beiden falsken Suͤstern woren averst verbrennt un de Dochter friggede den Prinzen.
97.
Das Wasser des Lebens.
Es war einmal ein Koͤnig, der ward krank und glaubte niemand, daß er mit dem Leben davon kaͤme. Er hatte aber drei Soͤhne, die waren daruͤber betruͤbt, gingen hinunter in den Schloßgarten und weinten, da begegnete ihnen ein alter Mann, der fragte sie nach ihrem Kummer. Sie erzaͤhlten ihm, ihr Vater waͤr’ so krank, daß er wohl sterben wuͤrde, denn es wollte ihm nichts helfen. Da sprach der Alte: „ich weiß ein Mittel, das ist das Wasser des Lebens, wenn er davon trinkt, so wird er wieder gesund; es ist aber schwer zu finden.“ Da sagte der aͤlteste: „ich will es schon finden,“ ging zum kranken Koͤnig und bat ihn, er moͤcht’ ihm erlauben auszuziehen um das Wasser des Lebens zu
suchen, das ihn allein heilen koͤnne. „Nein, sprach der Koͤnig, dabei sind zu große Gefahren, lieber will ich sterben.“ Er bat aber so lange, bis es der Koͤnig zugab; der Prinz dachte auch in seinem Herzen: „hol’ ich das Wasser, so bin ich meinem Vater der liebste und erbe das Reich.“
Also machte er sich auf, und als er eine Zeit lang fortgeritten war, stand da ein Zwerg auf dem Weg’, der rief ihn an und sprach: „wohinaus so geschwind?“ „Du Knirps, sagte der Prinz ganz stolz, das brauchst du nicht zu wissen;“ und ritt weiter. Das kleine Maͤnnchen aber war zornig geworden und hatte einen boͤsen Wunsch gethan; wie nun der Prinz fortritt, kam er in eine Bergschlucht, und je weiter, je enger thaten sich die Berge zusammen, und endlich ward der Weg so eng, daß er keinen Schritt weiter konnte, und auch das Pferd konnte er nicht wenden und selber nicht absteigen und mußte da eingesperrt stehen bleiben. Jndessen wartete der kranke Koͤnig auf ihn; aber er kam nicht und kam nicht. Da sagte der zweite Prinz: „so will ich ausziehen und das Wasser suchen“ und dachte bei sich, das ist mir eben recht, ist der todt, so faͤllt das Reich mir zu. Der Koͤnig wollt’ ihn auch anfangs nicht ziehen lassen, endlich aber mußte er’s doch zugeben. Der Prinz zog also gleiches Wegs fort und begegnete demselben Zwerg, der hielt ihn wieder an und fragte: „wohinaus so geschwind?“ „Du Knirps, sagte der Prinz, das brauchst du nicht zu wissen,“ und ritt in seinem Stolz fort. Aber der Zwerg verwuͤnschte ihn, und er gerieth wie der andere in eine
Bergschlucht und konnte nicht vorwaͤrts und ruͤckwaͤrts. So gehts aber den Hochmuͤthigen.
Wie nun der zweite Prinz ausblieb, sagte der juͤngste, er wollte ausziehen und das Wasser holen und der Koͤnig mußt’ ihn endlich auch gehen lassen. Als er den Zwerg auf dem Wege fand, und der fragte: wohinaus so geschwind?“ so antwortete er ihm: „ich suche das Wasser des Lebens, weil mein Vater sterbenskrank ist.“ — „ Weißt du denn, wo das zu finden ist?“ „Nein,“ sagte der Prinz. „So will ich dir’s sagen, weil du mir ordentlich Rede gestanden hast; es quillt aus einem Brunnen, in einem verwuͤnschten Schloß, und damit du dazu gelangst, geb’ ich dir da eine eiserne Ruthe und zwei Laiberchen Brot, mit der Ruthe schlag dreimal an das eiserne Thor am Schloß, so wird es aufspringen; inwendig werden dann zwei Loͤwen liegen und den Rachen aufsperren, wenn du ihnen aber das Brot hineinwirfst, wirst du sie stillen, und dann eil’ dich und hol’ von dem Wasser des Lebens, eh’ es zwoͤlf schlaͤgt, sonst geht das Thor wieder zu und du bist eingesperrt.“ Da dankte ihm der Prinz und nahm die Ruthe und das Brot, ging hin und war da alles, wie der Zwerg gesagt hatte. Das Thor sprang beim dritten Ruthenschlag auf und als die Loͤwen gesaͤnftigt waren, ging er in das Schloß hinein und fand einen großen schoͤnen Saal, und darin verwuͤnschte Prinzen, denen zog er die Ringe ab; und dann nahm er ein Schwert, und ein Brot, das lag da. Und weiter kam er in ein Zimmer, darin war eine schoͤne Jungfrau, die freute sich, als sie ihn sah, kuͤßte ihn und sagte, er haͤtte sie erloͤst und sollte ihr
ganzes Reich haben; in einem Jahr sollt’ er kommen und die Hochzeit mit ihr feiern. Dann sagte sie ihm auch, wo der Brunnen waͤre mit dem Lebenswasser, er muͤßte sich aber eilen und daraus schoͤpfen, eh’ es zwoͤlf schluͤge. Da ging er weiter und kam endlich in ein Zimmer, darin stand ein schoͤnes, frischgedecktes Bett und weil er muͤd’ war, wollt’ er sich erst ein wenig ausruhen. Also legte er sich und schlief ein, wie er aber erwachte, schlug es drei Viertel auf Zwoͤlf. Da sprang er ganz erschrocken auf, lief zu dem Brunnen, und schoͤpfte sich einen Becher, der daneben stand, voll, und eilte daß er fortkam. Wie er eben zum eisernen Thor hinausging, da schlug’s zwoͤlf, und das Thor fuhr zu, so heftig, daß es ihm noch ein Stuͤck von der Ferse wegnahm.
Er aber war froh, daß er das Wasser des Lebens hatte und ging heimwaͤrts und wieder an dem Zwerg vorbei. Als dieser das Schwert und das Brot sah, sprach er: „damit hast du großes Gut gewonnen, mit dem Schwert kannst du ganze Heere schlagen, das Brot aber wird niemals alle.“ Da dachte der Prinz, ohne deine Bruͤder willst du zum Vater nicht nach Haus kommen und sprach: „lieber Zwerg, kannst du mir nicht sagen, wo meine zwei Bruͤder sind, die waren fruͤher, als ich, nach dem Wasser des Lebens ausgezogen und sind nicht wieder kommen.“ „Zwischen zwei Bergen sind sie eingeschlossen, sprach der Zwerg, dahin hab’ ich sie verwuͤnscht, weil sie so uͤbermuͤthig waren.“ Da bat der Prinz so lange, bis sie der Zwerg wieder los ließ, aber er sprach noch: „huͤte dich vor ihnen, sie haben ein boͤses Herz.“
Wie sie nun kamen, da freute er sich und erzaͤhlte ihnen alles, wie es ihm ergangen waͤre, daß er das Wasser des Lebens gefunden und einen Becher voll mitgenommen und eine schoͤne Prinzessin erloͤst habe, die wolle ein Jahr lang auf ihn warten, dann sollte Hochzeit gehalten werden und er bekaͤm ein großes Reich. Darnach ritten sie zusammen fort und geriethen in ein Land, wo Hunger und Krieg war und der Koͤnig glaubte schon, er sollte verderben in der Noth; da ging der Prinz zu ihm und gab ihm das Brot, damit speiste und saͤttigte er sein ganzes Reich, und dann gab ihm der Prinz auch das Schwert und damit schlug er die Heere seiner Feinde und konnte nun in Ruhe und Frieden leben. Da nahm der Prinz sein Brot und sein Schwert wieder zuruͤck und die drei Bruͤder ritten weiter; sie kamen aber noch in zwei Laͤnder, wo Hunger und Krieg herrschten, und da gab der Prinz den Koͤnigen jedesmal sein Brot und Schwert und hatte nun drei Reiche gerettet. Und darnach setzten sie sich auf ein Schiff und fuhren uͤber’s Meer. Waͤhrend der Fahrt da sprachen die beiden aͤltesten unter sich: „der juͤngste hat das Wasser gefunden und wir nicht, dafuͤr wird ihm unser Vater das Reich geben, das uns gebuͤhrt und er wird uns unser Gluͤck wegnehmen.“ Da wurden sie rachsuͤchtig und verabredeten mit einander, daß sie ihn verderben wollten. Sie warteten aber bis er einmal fest eingeschlafen war, da gossen sie das Wasser des Lebens aus dem Becher und nahmen es fuͤr sich, ihm aber gossen sie bitteres Meerwasser hinein.
Als sie nun daheim ankamen, brachte der juͤngste dem kranken Koͤnig seinen Becher, damit er daraus trinken und gesund werden sollte. Kaum aber hatte er ein wenig von dem bittern Meerwasser getrunken, da ward er noch kraͤnker als zuvor. Und wie er daruͤber jammerte, kamen die beiden aͤltesten Soͤhne und klagten den juͤngsten an und sagten, er habe ihn vergiften wollen, das rechte Wasser des Lebens haͤtten sie gefunden und mitgebracht, und reichten es dem Koͤnig. Kaum hatte er davon getrunken, so fuͤhlte er seine Krankheit verschwinden und ward stark und gesund wie in seinen jungen Tagen. Darnach gingen die beiden zu dem juͤngsten, spotteten sein und sagten: „nun, hast du das Wasser des Lebens gefunden? du hast die Muͤhe gehabt und wir den Lohn, du haͤttest die Augen aufthun sollen, wir haben dir’s genommen, wie du auf dem Meere eingeschlafen warst. Ueber’s Jahr da holt sich einer von uns deine schoͤne Koͤnigstochter; aber huͤt’ dich, daß du davon nichts dem Vater verraͤthst, er glaubt dir doch nicht und wenn du ein Wort sagst, so sollst du auch noch dein Leben verlieren, schweigst du aber, so soll dir’s geschenkt seyn.“
Der alte Koͤnig aber war zornig uͤber seinen juͤngsten Sohn und glaubte, er haͤtte ihm nach dem Leben getrachtet, also ließ er den Hof versammeln und das Urtheil uͤber ihn sprechen, daß er heimlich sollte erschossen werden. Als der Prinz nun einmal auf die Jagd ritt, und nichts davon wußte, mußte des Koͤnigs Jaͤger mitgehen. Draußen, als sie ganz allein im Wald waren, und der Jaͤger so traurig aussah, sagte der Prinz zu ihm: „lieber Jaͤger, was fehlt dir?“ der Jaͤger sprach: „ich kann’s nicht
sagen und soll es doch.“ Da sprach der Prinz: „sag’s nur heraus, was es ist, ich will dir’s verzeihen.“ — „Ach, sagte der Jaͤger, ich soll euch todtschießen, der Koͤnig hat mir’s befohlen.“ Da erschrak der Prinz und sprach: „lieber Jaͤger, laß mich leben, da geb’ ich dir mein koͤnigliches Kleid, gib mir dafuͤr dein schlechtes.“ Der Jaͤger sagte: „das will ich gern thun, ich haͤtte doch nicht nach euch schießen koͤnnen.“ Da nahm der Jaͤger des Prinzen Kleid und der Prinz das schlechte vom Jaͤger und ging fort in den Wald hinein.
Ueber eine Zeit, da kamen beim alten Koͤnig drei Wagen mit Geschenken an Gold und Edelsteinen fuͤr seinen juͤngsten Sohn, sie waren aber von den drei Koͤnigen geschickt, denen der Prinz das Schwert und das Brot geliehen, womit sie die Feinde geschlagen und ihr Land ernaͤhrt hatten. Das fiel dem alten Koͤnig auf’s Herz und er dachte, sein Sohn koͤnnte doch unschuldig gewesen seyn und sprach zu seinen Leuten: „ach! waͤr’ er noch am Leben, wie thut mir’s so herzlich leid, daß ich ihn habe toͤdten lassen.“ „So hab’ ich ja recht gethan, sprach der Jaͤger, ich hab’ ihn nicht todt schießen koͤnnen,“ und sagte dem Koͤnig, wie es zugegangen waͤre. Da war der Koͤnig froh und ließ bekannt machen in allen Reichen, sein Sohn solle wieder kommen, er nehme ihn in Gnaden auf.
Die Koͤnigstochter aber ließ eine Straße vor ihrem Schloß machen, die war ganz golden und glaͤnzend, und sagte ihren Leuten, wer darauf geradeswegs zu ihr geritten kaͤme, das waͤre der
rechte, und den sollten sie einlassen, wer aber daneben kaͤme, der waͤr’ der rechte nicht und den sollten sie auch nicht einlassen. Als nun die Zeit bald herum war, dachte der aͤlteste, er wollte sich eilen, zur Koͤnigstochter gehen und sich fuͤr ihren Erloͤser ausgeben, da bekaͤm er sie zur Gemahlin und das Reich dabei. Also ritt er fort; als er vor das Schloß kam und die schoͤne goldene Straße sah, dachte er: „ei, das waͤre jammerschade, wenn du darauf rittest,“ lenkte ab und ritt rechts nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, sagten die Leute zu ihm, er waͤr’ der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Bald darauf machte sich der zweite Prinz auf, wie der zur goldenen Straße kam und das Pferd den einen Fuß darauf gesetzt hatte, dachte er: „ei! es waͤre jammerschade, das koͤnnte etwas abtreten,“ lenkte ab und ritt links nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, sagten die Leute, er waͤr’ der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Als nun das Jahr ganz herum war, wollte der dritte aus dem Wald fort zu seiner Liebsten reiten und bei ihr sein Leid vergessen. Also machte er sich auf und dachte immer an sie und waͤr’ gern schon bei ihr gewesen und sah die goldene Straße gar nicht. Da ritt sein Pferd mitten daruͤber hin und als er vor’s Thor kam, ward es aufgethan und die Koͤnigstochter empfing ihn mit Freuden, und sagte, er waͤr’ ihr Erloͤser und der Herr des Koͤnigsreichs, und ward die Hochzeit gehalten mit großer Gluͤckseligkeit. Und als sie vorbei war, erzaͤhlte sie ihm, daß ihn sein Vater habe zu sich entboten und ihm verziehen. Da ritt er hin und sagte ihm alles, wie seine Bruͤder ihn betrogen, und er doch dazu geschwiegen
haͤtte. Der alte Koͤnig wollte sie strafen, aber sie hatten sich auf’s Meer gesetzt und waren fortgeschifft und kamen ihr Lebtag nicht wieder.
98.
Doctor Allwissend.
Es war einmal ein armer Bauer Namens Krebs, der fuhr mit zwei Ochsen ein Fuder Holz in die Stadt und verkaufte es fuͤr zwei Thaler an einen Doctor. Wie ihm nun das Geld ausbezahlt wurde, saß der Doctor gerade zu Tisch, da sah der Bauer was er schoͤn aß und trank und das Herz ging ihm darnach auf und er waͤr’ auch gern ein Doctor gewesen. Also blieb er noch ein Weilchen stehen und fragte endlich, ob er nicht auch koͤnnte ein Doctor werden. „O ja, sagte der Doctor, das ist bald geschehen, erstlich kauf dir ein ABC-Buch, so eins, wo vorne ein Goͤkelhahn drin ist; mach’ deinen Wagen und deine zwei Ochsen zu Geld und schaff’ dir damit Kleider an und was sonst zur Doctorei gehoͤrt; drittens laß dir ein Schild malen mit den Worten: ich bin der Doctor Allwissend; und das oben uͤber deine Hausthuͤr nageln.“ Der Bauer that alles, wie’s ihm geheißen war. Als er nun ein wenig gedoctert, aber noch nicht viel, ward einem reichen großen Herrn Geld gestohlen. Da ward ihm von dem Doctor Allwissend gesagt, der in dem und dem Dorfe wohnte und auch wissen muͤßte, wo das Geld hinkommen waͤre. Also ließ der Herr seinen Wagen anspannen, fuhr hinaus in’s Dorf
und fragte bei ihm an, ob er der Doctor Allwissend waͤre? „Ja, der waͤr’ er.“ — „So sollte er mitgehen und das gestohlene Geld wiederschaffen;“ „o ja, aber die Grethe seine Frau muͤßte auch mit.“ Der Herr war das zufrieden, ließ sie beide in dem Wagen sitzen und sie fuhren zusammen fort. Als sie auf den adlichen Hof kamen, war der Tisch gedeckt; da sollt’ er erst mitessen. „Ja, aber seine Frau die Grethe auch,“ sagte er, und setzte sich mit ihr hinter den Tisch. Wie nun der erste Bediente mit einer Schuͤssel schoͤnem Essen kam, stieß der Bauer seine Frau an und sagte: „Grethe, das war der erste.“ Und meinte, es waͤr’ derjenige, welcher das erste Essen braͤchte. Der Bediente aber meinte, er haͤtte damit sagen wollen, das ist der erste Dieb und weil er’s nun wirklich war, ward ihm angst und er sagte draußen zu seinen Cameraden: „der Doctor weiß alles, wir kommen uͤbel an, er hat gesagt, ich waͤr’ der erste.“ Der zweite wollte gar nicht herein, er mußte aber doch. Wie der nun mit seiner Schuͤssel herein kam, stieß der Bauer seine Frau an: „Grethe, das ist der zweite.“ Dem Bedienten ward ebenfalls angst und er machte, daß er hinauskam. Dem dritten ging’s nicht besser, der Bauer sagte wieder: „Grethe, das ist der dritte.“ Der vierte mußte eine verdeckte Schuͤssel hereintragen, und der Herr sprach zum Doctor, er sollte seine Kunst zeigen und rathen was darunter laͤg’, es waren aber Krebse. Der Bauer sah’ die Schuͤssel an, wußt’ nicht, wie er sich helfen sollte und sprach: „ach ich armer Krebs!“ Wie der Herr das hoͤrte, rief er: „da! er weiß es, nun weiß er auch wer das Geld hat.“
Dem Bedienten aber ward gewaltig angst und er blinzelte den Doctor an, er moͤgt’ einmal herauskommen. Wie er nun hinauskam, gestanden sie ihm alle vier, sie haͤtten das Geld gestohlen, sie wollten’s ja gern herausgeben und ihm eine schwere Summe dazu, wenn er sie nicht verrathen wollte; es ging ihnen sonst an den Hals. Sie fuͤhrten ihn auch hin, wo das Geld versteckt lag. Damit war der Doctor zufrieden, ging wieder hinein und sprach: „Herr, nun will ich in meinem Buch suchen, wo das Geld steckt.“ Der fuͤnfte Bediente aber kroch in den Ofen, und wollt’ hoͤren, ob der Doctor noch mehr wuͤßte. Der saß aber und schlug sein ABC-Buch auf, blaͤtterte darin hin und her und suchte den Goͤckelhahn, weil er ihn nun nicht gleich finden konnte, sprach er: „du bist doch darin und mußt auch heraus.“ Da meinte der im Ofen, er waͤr’ gemeint, sprang voller Schrecken heraus und rief: „der Mann weiß alles!“ Nun zeigte der Doctor Allwissend dem Herrn, wo das Geld lag, sagte aber nicht wer’s gestohlen hatte, bekam von beiden Seiten viel Geld zur Belohnung und ward ein beruͤhmter Mann.
99.
Der Geist im Glas.
Es war einmal ein armer Holzhacker, der arbeitete vom Morgen bis in die spaͤte Nacht; als er sich endlich etwas Geld zusammengespart hatte, sprach er zu seinem Jungen: „du bist mein einziges Kind, ich will das Geld, das ich mit sauerm Schweiß
erworben, zu deinem Unterricht anwenden; wenn du etwas rechtschaffenes lernst, so kannst du mich im Alter ernaͤhren, wenn ich einst daheim sitzen muß und meine Glieder steif geworden sind.“ Da ging der Junge auf eine hohe Schule und lernte fleißig, so daß ihn seine Lehrer ruͤhmten und blieb eine Zeit lang dort; als er ein paar Schulen durchgelernt hatte, doch aber noch nicht in allem vollkommen war, so war das Bischen Armuth, das der Vater erworben, drauf gegangen und er mußte wieder zu ihm heim kehren. „Ach, sprach der Vater betruͤbt, ich kann dir nichts mehr geben und kann in der theuern Zeit auch keinen Heller mehr verdienen, als das taͤgliche Brot.“ „Lieber Vater, antwortete der Sohn, macht euch daruͤber keine Gedanken, wenns Gottes Wille also ist, so wird’s zu meinem Besten ausschlagen; ich will mich schon drein schicken: ich bleibe bei euch und gehe mit hinaus in den Wald, um etwas am Malterholz (d. h. am Zuhauen und Aufrichten) zu verdienen.“ „Ja, mein Sohn, sagte der Vater, das soll dir beschwerlich ankommen, du bist an harte Arbeit nicht gewoͤhnt, du haͤltst das nicht aus; ich habe auch nur eine Axt und kein Geld uͤbrig, um noch eine zu kaufen.“ „Geht nur zum Nachbar, antwortete der Sohn, der leiht euch seine Axt so lange, bis ich mir selbst eine verdient habe.“
Da ging der Vater zum Nachbar und borgte eine Axt und am andern Morgen, wie der Tag anbrach, gingen sie mit einander hinaus in den Wald. Der Sohn half dem Vater und war ganz munter und frisch dabei. Als nun die Sonne uͤber ihnen stand, sprach der Vater: „wir wollen rasten und Mittag halten,
hernach gehts noch einmal so gut.“ Der Sohn nahm sein Brot in die Hand und sprach: „ruht euch nur aus, Vater, ich bin nicht muͤd’, ich will in dem Wald ein wenig auf und abgehen und Vogelnester suchen.“ „O du Geck! sprach der Vater, was willst du da herum laufen, hernach bist du muͤd’ und kannst den Arm nicht mehr aufheben; bleib hier und setz dich zu mir.“
Der Sohn aber ging in den Wald, aß sein Brot ganz froͤhlich und sah in die gruͤnen Zweige hinein, ob er etwa ein Nest entdeckte. So ging er hin und her, bis er endlich zu einer großen, gefaͤhrlichen Eiche kam, die gewiß schon viele hundert Jahre da gestanden, und die keine fuͤnf Menschen umspannt haͤtten. Er blieb stehen und sah sie an und dachte, es muß doch mancher Vogel sein Nest hinein gebaut haben! da daͤuchte ihm auf einmal, als hoͤrte er eine Stimme. Er horchte darnach und vernahm, wie es mit so einem recht dumpfen Ton rief: „laß mich heraus! laß mich heraus!“ Er sah sich rings um, konnte aber nichts entdecken, auch war es ihm, als ob die Stimme unten aus der Erde kaͤme; da rief er: „wo bist du?“ Die Stimme antwortete: „da unten stecke ich, bei der Eichwurzel! laß mich heraus! laß mich heraus!“ Der Schuͤler fing an unter dem Baum aufzuraͤumen und bei den Wurzeln zu suchen, bis er endlich in einer kleinen Hoͤhlung eine Glasflasche entdeckte. Er hob sie in die Hoͤh und hielt sie gegen das Licht, da sah er ein Ding, gleich einem Frosch gestaltet, das sprang darin auf und nieder. Laß mich heraus! laß mich heraus! riefs von neuem, und der Schuͤler, der an nichts Boͤses dachte, nahm den Pfropfen von der Flasche ab.
Alsbald stieg ein Geist heraus und fing an zu wachsen und nahm in jedem Augenblick so gewaltig zu, daß er bald als ein entsetzlicher Kerl, und wie der halbe Baum so groß, vor dem Schuͤler stand. „ Weißt du, rief er mit einer fuͤrchterlichen Stimme, was dein Lohn dafuͤr ist, daß du mich heraus gelassen hast?“ „Nein, antwortete der Schuͤler ohne Furcht, wie soll ich das wissen!“ „So will ich dirs sagen, rief der Geist, den Hals muß ich dir dafuͤr brechen!“ „Das haͤttest du mir fruͤher sagen sollen, antwortete der Schuͤler, so haͤtte ich dich stecken lassen; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen, da muͤssen mehr Leute gefragt werden.“ „Mehr Leute hin, mehr Leute her! deinen verdienten Lohn den sollst du haben!“ „Denkst du, ich waͤr aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden, nein es war zu meiner Strafe; ich bin der großmaͤchtige Merkurius, wer mich loslaͤßt, dem muß ich den Hals brechen.“ „Sachte, antwortete der Schuͤler, so geschwind geht das nicht, erst muß ich auch wissen, daß du wirklich in der kleinen Flasche gesessen und du der rechte Geist bist; kannst du auch wieder hinein, so will ichs glauben und dann magst du mit mir anfangen, was du willst.“ „O, sprach der Geist hochmuͤthig, das ist mir ein geringes,“ und zog sich zusammen und machte sich so duͤnn und klein, wie er anfangs gewesen, also daß er durch dieselbe Oeffnung und den Hals der Flasche wieder hineinkroch. Kaum aber war er darin, so druͤckte der Schuͤler den abgezogenen Pfropfen wieder auf und warf die Flasche unter die Eichwurzeln an ihren alten Platz und der Geist war betrogen.
Nun wollte der Schuͤler zu seinem Vater zuruͤckgehen, aber der Geist rief ganz klaͤglich und sprach: „ach! laß mich doch heraus! laß mich doch heraus!“ „Nein, antwortete der Schuͤler, zum zweitenmale nicht wieder; wer mir einmal nach dem Leben gestrebt hat, den laß ich nicht los, wenn ich ihn wieder gefangen habe.“ „Mach mich frei, rief der Geist, so will ich dir so viel geben, daß du dein Lebtag genug hast.“ „Nein, antwortete der Schuͤler, du betruͤgst mich, wie das erstemal.“ „Du verscherzest dein Gluͤck, sprach der Geist, ich will dir nichts thun, sondern dich reichlich belohnen.“ Der Schuͤler dachte, ich will’s wagen, vielleicht haͤlt er Wort und anhaben soll er mir doch nichts; da nahm er den Pfropfen ab, und der Geist stieg wie das vorigemal heraus, dehnte sich auseinander und ward gewaltig groß. Da reichte er dem Schuͤler einen kleinen Lappen, ganz wie ein Pflaster und sprach: „wenn du mit dem einen Ende eine Wunde bestreichst, so heilt sie, und wenn du mit dem anderen Stahl und Eisen bestreichst, so wird es in Silber verwandelt seyn.“ „Das muß ich erst versuchen,“ sprach der Schuͤler, ging an einen Baum und ritzte die Rinde mit seiner Axt und bestrich sie mit dem einen Ende des Pflasters, alsbald schloß sie sich wieder zusammen und war geheilt. „Nun, es hat seine Richtigkeit, sprach er zum Geist, jetzt koͤnnen wir uns trennen.“ Der Geist dankte ihm fuͤr seine Erloͤsung, und der Schuͤler dankte dem Geist fuͤr sein Geschenk und ging zuruͤck zu seinem Vater.
„Wo bist du herumgelaufen? sprach der Vater, und hast die Arbeit vergessen; ich hab’s ja gleich gesagt, daß du nichts thun
wuͤrdest.“ „Gebt euch zufrieden, Vater, ich will’s nachholen.“ „Ja nachholen, sprach der Vater zornig, das hat keine Art.“ „Habt acht, Vater, den Baum da will ich gleich einhauen, daß er umkrachen soll.“ Da nahm er sein Pflaster, bestrich die Axt damit und that einen gewaltigen Hieb, aber das Eisen war in Silber verwandelt und die Schaͤrfe legte sich ganz um. „Ei Vater, seht einmal, was habt ihr mir fuͤr eine schlechte Axt gegeben, die ist ganz schief geworden!“ Da erschrak der Vater und sprach: „ach, was hast du gemacht! nun muß ich die Axt bezahlen und weiß nicht womit; das ist der Nutzen, den ich von deiner Arbeit habe.“ „Werdet nicht boͤs, antwortete der Sohn, die Axt will ich schon bezahlen.“ „O du Dummbart, rief der Vater, wovon willst du sie bezahlen? du hast nichts, als was ich dir gebe; das sind Studentenkniffe, die dir im Kopf stecken, vom Holzhacken hast du keinen Verstand.“
Ueber ein Weilchen sprach der Schuͤler: „Vater, ich kann doch nichts mehr arbeiten, wir wollen lieber Feierabend machen.“ „Ei was, antwortete er, meinst du ich wollte auch die Haͤnde in den Schooß legen, wie du? ich muß noch schaffen, du kannst dich heim packen.“ „Vater, ich bin zum erstenmal hier in dem Wald, ich weiß den Weg nicht allein, geht nur mit mir.“ Weil sich der Zorn gelegt hatte, so ließ er sich endlich bereden und ging mit ihm heim. Da sprach er zum Sohn: „geh und verkauf die verschaͤndete Axt und sieh zu, was du dafuͤr kriegst; das uͤbrige muß ich verdienen, um sie zu bezahlen.“ Der Sohn nahm die Axt und trug sie in die Stadt zu einem Goldschmied, der probirte
sie, legte sie auf die Wage und sprach: „sie ist vierhundert Thaler werth, so viel hab’ ich nicht baar.“ Der Schuͤler sprach: „gebt mir, was ihr habt, das uͤbrige will ich euch borgen.“ Der Goldschmied gab ihm dreihundert Thaler und blieb einhundert noch schuldig. Darauf ging der Schuͤler heim und sprach: „Vater, ich habe Geld, geht und fragt, was der Nachbar fuͤr die Axt haben will.“ „Das weiß ich schon, antwortete der Alte, einen Thaler sechs Groschen.“ „So gebt ihm zwei Thaler zwoͤlf Groschen, das ist das Doppelte und ist genug; seht ihr, ich habe Geld in Ueberfluß;“ und gab dem Vater einhundert Thaler und sprach: „es soll euch niemals fehlen, lebt nach eurer Bequemlichkeit.“ „Mein Gott, sprach der Alte, wie bist du zu dem Reichthum gekommen?“ Da erzaͤhlte er ihm wie alles zugegangen waͤre, und wie er im Wald im Vertrauen auf sein Gluͤck einen so reichen Fang gethan. Mit dem uͤbrigen Geld aber zog er wieder hin auf die hohe Schule und lernte weiter, und weil er mit seinem Pflaster alle Wunden heilen konnte, ward er der beruͤhmteste Doctor auf der ganzen Welt.
100.
Des Teufels rußiger Bruder.
Ein abgedankter Soldat hatte nichts zu leben und wußte sich nicht mehr zu helfen. Da ging er hinaus in den Wald und als er ein Weilchen gegangen war, begegnete ihm ein kleines Maͤnnchen, das war aber der Teufel. Das Maͤnnchen sagte zu ihm:
„was fehlt dir? du siehst ja so truͤbselig aus.“ Da sprach der Soldat: „ich habe Hunger und kein Geld.“ Der Teufel sagte: „willst du dich bei mir vermiethen und mein Knecht seyn, so sollst du fuͤr dein Lebtag genug haben; sieben Jahre sollst du mir dienen, dann bist du wieder frei, aber eins sag ich dir, du darfst dich nicht waschen, nicht kaͤmmen, nicht schnippen, keine Naͤgel und Haare abschneiden und kein Wasser aus den Augen wischen.“ Der Soldat sprach: „wohlan so solls seyn!“ und ging mit dem Maͤnnchen fort, das fuͤhrte ihn nun geradeswegs in die Hoͤlle hinein. Da sagte es ihm, was er zu thun habe: er muͤßte das Feuer schuͤren unter den Kesseln, wo die Hoͤllenbraten drin saͤßen, das Haus rein halten, den Kehrdreck hinter die Thuͤre tragen und uͤberall auf Ordnung sehen, aber guckt’ er ein einziges Mal in die Kessel hinein, so sollt’s ihm schlimm gehen. Der Soldat sprach: „es ist gut, ich will’s schon besorgen.“ Da ging nun der alte Teufel wieder hinaus auf seine Wanderung und der Soldat trat seinen Dienst an, legte Feuer zu, kehrte und trug den Kehrdreck hinter die Thuͤre; wie der alte Teufel wieder kam, war er zufrieden und ging zum zweitenmal fort. Der Soldat schaute sich nun einmal recht um, da standen die Kessel rings herum in der Hoͤlle und war ein gewaltiges Feuer darunter, und es kochte und brutzelte darin. Da haͤtt’ er fuͤr sein Leben gern hineingeschaut, es war ihm aber so streng verboten; endlich konnt’ er sich nicht mehr anhalten, ging herbei und hob vom ersten Kessel ein klein Bischen den Deckel auf und guckte hinein. Da sah er seinen ehemaligen Unteroffizier darin sitzen: „aha! Vogel,
sprach er, treff’ ich dich hier! du hast mich gehabt, jetzt hab’ ich dich!“ ließ geschwind den Deckel fallen, schuͤrte das Feuer und legte noch frisch zu. Darnach ging er zum zweiten Kessel, hob ihn auch ein wenig auf und guckte, da saß sein Faͤhndrich darin: „aha! Vogel, treff’ ich dich hier, du hast mich gehabt, jetzt hab’ ich dich,“ machte den Deckel wieder zu und trug noch einen Klotz herbei, der sollt’ ihm erst recht heiß machen. Nun wollt’ er auch sehen, wer im dritten Kessel saͤße, da war’s gar sein General: „aha! Vogel, treff’ ich dich hier! du hast mich gehabt, jetzt hab’ ich dich!“ holte den Blasbalg und ließ das Hoͤllenfeuer recht unter ihm flackern. Also that er sieben Jahr seinen Dienst in der Hoͤlle, wusch sich nicht, kaͤmmte sich nicht, schnippte sich nicht, schnitt sich die Naͤgel und Haare nicht, und wischte sich kein Wasser aus den Augen, und die sieben Jahr waren ihm so kurz, daß er meinte, es waͤr’ nur ein halb Jahr gewesen. Wie nun die Zeit vollends herum war, kam der Teufel und sagte: „nun, Hans, was hast du gemacht?“ — „Jch hab’ das Feuer unter den Kesseln geschuͤrt, ich hab’ gekehrt und den Kehrdreck hinter die Thuͤre getragen.“ — „Aber du hast auch in die Kessel geguckt; dein Gluͤck ist, daß du noch Holz zugelegt hast, sonst war dein Leben verloren; jetzt ist deine Zeit herum, willst du wieder heim?“ „Ja, sagte der Soldat, ich wollt’ auch gern sehen, was mein Vater daheim macht.“ Sprach der Teufel: „damit du deinen verdienten Lohn kriegst, geh’ und raff’ dir deinen Ranzen voll Kehrdreck und nimm’s mit nach Haus, du sollst auch gehen ungewaschen und ungekaͤmmt, mit langen Haaren am Kopf und am
Bart, mit ungeschnittenen Naͤgeln und mit truͤben Augen, und wenn du gefragt wirst, woher du kaͤmst, sollst du sagen: aus der Hoͤlle; und wenn du gefragt wirst, wer du waͤrst, sollst du sagen: des Teufels rußiger Bruder und mein Koͤnig auch.“ Der Soldat schwieg still und that was der Teufel sagte, aber er war mit seinem Lohn gar nicht zufrieden.
Wie er nun wieder auf die Welt kam und im Wald war, hob er seinen Ranzen vom Ruͤcken und wollt’ ihn ausschuͤtten; wie er ihn aber oͤffnete, so war der Kehrdreck pures Gold geworden. Als er das sah, war er vergnuͤgt und ging in die Stadt hinein. Vor dem Wirthshaus stand der Wirth und wie er ihn herankommen sah, erschrak er, weil Hans so entsetzlich aussah, aͤrger als eine Vogelscheu, und rief ihn an: „woher kommst du?“ — „Aus der Hoͤlle.“ — „Wer bist du?“ — „Des Teufels sein rußiger Bruder, und mein Koͤnig auch.“ Nun wollte der Wirth ihn nicht einlassen, wie er ihm aber das Gold zeigte, ging er und klinkte dem Hans selber die Thuͤre auf. Da ließ er sich die beste Stube geben, koͤstlich aufwarten, aß und trank sich satt, wusch sich aber nicht und kaͤmmte sich nicht, wie ihm der Teufel geheißen hatte, und legte sich endlich schlafen. Dem Wirth aber war der Ranzen voll Gold vor den AngenAugen und ließ ihm keine Ruh, bis er in der Nacht hinschlich und ihn wegstahl.
Wie nun Hans am andern Morgen aufstand, dem Wirth bezahlen und weiter gehen wollte, da war sein Ranzen weg. Er faßte sich aber kurz, dachte, du bist ohne Schuld ungluͤcklich gewesen, und kehrte wieder um, geradezu in die Hoͤlle; da klagte er
es dem alten Teufel und bat ihn um Huͤlfe. Der Teufel sagte: „setz dich, ich will dich waschen, kaͤmmen, schnippen, die Haare und Naͤgel schneiden und die Augen auswischen,“ und als er fertig mit ihm war, gab er ihm den Ranzen wieder voll Kehrdreck und sprach: „geh hin und sag’ dem Wirth, er sollt’ dir dein Gold wieder herausgeben, sonst wollt’ ich kommen und ihn abholen an deinen Platz.“ Hans ging hinauf und sprach zum Wirth: „du hast mein Gold gestohlen, gibst du’s nicht wieder, so kommst du in die Hoͤlle an meinen Platz und sollst aussehen wie ich.“ Da gab ihm der Wirth das Gold und noch mehr dazu und bat ihn nur still davon zu seyn, und Hans war nun ein reicher Mann.
Hans machte sich auf den Weg heim zu seinem Vater, kaufte sich einen schlechten Linnenkittel auf den Leib, ging herum und machte Musik, denn das hatte er bei dem Teufel in der Hoͤlle gelernt. Es war aber ein alter Koͤnig im Land, vor dem mußt er spielen, und der gerieth daruͤber in solche Freude, daß er dem Hans seine aͤlteste Tochter zur Ehe versprach. Als die aber hoͤrte, daß sie so einen gemeinen Kerl im weißen Kittel heirathen sollte, sprach sie: „eh ich das thaͤt, wollt’ ich lieber in’s tiefste Wasser gehen.“ Da gab ihm der Koͤnig die juͤngste, die wollt’s ihrem Vater zu Liebe gern thun, und also bekam des Teufels rußiger Bruder die Koͤnigstochter, und als der alte Koͤnig gestorben war, auch das ganze Reich.
101.
Der Teufel Gruͤnrock.
Es waren drei Bruͤder, die stießen den juͤngsten immer zuruͤck, und als sie ausgehen und in die Welt ziehen wollten, sprachen sie zu ihm: „wir brauchen dich nicht, du kannst allein wandern.“ Also verließen sie ihn und er mußte allein fuͤr sich ziehen, kam auf eine große Heide und war sehr hungrig. Auf der Heide aber stand ein Ring von Baͤumen, darunter setzte er sich und weinte. Auf einmal hoͤrte er ein Brausen, und wie er aufsah, da kam der Teufel daher in einem gruͤnen Rock und mit einem Pferdefuß und redete ihn an: „was fehlt dir, warum weinst du?“ Da klagte er ihm seine Noth und sagte: „meine Bruͤder haben mich verstoßen.“ Da sprach der Teufel: „ich will dir wohl helfen, zieh diesen gruͤnen Rock an, der hat Taschen, die sind immer voll Geld, du magst hineingreifen, wann du willst; aber dafuͤr verlange ich, daß du dich in sieben Jahren nicht waͤschst, deine Haare nicht kaͤmmst und nicht betest. Stirbst du in diesen sieben Jahren, so bist du mein, bleibst du aber leben, so bist du frei und bist reich dazu auf dein Lebtag.“ Da trieb ihn die Noth, daß er dem Teufel zusagte und dieser zog den gruͤnen Rock aus und er zog ihn an, und wie er seine Hand in die Tasche steckte, hatte er sie voll Geld.
Nun ging er mit dem gruͤnen Rock in die Welt, das erste Jahr war’s gut, was er sich nur wuͤnschte, konnt’ er mit seinem Geld bezahlen, und er ward noch ziemlich fuͤr einen Menschen
angesehen. Jm zweiten Jahr gings schlimmer, da waren die Haare ihm schon so lang gewachsen, daß ihn niemand erkennen konnte und niemand wollt’ ihn herbergen, weil er so abscheulich aussah. Und je laͤnger, je aͤrger ward es, er gab aber den Armen uͤberall viel Geld, damit sie fuͤr ihn beten moͤchten, daß er in den sieben Jahren nicht stuͤrbe und in die Haͤnde des Teufels fiele. Da kam er einmal im vierten Jahre in ein Wirthshaus, der Wirth wollt’ ihn auch nicht aufnehmen, er zog aber einen Haufen Geld heraus und bezahlte vorher, da erhielt er endlich eine Stube. Abends hoͤrte er im Nebenzimmer ein laut Jammern, da ging er hin und sah einen alten Mann darin sitzen, der weinte und beklagte sich und sagte zu ihm, er solle nur wieder weggehen, er koͤnne ihm doch nicht helfen. Da fragte er ihn, was ihm fehle; der Alte sprach, er haͤtte kein Geld und waͤr viel im Wirthshaus schuldig, nun haͤtten sie ihn so lange festgesetzt, bis er bezahlte. Da sagte der im gruͤnen Rock: „wenn’s weiter nichts ist, Geld hab ich genug, das will ich schon bezahlen,“ und machte den Alten frei.
Der Alte aber hatte drei schoͤne Toͤchter und sprach zu ihm, er sollte mit ihm gehen und zur Belohnung eine davon zur Frau haben. Da ging er mit ihm, wie sie aber zu Haus ankamen und die aͤlteste ihn sah, schrie sie, daß sie einen so entsetzlichen Menschen, der gar keine menschliche Gestalt mehr habe und wie ein Baͤr aussehe, heirathen solle; die zweite lief auch fort und wollte lieber in die weite Welt gehen; die juͤngste aber sprach: „lieber Vater, weil ihr es versprochen habt und er euch auch in
der Noth geholfen, so will ich euch gehorsam seyn.“ Da nahm der Gruͤnrock einen Ring von seinem Finger und brach ihn durch, gab ihr die eine Haͤlfte und behielt die andere fuͤr sich. Jn ihre Haͤlfte aber schrieb er seinen Namen und in seine schrieb er ihren, und sagte, sie moͤchte den halben Ring gut aufheben. Da blieb er noch ein Weilchen bei ihr und sprach dann: „nun muß ich Abschied nehmen, drei Jahre bleib ich aus und so lange sei mir treu, dann komm ich wieder und soll unsere Hochzeit seyn, bin ich aber in drei Jahren nicht zuruͤck, so bist du frei, denn da bin ich todt; bet’ aber fuͤr mich, daß mir Gott das Leben schenke.“
Jn den drei Jahren machten sich nun die beiden aͤltesten Schwestern recht lustig uͤber die juͤngste und sagten, sie muͤßt’ einen Baͤr zum Manne nehmen, und kriegte nicht einmal einen ordentlichen Menschen. Sie aber schwieg still und dachte, du mußt deinem Vater gehorchen, es mag kommen wie es will. Der Gruͤnrock aber zog in der Welt herum, griff oft in die Tasche und kaufte fuͤr seine Braut das Schoͤnste was ihm nur vor die Augen kam, that nichts Boͤses, sondern Gutes, wo er konnte, und gab den Armen, daß sie fuͤr ihn beteten. Da erzeigte ihm Gott die Gnade, daß die drei Jahre verflossen und er gesund und lebendig blieb. Wie nun die Zeit herum war, ging er wieder hinaus auf die Heide und setzte sich unter den Ring von Baͤumen. Da sauste es wieder ganz gewaltig daher und der Teufel kam ganz brummend und giftig und warf ihm seinen alten Rock hin und forderte den gruͤnen. Da zog ihn der Juͤngling mit Freuden aus und reichte ihn dem Teufel und war nun frei und reich auf
immer. Dann ging er nach Haus, machte sich rein und putzte sich aus und zog fort zu seiner Braut. Als er an’s Thor kam, begegnete ihm der Vater; er gruͤßte ihn und gab sich als den Braͤutigam an, aber der Vater erkannte ihn nicht und wollte ihm nicht glauben. Da ging er hinauf zur Braut, die wollte ihm auch nicht glauben. Endlich fragte er, ob sie den halben Ring noch habe. Da sagte sie ja, ging hin und holte ihn; er aber zog den seinen heraus und hielt ihn daran, da paßten sie zusammen und war es gewiß, daß es niemand als ihr Braͤutigam seyn konnte. Und wie sie nun sah, daß es ein schoͤner Mann war, freute sie sich und hatte ihn lieb und sie hielten Hochzeit mit einander; die beiden Schwestern aber, weil sie ihr Gluͤck versaͤumt hatten, waren so boͤs, daß am Hochzeittag die eine sich ersaͤufte, die andere sich erhenkte. Am Abend klopfte und brummte etwas an der Thuͤre und als der Braͤutigam hinging und aufmachte, so war’s der Teufel im gruͤnen Rock, der sprach: „siehst du, da hab’ ich nun zwei Seelen fuͤr deine eine!“
102.
Der Zaunkoͤnig und der Baͤr.
Zur Sommerszeit gingen einmal der Baͤr und der Wolf im Wald spaziren, da hoͤrte der Baͤr so schoͤnen Gesang von einem Vogel und sprach: „Bruder Wolf, was ist das fuͤr ein Vogel, der so schoͤn singt?“ — „Das ist der Koͤnig der Voͤgel, sagte der Wolf, vor dem muͤssen wir uns neigen;“ es war aber der
Zaunkoͤnig. „Wenn das ist, sagte der Baͤr, moͤcht’ ich auch gern seinen koͤniglichen Palast sehen, komm und fuͤhr mich hin.“ „Das geht nicht so, wie du meinst, sprach der Wolf, du mußt warten, bis die Frau Koͤnigin kommt.“ Bald darauf kam die Frau Koͤnigin und hatte Futter im Schnabel und der Herr Koͤnig auch und wollten ihre Jungen aͤtzen. Der Baͤr waͤre gern nun gleich hintendrein gegangen, aber der Wolf hielt ihn am Ermel und sagte: „nein, du mußt warten bis Herr und Frau Koͤnigin wieder fort sind.“ Also nahmen sie das Loch in acht, wo das Nest stand, und gingen wieder ab. Der Baͤr aber hatte keine Ruhe, wollte den koͤniglichen Palast sehen und ging nach einer kurzen Weile wieder vor. Da waren Koͤnig und Koͤnigin wieder ausgeflogen, er guckte hinein und sah fuͤnf oder sechs Junge, die lagen darin; „ist das der koͤnigliche Palast? sagte der Baͤr, das ist ein elender Palast! ihr seyd auch keine Koͤnigskinder, ihr seyd unehrliche Kinder!“ Wie das die jungen Zaunkoͤnige hoͤrten, wurden sie gewaltig boͤs und schrien: „nein, das sind wir nicht, unsere Eltern sind ehrliche Leute, Baͤr, das soll ausgemacht werden mit dir.“ Dem Baͤr und dem Wolf ward angst, sie kehrten um und setzten sich in ihre Loͤcher. Die jungen Zaunkoͤnige aber schrien und laͤrmten fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten, sagten sie: „wir essen kein Fliegenbeinchen und sollten wir verhungern, bis ihr erst ausmacht, ob wir ehrliche Kinder sind oder nicht, denn der Baͤr ist da gewesen und hat uns gescholten.“ Da sagte der alte Koͤnig: „seyd nur ruhig, das soll ausgemacht werden.“ Flog darauf mit der Frau Koͤnigin dem
Baͤren vor seine Hoͤhle und rief hinein: „Brummbaͤr, du hast meine Kinder gescholten, das soll dir uͤbel bekommen, das wollen wir in einem blutigen Krieg ausmachen.“ Also war dem Baͤren der Krieg angekuͤndigt und ward alles vierfuͤßige Gethier berufen: Ochs, Esel, Rind, Hirsch, Reh und was die Erde sonst alles traͤgt. Der Zaunkoͤnig aber berief alles, was in der Luft fliegt, nicht allein die Voͤgel groß und klein, auch die Muͤcken, Hornissen, Bienen und Fliegen mußten herbei.
Als nun die Zeit kam, wo der Krieg angehen sollte, da schickte der Zaunkoͤnig Kundschafter aus, wer der kommandirende General des Feindes waͤr. Die Muͤcke war die listigste von allen, schwaͤrmte im Wald, wo der Feind sich versammelte, und setzte sich endlich unter ein Blatt auf den Baum, wo die Parole ausgegeben wurde. Da stand der Baͤr, rief den Fuchs vor sich und sprach: „Fuchs, du bist der schlauste unter allem Gethier, du sollst General seyn und uns anfuͤhren; was fuͤr Zeichen wollen wir verabreden?“ Da sprach der Fuchs: „ich hab’ einen schoͤnen, langen, bauschigten Schwanz, der sieht aus fast wie ein rother Federbusch, wenn ich den in die Hoͤhe halte, so geht die Sache gut und ihr muͤßt drauf los marschiren, laß ich ihn aber herunterhaͤngen, so fangt an und lauft.“ Als die Muͤcke das gehoͤrt hatte, flog sie wieder heim und verrieth dem Zaunkoͤnig alles haarklein.
Als der Tag anbrach, wo die Schlacht sollte geliefert werden, hu! da kam das vierfuͤßige Gethier dahergerennt mit Gebraus, daß die Erde zitterte; Zaunkoͤnig mit seiner Armee kam auch
durch die Luft daher, die schnurrte, schrie und schwaͤrmte, daß einem Angst wurde; und gingen sie da von beiden Seiten an einander. Der Zaunkoͤnig aber schickte die Hornisse hinab, sie sollte sich dem Fuchs unter den Schwanz setzen und aus Leibeskraͤften stechen. Wie nun der Fuchs den ersten Stich bekam, zuckte er, daß er das eine Bein aufhob, doch ertrug er’s und ließ den Schwanz noch in der Hoͤhe; beim zweiten mußt’ er ihn einen Augenblick herunter lassen, beim dritten aber konnte er sich nicht mehr halten, schrie und nahm den Schwanz zwischen die Beine. Wie das die Thiere sahen, meinten sie, alles waͤr’ verloren und fingen an zu laufen, jeder in seine Hoͤhle, und hatten die Voͤgel die Schlacht gewonnen.
Da flog der Herr Koͤnig und die Frau Koͤnigin heim zu ihren Kindern und riefen: „Kinder seyd froͤhlich, eßt und trinkt nach Herzenslust, wir haben den Krieg gewonnen.“ Die jungen Zaunkoͤnige aber sagten: „noch essen wir nicht, der Baͤr soll erst vor’s Nest kommen und Abbitte thun und sagen, daß wir ehrliche Kinder sind.“ Da flog der Zaunkoͤnig vor das Loch des Baͤren, und rief: „Brummbaͤr, du sollst vor das Nest zu meinen Kindern gehen und Abbitte thun und sagen, daß sie ehrliche Kinder sind, sonst sollen dir die Rippen im Leib zertreten werden.“ Da kroch der Baͤr in der groͤßten Angst hin und that Abbitte, und darauf setzten sich die jungen Zaunkoͤnige zusammen, aßen und tranken und machten sich lustig bis in die spaͤte Nacht hinein.
103.
Vom suͤßen Brei.
Es war einmal ein armes, frommes Maͤdchen, das lebte mit seiner Mutter allein und sie hatten nichts mehr zu essen. Da ging das Kind hinaus in den Wald und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon und schenkte ihm ein Toͤpfchen, zu dem sollt’ es sagen: „Toͤpfchen koch!“ so kochte es guten, suͤßen Hirsenbrei, und wenn es sagte: „Toͤpfchen steh,“ so hoͤrte es wieder auf zu kochen. Das Maͤdchen brachte den Topf seiner Mutter heim und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig und aßen suͤßen Brei, so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Maͤdchen ausgegangen, da sprach die Mutter: „Toͤpfchen koch!“ da kocht es und sie ißt sich satt; nun will sie, daß das Toͤpfchen wieder aufhoͤren soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort und der Brei steigt uͤber den Rand heraus, und kocht immer zu, die Kuͤche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollt’s die ganze Welt satt machen, und ist die groͤßte Noth und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus uͤbrig ist, da kommt das Kind heim und spricht nur: „Toͤpfchen steh!“ da steht es und hoͤrt auf zu kochen, und wenn sie wieder in die Stadt wollten, haben sie sich durchessen muͤssen.
104.
Die treuen Thiere.
Es war einmal ein Mann, der hatte gar nicht viel Geld, und mit dem wenigen das ihm uͤbrig blieb, zog er in die weite Welt. Da kam er in ein Dorf, wo die Jungen zusammen liefen, schrien und laͤrmten. „Was habt ihr vor, ihr Jungen?“ fragte der Mann. „Ei, antworteten sie, da haben wir eine Maus, die muß uns tanzen, seht einmal, was das fuͤr ein Spaß ist! wie die herumtrippelt!“ Den Mann aber dauerte das arme Thierchen und er sprach: „laßt die Maus laufen, ihr Jungen, ich will euch auch Geld geben.“ Da gab er ihnen Geld und sie ließen die Maus gehen, die lief, was sie konnte, in ein Loch hinein. Der Mann ging fort und kam in ein anderes Dorf, da hatten die Jungen einen Affen, der mußte tanzen und Purzelbaͤume machen, und sie lachten daruͤber und ließen dem Thier keine Ruh. Da gab ihnen der Mann auch Geld, damit sie den Affen losließen. Darnach kam der Mann in ein drittes Dorf, da hatten die Jungen einen Baͤren und ließen ihn tanzen, und wenn er dazu brummte, war’s ihnen eben recht. Da kaufte ihn der Mann auch los, und der Baͤr war froh, daß er wieder auf seine vier Beine kam und trabte fort.
Der Mann aber hatte nun sein Bischen uͤbriges Geld ausgegeben und keinen rothen Heller mehr in der Tasche. Da sprach er zu sich selber: „der Koͤnig hat so viel in seiner Schatzkammer, was er nicht braucht, Hungers kannst du nicht sterben, du willst
da etwas nehmen, und wenn du wieder zu Geld kommst, kannst du’s ja wieder hineinlegen.“ Also machte er sich uͤber die Schatzkammer, und nahm sich ein wenig davon, allein beim Herausschleichen ward er von den Leuten des Koͤnigs erwischt. Sie sagten, er waͤre ein Dieb und fuͤhrten ihn vor Gericht, da ward er verurtheilt, daß er in einem Kasten sollte aufs Wasser gesetzt werden. Der Kastendeckel war voll Loͤcher, damit Luft hinein konnte, auch ward ihm ein Krug Wasser und ein Laib Brot mit hinein gegeben. Wie er nun so auf dem Wasser schwamm und recht in Angst war, hoͤrt er was krabbeln am Schloß, nagen und schnauben, auf einmal springt das Schloß selber auf und der Deckel in die Hoͤh’, und stehen da Maus, Affe und Baͤr, die hatten’s gethan; weil er ihnen geholfen, wollten sie ihm wieder helfen. Nun wußten sie aber nicht, was sie noch weiter thun sollten und rathschlagten mit einander, indem kam ein weißer Stein auf dem Wasser daher geschwommen, der sah aus wie ein rundes Ei. Da sagte der Baͤr: „der kommt zu rechter Zeit, das ist ein Wunderstein, wem der eigen ist, der kann sich wuͤnschen, wozu er nur Lust hat.“ Da fing der Mann den Stein, und wie er ihn in der Hand hielt, wuͤnschte er sich ein Schloß mit Garten und Marstall, und kaum hatte er den Wunsch gesagt, so saß er in dem Schloß mit dem Garten und dem Marstall, und war alles so schoͤn und praͤchtig, daß er sich nicht genug verwundern konnte.
Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei. „Seh einmal einer, riefen sie, was da fuͤr ein herrliches Schloß steht,
und das letztemal wie wir vorbeikamen, lag da noch schlechter Sand.“ Weil sie nun neugierig waren, gingen sie hinein und erkundigten sich bei dem Mann, wie er alles so geschwind haͤtte bauen koͤnnen. Da sprach er: „das hab’ ich nicht gethan, sondern mein Wunderstein.“ — „Was ist das fuͤr ein Stein?“ fragten sie. Da ging er hin und holte ihn und zeigte ihn den Kaufleuten. Die hatten große Lust dazu und fragten, ob er nicht zu erhandeln waͤre, auch boten sie ihm alle ihre schoͤnen Waaren dafuͤr. Dem Manne stachen die Waaren in die Augen, und weil das Herz unbestaͤndig ist, ließ er sich bethoͤren, und meinte, die schoͤnen Waaren seyen mehr werth, als sein Wunderstein und gab ihn hin. Kaum aber hatte er ihn aus den Haͤnden gegeben, da war auch alles Gluͤck dahin und er saß auf einmal wieder in dem verschlossenen Kasten auf dem Fluß mit einem Krug Wasser und einem Laib Brot. Die treuen Thiere, Maus, Affe und Baͤr, wie sie sein Ungluͤck sahen, kamen wieder und wollten ihm helfen, aber sie konnten nicht einmal das Schloß aufsprengen, weil’s viel fester war, als das erstemal. Da sprach der Baͤr: „wir muͤssen den Wunderstein wieder schaffen, oder es ist alles umsonst.“ Weil nun die Kaufleute in dem Schloß noch wohnten, gingen die Thiere mit einander hin, und wie sie nah dabei kamen, sagte der Baͤr: „Maus geh hin und guck durch’s Schluͤsselloch und sieh, was anzufangen ist, du bist klein, dich merkt kein Mensch.“ Die Maus war willig, kam aber wieder und sagte: „es geht nicht, ich hab’ hinein geguckt, der Stein haͤngt unter dem Spiegel an einem rothen Baͤndchen und huͤben und druͤben
sitzen ein paar große Katzen mit feurigen Augen, die sollen ihn bewachen.“ Da sagten die andern: „geh nur wieder hinein und wart’ bis der Herr im Bett liegt und schlaͤft, dann schleich dich durch ein Loch hinein und kriech auf’s Bett und zwick’ ihn an der Nase und beiß ihm seine Haare ab.“ Die Maus ging wieder hinein, und that wie die andern gesagt hatten, und der Herr wachte auf, rieb sich die Nase, war aͤrgerlich und sprach: „die Katzen taugen nichts, sie lassen mir die Maͤuse die Haare vom Kopf abbeißen“ und jagte sie alle beide fort. Da hatte die Maus gewonnen Spiel.
Wie nun der Herr die andere Nacht wieder eingeschlafen war, machte sich die Maus hinein, knuperte und nagte an dem rothen Band, woran der Stein hing, so lang, bis es entzwei war und herunterfiel, dann schleifte sie’s bis zu der Hausthuͤr. Das ward aber der armen kleinen Maus recht sauer, und sie sprach zum Affen, der schon auf der Lauer stand: „nimm du nun deine Pfote und hol’s ganz heraus!“ Das war dem Affen ein Leichtes, der trug den Stein und sie gingen so mit einander bis zum Fluß; da sagte der Affe: „wie sollen wir aber nun zu dem Kasten kommen?“ Der Baͤr sagte: „das ist bald geschehen, ich geh’ ins Wasser und schwimme, Affe, setz du dich auf meinen Ruͤcken, halt dich aber mit deinen Haͤnden fest und nimm den Stein ins Maul; Maͤuschen, du kannst dich in mein rechtes Ohr setzen.“ Also thaten sie und schwammen den Fluß hinab. Nach einer Zeit war’s dem Baͤren so still, fing an zu schwatzen und agtesagte: „hoͤr’ Affe, wir sind doch brave Cameraden, was meinst
du?“ — Der Affe aber antwortete nicht und schwieg still. „Ei! sagte der Baͤr, willst du mir keine Antwort geben? das ist ein schlechter Kerl, der nicht antwortet!“ Wie der Affe das hoͤrt, thut er das Maul auf, laͤßt den Stein ins Wasser fallen und sagt: „ich konnt’ ja nicht antworten, ich hatte den Stein im Mund, jetzt ist er fort, daran bist du allein Schuld.“ „Sey nur ruhig, sagte der Baͤr, wir wollen schon etwas erdenken.“ Da berathschlagten sie sich und riefen die Laubfroͤsche, Unken und alles Ungeziefer, das im Wasser lebt, zusammen und sagten: „es kommt ein gewaltiger Feind, macht, daß ihr viele Steine zusammenschafft, so wollen wir euch eine Mauer bauen und euch schuͤtzen.“ Da erschraken die Thiere und brachten Steine von allen Seiten herbeigeschleppt, endlich kam auch ein alter, dicker Quackfrosch recht aus dem Grund herauf gerudert und hatte das rothe Band mit dem Wunderstein im Mund. Wie der Baͤr das sah, war er vergnuͤgt: „da haben wir, was wir wollen,“ nahm dem Frosch seine Last ab, sagte den Thieren, es sey schon gut und machte einen kurzen Abschied. Darauf fuhren die drei hinab zu dem Mann im Kasten, sprengten den Deckel mit Huͤlfe des Steins und kamen noch zu rechter Zeit, denn er hatte das Brot schon aufgezehrt und das Wasser getrunken und war schon halb verschmachtet. Wie er aber den Stein in die Haͤnde bekam, da wuͤnscht’ er sich wieder frisch und gesund und in sein schoͤnes Schloß mit dem Garten und Marstall und lebte vergnuͤgt und die drei Thiere blieben bei ihm und hatten’s gut ihr lebelang.
105.
Maͤhrchen von der Unke.
I.
Ein Kind saß vor der Hausthuͤre auf der Erde und hatte sein Schuͤsselchen mit Milch und Weckbrocken neben sich und aß. Da kam eine Unke gekrochen und senkte ihr Koͤpfchen in die Schuͤssel und aß mit. Am andern Tag kam sie wieder und so eine Zeit lang jeden Tag. Das Kind ließ sich das gefallen, wie es aber sah, daß die Unke immerfort blos die Milch trank und die Brocken liegen ließ, nahm es sein Loͤffelchen, schlug ihr ein bischen auf den Kopf und sagte: „Ding, iß auch Brocken!“ Das Kind war seit der Zeit schoͤn und groß geworden, seine Mutter aber stand gerade hinter ihm, und sah die Unke, da lief sie herbei und schlug sie todt; von dem Augenblick an ward das Kind mager und ist endlich gestorben.
II.
Ein Waisen-Maͤdchen saß an der Stadtmauer und spann, sah eine Unke herkommen. Da breitete es ein blau seiden Tuch, das die Unken gewaltig lieben und auf das sie allein gehen, neben sich aus. Alsobald die Unke das erblickte, kehrte sie um, kam wieder und brachte ein kleines goldenes Kroͤnchen getragen, legte es darauf und ging dann wieder fort. Da nahm das Maͤdchen die Krone auf, sie glitzerte und war von zartem Goldgespinst; nicht lange, so kam die Unke zum zweitenmal wieder, wie sie aber die Krone nicht mehr sah, kroch sie an die Wand und schlug vor
Leid ihr Haͤuptlein so lang dawider, als sie nur noch Kraͤfte hatte, bis sie endlich todt da lag. Haͤtte das Maͤdchen die Krone liegen lassen, die Unke haͤtte wohl noch mehr von ihren Schaͤtzen aus der Hoͤhle herbeigetragen.
III.
(Die Unke ruft:) huhu! huhu! (Kind spricht:) komm herut! (Die Unke kommt hervor, da fragt das Kind nach seinem Schwesterchen:) „hast du Rothstruͤmpfchen nicht gesehen?“ (Unke:) „Ne, ik og nit: wie du denn? huhu! huhu! huhu!“
106.
Der arme Muͤllerbursch und das Kaͤtzchen.
Jn einer Muͤhle dienten einmal drei Muͤllerburschen, worin nur ein alter Muͤller lebte ohne Frau und Kind. Wie sie nun etliche Jahre bei ihm gedient hatten, sagte er zu ihnen: „zieht einmal fort, und wer mir das beste Pferd nach Haus bringt, dem will ich die Muͤhle geben.“ Der dritte von den Burschen war aber der Kleinknecht, der ward von den andern fuͤr albern gehalten, dem goͤnnten sie die Muͤhle nicht; und er wollte sie hernach nicht einmal! Da gingen alle drei mit einander hinaus, und wie sie vor das Dorf kamen, sagten die zwei zu dem albernen Hans: „du kannst nur hier bleiben, du kriegst doch dein Lebtag keinen Gaul.“ Der Hans aber ging doch mit und als es Nacht war, kamen sie an eine Hoͤhle, da hinein legten sie sich
schlafen. Die zwei klugen warteten, bis Hans eingeschlafen war, dann stiegen sie auf, machten sich fort, ließen das Haͤnschen liegen und meinten’s recht fein gemacht zu haben; ja! es wird euch doch nicht gut gehen! Wie nun die Sonne kam und Hans aufwachte, lag er in einer tiefen Hoͤhle, er guckte sich uͤberall um und rief: „ach Gott! wo bin ich!“ Da erhob er sich und kraffelte die Hoͤhle hinauf, ging in den Wald und dachte: „wie soll ich nun zu einem Pferd kommen!“ Jndem er so in Gedanken dahin ging, begegnete ihm ein kleines buntes Kaͤtzchen, sprach: „Hans, wo willst du hin?“ — „Ach! du kannst mir doch nicht helfen.“ — „Was dein Begehren ist, weiß ich wohl, sprach das Kaͤtzchen, du willst einen huͤbschen Gaul haben, komm mit mir und sey sieben Jahre lang mein treuer Knecht, so will ich dir einen geben, schoͤner, als du dein Lebtag einen gesehen hast.“ Da nahm sie ihn mit in ihr verwuͤnschtes Schloͤßchen, er mußt’ ihr dienen und alle Tage Holz klein machen, dazu kriegte er eine Axt von Silber und die Keile und Saͤge von Silber und der Schlaͤger war von Kupfer. Nun da machte er’s klein, blieb bei ihm, hatte sein gutes Essen und Trinken, sah aber niemand als das bunte Kaͤtzchen. Einmal sagte es zu ihm: „geh hin und maͤh meine Wiese und mach das Gras trocken“ und gab ihm von Silber eine Sense und von Gold einen Wetzstein, hieß ihm aber auch alles wieder richtig abliefern. Da ging der Hans hin und that was es geheißen hatte, und als er fertig war und die Sense, den Wetzstein und das Heu nach Haus brachte, fragte er, ob es ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte. „Nein, sagte die Katze,
du sollst mir erst noch einerlei thun, da ist Bauholz von Silber, Zimmeraxt, Winkeleisen und was noͤthig ist, alles von Silber, daraus bau mir erst ein kleines Haͤuschen.“ Da baute der Hans das Haͤuschen fertig und sagte, er haͤtte nun alles gethan und noch kein Pferd; die sieben Jahre aber waren ihm herumgegangen, wie ein halbes. Fragte die Katze: ob er ihre Pferde sehen wollte? „Ja,“ sagte Hans. Da machte sie ihm das Haͤuschen auf und weil sie die Thuͤre so aufmacht, da stehen zwoͤlf Pferde: ach! die waren gewesen ganz stolz! die hatten geblaͤnkt und gespiegelt, daß sich sein Herz im Leib daruͤber freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken und sprach: „geh nun heim, dein Pferd geb’ ich dir nicht mit, in drei Tagen aber komm’ ich und bring’ dir’s nach;“ also ging Hans heim und sie zeigte ihm den Weg zur Muͤhle. Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neu Kleid gegeben, sondern er mußte sein altes lumpichtes Kittelchen behalten, das er mitgebracht hatte, und das ihm in den sieben Jahren uͤberall zu kurz geworden war. Wie er nun heim kam, da waren die beiden andern Muͤllerburschen auch wieder da, jeder hatte zwar ein Pferd mitgebracht, aber des einen seins war blind, des andern seins lahm. Sie fragten ihn: „Hans, wo hast du dein Pferd?“ — „Jn drei Tagen wird’s nachkommen.“ Da lachten sie und sagten: „ja, du Hans, wo willst du ein Pferd herkriegen, das wird was rechtes seyn!“ Hans ging in die Stube, der Muͤller sagte aber, er sollte nicht an den Tisch kommen, er waͤr’ zu zerrissen und zerlumpt, man muͤßte sich schaͤmen, wenn jemand herein kaͤme. Da gaben sie ihm sein Bischen Essen hinaus,
und wie sie Abends schlafen gingen, wollten ihm die zwei andern kein Bett geben, und er mußte endlich ins Gaͤnsestaͤllchen kriechen und sich auf ein wenig Stroh hineinlegen. Am Morgen, wie er aufwacht, sind schon die drei Tage herum, und es kommt eine Kutsche mit sechs Pferden, ei! die glaͤnzten, daß es schoͤn war und ein Bedienter der brachte noch ein siebentes, das war fuͤr den armen Muͤllerbursch, aus der Kutsche aber stieg eine praͤchtige Koͤnigstochter und ging in die Muͤhle hinein, und die Koͤnigstochter war das kleine bunte Kaͤtzchen, dem der arme Hans sieben Jahre gedient hatte. Sie fragte den Muͤller, wo der dritte Mahlbursch, der Kleinknecht, waͤre? Da sagte der Muͤller: „den koͤnnen wir nicht in die Muͤhle nehmen, der ist so verrissen und liegt im Gaͤnsestall.“ Da sagte die Koͤnigstochter, sie sollten ihn gleich holen. Also holten sie ihn heraus, und er mußte sein Kittelchen zusammenpacken, um sich zu bedecken; da schnallte der Bediente praͤchtige Kleider aus und mußte ihn waschen und anziehen, und wie er fertig war, konnte kein Koͤnig schoͤner aussehen. Darnach wollte die Jungfrau die Pferde sehen, welche die andern Mahlburschen mitgebracht hatten, eins war blind, das andere lahm. Da ließ sie den Bedienten das siebente Pferd bringen; wie der Muͤller das sah, sprach er, so eins waͤr ihm noch nicht auf den Hof gekommen; „und das ist fuͤr den dritten Mahlbursch“ sprach sie. „Da muß er die Muͤhle haben,“ sagte der Muͤller; die Koͤnigstochter aber sprach, da waͤr’ sein Pferd, er solle die Muͤhle auch behalten; und nimmt ihren treuen Hans und setzt ihn in die Kutsche und faͤhrt mit ihm fort. Sie fahren erst nach dem
kleinen Haͤuschen, das er mit dem silbernen Werkzeug gebaut hat, da ist es ein großes Schloß und ist alles darin von Silber und Gold, und da hat sie ihn geheirathet und war er reich, so reich, daß er fuͤr sein Lebtag genug hatte. Darum soll keiner sagen, daß wer albern ist, deshalb nichts rechts werden koͤnne.
107.
Die Kraͤhen.
Es hatte ein rechtschaffener Soldat etwas Geld verdient und zusammengespart, weil er fleißig war und es nicht, wie die andern, in den Wirthshaͤusern durchbrachte. Nun waren zwei von seinen Kameraden, die hatten eigentlich ein falsches Herz und wollten ihn um sein Geld bringen; sie stellten sich aber aͤußerlich ganz freundschaftlich an. Auf eine Zeit sprachen sie zu ihm: „hoͤr’, was sollen wir hier in der Stadt liegen, wir sind ja eingeschlossen darin, als waͤren wir Gefangene, und gar einer wie du, der koͤnnt’ sich daheim was ordentliches verdienen und vergnuͤgt leben.“ Mit solchen Reden setzten sie ihm auch so lange zu, bis er endlich einwilligte und mit ihnen ausreißen wollte; die zwei andern hatten aber nichts anders im Sinn, als ihm draußen sein Geld abzunehmen. Wie sie nun ein Stuͤck Wegs fortgegangen waren, sagten die zwei: „wir muͤssen uns da rechts einschlagen, wenn wir an die Graͤnze kommen wollen.“ — „Ei! Gott bewahre, da gehts gerade wieder in die Stadt zuruͤck, links muͤssen wir weiter.“ — „Was! willst du dich mausig machen?“ riefen die zwei,
drangen auf ihn ein, schlugen ihn, bis er niederfiel, und nahmen ihm sein Geld aus den Taschen; das war aber noch nicht genug, sie stachen ihm auch die Augen aus, schleppten ihn zum Galgen und banden ihn daran fest. Da ließen sie ihn, und gingen mit dem gestohlenen Geld in die Stadt zuruͤck.
Der arme Blinde wußte aber nicht, an welchem schlechten Ort er war, fuͤhlte um sich und merkte, daß er unter einem Balken Holz saß. Da meinte er, es waͤre ein Kreutz, sprach: „es ist doch gut von ihnen, daß sie mich wenigstens unter ein Kreutz gebunden haben, Gott ist bei mir,“ und fing an recht zu Gott zu beten. Wie es ungefaͤhr Nacht werden mochte, hoͤrte er etwas flattern; das waren aber drei Kraͤhen, die ließen sich auf dem Balken nieder. Darnach hoͤrte er, wie eine sprach: „Schwester, was bringt ihr Gutes? ja, wenn die Menschen wuͤßten, was wir wissen! die Koͤnigstochter ist krank und der alte Koͤnig hat sie demjenigen versprochen, der sie heilt, das kann aber keiner, denn sie wird nur gesund, wenn die Kroͤte in dem Teich dort zu Asche verbrannt wird und sie die Asche trinkt.“ Da sprach die zweite: „ja, wenn die Menschen wuͤßten, was wir wissen! heute Nacht faͤllt ein Thau vom Himmel, so wunderbar und heilsam, wer blind ist und bestreicht seine Augen damit, der erhaͤlt sein Gesicht wieder.“ Da sprach auch die dritte, „ja, wenn die Menschen wuͤßten, was wir wissen! Die Kroͤte hilft nur einem und der Thau hilft nur wenigen, aber in der Stadt ist große Noth, da sind alle Brunnen vertrocknet und niemand weiß, daß der große viereckige Stein auf dem Markt muß weggenommen und darunter
gegraben werden, dort quillt das schoͤnste Wasser.“ Wie die drei Kraͤhen das gesagt hatten, hoͤrte er es wieder flattern und sie flogen da fort! er aber machte sich allmaͤlig von seinen Banden los, und dann buͤckte er sich und brach ein paar Graͤserchen ab und bestrich seine Augen mit dem Thau, der darauf gefallen war. Alsbald ward er wieder sehend und waren Mond und Sterne am Himmel und sah er, daß er neben dem Galgen stand. Darnach suchte er Scherben, und sammelte von dem koͤstlichen Thau, so viel er zusammen bringen konnte und wie das geschehen war, ging er zum Teich, grub das Wasser davon ab und holte die Kroͤte heraus, und dann verbrannte er sie zu Asche und ging damit an des Koͤnigs Hof. Da ließ er nun die Koͤnigstochter von der Asche einnehmen und als sie gesund war, verlangte er sie, wie es versprochen war, zur Gemahlin. Dem Koͤnig aber gefiel er nicht, weil er so schlechte Kleider an hatte, und er sprach, wer seine Tochter haben wollte, der muͤßte der Stadt erst Wasser verschaffen und damit hoffte er ihn los zu werden. Er aber ging hin, hieß den Leuten den viereckigen Stein auf dem Markt wegheben und darunter nach Wasser graben. Das thaten sie auch und kamen bald zu einer schoͤnen Quelle, da war Wasser zum Ueberfluß; der Koͤnig aber konnte ihm nun seine Tochter nicht laͤnger abschlagen und er wurde mit ihr vermaͤhlt und lebten sie in einer vergnuͤgten Ehe.
Auf eine Zeit, als er durch’s Feld spaziren ging, begegneten ihm seine beiden ehemaligen Kameraden, die so treulos an ihm gehandelt hatten. Sie kannten ihn nicht, er aber erkannte sie
gleich, ging auf sie zu und sprach: „seht, das ist euer ehemaliger Kamerad, dem ihr so schaͤndlich die Augen ausgestochen habt, aber der liebe Gott hat mir’s zum Gluͤck gedeihen lassen.“ Da fielen sie ihm zu Fuͤßen und baten um Gnade, und weil er ein gutes Herz hatte, erbarmte er sich ihrer und nahm sie mit sich, gab ihnen auch Nahrung und Kleider. Er erzaͤhlte ihnen darnach, wie es ihm ergangen und wie er zu diesen Ehren gekommen waͤre; als die zwei das vernahmen, hatten sie keine Ruhe und wollten auch eine Nacht sich unter den Galgen setzen, ob sie vielleicht auch etwas Gutes hoͤrten. Wie sie nun unter dem Galgen saßen, flatterte auch bald etwas uͤber ihren Haͤuptern und kamen die drei Kraͤhen. Die eine sprach zur andern: „hoͤrt Schwestern, es muß uns jemand behorcht haben, denn die Prinzessin ist gesund, die Kroͤte ist fort aus dem Teich, ein Blinder ist sehend geworden und in der Stadt haben sie einen frischen Brunnen gegraben, kommt, laßt uns suchen, vielleicht finden wir ihn.“ Da flatterten sie herab und fanden die beiden und eh sie sich helfen konnten, saßen sie ihnen auf den Koͤpfen und hackten ihnen die Augen aus und hackten weiter so lange ins Gesicht, bis sie ganz todt waren. Da blieben sie liegen unter dem Galgen. Als sie nun in ein paar Tagen nicht wieder kamen, dachte ihr ehemaliger Kamerad, wo moͤgen die zwei herumirren und ging hinaus, sie zu suchen. Da fand er aber nichts mehr, als ihre Gebeine, die trug er vom Galgen weg und legte sie in ein Grab.
108.
Hans mein Jgel.
Es war ein reicher Bauer, der hatte mit seiner Frau keine Kinder; oͤfters, wenn er mit den andern Bauern in die Stadt ging, spotteten sie ihn und fragten, warum er keine Kinder haͤtte. Da ward er einmal zornig und als er nach Haus kam, sprach er: „ich will ein Kind haben und sollt’s ein Jgel seyn.“ Da kriegte seine Frau ein Kind, das war oben ein Jgel und unten ein Junge, und als sie das Kind sah, erschrak sie und sprach: „siehst du, du hast uns verwuͤnscht!“ Da sprach der Mann: „was kann das alles helfen, getauft muß der Junge werden, aber wir koͤnnen keinen Gevatter dazu nehmen.“ Die Frau sprach: „wir koͤnnen ihn auch nicht anders taufen als Hans mein Jgel.“ Als er getauft war, sagte der Pfarrer: „der kann wegen seiner Stacheln in kein ordentlich Bett kommen.“ Da ward hinter dem Ofen ein wenig Stroh zurecht gemacht und Hans mein Jgel darauf gelegt. Er konnte auch an der Mutter nicht trinken, denn er haͤtte sie mit seinen Stacheln gestochen. So lag er da hinter dem Ofen acht Jahre und sein Vater war ihn muͤde, und dachte, wenn er nur stuͤrbe; aber er starb nicht, sondern blieb da liegen. Nun trug es sich zu, daß in der Stadt ein Markt war und der Bauer wollte darauf gehen, da fragte er seine Frau, was er ihr sollte mitbringen. „Ein wenig Fleisch und ein paar Wecke, was zum Haushalt gehoͤrt,“ sprach sie. Darauf fragte er die Magd, die wollte ein paar Toffel und Zwickelstruͤmpfe, endlich sagte er
auch: „Hans mein Jgel, was willst du denn haben?“ — „Vaͤterchen, sprach er, bringt mir doch einen Dudelsack mit.“ Wie nun der Bauer wieder nach Haus kam, gab er der Frau, was er ihr mitgebracht hatte, Fleisch und Wecke, dann gab er der Magd die Toffeln und die Zwickelstruͤmpfe, endlich ging er hinter den Ofen und gab dem Hans mein Jgel den Dudelsack. Und wie Hans mein Jgel den hatte, sprach er: „Vaͤterchen, geht doch vor die Schmiede und laßt mir meinen Goͤkelhahn beschlagen, dann will ich fortreiten und will nimmermehr wiederkommen.“ Da war der Vater froh, daß er ihn los werden sollte, und ließ ihm den Hahn beschlagen und als er fertig war, setzte sich Hans mein Jgel darauf, ritt fort, nahm auch Schweine und Esel mit, die wollt’ er draußen im Walde huͤten. Jm Wald aber mußte der Hahn mit ihm auf einen hohen Baum fliegen, da saß er und huͤtete die Esel und Schweine, und saß lange Jahre bis die Heerde ganz groß war, und wußte sein Vater nichts von ihm. Wenn er aber auf dem Baum saß, blies er seinen Dudelsack und machte Musik, die war sehr schoͤn. Einmal kam ein Koͤnig vorbeigefahren, der hatte sich verirrt und hoͤrte die Musik; da verwunderte er sich daruͤber und schickte seinen Bedienten hin, er sollte sich einmal umgucken, wo die Musik herkaͤme. Der guckte sich um, sah aber nichts, als ein kleines Thier auf dem Baum oben sitzen, das war wie ein Goͤckelhahn, auf dem ein Jgel saß und machte die Musik. Da sprach der Koͤnig zum Bedienten, er sollte fragen, warum es da saͤße und ob es nicht wuͤßte, wo der Weg in sein Koͤnigreich ging. Da stieg Hans mein Jgel vom Baum und
sprach, er wollte den Weg zeigen, wenn der Koͤnig ihm wollte verschreiben und versprechen, was ihm zuerst begegnete am koͤniglichen Hofe, wenn er nach Haus kaͤme. Da dachte der Koͤnig, das kannst du leicht thun, Hans mein Jgel versteht’s doch nicht und kannst schreiben was du willst. Da nahm der Koͤnig Feder und Dinte und schrieb etwas auf, und als es geschehen war, zeigte Hans mein Jgel ihm den Weg und er kam gluͤcklich nach Haus. Seine Tochter aber, wie sie ihn von weitem sah, war so voll Freuden, daß sie ihm entgegen ging und ihn kuͤßte. Er gedachte an Hans mein Jgel und erzaͤhlte ihr, wie es ihm gegangen waͤre, und daß er an ein wunderliches Thier, das auf einem Hahn geritten und schoͤne Musik gemacht, haͤtte verschreiben sollen, was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde; er haͤtte aber geschrieben, es sollt’s nicht haben, denn Hans mein Jgel koͤnnt es doch nicht lesen. Daruͤber war die Prinzessin froh und sagte, das waͤre gut, denn sie waͤre doch nimmermehr hingegangen.
Hans mein Jgel aber huͤtete die Esel und Schweine, war immer lustig und saß auf dem Baum und blies auf seinem Dudelsack. Nun geschah es, daß ein anderer Koͤnig gefahren kam mit seinen Bedienten und Laufern und hatte sich verirrt und wußte nicht wieder nach Haus zu kommen, weil der Wald so groß war. Da hoͤrte er gleichfalls die schoͤne Musik von weitem und sprach zu seinem Laufer, was das wohl waͤre, er sollt’ einmal zusehen, woher es kaͤme. Da ging der Laufer hin unter den Baum und sah den Goͤckelhahn sitzen und Hans mein Jgel oben drauf. Der Laufer fragte ihn, was er da oben vorhaͤtte. „Jch
huͤte meine Esel und Schweine; was ist euer Begehren?“ Der Laufer sagte, sie haͤtten sich verirrt und koͤnnten nicht wieder in’s Koͤnigreich, ob er ihnen den Weg nicht zeigen wollte. Da stieg Hans mein Jgel mit dem Hahn vom Baum herunter und sagte zu dem alten Koͤnig, er wollt’ ihm den Weg zeigen, wenn er ihm zu eigen geben wollte, was ihm zu Haus vor seinem koͤniglichen Schlosse das erste begegnen wuͤrde. Der Koͤnig sagte ja und unterschrieb sich dem Hans mein Jgel, er sollt’ es haben. Als das geschehen war, ritt er auf dem Goͤckelhahn voraus und zeigte ihm den Weg und gelangte er gluͤcklich wieder in sein Koͤnigreich. Wie er auf den Hof kam, war große Freude daruͤber; nun hatte er eine einzige Tochter, die war sehr schoͤn, die kam ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und kuͤßte ihn und freute sich, daß ihr alter Vater wieder kam. Sie fragte ihn auch, wo er so lang in der Welt gewesen waͤre, da erzaͤhlte er ihr, er haͤtte sich verirrt und waͤr’ beinahe gar nicht wieder gekommen, aber als er durch einen großen Wald gefahren, haͤtte einer halb wie ein Jgel, halb wie ein Mensch, rittlings auf einem Hahn in einem hohen Baum gesessen und schoͤne Musik gemacht, der haͤtte ihm fortgeholfen und den Weg gezeigt, dafuͤr aber er ihm versprochen, was ihm am koͤniglichen Hofe zuerst begegnete, und das waͤre sie, und das thaͤte ihm nun so leid. Da versprach sie ihm aber, sie wollte gern mit ihm gehen, wann er kaͤme, ihrem alten Vater zu Liebe.
Hans mein Jgel aber huͤtete seine Schweine und die Schweine bekamen wieder Schweine und diese wieder und wurden ihrer so
viel, daß der ganze Wald voll war. Da ließ Hans mein Jgel seinem Vater sagen, sie sollten alle Staͤlle im Dorf ledig machen und raͤumen, er kaͤme mit einer so großen Heerde Schweine, daß jeder schlachten sollte, der nur schlachten koͤnnte. Da war sein Vater betruͤbt, als er das hoͤrte, denn er dachte, Hans mein Jgel waͤre schon lang’ gestorben. Hans mein Jgel aber setzte sich auf seinen Goͤckelhahn, trieb die Schweine vor sich her ins Dorf und ließ schlachten; hu! da war ein Gemetzel und ein Hacken, daß man’s zwei Stunden weit hoͤren konnte. Darnach sagte Hans mein Jgel: „Vaͤterchen, laßt mir meinen Goͤckelhahn noch einmal vor der Schmiede beschlagen, dann reit’ ich fort und komm’ mein Lebtag nicht wieder.“ Da ließ der Vater den Goͤckelhahn beschlagen und war froh, daß Hans mein Jgel nicht wieder kommen wollte.
Hans mein Jgel ritt fort in das erste Koͤnigreich, da hatte der Koͤnig befohlen, wenn einer kaͤme auf einem Hahn geritten und haͤtte einen Dudelsack bei sich, dann sollten alle auf ihn schießen, hauen und stechen, damit er nicht in’s Schloß kaͤme. Als nun Hans mein Jgel daher geritten kam, drangen sie mit den Bajonetten auf ihn ein, er aber gab dem Hahn die Sporn, flog auf, uͤber das Thor hin vor des Koͤnigs Fenster, setzte sich da und rief ihm zu: „sollt’ ihm geben, was er versprochen haͤtte, sonst so wollt’ er ihm und seiner Tochter das Leben nehmen.“ Da gab der Koͤnig seiner Tochter gute Worte, sie moͤchte zu ihm hinaus gehen, damit sie ihm und sich das Leben rettete. Da zog sie sich weiß an und ihr Vater gab ihr einen Wagen mit sechs
Pferden und herrliche Bedienten, Geld und Gut; sie setzte sich ein und Hans mein Jgel mit seinem Hahn und Dudelsack neben sie, dann nahmen sie Abschied und zogen fort und der Koͤnig dachte, er kriegte sie nicht wieder zu sehen. Es ging aber anders als er dachte, denn als sie ein Stuͤck Wegs von der Stadt waren, da zog sie Hans mein Jgel aus und stach sie mit seiner Jgelhaut bis sie ganz blutig war, sagte: „das ist der Lohn fuͤr eure Falschheit, geh’ hin, ich will dich nicht,“ und jagte sie damit nach Haus und war sie beschimpft ihr Lebtag.
Hans mein Jgel aber ritt weiter auf seinem Goͤckelhahn und mit seinem Dudelsack nach dem zweiten Koͤnigreich, wo er dem Koͤnig auch den Weg gezeigt hatte. Der aber hatte bestellt, wenn einer kaͤm’, wie Hans mein Jgel, sollten sie das Gewehr vor ihm praͤsentiren, ihn frei hereinfuͤhren, Vivat rufen und ihn ins koͤnigliche Schloß bringen. Wie ihn nun die Prinzessin sah, war sie erschrocken, weil er doch gar so wunderlich aussah, sie dachte aber, es waͤre nicht anders, sie haͤtte es ihrem Vater versprochen. Da ward Hans mein Jgel von ihr bewillkommt, mußte mit an die koͤnigliche Tafel gehen und sie setzte sich zu seiner Seite und sie aßen und tranken. Wie’s nun Abend ward, daß sie wollten schlafen gehen, da fuͤrchtete sie sich sehr vor seinen Stacheln, er aber sprach, sie sollte sich nicht fuͤrchten, es geschaͤh ihr kein Leid, und sagte zu dem alten Koͤnig, er sollte vier Mann bestellen, die sollten wachen vor der Kammerthuͤre und ein großes Feuer anmachen, und wann er in die Kammer eingehe und sich ins Bett legen wolle, wuͤrde er aus seiner Jgelshaut herauskriechen und sie
vor dem Bett liegen lassen; dann sollten die Maͤnner hurtig herbeispringen und sie in’s Feuer werfen, auch dabei bleiben, bis sie vom Feuer verzehrt waͤre. Wie die Glocke nun elfe schlug, da ging er in die Kammer und streifte die Jgelshaut ab, und ließ sie vor dem Bett liegen, da kamen die Maͤnner und holten sie geschwind und warfen sie ins Feuer, und als sie das Feuer verzehrt hatte, da war er erloͤst und lag da im Bett ganz als ein Mensch gestaltet, aber er war kohlschwarz wie gebrannt. Der Koͤnig schickte zu seinem Arzt, der wusch ihn mit guten Salben und balsamirte ihn, da ward er weiß und war ein schoͤner junger Herr. Wie das die Prinzessin sah, war sie froh, und sie stiegen auf mit Freuden, aßen und tranken und ward die Vermaͤhlung gehalten, und Hans mein Jgel bekam das Koͤnigreich von dem alten Koͤnig.
Wie etliche Jahre herum waren, fuhr er mit seiner Gemahlin zu seinem Vater und sagte, er waͤre sein Sohn, der Vater aber sprach, er haͤtte keinen, er haͤtte nur einen gehabt, der waͤr’ aber wie ein Jgel mit Stacheln geboren worden und in die Welt gegangen. Da gab er sich zu erkennen, und der alte Vater freute sich und ging mit ihm in sein Koͤnigreich.
109.
Das Todtenhemdchen.
Es hatte eine Mutter ein Buͤblein von sieben Jahren, das war so schoͤn und lieblich, daß es niemand ansehen konnte ohne ihm gut zu seyn und sie hatte es auch lieber, als alles auf der Welt. Nun geschah es, daß es ploͤtzlich krank wurde und der liebe Gott es zu sich nahm; daruͤber konnte sich die Mutter nicht troͤsten und weinte Tag und Nacht. Bald darauf aber, nachdem es begraben war, zeigte sich das Kind Nachts an den Plaͤtzen, wo es sonst im Leben gesessen und gespielt hatte; weinte die Mutter, so weinte es auch, und wenn der Morgen kam, war es verschwunden. Als aber die Mutter gar nicht aufhoͤren wollte zu weinen, kam es in einer Nacht mit seinem weißen Todtenhemdchen, in welchem es in den Sarg gelegt war, und mit dem Kraͤnzchen auf dem Kopf, setzte sich zu ihren Fuͤßen auf das Bett und sprach: „ach Mutter! hoͤr’ doch auf zu weinen, sonst kann ich in meinem Sarge nicht einschlafen, denn mein Todtenhemdchen wird nicht trocken von deinen Thraͤnen, die alle darauf fallen.“ Da erschrak die Mutter, als sie das hoͤrte, und weinte nicht mehr. Und in der andern Nacht kam das Kindchen wieder, hielt in der Hand ein Lichtchen, und sagte: „siehst du, nun ist mein Hemdchen bald trocken und ich habe Ruhe in meinem Grab.“ Da befahl die Mutter dem lieben Gott ihr Leid und ertrug es still und geduldig und das Kind kam nicht wieder, sondern schlief in seinem unterirdischen Bettchen.
110.
Der Jude im Dorn.
Ein Bauer hatte einen gar getreuen und fleißigen Knecht, der diente ihm schon drei Jahre, ohne daß er ihm seinen Lohn bezahlt hatte. Da fiel es ihm endlich bei, daß er doch nicht ganz umsonst arbeiten wollte, ging vor seinen Herrn und sprach: „ich habe euch unverdrossen und redlich gedient die lange Zeit, darum so vertraue ich zu euch, daß ihr mir nun geben wollet, was mir von Gottes Recht gebuͤhrt.“ Der Bauer aber war ein Filz und wußte, daß der Knecht ein einfaͤltiges Gemuͤth hatte, nahm drei Pfennige und gab sie ihm, fuͤr jedes Jahr einen Pfennig, damit waͤre er bezahlt. Und der Knecht meinte ein großes Gut in Haͤnden zu haben, dachte: „was willst du dir’s laͤnger sauer werden lassen, du kannst dich nun pflegen und in der Welt frei lustig machen.“ Steckte sein großes Geld in den Sack und wanderte froͤhlich uͤber Berg und Thal.
Wie er auf ein Feld kam singend und springend, erschien ihm ein kleines Maͤnnlein, das fragte ihn seiner Lustigkeit wegen. „Ei! was sollt’ ich trauern, gesund bin ich, und Geldes hab’ ich grausam viel, brauche nichts zu sorgen; was ich in drei Jahren bei meinem Herrn erdient, das hab’ ich gespart und ist all’ mein.“ „ Wie viel ist denn deines Guts?“ sprach das Maͤnnlein. Drei ganzer Pfennig, sagte der Knecht. „Schenk’ mir deine drei Pfennige, ich bin ein armer Mann.“ Der Knecht war aber gutmuͤthig, erbarmte sich und gab sie hin. Sprach der Mann: „weil
du reines Herzens bist, sollen dir drei Wuͤnsche erlaubt seyn, fuͤr jeden Pfennig einer, so hast du was dein Sinn begehrt.“ Das war der Knecht wohl zufrieden, dachte, Sachen sind mir lieber als Geld und sprach: „erstens wuͤnsche ich mir ein Vogelrohr, das alles trifft, was ich ziele, zweitens eine Fiedel, wenn ich die streiche, muß alles tanzen, was sie hoͤrt; drittens, warum ich die Leute bitte, daß sie es mir nicht abschlagen duͤrfen.“ Das Maͤnnchen sagte: alles sey dir gewaͤhrt und stellte ihm Fiedel und Vogelrohr zu; darauf ging es seiner Wege.
Mein Knecht aber, war er vorher froh gewesen, duͤnkte er sich jetzt noch zehnmal froher, und ging nicht lange zu, so begegnete ihm ein alter Jude. Da stand ein Baum und oben drauf auf dem hoͤchsten Zweig saß eine kleine Lerche und sang und sang. „Gotts Wunder! was so ein Thierlein kann, haͤtt’ ich’s, gaͤb’ viel darum.“ „ Wenn es weiter nichts ist, die soll bald herunter,“ sagte der Knecht, setzte sein Rohr an und schoß die Lerche auf das Haar, daß sie den Baum herabfiel, „geht hin und leset sie auf,“ sie war aber ganz tief in die Dornen unten am Baum hineingefallen. Da kroch der Jude in den Busch und wie er mitten drin stack, zog mein Knecht seine Fiedel und geigte, fing der Jude an zu tanzen und hatte keine Ruh, sondern sprang immer staͤrker und hoͤher; der Dorn aber zerstach seine Kleider, daß die Fetzen herum hingen und ritzte und wundete ihn, daß er am ganzen Leibe blutete. „Gotts willen! schrie der Jude, laß der Herr sein Geigen seyn, was hab’ ich verbrochen?“ Die Leute hast du genug geschunden, dachte der lustige Knecht, so geschieht dir kein
Unrecht, und spielte einen neuen Huͤpfauf. Da legte sich der Jude auf Bitten und Versprechen und wollte ihm Geld geben, wenn er aufhoͤrte, allein das Geld war dem Knecht erst lange nicht genug und trieb ihn immer weiter, bis der Jude ihm hundert harte Gulden verhieß, die er im Beutel fuͤhrte und eben einem Christen abgeprellt hatte. Wie mein Knecht das viele Geld sah, sprach er: „unter dieser Bedingung ja,“ nahm den Beutel und stellte sein Fiedeln ein; darauf ging er ruhig und vergnuͤgt weiter die Straße.
Der Jude riß sich halb nackt und armselig aus dem Dornstrauch, uͤberschlug, wie er sich raͤchen moͤchte, und fluchte dem Gesellen alles Boͤse nach. Lief endlich zum Richter, klagte daß er von einem Boͤsewicht unverschuldeter Weise seines Geldes beraubt und noch dazu zerschlagen waͤre, daß es erbarmte, und der Kerl, der es gethan haͤtte, truͤge ein Rohr auf dem Buckel und eine Geige hinge an seinem Hals. Da sandte der Richter Boten und Haͤscher aus, die sollten den Knecht fahen, wo sie ihn koͤnnten sehen, der wurde bald ertappt und vor Gericht gestellt. Da klagte der Jude, daß er ihm das Geld geraubt haͤtte, der Knecht sagte: „nein, gegeben hast du mir’s, weil ich dir aufgespielt habe,“ aber der Richter machte das Ding kurz und verurtheilte meinen Knecht zum Tod am Galgen. Schon stand er auf der Leitersprosse, den Strick am Hals, da sprach er: „Herr Richter, gewaͤhrt mir eine letzte Bitte!“ — „Wofern du nicht dein Leben bittest, soll sie gewaͤhrt seyn.“ „Nein, um mein Leben ist’s nicht, laßt mich noch eins auf meiner Geige geigen zu guter Letzt.“ Da schrie
der Jude: „bewahre Gott! erlaubt’s ihm nicht! erlaubt’s ihm nicht!“ allein das Gericht sagte: „einmal ist es ihm zugestanden und dabei soll’s bewenden,“ auch durften sie’s ihm nicht weigern, weil er die Gabe hatte, daß ihm keiner die Bitte abschlug. Da schrie der Jude: „bindet mich fest, um Gotteswillen!“ mein Knecht aber faßte seine Fiedel und that einen Strich, da wankte alles und bewegte sich, Richter, Schreiber und Schergen und den Jud’ konnte keiner binden, und er that den zweiten Strich, da ließ ihn der Henker los und tanzte selber, und wie er nun ordentlich in’s Geigen kam, tanzte alles zusammen, Gericht und der Jude vornen und alle Leute auf dem Markt die da wollten zuschauen. Und anfangs ging’s lustig, weil aber das Geigen und Tanzen kein Ende nahm, so schrien sie jaͤmmerlich und baten ihn, abzulassen, aber er that’s nicht eher, bis ihm der Richter das Leben nicht nur schenkte, sondern auch versprach die hundert Gulden zu lassen. Aber noch rief er dem Juden zu: „Spitzbub’ gesteh wo du das Geld her hast, sonst hoͤr’ ich dir nicht auf zu spielen.“ „Jch hab’s gestohlen, ich hab’s gestohlen und du hattest es ehrlich verdient“ schrie der Jude, daß es alle hoͤrten. Da ließ mein Knecht die Geige ruhen und der Schuft wurde fuͤr ihn an den Galgen gehaͤngt.
111.
Der gelernte Jaͤger.
Es war einmal ein junger Bursch, der hatte die Schlosserhandthierung gelernt und sprach zu seinem Vater, er muͤßte in die Welt gehen und sich versuchen. „Ja, sagte der Vater, das bin ich zufrieden“ und gab ihm etwas Geld auf die Reise. Also zog er herum; auf eine Zeit, da wollt’ ihm das Schlosserwerk nicht mehr folgen und stand ihm auch nicht mehr an, aber er kriegte Lust zur Jaͤgerei. Da begegnete ihm auf der Wanderschaft ein Jaͤger in gruͤnem Kleide, der fragte, wo er her kaͤm’ und hin wollte? Er waͤr’ ein Schlossergesell, sagte der Bursch, aber das Handwerk gefiele ihm nicht mehr, haͤtte Lust zur Jaͤgerei, ob er sie ihm lehren wollte. — „O ja, wenn du mit mir gehen willst.“ Da ging der junge Bursch mit und vermiethete sich etliche Jahre bei ihm und lernte die Jaͤgerei. Darnach wollt’ er sich weiter versuchen, und der Jaͤger gab ihm nichts zum Lohn als eine Windbuͤchse, die hatte aber die Eigenschaft, wenn er damit schoß, so traf er ohnfehlbar. Da ging er nun fort und kam in einen sehr großen Wald, von dem konnt’ er in einem Tag das Ende nicht finden; wie’s Abend war, setzte er sich auf einen hohen Baum, damit er aus den wilden Thieren kaͤme. Gegen Mitternacht zu, daͤuchte ihm, schimmerte ein kleines Lichtchen von weitem, da sah er durch die Aeste darauf hin und behielt in acht, wo es war. Doch nahm er erst noch seinen Hut und warf ihn nach dem Licht zu herunter, daß er darnach gehen wollte, wann er
herabgestiegen waͤr, als nach einem Zeichen. Nun kletterte er herunter, ging auf seinen Hut los, setzte ihn wieder auf und zog gerades Wegs fort. Je weiter er ging, je groͤßer ward das Licht, und wie er nahe dabei kam, sah er, daß es ein gewaltiges Feuer war und saßen drei Riesen dabei, und hatten einen Ochsen am Spieß und ließen ihn braten. Nun sprach der eine: „ich muß doch schmecken, ob das Fleisch bald gahr ist,“ riß ein Stuͤck herab und hielts an den Mund, indem schoß es ihm der Jaͤger aus der Hand.“ „Nun ja, sprach der Riese, da weht mir der Wind das Stuͤck aus der Hand!“ und nahm sich ein anderes. Wie er eben anbeißen wollte, schoß es ihm der Jaͤger abermals weg; da gab der Riese dem, der neben ihm saß, eine Ohrfeige und rief zornig: „was reißt du mir mein Stuͤck weg!“ „Jch habe dir nichts weggerissen,“ sprach der andere, „es wird dirs ein Scharfschuͤtz weggeschossen haben.“ Der Riese nahm sich das dritte Stuͤck, er konnts aber nicht in der Hand behalten, der Jaͤger schoß es ihm heraus. Da sprachen die Riesen: „das muß ein guter Schuͤtze seyn, der den Bissen vor dem Maul wegschießen kann, so einer waͤr’ uns nuͤtzlich“ und riefen laut: „komm herbei, du Scharfschuͤtze, setz dich ans Feuer und iß dich satt, wir wollen dir nichts thun; aber kommst du nicht und wir holen dich mit Gewalt, so bist du verloren.“ Da trat der Bursch herzu und sagte, er war’ ein gelernter Jaͤger und wornach er mit seiner Buͤchse ziele, das treffe er auch sicher und gewiß. Da sprachen sie, wenn er mit ihnen gehe, solle ers gut haben und erzaͤhlten ihm, vor dem Wald sey ein groß Wasser, dahinter staͤnd ein Thurm, und in
dem Thurm saͤß eine schoͤne Koͤnigstochter, die wollten sie gern rauben. „Ja, sprach er, die will ich bald geschafft haben.“ Sagten sie weiter: „es ist aber etwas noch dabei, es liegt ein kleines Huͤndchen dort, das faͤngt gleich an zu bellen, wann sich jemand naͤhert, und sobald das bellt, wacht auch alles am koͤniglichen Hofe auf, darum koͤnnen wir nicht hinein kommen; unterstehst du dich, das Huͤndchen todt zu schießen?“ „Ja, sprach er, das ist mir ein kleiner Spaß.“ — Darnach setzte er sich auf ein Schiff und fuhr uͤber das Wasser, und wie er bald beim Land war, kam das Huͤndchen gelaufen und wollte bellen, aber er kriegte seine Windbuͤchse und schoß es todt. Wie die Riesen das sahen, freuten sie sich, und meinten, sie haͤtten die Koͤnigstochter nun schon gewiß; er sprach aber zu ihnen, sie sollten haußen bleiben, bis er ihnen riefe. Da ging er in das Schloß und es war maͤuschenstill und schlief alles; wie er das erste Zimmer aufmachte, hing da ein Saͤbel an der Wand, der war von purem Silber und ein goldener Stern darauf und des Koͤnigs Name; daneben aber stand ein Tisch und auf dem Tisch lag ein versiegelter Brief, den brach er auf und stand darin, wer den Saͤbel haͤtte, koͤnnte alles ums Leben bringen, was ihm vorkaͤme. Da nahm er den Saͤbel von der Wand, hing ihn um und ging weiter, da kam er in das Zimmer, wo die Koͤnigstochter lag und schlief, und sie war so schoͤn, daß er still stand und sie betrachtete und den Athem anhielt. Wie er sich weiter umschaute, da standen unter dem Bett ein Paar Pantoffeln, auf dem rechten stand ihres Vaters Name mit einem Stern und auf dem linken ihr Name mit einem Stern. Sie hatte
auch ein großes Halstuch um, von Seide mit Gold ausgestickt, auf der rechten Seite ihres Vaters Name, auf der linken ihr Name, alles mit goldenen Buchstaben. Da nahm der Jaͤger eine Scheere und schnitt den rechten Schlippen ab und stopfte ihn in seinen Ranzen und dann nahm er auch den rechten Pantoffel mit des Koͤnigs Namen, und steckte ihn hinein. Nun lag die Jungfrau noch immer und schlief, und sie war ganz in ihr Hemd eingenaͤht, da schnitt er auch ein Stuͤckchen von dem Hemd ab und steckte es zu dem andern, doch that er das alles, ohne sie anzuruͤhren. Dann ging er wieder fort und ließ sie schlafen und als er wieder ans Thor kam, standen da die Riesen noch draußen, warteten auf ihn und dachten, er wuͤrde die Koͤnigstochter bringen. Er rief ihnen aber zu, sie sollten sich auch herein machen, die Jungfrau waͤre schon in seiner Gewalt; die Thuͤre koͤnnte er ihnen aber nicht aufmachen, da waͤr ein Loch, durch welches sie kriechen muͤßten. Nun kam der erste naͤher, da wickelte der Jaͤger des Riesen Haar um seine Hand, zog den Kopf herein und hieb ihn mit seinem Saͤbel in einem Streich ab und duns (zog) ihn dann vollends herein. Dann rief er den zweiten und hieb ihm gleichfalls das Haupt ab, und endlich auch dem dritten, und war froh, daß er die schoͤne Jungfrau von ihren Feinden befreit hatte, und schnitt ihnen die Zungen aus und steckte sie in seinen Ranzen. Da dacht er, ich will heim gehen zu meinem Vater und ihm zeigen, was ich schon gethan habe, dann will ich in der Welt herum ziehen, das Gluͤck, das mir Gott bescheren will, wird mich schon erreichen.
Der Koͤnig in dem Schloß aber, als er aufwachte, sah drei Riesen da todt liegen; ging in die Schlafkammer seiner Tochter, weckte sie auf und fragte, wer das wohl gewesen, der die Riesen ums Leben gebracht. Da sagte sie: „lieber Vater, ich weiß es nicht, ich habe geschlafen.“ Wie sie nun aufstand und ihre Pantoffeln anziehen wollte, da war der rechte weg, und wie sie ihr Halstuch betrachtete, war es durchschnitten und fehlte der rechte Schlippen, und wie sie ihr Hemd ansah, war ein Stuͤckchen heraus. Der Koͤnig ließ den ganzen Hof zusammen kommen, Soldaten und alles was da war, und fragte, wer seine Tochter befreit und die Riesen haͤtte ums Leben gebracht? Nun hatte er einen Hauptmann, der war einaͤugig und ein haͤßlicher Mensch, der sagte, er haͤtte es gethan. Da sprach der alte Koͤnig, so er das vollbracht, sollte er seine Tochter auch heirathen. Die Jungfrau aber sagte: „lieber Vater, dafuͤr, daß ich den heirathen soll, will ich lieber in die Welt gehen, so weit als mich meine Beine tragen.“ Da sprach der Koͤnig, wenn sie den nicht heirathen wollte, sollte sie die koͤniglichen Kleider ausziehen und Bauernkleider anthun, und fortgehen; und sie sollte zu einem Toͤpfer gehen und sich einen irden Geschirr-Handel anfangen. Da thaͤt sie ihre koͤniglichen Kleider aus und ging zu einem Toͤpfer und borgte sich einen Kram irden Werk; versprach ihm auch, wenn sie’s am Abend verkauft haͤtte, es zu bezahlen. Nun sagte der Koͤnig, sie sollte sich an eine Ecke damit setzen und es verkaufen, dann bestellte er etliche Bauernwagen, die sollten mitten durchfahren, daß alles in tausend Stuͤcke ging. Wie nun die
Koͤnigstochter ihren Kram auf die Straße hingestellt hatte, kamen die Wagen und zerbrachen ihn zu lauter Scherben; fing sie an zu weinen und sprach: „ach Gott! wie will ich nun dem Toͤpfer bezahlen.“ Der Koͤnig aber hatte sie damit zwingen wollen, den Hauptmann zu heirathen, statt dessen ging sie wieder zum Toͤpfer und fragte ihn, ob er ihr noch einmal borgen wollte. Er antwortete nein, sie sollte erst das Vorige bezahlen. Da ging sie zu ihrem Vater und schrie und sagte, sie wollte in die Welt hineingehen. Da sprach er, sie sollt hingehen in den Wald, da wollt’ er ihr ein Haͤuschen bauen, darin sollt’ sie ihr Lebtag sitzen und fuͤr jedermann kochen; duͤrfte aber kein Geld nehmen. Also ließ er ihr ein Haͤuschen im Wald bauen, vor die Thuͤre ein Schild, darauf stand geschrieben: „heute umsonst, morgen fuͤr Geld.“ Da saß sie lange Zeit und sprach es sich in der Welt herum, da saͤß eine Jungfrau, die kochte umsonst und das staͤnd vor der Thuͤre an einem Schild. Das hoͤrte auch der Jaͤger und dachte: ei! das waͤr’ etwas fuͤr dich, du bist doch arm und hast kein Geld; nahm also seine Windbuͤchse und seinen Ranzen, worin noch alles steckte, was er damals im Schloß als Wahrzeichen hineingethan hatte, und ging in den Wald und fand auch das Haͤuschen mit dem Schild: „heute umsonst, morgen fuͤr Geld.“ Er hatte aber den Degen umhaͤngen, womit er den drei Riesen den Kopf abgehauen hatte, trat so in das Haͤuschen hinein und ließ sich etwas zu essen geben. Er freute sich uͤber das schoͤne Maͤdchen, es war aber auch bildschoͤn. Sie fragte ihn, wo er her kaͤm und hin wollte, da sagte er: „ich reise in der Welt herum.“ Da fragte
sie ihn, wo er den Degen her haͤtte, da staͤnde ja ihres Vaters Name darauf! Fragte er, ob sie des Koͤnigs Tochter waͤre? „ja“ sagte sie. „Mit diesem Saͤbel, sprach er, hab’ ich drei Riesen den Kopf abgehauen“ und holte zum Zeichen ihre Zungen aus dem Ranzen, dann zeigte er ihr auch den Pantoffel, den Schlippen vom Halstuch und das Stuͤck vom Hemd. Da war sie voller Freude und sagte, er waͤr’ derjenige, der sie erloͤst haͤtte. Darauf gingen sie zusammen zum alten Koͤnig, und sie fuͤhrte ihn in ihre Kammer und sagte ihm, der Jaͤger sey der rechte, der sie erloͤst haͤtte von den Riesen. Und wie der alte Koͤnig die Wahrzeichen alle sah, da konnt’ er nicht mehr zweifeln und sagte, das waͤr’ ihm lieb, und er sollte sie nun auch zur Gemahlin haben; daruͤber war die Jungfrau von Herzen froh. Darauf kleideten sie ihn, als wenn er ein fremder Herr waͤre, und der Koͤnig ließ ein Gastmahl anstellen. Als sie nun zu Tisch gingen, kam der Hauptmann auf die linke Seite der Koͤnigstochter, der Jaͤger aber auf die rechte, und der Hauptmann meinte, das sey ein fremder Herr und waͤr’ zum Besuch gekommen. Wie sie gegessen und getrunken hatten, sprach der alte Koͤnig zum Hauptmann, er wollt’ ihm etwas aufgeben, das sollt’ er errathen: wenn einer spraͤch, er haͤtte drei Riesen ums Leben gebracht und er gefragt wuͤrde, wo die Zungen der Riesen waͤren, und er muͤßt’ zusehen, und waͤren keine in ihren Koͤpfen, wie das zuginge? Da sagte der Hauptmann: „sie werden keine gehabt haben.“ „Ei! sagte der Koͤnig, jed’ Gethier hat eine Zunge,“ und fragte weiter, was der werth waͤre, daß ihm widerfuͤhre? Da sprach der Hauptmann:
„der gehoͤrt in Stuͤcken zerrissen zu werden.“ Da sagte der Koͤnig, er haͤtte sich selber sein Urtheil gesprochen, und ward der Hauptmann gefaͤnglich gesetzt und dann in vier Stuͤcke zerrissen, die Koͤnigstochter aber mit dem Jaͤger vermaͤhlt, der holte seinen Vater und seine Mutter und die lebten in Freude bei ihrem Sohn, und nach des alten Koͤnigs Tod bekam er das Reich.
112.
Der Dreschflegel vom Himmel.
Es zog einmal ein Bauer mit einem Paar Ochsen zum Pfluͤgen aus, als er aufs Land kam, da fingen den beiden Thieren die Hoͤrner an zu wachsen, wuchsen fort, und als er nach Haus wollte, waren sie so groß, daß er nicht mit zum Thor hinein konnte. Zu gutem Gluͤck kam gerade ein Metzger daher, dem uͤberließ er sie, und schlossen sie den Handel dergestalt, daß er sollte dem Metzger ein Maaß Ruͤbsamen bringen, der wollt’ ihm dann fuͤr jedes Korn einen brabanter Thaler aufzaͤhlen. Das heiß ich mir gut verkauft! Der Bauer ging nun heim und trug das Maaß Ruͤbsamen auf dem Ruͤcken herbei; unterwegs verlor er aber aus dem Sack ein Koͤrnchen. Der Metzger bezahlt’ ihm nach dem Handel richtig aus; haͤtte der Bauer das eine Korn nicht verloren, so haͤtte er einen brabanter Thaler mehr gehabt. Jndessen, wie er wieder des Wegs zuruͤck kam, war aus dem Korn ein Baum gewachsen, der reichte bis an den Himmel. „Ei, dachte der Bauer, weil die Gelegenheit da ist, mußt du doch sehen,
was die Engel da droben machen und ihnen einmal unter die Augen gucken.“ Also stieg er hinauf und sah, daß die Engel oben Hafer droschen und schaute das mit an; wie er so schaute, merkte er, daß der Baum, worauf er stand, anfing zu wackeln und guckte hinunter und sah, daß ihn eben einer umhauen wollte. „Wenn du da herab stuͤrzest, das waͤr’ ein boͤses Ding!“ dachte er, und in der Noth wußt’ er sich nicht besser zu helfen, als daß er die Spreu vom Hafer nahm, die haufenweis da lag und daraus einen Strick drehte, auch griff er nach einer Hacke und einem Dreschflegel, die da herum im Himmel lagen und ließ sich an dem Seil herunter. Er kam aber unten auf der Erde gerade in ein tiefes, tiefes Loch, und da war es ein rechtes Gluͤck, daß er die Hacke hatte, denn die nahm er und hackte sich eine Treppe und brachte den Dreschflegel zum Wahrzeichen mit.
113.
De beiden Kuͤnnigeskinner.
Et was mol en Kuͤnig west, de hadde en kleinen Jungen kregen, in den sin Teiken (Zeichen) hadde stahn, he sull von einen Hirsch uͤmmebracht weren, wenn he sestein Johr alt waͤre. Ase he nu so wit anewassen was, do gingen de Jaͤgers mol mit uͤnne up de Jagd. Jn den Holte, da kuͤmmt de Kuͤnigssohn bie de anneren denne (von den andern weg), up ein mol suͤht he da ein grooten Hirsch, den wull he scheiten, he kunn en awerst nig dreppen; up’t lest is de Hirsch so lange fuͤr uͤnne herut laupen, bis
gans ut den Holte; da steiht da up einmol so ein grot lank Mann stad des Hirsches, de segd: „nu dat is gut, dat ik dik hewe, schon 6 paar gleserne Schlitschau hinner di caput jaget, un hewe dik nig kriegen koͤnnt.“ Da nuͤmmet he uͤn mit sik un schlippet em dur ein grot Water bis fuͤr en grot Kuͤnigsschlott, da mut he mit an’n Disk un eten wat. Ase se tosammen wat geeten het, segd de Kuͤnig: „ik hewe drei Doͤchter, bie der oͤlesten mußt du en Nacht waken, von des Obends niegen Uhr bis Morgen sesse, un ik kumme jedesmol, wenn de Klocke schlaͤtt, suͤlwens un rope. Un wenne mie dann immer Antwort givst, so salst du se tor Fruen hewen.“ Ase do die jungen Lude up de Schlopkammer kaͤmen, da stund der en steinern Christoffel, da segd de Kuͤnigsdochter to emme: „um niegen Uhr kummet min Teite (Vater), alle Stunne bis et dreie schlaͤtt, wenn he froget, so giwet gi em Antwort statt des Kuͤnigssohns,“ da nickede de steinerne Christoffel mit den Koppe gans schwinne un dann juͤmmer langsamer, bis he to leste wier stille stund. Den anneren Morgen, da segd de Kuͤnig to emme: „du hest dine Sacken gut macket, awerst mine Dochter kann ik nig hergiewen, du moͤstest dann tin Nachte bie de tweiten wacken, dann will ik mie mal drup bedenken, ob du mine oͤlleste Dochter tor Frugge hewen kannst; awerst ik kumme olle Stunne suͤlwenst, un wenn ik die rope, so antworte mie, un wenn ik die rope un du antwortest nig, so soll fleiten din Blaud fuͤr mie.“ Un da gengen de beiden up de Schlopkammer, da stahnd da noch en groͤteren steineren Christoffel, dato seg de Kuͤnigsdochter: „wenn min Teite froͤgt, so antworte du,“ da nickede de grote
steinerne Christoffel wier mit den Koppe gans schwinne un dann juͤmmer langsamer, bis he to leste wier stille stund. Un de Kuͤnigssohn legte sik up den Doͤrsuͤll (Thuͤrschwelle), legte de Hand unner den Kopp un schlaͤpt inne. Den anneren Morgen seh de Kuͤnig to uͤnne: „du hast dine Sacken twaren gut macket, awerst mine Dochter kann ik nig hergiewen, du moͤstest suͤs bie der jungesten Kuͤnigsdochter en Nacht wacken, dann will ik mie bedenken, ob du mine tweide Dochter tor Frugge hewen kannst; awerst ik kumme alle Stunne suͤlwenst, un wenn ik rope, so antworte mie, un wenn ik die rope un du antwortest nig, so soll fleiten dein Blaud fuͤr mie.“ Da gingen se wier tohope (zusammen) up ehre Schlopkammer, da was da noch en viel groͤtern un viel laͤngern Christoffel, ase bie de twei ersten; dato segde de Kuͤnigsdochter: „wenn min Teite roͤpet, so antworte du,“ da nickede de grote lange steinerne Christoffel wohl ene halwe Stunne mit den Koppe, bis de Kopp tolest wier stille stund. Un de Kuͤnigssohn legte sik up de Doͤrsuͤl und schlaͤp inne. Den annern Morgen da segd de Kuͤnig: „du hast twaren gut wacket, awerst ik kann die noch mine Dochter nig giewen, ik hewe so en groten Wall, wenn du mie den von huͤte Morgen sesse bis tin Morgen afhoggest, so will ik mie drup bedenken.“ Da dehe (that d. i. gab) he uͤnne en gleserne AxtExen, en glaͤsernen Kiel un en gleserne Holt-Hacke midde. Wie he in dat Holt kummen is, da hoggete he einmal to, da was de AxtExe entwei, da nam he den Kiel un schlett einmal mit de Holt-Hacke daruppe, da is et so kurt un so klein ase Grutt (Sand). Da was he so bedroͤwet und gloͤvte, nu moͤste he sterwen,
un he geit sitten un grient (weinte). Asset nu Middag is, da segd de Kuͤnig: „eine von juck Maͤken mott uͤnne wat to etten bringen.“ — „Nee, segged de beiden oͤllesten, wie willt uͤn nicks bringen, wo he dat leste bie wacket het, de kann uͤn auck wat bringen.“ Da mutt de jungesten weg un bringen uͤnne wat to etten. Ase in den Walle kummet, da fraͤgt se uͤn, wie et uͤnne ginge? O, sehe he, et ginge uͤn gans schlechte. Do sehe se, he sull herkummen un etten erst en bitken; nee, seh he, dat kuͤnne he nig, he moͤste jo doch sterwen, etten wull he nig mehr. Do gav se uͤnne so viel gute Woore, he moͤchte et doch versoͤken; do kuͤmmt he un ett wat. Ase he wat getten het, do sehe se: „ik will die eest en bitken lusen, dann werst du annerst to Sinnen.“ Do se uͤn luset, do werd he so moͤhe un schloͤppet in, un do nuͤmmet se ehren Doock un binnet en Knupp do in und schlaͤtt uͤn drei mol up de Eere un segd: „Arweggers herut!“ Do wuͤren glick so viele Eerdmaͤnneken herfurkummen un hadden froget, wat de Kuͤnigsdochter befelde. Do seh se: „in Tied von drei Stunnen mutt de groote Wall afhoggen un olle dat Holt in Hoͤpen settet sien.“ Do gingen de Eerdmaͤnnekens herum un boen ehre ganse Verwanschap up, dat se ehnen an de Arweit helpen sullen. Do fingen se glick an un ase de drei Stunne uͤmme wuͤren, do is alles to enneEnne west; un do keimen se wier to der Kuͤnigsdochter un sehen’t ehr. Do nuͤmmet se wier ehren witten Doock un segd: „Arweggers nah Hus!“ Do siet se olle wier wege west. Do de Kuͤnigssuhn upwacket, do werd he so frau, do segd se: „wenn et nu sesse schloen het, so kumme nah
Hus!“ Dat het he auk bevolget un do fraͤgt de Kuͤnig: „hest du den Wall aawe?“ „Ja“ segd de Kuͤnigssuhn. Ase se do an en Diske sittet, do seh de Kuͤnig: „ik kann die nau mine Dochter nie tor Frugge giewen,“ he moͤste eest nau wat umme se dohen. Do fraͤgt he, wat dat den sien sulle? „Jk hewe so en grot Dieck, seh de Kuͤnig, do most du den annern Morgen hoͤnne, un most en utschloen, dat he so blank is, ase en Spegel, un et muͤttet von ollerhand Fiske dorinne sien.“ Den anneren Morgen do gav uͤnne de Kuͤnig ene gleserne Schute (Schuͤppe) un segd: „umme sess Uher mot de Dieck ferig sien.“ Do geit he weg, ase he bie den Dieck kummet, do stecket he mit de Schute in de Muhe (Moor, Sumpf), do brack se af; do stecket he mit de Hacken in de Muhe un et was wier caput. Do wert he gans bedroͤwet. Den Middag brachte de juͤngeste Dochter uͤnne wat to etten, do fraͤgt se, wo et uͤnne ginge? Do seh de Kuͤnigssuhn, et ginge uͤnne gans schlechte, he sull sienen Kopp wohl mißen mutten; „dat Geschirr is mie wier klein gohen.“ — „O, seh se, he sull kummen un etten eest wat, dann west du anneren Sinnes.“ „Nee, segde he, etten kunn he nig, he wer gar to bedroͤwet,“ do givt se uͤnne viel gude Woore, bis he kummet un ett wat. Do luset se uͤnn wier, un he schloppet in, se nuͤmmet von niggen en Doock, schlett en Knupp do inne, un kloppet mit den Knuppe dreimol up de Eere un segd: „Arweggers herut!“ da kummt glick so viele Eerdmaͤnnekens un froget olle, wat ehr Begeren waͤr? „Jn Tied von drei Stunne mosten se den Diek gans utschloen hewen un he moͤste so blank sien, dat man sik inne
speigelen kuͤnne, un von ollerhand Fiske mosten dorinne sien.“ Do gingen de Eerdmaͤnnekens huͤnn un boen ehre Verwanschap up, dat se uͤnnen helpen sullen; un et is auck in twei Stunnen ferrig west. Do kummet se wier un sehget: „wie haͤt dohen, so us befolen is.“ Do nuͤmmet de Kuͤnigsdochter den Doock un schlett wier dremol up de Eere un segd: „Arweggers to Hus!“ do siet se olle wier weg. Ase do de Kuͤnigssohn upwecket, do is de Dieck ferrig. Do geit de Kuͤnigsdochter auck weg und segd, wenn et sesse waͤr, dann sull he nah Hus kummen; ase he do nah Hus kummet, do fraͤgt de Kuͤnig: „hes du den Dieck ferrig?“ „Jo“ seh de Kuͤnigssuhn. „Dat wer schoͤne.“ Do se do wier to Diske seiten, do seh de Kuͤnig: „du hast den Dieck twaren ferrig, awerst ik kann die mine Dochter noch nie giewen, du most eerst nau eins dohen.“ — „Wat is dat den?“ froͤgte de Kuͤnigssuhn. „He hedde so en grot Berg, do wuͤren luter Dorenbuske anne, de mosten olle afhoggen weren, un bowen up moste he en grot Schlott buggen, dat moste so wacker sien, ase’t nu en Menske denken kunne, un olle Jngedoͤmse, de in den Schlott gehorden, de moͤsten der olle inne sien.“ Do he nu den annern Morgen up steit, do gav uͤnne de Kuͤnig en gleseren Exen un en gleseren Boren mie, et mott awerst um sess Uhr ferrig sien. Do he an den eersten Dorenbuske mit de Exe an hogget, do ging se so kurt un so klein, dat de Stuͤcker rund um uͤnne herfloen un de Boren kunn he auck nig brucken. Do war he gans bedroͤwet un toffte (wartete) up sine Leiweste, op de nie keime un uͤnn ut der Naud huͤlpe. Ase’t do Middag is, do kummet se und bringt wat
to etten, do geit he ehr in de Moͤte (entgegen) un vertellt ehr olles, un ett wat, un lett sik von ehr lusen, un schloppet in. Do nuͤmmet se wier den Knupp un schlett domit up de Eere un segd: „Arweggers herut!“ Do kummet wier so viel Eerdmaͤnnekens un froget, wat ehr Begeren wuͤr? Do seh se: „in Tied von drei Stunnen muͤttet ju de gansen Busk afhoggen un bowen uppe den Berge, do mot en Schlott stahen, dat mot so wacker sien, ase’t nu ener denken kann un olle Jngedoͤmse muttet do inne sien.“ Do ginge se huͤnne un boen ehre Verwanschap up, dat se helpen sullen, un ase de Tied umme was, do was alles ferrig. Do kuͤmmet se to der Kuͤnigsdochter, un segget dat, un de Kuͤnigsdochter nuͤmmet den Doock un schlett dreimol domit up de Eere un segd: „Arweggers to Hus!“ Do siet se glick olle wier weg west. Do nu de Kuͤnigssuhn upwecket un olles soh, do was he so frau, ase en Vugel in der Luft. Do et do sesse schloen hadde, do gingen se tohaupe nah Hus. Do segd de Kuͤnig: „is dat Schlott auck ferrig?“ „Jo“ seh de Kuͤnigssuhn. Ase do to Diske sittet, do segd de Kuͤnig: „mine jungeste Dochter kann ik nie giewen, befur de twei oͤllesten frigget het.“ Do wor de Kuͤnigssuhn un de Kuͤnigsdochter gans bedroͤwet, un de Kuͤnigssuhn wuste sik gar nig to bergen (helfen). — Do kummet he mol bie Nachte to der Kuͤnigsdochter un loͤppet dermit furt. Ase do en bitken wegsiet, do kicket de Dochter mol umme un sicht ehren Vader hinner sik: „o, seh se, wo sull wie dat macken? min Vader is hinner us, un will us ummeholen, ik will die grade to’n Doͤrenbusk macken un mie tor Rose un ik will mie uͤmmer midden
in den Busk waaren (schuͤtzen).“ Ase do de Vader an de Stelle kummet, do steit do en Doͤrenbusk un ene Rose do anne; do will he de Rose afbrecken, do kummet de Doͤren un stecket uͤn in de Finger, dat he wier nah Hus gehen mut. Do froͤgt sine Frugge, worumme he se nig hedde middebrocht? do seh he, he wuͤr der bald bie west, awerst he hedde se uppen mol ut den Gesichte verloren, un do hedde do en Doͤrenbusk un ene Rose stohen. Do seh de Kuͤnigin: „heddest du ment (nur) de Rose afbrocken, de Busk hedde sullen wohl kummen.“ Do geit he wier weg un will de Rose herholen. Unnerdes waren awerst de beiden schon wiet oͤwer Feld un de Kuͤnig loͤppet der hinner her. Do kiket sik de Dochter wier umme un seiht ehren Vader kummen, do seh se: „o, wo sull wie et nu macken? ik will die grade tor Kerke macken un mie tom Pastoer; do will ik up de Kanzel stohn un priedigen.“ Ase do de Kuͤnig an de Stelle kummet, do steiht do ene Kerke un up de Kanzel is en Pastoer un priediget, do hort he de Priedig to un geit wier nah Hus. Do fraͤgt de Kuͤniginne, worumme he se nig midde brocht hedde, do segd he: „nee, ik hewe se so lange nachlaupen, un as ik glovte, ik wer der bold bie, do steit do en Kerke un up de Kanzel en Pastoer, de priedigte.“ „Du heddest sullen ment den Pastoer bringen, seh de Fru, de Kerke hedde sullen wohl kummen; dat ik die auck (wenn ich gleich dich) schicke, dat kann nig mer helpen, ik mut sulwenst huͤnne gehen.“ Ase se do ene Wiele wege is, un de beiden von feren suͤt, do kicket sik de Kuͤnigsdochter umme un suͤht ehre Moder kummen un segd: „nu sie, wie ungluͤcksk! nu kuͤmmet miene Moder sulwenst, ik
will die grade tom Dieck macken un mie tom Fisk.“ Do de Moder up de Stelle kummet, do is do en grot Dieck un in de Midde sprank en Fisk herumme un kuckte mit den Kopp ut den Water un was gans lustig. Do wull se geren den Fisk krigen, awerst se kunn uͤn gar nig fangen. Do werd se gans boͤse un drinket den gansen Dieck ut, dat se den Fisk kriegen will, awerst do werd se so uͤwel, dat se sik spiggen mott un spigget den gansen Dieck wier ut. Do seh se: „ik sehe do wohl, dat et olle nig mehr helpen kann; sei mogten nu wier to ehr kummen.“ Do gohet se dann auck wier huͤnne, un de Kuͤniginne givt de Dochter drei Wallnuͤtte un segd: „do kannst du die mit helpen, wenn du in dine hoͤgste Naud bist.“ Un do gingen de jungen Luͤde wier tohaupe weg. Do se do wohl tein Stunne gohen hadden, do kummet se an dat Schlott, wovon de Kuͤnigssuhn was, un dobie was en Dorp. Ase se do anne keimen, do segd de Kuͤnigssuhn: „blief hie, mine Leiweste, ik will eest up dat Schlott gohen un dann will ik mit den Wagen un Bedeinten kummen un will die afholen.“ Ase he do up dat Schlott kummet, do werd se olle so frau, dat se den Kuͤnigssuhn nu wier hett; do vertellt he, he hedde ene Brut un de wuͤr jetzt in den Dorpe, se wullen mit den Wagen hintrecken un se holen. Do spannt se auck glick an un viele Bedeinten setten sik up den Wagen. Ase do de Kuͤnigssuhn instiegen wull, do gab uͤn sine Moder en Kus, do hadde he alles vergeten, wat schehen was un auck wat he dohen will; do befal de Moder, se sullen wier utspannen un do gingen se olle wier in’t Hus. Dat Maͤken awerst sitt im Dorpe un luert un luert un meint,
he sull se afholen, et kummet awerst keiner. Do vermaiet (vermiethet) sik de Kuͤnigsdochter in de Muhle, de hoerde bie dat Schlott, do moste se olle Nohmiddage bie den Water sitten un Stunze schuͤren (Gefaͤße reinigen). Do kummet de Kuͤniginne mol von den Schlotte gegohen un gohet an den Water spatzeiern un seihet dat wackere Maͤken do sitten, do segd se: „wat is dat fur en wacker Maͤken! wat gefoͤllt mie dat gut!“ Da kiket se et olle an, awerst keen Menske hadde et kand. Do geit wohl ene lange Tied vorbie, dat dat Maͤken eerlick un getrugge bie den Muͤller deint. Unnerdes hadde de Kuͤniginne ene Frugge fur ehren Suhn socht, de is gans feren ut der Weld west. Ase da de Brut ankuͤmmet, do soͤllt se glik tohaupe giewen weeren. Et laupet so viele Lude tosamen, de dat alle seihen willt, do segd dat Maͤken to den Muͤller, he moͤgte ehr doch auck Verloͤv giewen. Do seh de Muͤller: „goh menten huͤnne.“ Ase’t do weg will, do macket et ene van den drei Wallnuͤtten up, do legt do so en wacker Kleid inne, dat trecket et an un gink domie in de Kerke gigen den Altor stohen; up enmol kummt de Brut un de Bruͤme (Braͤutigam) un settet sik fuͤr den Altor, un ase de Pastor se da insegnen wull, do kiket sik de Brut van der halwe (seitwaͤrts), un suͤht et do stohen, do steit se wier up un segd, se wull sik nie giewen loten, bis se auck so en wacker Kleid haͤdde, ase de Dame. Da gingen se wier nah Hus un laͤten de Dame froen, ob se et dat Kleid wohl verkofte. Nee, verkaupen dau se’t nig, awerst verdeinen, dat moͤgte wohl sien. Do frogten se ehr, wat se denn dohen sullen? Do segd se, wenn se van Nachte fur dat Dohr
van den Kuͤnigssuhn schlapen doffte, dann wull se et wohl dohen. Do seget se: „jo, dat sull se menten dohen.“ Do muttet de Bedeinten den Kuͤnigssuhn en Schlopdrunk ingiewen un do legt se sik up den Suͤll un guͤnselt (winselt) de heile Nacht: „se haͤdde den Wall fur uͤn afhoggen loten, se haͤdde den Dieck fur uͤn utschloen, se haͤdde dat Schlott fur uͤn bugget, se haͤdde uͤnne to’n Doͤrenbusk macket, dann wier tor Kerke un tolest tom Dieck un he haͤdde se so geschwinne vergeten.“ De Kuͤnigssuhn hadde nicks davon hoͤrt, de Bedeinten awerst wuͤren upwacket, un hadden tolustert, un hadden nie wust, wat et sull beduͤen. Den anneren Morgen, ase se upstohen wuͤren, do trock de Brut dat Kleid an un fort mit den Bruͤmen nah der Kerke; uͤnnerdes macket dat wackere Maͤken de tweide Wallnutt up, un do is nau en schoͤner Kleid inne, dat thuͤt et wier an un geit domie in de Kerke gigen den Altor stohen, do geit et dann ewen, wie dat vuͤrge mol. Un dat Maͤken liegt wier en Nacht fur den Suͤll, de nah des Kuͤnigssuhns Stobe geit, un de Bedeinten suͤllt uͤn wier en Schlopdrunk ingiewen; de Bedeinten kummet awerst un giewet uͤnne wat to wacken, domie legt he sik to Bedde un de Muͤllersmaged fur den Doͤrsuͤll guͤnselt wier so viel un segd, wat se dohen haͤdde. Dat hoͤrt olle de Kuͤnigssuhn un werd gans bedroͤwet un et foͤllt uͤnne olle wier bie, wat vergangen was, do will he nah ehr gohen, awerst sine Moder hadde de Doͤr toschlotten. Den annern Morgen awerst ging he glies to siner Leiwesten un vertellte ehr olles, wie et mit uͤnne togangen wer, un se moͤgte uͤnne doch nig beuse sin, dat he se so lange vergetten haͤdde. Do macket de Kuͤnigsdochter
de dridde Wallnutt up, do is nau en viel wacker Kleid inne, dat trecket se an un foͤrt mit ehren Brumen nah de Kerke, un do keimen so viele Kinner, de geiwen uͤnne Blomen, un hellen uͤnne bunte Baͤnner fur de Foͤte, un se leiten sik insegenen un hellen ene lustige Hochtied; awerst de falske Moder un Brut mosten weg. Un we dat lest vertellt het, den is de Mund noch waͤrm.
114.
Vom klugen Schneiderlein.
Es war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz; kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu rathen auf, und wenn er’s nicht errathen konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekannt machen, wer’s erriethe, sollte sich mit ihr vermaͤhlen und moͤchte kommen, wer da wollte. Nun fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon meinten die zwei aͤltesten, sie haͤtten so manchen feinen Stich gethan, und haͤtten’s getroffen, da koͤnnt’s ihnen nicht fehlen, sie muͤßten’s wohl auch hier treffen; der dritte aber war ein kleines unnuͤtzes Ding, das nicht einmal sein Handwerk verstand. Da sprachen die zwei zu ihm: „bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem Bischen Verstand auch nicht weit kommen;“ das Schneiderlein ließ sich aber nicht irre machen und sagte, es haͤtte einmal seinen Kopf darauf gesetzt und wollte sich schon helfen, und ging dahin, als waͤr’ die ganze Welt sein.
Da meldeten sie sich alle drei bei der Prinzessin und sagten, sie sollte ihnen ihr Raͤthsel vorlegen; es waͤren die rechten Leute
angekommen, die haͤtten einen feinen Verstand, den koͤnnte man wohl in eine Nadel faͤdeln. Da sprach die Prinzessin: „ich habe zweierlei Haar auf dem Kopf, von was fuͤr Farben ist das?“ „Wenn’s weiter nichts ist, sagte der erste, es wird schwarz und weiß seyn, wie Kuͤmmel und Salz.“ Die Prinzessin sprach: „falsch gerathen; antworte der zweite.“ Da sagte der zweite: „ist’s nicht schwarz und weiß, so ist’s braun und roth, wie meines Vaters Bratenrock.“ „Falsch gerathen, sagte die Prinzessin, antworte der dritte, dem seh ich’s an, der weiß es sicherlich.“ Da trat das Schneiderlein hervor und sprach: „die Prinzessin hat ein silbernes und ein goldenes Haar auf dem Kopf, und das sind die zweierlei Farben.“ Wie die Prinzessin das hoͤrte, ward sie blaß und waͤre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte sicher geglaubt, das wuͤrde kein Mensch auf der Welt herausbringen. Als ihr das Herz wiederkam, sprach sie: „damit hast du mich noch nicht gewonnen, du mußt noch eins thun; unten im Stall liegt ein Baͤr, bei dem sollst du die Nacht zubringen, wenn ich dann morgen aufstehe und du bist noch lebendig, so sollst du mich heirathen.“ Sie dachte aber, damit wollte sie das Schneiderlein los werden, denn der Baͤr hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein sprach vergnuͤgt: „das will ich auch noch vollbringen.“
Als nun der Abend kam, ward mein Schneiderlein hinunter zum Baͤren gebracht; der Baͤr wollt’ auch gleich auf es los und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. „Sachte,
sachte, sprach das Schneiderlein, ich kann dich noch dispen (zur Ruh bringen).“ Da holte es, als haͤtt’ es keine Sorgen, Welsche-Nuͤsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Baͤr das sah, kriegte er Lust und wollte auch Nuͤsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nuͤsse, sondern Wackersteine. Der Baͤr steckte sie ins Maul, er konnt’ aber nichts aufbeißen, er mogte druͤcken wie er wollte. „Ei, dachte er, was bist du fuͤr ein dummer Klotz, du kannst nicht einmal die Nuͤsse aufbeißen“ und sprach zum Schneiderlein: „mein, beiß mir die Nuͤsse auf.“ „Da siehst du was du fuͤr ein Kerl bist, sprach das Schneiderlein, hast so ein groß Maul und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.“ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafuͤr eine Nuß in den Mund und knack! war sie entzwei. „Jch muß das Ding noch einmal probiren, sprach der Baͤr, wenn ich’s so ansehe, ich mein’, ich muͤßt’s koͤnnen.“ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Baͤr arbeitete und biß aus allen Leibeskraͤften hinein; Gott geb, er haͤtte sie aufgebracht! Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein Stuͤckchen darauf. Als der Baͤr das hoͤrte, konnt’ er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach: „hoͤr, ist das Geigen schwer?“ „Ei gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa vivallalera!“ „ Willst du mir’s lehren?
sprach der Baͤr, so geigen, das moͤgt’ ich auch verstehen, damit ich tanzen koͤnnte, wann ich Lust haͤtte.“ — „Von Herzen gern, sagte das Schneiderlein, wenn du’s lernen willst, aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muß dir erst die Naͤgel ein wenig abschneiden.“ Da holte es einen Schraubstock und der Baͤr legte seine Tatzen darauf, das Schneiderlein aber schraubte sie fest und sprach: „nun warte bis ich wiederkomme mit der Scheere;“ ließ den Baͤr brummen, so viel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh und schlief ein.
Die Prinzessin, als sie am Abend den Baͤren so gewaltig brummen hoͤrte, glaubte nicht anders, als der freute sich recht und mit dem Schneider waͤr’s jetzt vorbei. Am Morgen stand sie auch recht vergnuͤgt auf, wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz munter davor und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sie’s oͤffentlich versprochen hatte, und der Koͤnig ließ einen Wagen kommen, darin mußte sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren und sollte sie da vermaͤhlt werden. Wie sie nun eingestiegen waren, gingen die beiden andern Schneider, die falsch waren und ihm sein Gluͤck nicht goͤnnten, in den Stall und schraubten den Baͤren los, der war nun voller Wuth und rennte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin aber hoͤrte ihn schnauben, da ward ihr Angst und sie sagte: „ach! der Baͤr ist hinter uns und will dich holen.“ Das Schneiderlein war bei der Hand, stellte sich auf den Kopf, streckte die Beine zum Fenster hinaus und rief: „siehst du den Schraubstock; wann du nicht gehst, so sollst du
wieder hinein.“ Wie der Baͤr das sah, drehte er um und lief fort. Mein Schneiderlein fuhr da ruhig in die Kirche und die Prinzessin ward ihm an die Hand getraut und lebte mit ihr vergnuͤgt wie eine Heidlerche. Wers nicht glaubt, bezahlt einen Thaler.
115.
Die klare Sonne bringt’s an den Tag.
Ein Schneidergesell reiste in der Welt auf sein Handwerk herum; nun konnt’ er einmal keine Arbeit finden und war die Armuth bei ihm so groß, daß er keinen Heller Zehrgeld hatte. Jn der Zeit begegnete ihm auf dem Weg ein Jude und da dachte er, der haͤtte viel Geld bei sich und stieß Gott aus seinem Herzen, ging auf ihn los und sprach: „gib mir dein Geld oder ich schlag dich todt!“ Da sagte der Jude: „schenkt mir doch das Leben, Geld hab’ ich keins und nicht mehr als acht Heller.“ Der Schneider aber sprach: „du hast doch Geld und das soll auch heraus!“ brauchte Gewalt und schlug ihn so lange, bis er nah am Tod war. Und wie der Jude nun sterben wollte, sprach er das letzte Wort: „die klare Sonne wird es an den Tag bringen!“ und starb damit. Der Schneidergesell griff ihm in die Taschen und suchte nach Geld, aber er fand nicht mehr als die acht Heller, wie der Jude gesagt hatte. Da packte er auf, trug ihn hinter einen Busch und zog weiter auf sein Handwerk. Wie er nun lange Zeit gereist war, kam er in eine Stadt bei einem Meister in Arbeit,
der hatte eine schoͤne Tochter, in die verliebte er sich und heirathete sie und lebte in einer guten, vergnuͤgten Ehe.
Ueberlang, als sie schon zwei Kinder hatten, starben Schwiegervater und Schwiegermutter und die Jungen hatten den Haushalt allein. Eines Morgens, wie der Mann auf dem Tisch vor dem Fenster saß, brachte ihm die Frau den Kaffee und als er ihn in die Unterschale ausgegossen hatte und eben trinken wollte, da schien die Sonne darauf und blinkte oben an der Wand so hin und her und machte Kringel daran. Da sah der Schneider hinauf und sprach: „ja, die will’s gern an den Tag bringen und kann’s nicht!“ Die Frau sprach: „ei! lieber Mann, was ist denn das? was meinst du damit?“ Er antwortete: „das darf ich dir nicht sagen.“ Sie aber sprach: „wenn du mich lieb hast, mußt du mir’s sagen“ und gab ihm die allerbesten Worte, es sollt’s kein Mensch wieder erfahren, und ließ ihm keine Ruhe. Da erzaͤhlte er, vor langen Jahren, wie er auf der Wanderschaft ganz abgerissen und ohne Geld gewesen, habe er einen Juden erschlagen und der Jude habe in der letzten Todesangst die Worte gesprochen: „die klare Sonne wird’s an den Tag bringen.“ Nun haͤtt’s die Sonne eben gern an den Tag bringen wollen und haͤtt’ an der Wand geblinket und Kringel gemacht, sie haͤtt’s aber nicht gekonnt. Darnach bat er sie noch besonders, sie duͤrfte es niemand sagen, sonst kaͤm’ er um sein Leben, das versprach sie auch; als er aber zur Arbeit sich gesetzt hatte, ging sie zu ihrer Gevatterin und erzaͤhlte es der, wenn sie’s keinem Menschen wieder sagen wollte; eh’ aber drei Tage vergingen, wußt’ es die ganze
Stadt und der Schneider kam vor das Gericht und er ward gerichtet. Da brachte es doch die klare Sonne an den Tag.
116.
Das blaue Licht.
Es war einmal ein Koͤnig, der hatte einen Soldaten zum Diener, wie der ganz alt wurde und unbrauchbar, schickte er ihn fort und gab ihm nichts. Da wußte er nicht, womit er sein Leben fristen sollte, ging traurig fort den langen Tag und kam Abends in einen Wald. Wie er ein Weilchen gegangen war, sah er ein Licht, dem naͤherte er sich und kam zu einem kleinen Haus, darin wohnte eine alte Hexe. Er bat um ein Nachtlager und ein wenig Essen und Trinken, sie schlug’s ihm aber ab, endlich sagte sie: „ich will dich doch aus Barmherzigkeit aufnehmen, du mußt mir aber morgen meinen ganzen Garten umgraben.“ Der Soldat versprach’s und ward also beherbergt. Am andern Tag hackte er der Hexe den Garten um und hatte damit Arbeit bis zum Abend, nun wollte sie ihn wegschicken, er sprach aber: „ich bin so muͤd’, laß mich noch die Nacht hier bleiben.“ Sie wollte nicht, endlich gab sie’s zu, doch sollt’ er ihr andern Tags ein Fuder Holz klein spalten. Der Soldat hackte den zweiten Tag das Holz und hatte sich Abends so abgearbeitet, daß er wieder nicht fort konnte, also bat er um die dritte Nacht; dafuͤr sollte er aber den folgenden Tag das blaue Licht aus dem Brunnen holen. Da fuͤhrte ihn die Hexe an einen Brunnen und band ihn
an ein lang Seil, daran ließ sie ihn hinab; und als er unten war, fand er das blaue Licht und machte das Zeichen, daß sie ihn wieder hinaufziehen sollte. Sie zog ihn auch in die Hoͤhe, wie er aber am Rand war, so nah, daß man sich die Haͤnde reichen konnte, wollte sie das Licht haben, um ihn dann wieder hinunter fallen zu lassen. Aber er merkte ihre boͤsen Gedanken und sagte: „nein, ehe geb ich das blaue Licht nicht, als bis ich mit meinen Fuͤßen auf dem Erdboden stehe.“ Da erboßte die Hexe und stieß ihn mit sammt dem Licht hinunter in den Brunnen und ging fort. Der Soldat unten in dem dunkeln, feuchten Morast war traurig, denn ihm stand sein Ende bevor, da fiel ihm seine Pfeife in die Hand, die war noch halb voll, und er dachte: die willst du zum letzten Vergnuͤgen doch noch ausrauchen. Also steckte er sie an dem blauen Licht an und fing an zu rauchen; als der Dampf ein wenig herumzog, so kam ein klein schwarz Maͤnnlein daher und fragte: „Herr, was befiehlst du mir?“ Antwortete der Soldat: „was hab ich dir zu befehlen?“ Das Maͤnnlein sprach: „ich muß dir in allem dienen.“ — „So hilf mir vor allen Dingen aus dem Brunnen.“ — Da faßte ihn das schwarze Maͤnnchen bei der Hand und fuͤhrte ihn herauf und das blaue Licht nahmen sie mit. Als sie oben waren, sagte der Soldat: „nun schlag mir die alte Hexe todt.“ Als das Maͤnnchen das gethan, offenbarte es ihm die Schaͤtze und das Gold der Hexe, das lud der Soldat auf und nahm es mit sich. Dann sprach das Maͤnnchen: „wenn du mich brauchst, so zuͤnde nur deine Pfeife an dem blauen Licht an.“ Darauf ging der Soldat
in die Stadt und in den besten Gasthof, da ließ er sich schoͤne Kleider machen und ein Zimmer praͤchtig einrichten. Wie das fertig war, rief er sein Maͤnnchen und sprach: „der Koͤnig hat mich fortgeschickt und mich hungern lassen, weil ich seine Dienste nicht mehr thun konnte, nun bring’ mir die Koͤnigstochter heut Abend hierher, die soll mir aufwarten wie eine Magd und thun was ich ihr heiße.“ Das Maͤnnchen sprach: „das ist ein gefaͤhrlich Ding.“ Doch ging es hin und holte die Koͤnigstochter schlafend aus ihrem Bett und brachte sie dem Soldaten, dem mußte sie nun gehorchen und thun, was er wollte; am Morgen vor Hahnenschrei trug das schwarze Maͤnnchen sie wieder zuruͤck. Als sie aufgestanden war, erzaͤhlte sie ihrem Vater: „ich habe diese Nacht einen wunderlichen Traum gehabt, als waͤr’ ich weggeholt worden und die Magd von einem Soldaten gewesen, dem mußte ich aufwarten.“ Da sprach der Koͤnig: „steck dir die Tasche voll Erbsen und mach ein Loch hinein: der Traum koͤnnte wahr seyn, dann fallen sie heraus und lassen die Spur auf der Straße.“ Also that sie auch, aber das Maͤnnchen hatte gehoͤrt, was der Koͤnig ihr angerathen; wie nun der Abend kam und der Soldat sagte, er sollte ihm wieder die Koͤnigstochter holen, da streute es die ganze Stadt vorher voll Erbsen und konnten die wenigen, die aus ihrer Tasche fielen, keine Spur machen und am andern Morgen hatten die Leute den ganzen Tag Erbsen zu lesen. Die Koͤnigstochter erzaͤhlte ihrem Vater wieder, was ihr begegnet war, da sprach er: „behalt einen Schuh an, und verstecke ihn heimlich, wo du bist.“ Das schwarze Maͤnnchen hoͤrte das mit an,
und wie der Soldat wiederum die Koͤnigstochter wollte hergebracht haben, sagte es zu ihm: „jetzt kann ich dir nicht mehr helfen, du wirst ungluͤcklich, wenns heraus kommt.“ Der Soldat aber bestand auf seinem Willen; „so mach dich nur gleich fruͤhmorgens aus dem Thor hinaus, sagte das Maͤnnchen, wenn ich sie fortgetragen habe.“
Die Koͤnigstochter behielt nun einen Schuh an und versteckte ihn bei dem Soldaten ins Bett; am andern Morgen, wie sie wieder bei ihrem Vater war, ließ der uͤberall in der Stadt darnach suchen, und da ward er dann bei dem Soldaten gefunden. Er hatte sich zwar aus dem Staube gemacht, wurde aber bald eingeholt und in ein festes Gefaͤngniß geworfen. Da saß er nun in Ketten und Banden und uͤber der eiligen Flucht war sein Bestes stehn geblieben, das blaue Licht und das Gold, und war ihm nichts uͤbrig als ein Dukaten. Wie er nun so traurig an dem Fenster seines Gefaͤngnisses stand, sah er einen Cameraden vorbeigehen, den rief er an und sprach: „wenn du mir das kleine Buͤndelchen holst, das ich im Gasthause habe liegen lassen, geb’ ich dir einen Dukaten;“ da ging der hin und brachte ihm fuͤr den Dukaten das blaue Licht und das Gold. Der Gefangene steckte alsbald seine Pfeife an und ließ das schwarze Maͤnnchen kommen, das sprach zu ihm: „sey ohne Furcht, geh’ getrost zum Gericht und laß alles geschehen, nur nimm das blaue Licht mit.“ Darauf ward er verhoͤrt und ihm das Urtheil gesprochen, daß er sollte an den Galgen gehaͤngt werden. Wie er hinaus gefuͤhrt wurde, bat er den Koͤnig um eine Gnade. „Was fuͤr eine?“ sprach der.
„Daß ich noch eine Pfeife auf dem Weg rauchen darf.“ „Du kannst drei rauchen, wenn du willst,“ sagte der Koͤnig. Da zog er seine Pfeife heraus und zuͤndete sie an dem blauen Flaͤmmchen an, alsbald trat das schwarze Maͤnnchen vor ihn; „schlag mir da alles todt, sprach der Soldat, und den Koͤnig in drei Stuͤcke.“ Also fing das Maͤnnchen an und schlug die Leute rings herum todt, da legte sich der Koͤnig auf Gnadebitten und um nur sein Leben zu erhalten, gab er dem Soldaten das Reich, und seine Tochter zur Frau.
117.
Das eigensinnige Kind.
Es war einmal ein Kind eigensinnig und that nicht, was seine Mutter haben wollte. Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und ließ es krank werden und kein Arzt konnte ihm helfen und in kurzem lag es auf dem Todtenbettchen. Als es nun ins Grab versenkt war und Erde uͤber es hingedeckt, so kam auf einmal sein Aermchen wieder hervor und reichte in die Hoͤhe, und wenn sie es hineinlegten und frische Erde daruͤber thaten, so half das nicht, es kam immer wieder heraus. Da mußte die Mutter selbst zum Grabe gehn und mit der Ruthe aufs Aermchen schlagen und wie sie das gethan hatte, zog es sich hinein und hatte nun erst Ruhe unter der Erde.
118.
Die drei Feldscherer.
Drei Feldscherer reisten in der Welt, meinten ihre Kunst ausgelernt zu haben und kamen in ein Wirthshaus, wo sie uͤbernachten wollten. Der Wirth fragte, wo sie her waͤren und hinaus wollten? „Sie zoͤgen auf ihre Kunst in der Welt herum.“ — „Ei, sprach der Wirth, zeigt mir doch einmal, was ihr koͤnnt.“ Sprach der erste: er wollte seine Hand abschneiden und morgen fruͤh wieder anheilen; der zweite sprach: er wollte sein Herz ausreißen und morgen fruͤh wieder anheilen; der dritte sprach: er wollte seine Augen ausstechen und morgen fruͤh wieder einheilen. Sie hatten aber eine Salbe, was sie damit bestrichen, das heilte zusammen, und das Flaͤschchen, wo sie drin war, trugen sie bestaͤndig bei sich. Da schnitten sie Hand, Herz und Auge vom Leibe, wie sie gesagt hatten, legten’s zusammen auf einen Teller und gaben’s dem Wirth, der Wirth gab’s einem Maͤdchen, das sollt’s in den Schrank stellen und wohl aufheben. Das Maͤdchen aber hatte einen heimlichen Schatz, der war ein Soldat; wie nun der Wirth, die drei Feldscherer und alle Leute im Haus schliefen, kam der und wollte was zu essen haben. Da schloß das Maͤdchen den Schrank auf und holte ihm etwas, und uͤber der großen Liebe vergaß es die Schrankthuͤre zuzumachen, setzte sich zum Liebsten an Tisch, und sie sprachen mit einander. Wie es so vergnuͤgt saß und an kein Ungluͤck dachte, kam die Katze hereingeschlichen, fand den Schrank offen, und nahm die Hand, das Herz und die Augen
der drei Feldscherer und lief damit hinaus. Als nun der Soldat gegessen hatte und das Maͤdchen das Geraͤth aufheben und den Schrank zuschließen wollte, da sah sie wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzuheben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es erschrocken zu seinem Schatz: „ach! was will ich armes Maͤdchen anfangen! Die Hand ist fort, das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird mir’s morgen fruͤh ergehen!“ Da sprach er: „sey still, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein scharfes Messer; es haͤngt ein Dieb am Galgen, dem will ich die Hand abschneiden, welche Hand war’s denn?“ — „Die rechte.“ Da gab ihm das Maͤdchen ein scharf Messer und er ging hin, schnitt dem armen Suͤnder die rechte Hand ab, und brachte sie. Darauf packte er die Katze und stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. „Habt ihr nicht geschlachtet und Schweinefleisch im Keller?“ „Ja,“ sagte das Maͤdchen. „Nun, das ist gut,“ sagte der Soldat, ging hinunter und holte ein Schweineherz und gab’s dem Maͤdchen. Das that alles wieder auf den Teller und stellte es in den Schrank, und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte, legte es sich ruhig ins Bett.
Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sagten sie dem Maͤdchen, es sollte ihnen den Teller holen, darauf Hand, Herz und Augen laͤgen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste hielt sich die Diebshand an, bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein; der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte, dergleichen
haͤtte er noch nicht gesehen, er wollt’ sie bei Jedermann ruͤhmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter.
Wie sie so dahin gingen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin, schnuͤffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zuruͤckhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Dreck lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen und sagte zu dem andern: „Camerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leit’ mich doch eineseiner, daß ich nicht falle.“ Da gingen sie mit Muͤhe fort bis zum Abend und sie zu einer andern Herberge kamen. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch und zaͤhlte Geld. Der mit der Diebshand ging um ihn herum, zuckt’ ein paarmal, endlich wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sah’s und sprach: „Camerad, was machst du? stehlen darfst du nicht, schaͤm’ dich!“ „Ei, sagte er, was kann ich dafuͤr, es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht.“ Sie legten sich darnach schlafen, wie sie da liegen, ist’s so finster, daß man keine Hand vor den Augen sehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die andern und sprach: „Bruͤder, schaut einmal auf, seht ihr die weißen Maͤuschen, die da herumlaufen?“ Die zwei richteten sich auf, konnten aber nichts sehen. Da sprach er: „es ist mit uns nicht richtig, wir haben das Unsrige
nicht wieder gekriegt, wir muͤssen zuruͤck zu dem Wirth, der hat uns betrogen.“ Also machten sie sich am andern Morgen dahin auf und sagten dem Wirth, sie haͤtten ihr richtig Werk nicht wieder kriegt, der eine haͤtte eine Diebshand, der zweite Katzenaugen und der dritte ein Schweineherz. Der Wirth sprach, da muͤßte das Maͤdchen Schuld daran seyn und wollte es rufen, aber wie das die drei hatte kommen sehen, war es zum Hinterpfoͤrtchen fortgelaufen und kam nicht wieder. Da sprachen die drei, er sollte ihnen viel Geld geben, sonst ließen sie ihm den rothen Hahn uͤber’s Haus fliegen; da gab er, was er hatte und nur aufbringen konnte, und die drei zogen damit fort; es war fuͤr ihr Lebtag genug, sie haͤtten aber doch lieber ihr richtig Werk gehabt.
119.
Die sieben Schwaben.
Einmal waren sieben Schwaben beisammen; der erste war der Herr Schulz, der zweite der Jackli, der dritte der Marli, der vierte der Jergli, der fuͤnfte der Michal, der sechste der Hans, der siebente der Veitli; die hatten sich alle siebene vorgenommen die Welt zu durchziehen, Abentheuer zu suchen und große Thaten zu vollbringen. Damit sie aber auch mit bewaffneter Hand und sicher gingen, sahen sie’s fuͤr gut an, daß sie sich zwar nur einen einzigen, aber recht starken und langen Spieß machen ließen. Diesen Spieß faßten sie alle siebene zusammen an, vornen ging der
kuͤhnste und maͤnnlichste, das mußte der Herr Schulz seyn, und dann folgten die andern nach der Reihe und der Veitli war der letzte.
Nun geschah es, daß als sie im Heumonat eines Tags einen weiten Weg gegangen, auch noch ein gut Stuͤck bis in das Dorf hatten, wo sie uͤber Nacht bleiben mußten, in der Daͤmmerung auf einer Wiese ein großer Roßkaͤfer oder eine Hornisse nicht weit von ihnen hinter einer Staude vorbeiflog und feindlich brummelte. Der Herr Schulz erschrak, daß er fast den Spieß haͤtte fallen lassen und ihm der Angstschweiß am ganzen Leibe ausbrach; „horcht! horcht! rief er seinen Gesellen, Gott! ich hoͤre eine Trommel!“ Der Jackli, der hinter ihm den Spieß hielt und dem ich weiß nicht was fuͤr ein Geruch in die Nase kam, sprach: „etwas ist ohne Zweifel vorhanden, denn ich schmeck das Pulver und den Zundstrick!“ Bei diesen Worten hub der Herr Schulz an, die Flucht zu ergreifen und sprang im Hui uͤber einen Zaun, weil er aber gerade auf die Zinken eines Rechen sprang, der vom Heumachen da liegen geblieben war, so fuhr ihm der Stiel ins Gesicht und gab ihm einen ungewaschenen Schlag. „O wey! o wey! schrie der Herr Schulz, nimm mich gefangen, ich ergeb mich! ich ergeb mich!“ die andern sechs huͤpften auch alle einer uͤber den andern herzu und schrien: „giebst du dich, so geb ich mich auch! giebst du dich, so geb ich mich auch!“ Endlich, wie kein Feind da war, der sie binden und fortfuͤhren wollte, merkten sie, daß sie betrogen waren, und damit die Geschichte nicht unter die Leute kaͤme und sie nicht damit genarrt und gespottet wuͤrden, verschwuren
sie unter einander so lang davon still zu schweigen, bis einer das Maul aufthaͤt.
Hierauf zogen sie weiter. Die zweite Gefaͤhrlichkeit, die sie erlebten, kann aber mit der ersten nicht verglichen werden; denn nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld, da saß ein Haas in der Sonne und schlief, streckte die Ohren in die Hoͤhe und hatte die großen, glaͤsernen Augen starr aufstehen. Da erschraken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt und hielten Rath, was zu thun das wenigst gefaͤhrliche waͤre. Denn so sie fliehen wollten, war zu besorgen, das Ungeheuer setzte ihnen nach und verschlaͤng sie alle mit Haut und Haar. Also sprachen sie: „wir muͤssen einen großen und gefaͤhrlichen Kampf wagen! Frisch gewagt ist halb gewonnen!“ faßten alle siebene den Spieß an, der Herr Schulz vornen und der Veitli hinten. Der Herr Schulz wollte den Spieß noch immer anhalten, der Veitli aber war hinten ganz muthig geworden, wollte losbrechen und rief:
„stoß zu in aller Schwabe Name!
sonst wuͤnsch i, daß ihr moͤgt erlahme!“
Aber der Hans wußt ihn zu treffen und sprach:
„beim Element, du hascht gut schwaͤtze,
bischt stets der letscht beim Drachehetze!“
Der Michal rief:
„es wird nit fehle um ei Haar,
so ischt es wohl der Teufel gar!“
Drauf kam an den Jergli die Reih, der sprach:
„ischt er es nit, so ischts sei Muter
oder des Teufels Stiefbruder!“
Der Marli hatte da einen guten Gedanken und sagte zum Veitli:
„gang, Veitli, gang, gang du voran,
i will dahinte vor di stahn!“
Der Veitli hoͤrte aber nicht drauf und der Jackli sagte:
„der Schulz, der muß der erschte sei
denn ihm gebuͤhrt die Ehr allei!“
Da nahm sich der Herr Schulz ein Herz und sprach gravitaͤtisch:
„so zieht denn herzhaft in den Streit,
hieran erkennt man tapfre Leut!“
Und da gingen sie insgesammt auf den Drachen los, der Herr Schulz segnete sich und rief Gott um Beistand an; wie aber das alles nicht helfen wollte und er dem Feind immer naͤher kam, schrie er in großer Angst: „hau! hurlehau! hau! hauhau!“ Davon erwachte der Haas, erschrak und sprang eilig davon. Als ihn der Herr Schulz so feldfluͤchtig sah, da rief er voll Freude:
„potz, Veitli, lueg, lueg, was isch das?
das Ungehuͤer ischt a Haas!“
Der Schwabenbund suchte aber weiter Abentheuer und kam an die Mosel, ein mosiges, stilles und tiefes Wasser, daruͤber nicht viel Bruͤcken sind, sondern man an mehrern Orten sich muß in Schiffen uͤberfahren lassen. Weil die sieben Schwaben dessen unberichtet waren, riefen sie einem Mann, der jenseits des Wassers seine Arbeit vollbrachte, zu, wie man doch hinuͤber kommen koͤnnte? Der Mann verstand wegen der Weite, auch wegen ihrer
Sprache nicht, was sie wollten, und fragte auf sein trierisch: „wat? wat?“ Da meinte der Herr Schulz, er spraͤche nicht anders als: „wade, wade durchs Wasser,“ und hub an, weil er der Vorderste war, sich auf den Weg zu machen und in die Mosel hineinzugehen. Nicht lang, so versank er in den Schlamm und in die antreibenden, tiefen Wellen; seinen Hut aber jagte der Wind hinuͤber an das jenseitige Ufer und ein Frosch setzte sich dabei und quackte, wat, wat, wat! Die sechs andern hoͤrten das druͤben und sprachen: „unser Gesell, der Herr Schulz, ruft uns, kann er hinuͤber waden, warum wir nicht auch?“ Sprangen darum eilig alle zusammen in das Wasser und ertranken, also daß ein Frosch allein ihrer sechse ums Leben brachte und niemand von dem Schwabenbund wieder nach Haus kam.
120.
Die drei Handwerksburschen.
Es waren drei Handwerksbursche, die hatten es verabredet, immer mit einander zu wandern und in einer Stadt zu arbeiten. Auf eine Zeit aber war kein Verdienst mehr, so daß sie ganz abgerissen wurden und nichts zu leben hatten, da sprach der eine: „was sollen wir anfangen? zusammenbleiben koͤnnen wir nicht laͤnger, das soll die letzte Stadt seyn, wo wir jetzt hineinkommen, finden wir keine Arbeit, so wollen wir beim Herbergsvater ausmachen, daß wir ihm schreiben, wo wir uns aufhalten und einer vom andern Nachricht haben kann, und dann wollen wir uns
trennen;“ das schien den andern auch das Beste. Wie sie noch im Gerede waren, so kam ein reich gekleideter Mann ihnen entgegen, der fragte, wer sie waͤren? „Wir sind Handwerksleute, suchen Arbeit und haben uns bisher zusammen gehalten, weil wir aber keine mehr finden, wollen wir uns trennen.“ „Ei, das hat keine Noth, sprach der Mann, wenn ihr thun wollt, was ich euch sage, soll’s euch an Geld und Arbeit nicht fehlen; ja ihr sollt große Herren werden und in Kutschen fahren.“ Der eine sprach: „wenn’s unserer Seele und Seligkeit nicht schadet, so wollen wir’s wohl thun.“ „Nein, antwortete der Mann, ich habe kein Theil an euch.“ Der andere aber hatte nach seinen Fuͤßen gesehen und als er da einen Pferdefuß und einen Menschenfuß erblickte, wollte er sich nicht mit ihm einlassen. Der Teufel aber sprach: „gebt euch zufrieden, es ist nicht auf euch abgesehen, sondern auf eines anderen Seele, der schon halb mein ist und dessen Maaß nur voll laufen soll.“ Weil sie nun sicher waren, willigten sie ein und der Teufel sagte ihnen, was er verlangte, der erste sollte auf jede Frage antworten: „wir alle drei;“ der zweite: „um’s Geld;“ der dritte: „und das war Recht!“ das sollten sie immer hinter einander sagen, weiter aber duͤrften sie kein Wort sprechen und uͤbertraͤten sie das Gebot, so waͤre gleich alles Geld verschwunden; so lange sie es aber befolgten, sollten ihre Taschen immer voll seyn. Zum Anfang gab er ihnen auch gleich so viel, als sie tragen konnten und hieß ihnen in die Stadt in das und das Wirthshaus gehen. Sie gingen hinein, der Wirth kam ihnen entgegen und fragte: „wollen Sie etwas zu
essen?“ Der erste antwortete: „wir alle drei.“ „Ja, sagte der Wirth, das mein’ ich auch.“ Der zweite: „um’s Geld.“ „Das versteht sich,“ sagte der Wirth. Der dritte: „und das war Recht.“ „Ja wohl war’s Recht,“ sagte der Wirth. Es ward ihnen nun gut Essen und Trinken gebracht und wohl aufgewartet, nach dem Essen mußte die Bezahlung geschehen, da hielt der Wirth dem einen die Rechnung hin, der sprach: „wir alle drei;“ der zweite: „um’s Geld;“ der dritte: „und das war Recht.“ „Freilich ist’s Recht, sagte der Wirth, alle drei bezahlen und ohne Geld kann ich nichts geben;“ sie bezahlten aber noch mehr als er gefordert hatte. Die Gaͤste sahen das mit an und sprachen: „das muͤssen tolle Leute seyn,“ „ja das sind sie auch, sagte der Wirth, sie sind nicht recht klug.“ So blieben sie eine Zeit lang in dem Wirthshaus und sprachen kein ander Wort als: „wir alle drei, um’s Geld, und das war Recht.“ Sie sahen aber und wußten alles, was darin vorging. Es trug sich zu, daß ein großer Kaufmann kam mit vielem Geld, der sprach: „Herr Wirth, heb er mir mein Geld auf, da sind die drei naͤrrischen Handwerksbursche, die moͤchten mir’s stehlen.“ Das that der Wirth; wie er den Mantelsack in seine Stube trug, fuͤhlte er, daß er schwer von Gold war, darauf gab er den drei Handwerkern unten ein Lager, der Kaufmann aber kam oben hin in eine besondere Stube. Als Mitternacht war und der Wirth dachte, sie schliefen alle, kam er mit seiner Frau und sie hatten eine Holzaxt und schlugen den reichen Kaufmann todt; nach vollbrachtem Mord legten sie sich wieder schlafen. Wie’s nun Tag
war, gab’s großen Laͤrm, der Kaufmann lag todt im Bett und schwamm in seinem Blut; da liefen alle Gaͤste zusammen, der Wirth aber sprach: „das haben die drei tollen Handwerker gethan.“ Die Gaͤste bestaͤtigten es und sagten: „niemand anders kann’s gewesen seyn.“ Der Wirth aber ließ sie rufen und sagte zu ihnen: „habt ihr den Kaufmann getoͤdtet?“ „Wir alle drei,“ sagte der erste, „um’s Geld,“ der zweite, „und das war Recht!“ der dritte. „Da hoͤrt ihrs nun, sprach der Wirth, sie gestehen’s selber.“ Sie wurden also ins Gefaͤngniß gebracht und sollten gerichtet werden. Wie sie nun sahen, daß es so ernsthaft ging, ward ihnen doch Angst, aber Nachts kam der Teufel und sprach: „haltet nur noch einen Tag aus und verscherzt euer Gluͤck nicht, es soll euch kein Haar gekruͤmmt werden.“ Am andern Morgen wurden sie vor Gericht gefuͤhrt; da sprach der Richter: „seyd ihr die Moͤrder?“ — „wir alle drei.“ — „Warum habt ihr den Kaufmann erschlagen?“ — „um’s Geld.“ — „Jhr Boͤsewichter, sagte der Richter, habt ihr euch nicht der Suͤnde gescheut?“ — „und das war Recht.“ — „Sie haben bekannt und sind noch dazu halsstarrig, sprach der Richter, fuͤhrt sie gleich zum Tod.“ Also wurden sie hinaus gebracht und der Wirth mußte mit in den Kreis treten; wie sie nun von den Henkersknechten gefaßt und eben aufs Geruͤst gefuͤhrt wurden, wo der Scharfrichter mit bloßem Schwerte stand, kam auf einmal eine Kutsche mit vier blutrothen Fuͤchsen bespannt, und fuhr, daß das Feuer aus den Steinen sprang, aus dem Fenster aber winkte einer mit einem weißen Tuche. Da sprach der Scharfrichter: „es
kommt Gnade,“ und ward auch aus dem Wagen Gnade! Gnade! gerufen. Da trat der Teufel heraus, als ein sehr vornehmer Herr, praͤchtig gekleidet und sprach: „ihr drei seyd unschuldig; ihr duͤrft nun sprechen, sagt, was ihr gesehen und gehoͤrt habt.“ Da sprach der aͤlteste: „wir haben den Kaufmann nicht getoͤdtet, der Moͤrder steht da im Kreis“ und deutete auf den Wirth; „zum Wahrzeichen geht hin in seinen Keller, da haͤngen noch viele andere, die er ums Leben gebracht.“ Da schickte der Richter die Henkersknechte hin, die fanden es, wie’s gesagt war, und als sie dem Richter das berichtet hatten, ließ er den Wirth hinauf fuͤhren und ihm das Haupt abschlagen. Da sprach der Teufel zu den Dreien: „nun hab’ ich die Seele, die ich haben wollte, ihr seyd aber frei und habt Geld fuͤr euer Lebtag.“
121.
Der Koͤnigssohn, der sich vor nichts fuͤrchtet.
Es war einmal ein Koͤnigssohn, dem gefiels nicht mehr daheim in seines Vaters Haus und weil er vor nichts Furcht hatte, so dachte er: „ich will in die weite Welt gehen, da wird mir Zeit und Weile nicht lang und ich werde wunderliche Dinge genug sehen.“ Also nahm er von seinen Eltern Abschied und ging fort, immer zu, von Morgen bis Abend, und es war ihm einerlei, wo hinaus ihn der Weg fuͤhrte. Es trug sich zu, daß er vor eines Riesen Haus kam, und weil er muͤd war, setzte er sich vor die Thuͤre und ruhte. Und als er seine Augen so hin und hergehen
ließ, sah er auf dem Hof des Riesen Spielwerk liegen; das waren ein Paar große Kugeln und maͤchtige Kegel dabei. Ueber ein Weilchen bekam der Koͤnigssohn Lust, stellte sich die Kegel auf und schob mit den Kugeln darnach, schrie und rief, wenn die Kegel fielen und war guter Dinge. Der Riese hoͤrte den Laͤrm, streckte seinen gewaltigen Kopf heraus und erblickte einen Menschen, der nicht groͤßer war als die andern alle und doch mit seinen Kegeln spielte. Da rief er: „Wuͤrmchen, kegelst du mit meinen Kegeln! wer hat dir Staͤrke dazu gegeben?“ Der Koͤnigssohn schaute auf, sah den Riesen an und sprach: „o du Klotz, du meinst wohl, deine Arme waͤren allein stark! ich kann alles, wozu ich Lust habe.“ Der Riese kam herab, sah den Koͤnigssohn ganz verwundert an und sprach: „Menschenkind, wenns so mit dir beschaffen ist, so geh doch und hol mir einen Apfel vom Baum des Lebens.“ „Was willst du damit?“ sprach der Koͤnigssohn. „Jch will den Apfel nicht, antwortete der Riese, aber meine Braut die verlangt darnach; ich bin schon ausgewesen, aber ich kann den Baum nicht einmal finden.“ „Wenn ich mich erst aufmache, sagte der Koͤnigssohn, will ich den Baum schon finden und es sollte mir wunderlich vorkommen, wenn ich den Apfel nicht herunterholte.“ Der Riese sprach: „es ist nicht so leicht, wie du meinst; der Garten, worin der Baum steht, ist mit einem eisernen Gitter eingefaßt und vor dem Gitter liegen wilde Thiere, eins an dem andern, die halten Wache und lassen keinen Menschen hinein.“ „Mich werden sie schon einlassen“ sagte der Koͤnigssohn. „Ja, bist du auch in dem Garten und siehst den Apfel am
Baum haͤngen, so ist er doch noch nicht dein, es haͤngt ein Ring davor, durch den muß einer die Hand stecken, der den Apfel erreichen und abbrechen will und das ist noch keinem gegluͤckt.“ „O, das ist mir aufgehoben, sprach der Koͤnigssohn, mir solls schon gluͤcken.“
Da nahm er Abschied von dem Riesen, ging fort uͤber Berg und Thal durch Felder und Waͤlder, bis er endlich den Wundergarten fand. Die Thiere lagen rings herum, aber sie hatten die Koͤpfe gesenkt und schliefen. Sie erwachten auch nicht und er stieg uͤber sie weg und an dem Gitter hinan und kam gluͤcklich in den Garten. Da sah er mitten inne den Baum des Lebens stehen und die rothen Aepfel leuchteten an den Aesten. Er kletterte an dem Stamm in die Hoͤhe und wie er nach einem Apfel reichen wollte, sah er einen Ring davor haͤngen, aber er konnte ohne Muͤhe seine Hand durchstecken und den Apfel brechen. Der Ring aber blieb an seinem Arme fest haͤngen und der Koͤnigssohn fuͤhlte auf einmal eine solche Kraft darin, daß er merkte, er wuͤrde jetzt alles baͤndigen koͤnnen; diese Kraft verlieh ihm aber der Ring. Als er von dem Baum herabgestiegen war, wollte er nicht uͤber das Gitter klettern, sondern faßte das große Thor, schuͤttelte einmal daran und es sprang mit Krachen vor ihm auf. Da ging er hinaus und der Loͤwe, der davor gelegen hatte, war wach geworden und sprang ihm nach, aber nicht in Wuth und Wildheit, sondern er folgte ihm demuͤthig als seinem Herrn, gehorchte ihm und wollte seine Spur nicht wieder verlassen.
Der Koͤnigssohn brachte dem Riesen den versprochenen Apfel. „Siehst du, sprach er, ich habe ihn ohne Muͤhe geholt.“ Der Riese war froh, daß er so leicht erhalten hatte, was er sich so sehr gewuͤnscht, eilte zu seiner Braut und gab ihr den Apfel. Diese war eine schoͤne und kluge Jungfrau, sie sah nicht den Ring an seinem Arm und sprach: „ich glaube nicht eher, daß du den Apfel geholt, bis ich erst den Ring an deinem Arm erblicke.“ „O, sagte der Riese, ich will heimgehen und ihn holen,“ und dachte dem schwachen Menschenkind ihn abzunehmen, wenn es ihn nicht gutwillig geben wollte. Da ging er zuruͤck und forderte den Ring von dem Koͤnigssohn; aber der wollte ihn nicht geben. „Wo der Apfel ist muß auch der Ring seyn, sprach der Riese, giebst du ihn nicht, so mußt du mit mir darum kaͤmpfen.“
Sie rangen lange Zeit mit einander, aber der Riese konnte dem Koͤnigssohn nichts anhaben, so stark war dieser durch die Kraft des Ringes. Da erdachte der Riese eine List und sprach zu ihm: „es ist uns warm geworden bei dem Kampf, wir wollen uns erst im Flusse baden und kuͤhlen, eh wir wieder anfangen.“ Der Koͤnigssohn, der von Falschheit nichts wußte, ging mit ihm zu dem Wasser, zog seine Kleider ab, streifte auch den Ring vom Arm, legte ihn daneben und ging in den Fluß. Alsbald ergriff der Riese den Ring und lief damit fort, aber der Loͤwe, der seinem Herrn gefolgt war und den Diebstahl wohl angesehen hatte, setzte dem Riesen nach und riß ihm den Ring wieder weg. Da gerieth der Riese in Wuth und sprang nach dem Wasser zuruͤck,
und da der Koͤnigssohn eben beschaͤftigt war seine Kleider wieder anzuziehen, faßte er ihn und stach ihm beide Augen aus.
Nun war der arme Koͤnigssohn blind und stand da und wußte sich nicht zu helfen. Da trat der Riese wieder zu ihm und hatte Boͤses im Sinn. Schweigend faßte er den Blinden bei der Hand, wie jemand der ihn leiten wollte; so fuͤhrte er ihn fort auf die Spitze eines hohen Felsens. Da verließ er ihn und dachte, wenn er noch ein paar Schritte geht, so stuͤrzt er sich todt und ich kann ihm den Ring abnehmen. Aber der treue Loͤwe hatte seinen Herrn nicht verlassen, hielt ihn am Kleide fest und zog ihn allmaͤlig wieder zuruͤck. Als der Riese zuruͤck kam und den Todten berauben wollte, da fand er ihn gerettet. „Jst denn ein so schwaches Menschenkind nicht zu verderben!“ sprach er zornig zu sich selbst, faßte den Koͤnigssohn und fuͤhrte ihn zum zweitenmal auf einem andern Weg zum Abgrund; aber der Loͤwe, der die boͤse Absicht merkte, half seinem Herrn treulich aus der Gefahr. Als sie bis zum Rand gekommen waren und der Riese die Hand des Koͤnigssohns fahren ließ, um ihn allein zuruͤckzulassen, da sprang der Loͤwe mit aller Macht gegen ihn, daß das Ungeheuer hinabstuͤrzte und ganz zerschmettert wurde.
Darnach zog er seinen Herrn wieder herab und leitete ihn zu einem Baum, an dem ein klarer Bach floß. Der Koͤnigssohn setzte sich da nieder, der Loͤwe aber legte sich an das Wasser und spritzte, so gut er konnte, ihm davon ins Antlitz. Ein paar Troͤpfchen trafen auch gluͤcklich die Augen und benetzten sie, und der Koͤnigssohn merkte, daß sein Gesicht etwas wiederkam, denn
er hatte einigen Schein und konnte etwas in der Naͤhe unterscheiden. Er wußte aber nicht woher das gekommen war. Da sah er ein Voͤglein, das flog ganz nah an seinem Gesicht vorbei, gerade wider den Baumstamm, so daß es sich daran stieß, gleich als waͤr es blind; es senkte sich aber in das Wasser und badete sich darin, dann flog es wieder auf und strich ganz sicher zwischen den Baͤumen hin, so daß man wohl bemerken konnte, es sey jetzt wieder sehend. Da kam es dem Koͤnigssohn in das Herz, dies waͤre ein Wink Gottes, also daß er sich herabneigte zu dem Wasser und sich darin das Gesicht wusch und badete. Und wie er sich aufrichtete, hatte er seine Augen wieder, so hell und rein, wie sie nie gewesen waren.
Der Koͤnigssohn dankte Gott fuͤr die große Gnade und zog mit seinem Loͤwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu, daß er vor ein Schloß kam, welches verwuͤnscht war; in dem Thor stand eine Jungfrau von schoͤner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an und sprach: „ach, koͤnntest du mich erloͤsen aus dem Zauber, der mich hier haͤlt und Gewalt uͤber mich hat!“ Da sagte der Koͤnigssohn: „was soll ich thun, dich zu befreien?“ Die Jungfrau antwortete: „drei Naͤchte mußt du in dem großen Saal des verwuͤnschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Haͤltst du aus, was dir boͤses angethan wird, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erloͤst; das Leben duͤrfen sie dir doch nicht nehmen.“ Da sprach der Koͤnigssohn: „ich wills mit Gottes Huͤlfe versuchen, ich fuͤrchte nichts auf der ganzen Welt.“ Also
ging er froͤhlich in das Schloß, setzte sich in den großen Saal und wartete bis die Nacht kam. Es war still und ruhig bis Mitternacht, da fing der Laͤrm an, nicht blos durch die Thuͤren, aus allen Ecken und Winkeln kamen kleine Teufel herbei. Sie thaten als ob sie ihn nicht saͤhen, setzten sich mitten in die Stube, machten ein Feuer an und fingen an zu spielen. Wenn einer verlor, sprach er: „es ist nicht richtig, es ist einer da, der nicht zu uns gehoͤrt, der ist schuld, daß ich verliere!“ „Wart ich komme, du hinter dem Ofen,“ sagte dann ein anderer. Das Schreien ward auch immer groͤßer und so, daß es niemand ohne Schrecken haͤtte anhoͤren koͤnnen. Der Koͤnigssohn aber fuͤrchtete sich nicht, doch endlich sprangen die Teufel auf und fielen uͤber ihn her, und es waren so viel, daß er sich ihrer nicht erwehren konnte. Sie zerrten ihn auf die Erde und zwickten, druͤckten, schlugen und quaͤlten ihn, aber er ertrugs ohne Furcht und gab keinen Laut von sich. Gegen Morgen verschwanden sie, und er war so abgemattet, daß er kaum seine Glieder regen konnte, als aber der Tag anbrach, da trat die schwarze Jungfrau zu ihm herein. Sie trug in ihrer Hand eine kleine Flasche, worin Wasser des Lebens war, damit wusch sie ihn und alsbald fuͤhlt er alle Schmerzen verschwinden, war frisch und munter. Sie sprach zu ihm: „eine Nacht hast du gluͤcklich ausgehalten, aber noch zwei stehen dir bevor;“ da ging sie wieder weg, und im Weggehen bemerkte er, daß ihre Fuͤße weiß geworden waren. Jn der folgenden Nacht kamen die Teufel wieder, fingen ihr Spiel an, fielen aber bald uͤber den Koͤnigssohn her und schlugen ihn gewaltig, viel haͤrter
als in der vorigen Nacht, daß sein Leib voll Wunden ward. Doch da er alles still ertrug, mußten sie von ihm lassen und als die Morgenroͤthe anbrach, erschien die Jungfrau wieder und heilte ihn mit dem Lebenswasser. Und als sie wegging, sah er mit Freuden, daß sie schon halb weiß geworden war bis zu den Fingerspitzen. Nun hatte er nur noch eine Nacht auszuhalten, aber die war die schlimmste. Der Teufelsspuk kam wieder; „bist du noch da, schrien sie, wart du sollst gepeinigt werden, daß dir der Athem stehen bleibt.“ Sie stachen und schlugen ihn, warfen ihn hin und her und rissen ihn an den Gliedern, als wollten sie ihn von einander reißen, aber er gab keinen Laut von Schmerz und Angst von sich, troͤstete sich und dachte, es wird voruͤbergehen, und dann ist die Jungfrau aus ihrer Gewalt befreit. Doch als die Teufel ihn verließen, so lag er da ohnmaͤchtig und konnte sich nicht regen; er konnte auch nicht die Augen aufheben, um die Jungfrau zu sehen, die herein kam und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte und begoß. Aber auf einmal war er von allen Schmerzen befreit, und fuͤhlte sich frisch und gesund, als waͤr er aus einem Schlaf erwacht, und wie er die Augen aufschlug, so sah er die Jungfrau neben sich stehen, die war schneeweiß und so schoͤn, daß sie leuchtete wie der helle Tag. Sie sprach zu ihm: „steh auf und schwing dein Schwert dreimal uͤber die Treppe, so wird alles erloͤst seyn!“ Und als er das gethan hatte, da war das ganze Schloß vom Zauber befreit. Die Jungfrau war eine reiche Koͤnigstochter; die Diener kamen und sagten, im großen Saale waͤre
die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.
122.
Der Krautesel.
Es war einmal ein junger Jaͤger, der hatte ein frisches und froͤhliches Herz und ging in den Wald auf Anstand, und wie er so ging und auf dem Blatt pfiff, kam ein altes, haͤßliches Muͤtterchen daher, das redete ihn an und sprach: „guten Tag, lieber Jaͤger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gib mir doch ein Almosen.“ Da dauerte den Jaͤger das arme Muͤtterchen, daß er in seine Tasche griff und ihr nach seinem Vermoͤgen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an und sprach: „hoͤr an, lieber Jaͤger, was ich dir sage, fuͤr dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, uͤber ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Voͤgel und raufen sich um einen Mantel. Da leg du deine Buͤchse an und schieß mitten drunter, den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Voͤgeln wird getroffen seyn und todt herabstuͤrzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wuͤnschen, gedacht, vollbracht und du bist dort. Den todten Vogel aber schneid auf und nimm das Herz heraus und verschluck
es ganz, dann wirst du allen und jeden Morgen fruͤh beim Aufstehen Gold unter deinem Kopfkissen aufheben koͤnnen, und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens.“
Der Jaͤger dankte der weisen Frau und dachte bei sich: „schoͤne Dinge, wenns auch all so eintraͤfe!“ Doch, wie er etwa hundert Schritte gegangen war, hoͤrte er uͤber sich in den Aesten ein Geschrei und Gezwitscher, daß er aufschaute, da sah er einen Haufen Voͤgel, die rissen mit den Schnaͤbeln und Fuͤßen ein Tuch herum, schrien, zerrten und balgten sich, als wollts ein jeder allein haben. „Nun, sprach der Jaͤger, das ist wunderlich, es kommt ja, wie das Muͤtterchen gesagt hat,“ nahm die Buͤchse von der Schulter, legte an und that seinen Schuß mitten hinein, daß die Federn herumflogen. Alsbald nahm das Gethier mit großem Schreien die Flucht, aber einer fiel todt herab und der Mantel sank herunter. Da that der Jaͤger wie ihm die Alte geheißen hatte, schnitt den Vogel auf, suchte das Herz, schluckte es hinunter und nahm den Mantel mit nach Haus.
Am andern Morgen, als er aufwachte, fiel ihm die Verheißung ein und er wollte sehen, ob die auch eintraͤfe. Wie er aber sein Kopfkissen in die Hoͤhe hob, da schimmerte ihm das Goldstuͤck entgegen, und am andern Morgen fand er wieder eins und so weiter jedesmal, wenn er aufstand. Er sammelte sich einen Haufen Gold, endlich aber dachte er: „was hilft mir all mein Gold, wenn ich daheim bleibe! ich will ausziehen und mich in der Welt umsehen.“
Da nahm er von seinen Eltern Abschied, hing seinen Jaͤgerranzen und seine Flinte um und zog in die Welt. Es trug sich zu, daß er eines Tages durch einen dicken Wald kam und wie der zu Ende war, lag in einer Ebene vor ihm ein ansehnliches Schloß. Jn einem Fenster desselben stand gerade eine Alte mit einer wunderschoͤnen Jungfrau und schaute herab. Die Alte aber war eine Hexe und sprach zu dem Maͤdchen: „dort kommt einer aus dem Wald, der hat einen wunderbaren Schatz im Leib, den muͤssen wir darum beruͤcken, mein Herzenstoͤchterchen, uns steht das besser an als ihm. Er hat ein Vogelherz bei sich, deshalb liegt jeden Morgen ein Goldstuͤck unter seinem Kopfkissen.“ Und erzaͤhlte ihr, wie es damit beschaffen waͤre und wie sie darum zu spielen haͤtte, und zuletzt drohte sie und sprach mit zornigen Augen: „und wenn du mir nicht gehorchst, so bist du ungluͤcklich!“ Als nun der Jaͤger naͤher kam, erblickte er das Maͤdchen und sprach zu sich: „ich bin nun so lang herum gezogen, ich will einmal ausruhen und in das schoͤne Schloß einkehren, Geld hab ich ja vollauf;“ eigentlich aber war die Ursache, daß er ein Aug auf das schoͤne Bild geworfen hatte.
Nun trat er in das Haus ein und wurde freundlich empfangen und hoͤflich bewirthet. Es dauerte nicht lange, da war er so in das Hexenmaͤdchen verliebt, daß er an nichts anders mehr dachte und nur nach seinen Augen sah und was es verlangte, das that er gern. Da sprach die Alte: „nun muͤssen wir das Vogelherz haben, er wirds nicht spuͤren, wenn es ihm fehlt.;“ und richtete einen Trank zu und wie der gekocht war, that sie ihn in
einen Becher und gab ihn dem Maͤdchen, das mußte ihn dem Jaͤger reichen. Sprach es: „nun, mein Liebster, trink mir zu!“ Da nahm er den Becher, und wie er den Trank geschluckt hatte, brach er das Herz des Vogels aus dem Leibe. Das Maͤdchen mußte es heimlich fortschaffen und dann selbst verschlucken, denn die Alte wollte es haben. Von nun an fand er kein Gold mehr unter seinem Kopfkissen, sondern es lag unter dem Kissen des Maͤdchens, wo es die Alte jeden Morgen holte; aber er war so verliebt und vernarrt, daß er an nichts anders dachte, als sich mit dem Maͤdchen die Zeit zu vertreiben.
Da sprach die alte Hexe: „das Vogelherz haben wir, aber den Wunschmantel haben wir noch nicht, den muͤssen wir ihm auch abnehmen.“ Antwortete das Maͤdchen: „den wollen wir ihm lassen, er hat ja doch seinen Reichthum verloren.“ Da ward die Alte boͤs und sprach: „so ein Mantel ist ein wunderbares Ding, das selten auf der Welt gefunden wird, den soll und muß ich haben;“ und gab dem Maͤdchen Anschlaͤge und sagte, wenn es ihr nicht gehorche, sollte es ihrihm schlimm ergehen. Da that es nach dem Geheiß der Alten und stellte sich einmal ans Fenster und schaute in die weite Gegend, als waͤr es ganz traurig. Fragte der Jaͤger: „was stehst du so traurig da?“ „Ach, mein Schatz, gab es zur Antwort, da gegenuͤber liegt der Granatenberg, wo die koͤstlichen Edelsteine wachsen. Darnach trag ich so großes Verlangen, daß wenn ich daran denke, ich traurig seyn muß; aber wer kann sie holen! nur die Voͤgel, die Fliegenfliegen, kommen hin, ein Mensch nimmermehr.“ „Jst das all euer Kummer, sagte der
Jaͤger, den will ich euch bald vom Herzen nehmen.“ Faßte sie unter seinen Mantel und wuͤnschte sich hinuͤber auf den Granatenberg und im Augenblick saßen sie auch beide drauf. Da schimmerte das edele Gestein von allen Seiten, daß es eine Freude war anzusehen und sie lasen das schoͤnste und kostbarste zusammen. Nun hatte es aber die Alte durch ihre Hexenkunst bewirkt, daß dem Jaͤger die Augen schwer wurden und er sprach zu dem Maͤdchen: „wir wollen ein wenig niedersitzen und ruhen, ich bin so muͤd, daß ich mich nicht mehr auf den Fuͤßen erhalten kann.“ Da setzten sie sich und er legte sein Haupt in ihren Schooß und schlief ein. Wie er entschlafen war, da band es ihm den Mantel von den Schultern und hing ihn um, las die Granaten und Steine auf und wuͤnschte sich damit nach Haus.
Als aber der Jaͤger seinen Schlaf ausgethan hatte und aufwachte, sah er, daß ihn seine Liebste betrogen und auf dem wilden Gebirg allein gelassen hatte. „O, sprach er, wie ist die Untreue so groß auf der Welt!“ saß da in Sorg und Herzeleid und wußte nicht was er anfangen sollte. Der Berg aber gehoͤrte wilden und ungeheuern Riesen, die darauf wohnten und ihr Wesen trieben, und wie er so saß, sah er ihrer drei daher schreiten. Da dachte er, wie kann ich mich anders retten, als daß ich mich schlafend stelle und legte sich geschwind nieder, als waͤr er in tiefen Schlaf versunken. Nun kamen die Riesen herbei und der erste stieß ihn mit dem Fuß an und sprach: „was liegt da fuͤr ein Erdwurm und beschaut sich inwendig?“ Der zweite sprach: „tritt ihn todt!“ Der dritte aber sprach veraͤchtlich: „das waͤre der Muͤhe
werth! laßt ihn nur leben, steigt er hoͤher auf die Bergspitze, so packen ihn die Wolken und tragen ihn fort.“ Unter diesem Gespraͤch gingen sie voruͤber, der Jaͤger aber hatte auf ihre Worte gemerkt und sobald sie fort waren, stand er auf und klimmte den Berggipfel hinauf. Als er ein Weilchen da gesessen, so schwebte eine Wolke heran, ergriff ihn und trug ihn fort und zog eine Zeit lang, dann senkte sie sich und ließ sich uͤber einen großen, rings mit Mauern umgebenen Krautgarten nieder, also daß er zwischen Kohl und Gemuͤsen sanft auf den Boden kam.
Da sah der Jaͤger sich um und sprach: „wenn ich nur was zu essen haͤtte, ich bin so hungrig und mit dem Weiterkommen wirds schwer fallen; aber hier seh ich keinen Apfel und keine Birn und keinerlei Obst, uͤberall nichts als Krautwerk.“ Endlich dachte er: „zur Noth kann ich von dem Salat essen, der wird mich erfrischen und staͤrken.“ Also suchte er sich ein schoͤnes Haupt aus und aß davon, aber kaum hatte er ein paar Bissen hinab geschluckt, so war ihm so wunderlich zu Muth und er fuͤhlte sich ganz veraͤndert und sah mit Schrecken, daß er in einen Esel verwandelt war. Doch weil er dabei immer noch großen Hunger spuͤrte und ihm der saftige Salat jetzt ordentlich gut schmeckte, so aß er mit großer Gier und fraß immer zu, bis er an eine andere Art Salat kam, und kaum hatte er von diesem etwas verschluckt, so fuͤhlte er aufs neue eine Veraͤnderung und er war gluͤcklich in seine menschliche Gestalt zuruͤckgekehrt.
Nun legte sich der Jaͤger nieder und schlief seine Muͤdigkeit aus, und als er am andern Morgen erwachte, brach er ein Haupt
von dem boͤsen und dem guten Salat ab und dachte: „das soll mir zu dem Meinigen wieder helfen und die Treulosigkeit bestrafen.“ Dann steckte er die Haͤupter zu sich und kletterte uͤber die Mauer und ging fort, das Schloß seiner Liebsten zu suchen. Als er ein paar Tage herumgestrichen, war er auch so gluͤcklich es zu finden. Da braͤunte er sich schnell sein Gesicht, daß ihn seine eigene Mutter nicht erkannt haͤtte, ging in das Schloß und bat um eine Herberge: „ich bin so muͤd, sprach er, und kann nicht weiter.“ Fragte die Hexe: „Landsmann, wer seyd ihr und was ist euer Geschaͤft?“ Er antwortete: „ich bin ein Bote und bin ausgeschickt, den koͤstlichsten Salat zu suchen, der unter der Sonne waͤchst. Jch bin auch so gluͤcklich gewesen ihn zu finden und trage ihn bei mir, aber die Sonnenhitze brennt gar zu stark, daß mir das zarte Kraut zu welken droht und ich nicht weiß, ob ich es weiter bringen werde.“
Als die Alte von dem koͤstlichen Salat hoͤrte, ward sie luͤstern und sprach: „lieber Landsmann, laßt mich doch den wunderbaren Salat versuchen.“ „Warum nicht, antwortete er, ich habe doch zwei Haͤupter mitgebracht und will euch eins geben,“ machte seinen Sack auf und reichte ihr das boͤse hin. Die Hexe dachte an nichts Arges und der Mund waͤsserte ihr so sehr nach dem neuen Gericht, daß sie selbst in die Kuͤche ging und es zubereitete. Als er fertig war, konnte sie nicht warten, bis es auf dem Tisch stand, sondern sie nahm gleich ein paar Blaͤtter und steckte sie in den Mund; aber kaum waren sie verschluckt, so war auch die menschliche Gestalt verloren und sie lief als eine Eselin hinab in den
Hof. Nun kam die Magd in die Kuͤche, sah den fertigen Salat da stehen und wollte ihn auftragen, unterwegs aber uͤberfiel sie, nach alter Gewohnheit, die Lust zu versuchen und sie aß ein paar Blaͤtter. Alsbald zeigten sie ihre Kraft und sie ward ebenfalls zu einer Eselin und lief hinaus zu der Alten und die Schuͤssel mit Salat fiel auf die Erde. Der Bote saß in der Zeit bei dem schoͤnen Maͤdchen und als niemand mit dem Salat kam und es doch auch luͤstern darnach war, sprach es: „ich weiß nicht, wo der Salat bleibt.“ Da dachte der Jaͤger: „es wird schon etwas gegeben haben“ und sprach: „ich will einmal nach der Kuͤche gehen“ und wie er hinab kam, sah er die zwei Eselinnen im Hof herumlaufen und den Salat auf der Erde liegen. „Schon recht, sprach er, die zwei haben ihr Theil weg!“ und hob die uͤbrigen Blaͤtter auf, legte sie auf die Schuͤssel und brachte sie dem Maͤdchen. „Jch bring euch selbst das koͤstliche Essen, sprach er, damit ihr nicht laͤnger zu warten braucht.“ Da aß sie davon und war alsbald wie die uͤbrigen ihrer menschlichen Gestalt beraubt und lief als eine Eselin in den Hof.
Nun wusch sich der Jaͤger sein Angesicht und ging hinab in den Hof, also daß ihn die Verwandelten erkennen konnten und sprach: „jetzt sollt ihr den Lohn fuͤr eure Untreue empfangen.“ Da band er sie alle drei an ein Seil und trieb sie fort, bis er zu einer Muͤhle kam, und klopfte dem Muͤller an das Fenster. „Was giebts?“ sprach der Muͤller. Antwortete er ihm: „da hab ich drei boͤse Thiere, wollt ihr sie bei euch nehmen, Futter und Lager
geben und sie halten, wie ich euch sage, so zahl ich dafuͤr, was ihr verlangt.“ Sprach der Muͤller: „warum das nicht? wie soll ich sie aber halten?“ Da sagte der Jaͤger: „der alten Eselin, welche die Hexe war, sollt ihr taͤglich dreimal Pruͤgel und keinmal zu fressen geben; der juͤngern, welche die Magd war, einmal Pruͤgel und dreimal Futter; und der juͤngsten, welche das Maͤdchen war, keinmal Pruͤgel und dreimal zu fressen;“ denn er konnte es doch nicht uͤber das Herz bringen, daß es sollte geschlagen werden. Darauf ging er zuruͤck in das Schloß und was er noͤthig hatte, das fand er alles darin.
Nach ein paar Tagen kam der Muͤller und sprach, „er muͤßte melden, daß die alte Eselin, die nur Schlaͤge bekommen haͤtte und nichts zu fressen, gestorben waͤre; und die zwei andern, sagte er weiter, sind zwar nicht gestorben und kriegen auch zu fressen, aber sie sind so traurig, daß es nicht lang mit ihnen dauern kann.“ Da erbarmte sich der Jaͤger und ließ allen Zorn fahren, und sprach zum Muͤller, er sollte sie wieder hertreiben. Und wie sie kamen, gab er ihnen von dem guten Salat zu fressen, daß sie wieder zu Menschen wurden. Da fiel das schoͤne Maͤdchen vor ihm auf die Knie und sprach: „ach, mein Liebster! verzeiht mir, was ich Boͤses an euch gethan, meine Mutter hatte mich dazu gezwungen, es ist gegen meinen Willen geschehen, denn ich habe euch von Herzen lieb. Euer Wunschmantel haͤngt in einem Schrank und fuͤr das Vogelherz will ich einen Brechtrunk einnehmen.“ Da ward er anderes Sinnes und sprach: „behalt es nur, es ist
gleich eins, denn ich will dich zu meiner treuen Ehegemahlin annehmen.“ Und da ward Hochzeit gehalten und sie lebten vergnuͤgt mit einander bis an ihren Tod.
123.
Die Alte im Wald.
Es fuhr einmal ein armes Dienstmaͤdchen mit seiner Herrschaft durch einen großen Wald, und als sie mitten darin waren, kamen Raͤuber aus dem Dickicht hervor und ermordeten, wen sie fanden; da kam alles mit einander um, nur das Maͤdchen nicht, das war aus dem Wagen gesprungen und hatte sich hinter einen Baum verborgen. Wie die Raͤuber mit ihrer Beute fort waren, trat es herbei und sah das große Ungluͤck, da fing es an bitterlich zu weinen und sagte: „was soll ich armes Maͤdchen nun anfangen, ich weiß mich nicht zu finden in dem Wald, kein Haus ist da, so muß ich gewiß verhungern!“ Es ging herum, suchte einen Weg, konnte aber keinen finden, bis zum Abend, da setzte es sich unter einen Baum, befahl sich Gott und wollt’ da sitzen bleiben und nicht weggehen, moͤchte geschehen, was immer wollte. Als es aber ein bischen da gesessen, kam ein weiß Taͤubchen heruntergeflogen, mit einem kleinen goldnen Schluͤsselchen im Schnabel, das legte es ihm in die Hand und sprach: „siehst du dort den großen Baum, daran ist ein kleines Schloß, das schließ mit dem Schluͤsselchen auf, so wirst du Speise genug finden und keinen Hunger mehr leiden.“ Da ging es zu dem Baum und schloß
ihn auf und fand Milch in einem kleinen Schuͤsselchen und Weißbrot zum Einbrocken dabei, daß es sich satt essen konnte. Als es satt war, sprach es: „jetzt ist Zeit, wo die Huͤhner daheim auffliegen, ich bin so muͤd, koͤnnt ich mich auch in mein Bett legen!“ Da kam das Taͤubchen wieder geflogen und hatt’ ein anderes goldenes Schluͤsselchen im Schnabel und sagt: „schließ dort den Baum auf, da wirst du ein Bett finden.“ Da schloß es auf und fand ein schoͤnes weiches Bettchen, da betete es zum lieben Gott, er sollt’ es behuͤten in der Nacht, legte sich und schlief ein. Am Morgen kam das Taͤubchen zum drittenmal, brachte wieder ein Schluͤsselchen und sprach: „schließ dort den Baum auf, da wirst du Kleider finden;“ und wie es aufschloß fand es Kleider mit Gold und Edelsteinen besetzt, so herrlich, wie sie keine Koͤnigstochter hat. Also lebte es da eine Zeit lang, und kam das Taͤubchen alle Tage und sorgte fuͤr alles, was es bedurfte, und war das ein stilles, gutes Leben.
Einmal aber kam das Taͤubchen und sprach: „willst du mir etwas zu Lieb’ thun?“ „Von Herzen gern,“ sagte das Maͤdchen. Da sprach das Taͤubchen: „ich will dich zu einem kleinen Haͤuschen fuͤhren, da geh’ hinein, mittendrin am Heerd da wird eine alte Frau sitzen und guten Tag sagen. Aber gib ihr bei Leibe keine Antwort, sie mag auch anfangen was sie will, sondern geh zu ihrer rechten Hand weiter, da ist eine Thuͤre, die mach auf, so wirst du in eine Stube kommen, wo eine große Menge von Ringen allerlei Art auf dem Tisch liegt, darunter sind praͤchtige mit glitzerigen Steinen, die laß aber liegen und
such einen schlichten heraus, der auch darunter seyn muß und bring ihn zu mir her so geschwind du kannst.“ Da ging das Maͤdchen hin zu dem Haͤuschen und oͤffnete es, da saß eine Alte, die machte große Augen, wie sie es sah, und sprach: „guten Tag mein Kind.“ Es gab ihr keine Antwort und ging auf die Thuͤre zu; „ei! wo hinaus?“ rief sie und faßt es beim Rock und wollt es festhalten; „das ist mein Haus, da darf niemand herein, wenn ich’s nicht haben will.“ Aber es schwieg immer still, machte sich von ihr los und ging gerade in die Stube hinein. Da lag nun auf dem Tisch eine uͤbergroße Menge von Ringen, die glitzten und glimmerten ihm vor den Augen, es warf sie herum und suchte nach dem schlichten, konnt’ ihn aber nicht finden. Wie es so suchte, sah es die Alte, wie sie daher schlich und einen Vogelkaͤfig in der Hand hatte und damit fort wollte; da ging es auf sie zu und nahm ihr den Kaͤfig aus der Hand und wie es ihn aufhob und hinein sah, saß ein Vogel darin, der hatte den schlichten Ring im Schnabel. Da war es froh und lief damit zum Haus hinaus und dachte, daß weiße Taͤubchen wuͤrde kommen und den Ring holen, aber es kam nicht. Da lehnte es sich an einen Baum und wollte auf es warten, und wie es so stand, da daͤuchte ihm, der Baum wuͤrde weich und biegsam und senkte seine Zweige herab. Und auf einmal schlangen sich die Zweige um es herum und waren zwei Arme und wie es sich umsah, war der Baum ein schoͤner Mann, der es umfaßte und herzlich kuͤßte und sagte: „du hast mich erloͤst, die Alte ist eine Hexe, die mich in einen Baum verwandelt hatte, und alle Tage ein paar Stunden war ich
eine weiße Taube, und so lang sie den Ring besaß, konnte ich meine menschliche Gestalt nicht wieder erhalten.“ Da waren auch seine Bedienten und Pferde von dem Zauber frei und keine Baͤume mehr und standen neben ihm, da fuhren sie fort in sein Reich, denn er war eines Koͤnigs Sohn, heiratheten sich und lebten gluͤcklich.
124.
Die drei Bruͤder.
Es war ein Mann, der hatte drei Soͤhne und weiter nichts im Vermoͤgen, als das Haus, worin er wohnte. Nun haͤtte jeder gern nach seinem Tod das Haus gehabt, dem Vater war aber einer so lieb als der andere, da wußt er gar nicht, wie ers anfangen sollte, daß er keinem zu nahe thaͤt; verkaufen wollt’ er das Haus auch nicht, weil’s von seinen Voreltern war, sonst haͤtte er das Geld unter sie getheilt. Da fiel ihm endlich ein Rath ein und er sprach zu seinen Soͤhnen: „geht in die Welt und versucht euch und lerne jeder ein Handwerk, wenn ihr dann wiederkommt, wer das beste Meisterstuͤck macht, der soll das Haus haben.“
Das waren die Soͤhne zufrieden, und der aͤltste wollte ein Hufschmied, der zweite ein Barbier, der dritte aber ein Fechtmeister werden. Darauf bestimmten sie eine Zeit, wo sie wieder nach Haus zusammenkommen wollten und zogen fort. Es traf sich auch, daß jeder einen tuͤchtigen Meister fand, wo er was rechtschaffenes lernte; der Schmied mußte des Koͤnigs Pferde beschlagen und dachte: „nun kann dirs nicht fehlen, du kriegst das
Haus;“ der Barbier rasirte lauter vornehme Herrn und meinte auch, das Haus waͤr’ sein; der Fechtmeister kriegte manchen Hieb, biß aber die Zaͤhne zusammen und ließ sichs nicht verdrießen, denn er dachte bei sich: „fuͤrchtest du dich vor einem Hieb, so kriegst du das Haus nimmermehr.“ Als nun die gesetzte Zeit herum war, kamen sie zusammen nach Haus, sie wußten aber nicht, wie sie die beste Gelegenheit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und rathschlagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Haas uͤbers Feld daher gelaufen. „Ei, sagte der Barbier, der kommt wie gerufen,“ nahm Becken und Seife, schaumte, bis der Haas in die Naͤhe kam, dann seifte er ihn in vollem Laufe ein und rasirte ihm auch in vollem Laufe ein Stutzbaͤrtchen und dabei schnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. „Das gefaͤllt mir, sagte der Vater, wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen, so ist das Haus dein.“ Es waͤhrte nicht lang, so kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen. „Nun sollt ihr sehen, Vater, was ich kann,“ sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. „Du bist ein ganzer Kerl, sprach der Vater, du machst deine Sachen so gut, wie dein Bruder; ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll.“ Da sprach der dritte: „Vater, laßt mich auch einmal gewaͤhren,“ und weil es anfing zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben uͤber seinem Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen staͤrker ward und endlich so stark, als ob man mit Mulden
vom Himmel goͤß, schwang er den Degen immer schneller, und blieb so trocken, als saͤß er unter Dach und Fach. Wie der Vater das sah, erstaunte er und sprach: „du hast das beste Meisterstuͤck gemacht, das Haus ist dein.“
Die beiden andern Bruͤder waren damit zufrieden, wie sie vorher gelobt hatten, und weil sie sich einander so lieb hatten, blieben sie alle drei zusammen im Haus, trieben ihr Handwerk und da sie so gut ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So lebten sie vergnuͤgt bis in ihr Alter zusammen und als der eine krank ward und starb, graͤmten sich die zwei andern so sehr daruͤber, daß sie auch krank wurden und bald starben. Da wurden sie, weil sie so geschickt gewesen und sich so lieb gehabt, alle drei in ein Grab gelegt.
125.
Der Teufel und seine Großmutter.
Es war ein großer Krieg und der Koͤnig gab seinen Soldaten wenig Sold, so daß sie nicht davon leben konnten; da thaten sich drei zusammen und wollten ausreißen. Einer sprach zum andern: „wenn wir aber gekriegt werden, haͤngt man uns an den Galgenbaum; wie wollen wir das machen?“ Sprach der andere: „da steht ein großes Kornfeld, wenn wir hineinkriechen, findet uns kein Mensch, das Heer kommt nicht hinein.“ Da krochen sie hinein und saßen zwei Tage und zwei Naͤchte im Korn, hatten aber so großen Hunger, daß sie beinah gestorben waͤren, denn sie
durften nicht heraus. Da sprachen sie: „was hilft uns unser Ausreißen, wir muͤssen elendig im Korn sterben.“ Jndem kam ein feuriger Drache uͤber das Kornfeld durch die Luft geflogen, der sah sie liegen und fragte: „was thut ihr drei da im Korn?“ Sie antworteten: „wir sind drei ausgerissene Soldaten, wir konnten von unserem Sold nicht laͤnger im Heer leben, nun muͤssen wir hier Hungers sterben, weil das Heer rund herum liegt, und wir nicht entrinnen koͤnnen.“ „Wollt ihr mir sieben Jahre dienen, sagte der Drache, so will ich euch mitten durchs Heer fuͤhren, daß euch niemand kriegen soll?“ „Wir haben keine Wahl und sinds zufrieden,“ antworteten sie. Da nahm sie der Drache in seine Klauen und unter seine Fittiche und brachte sie durch die Luft uͤber das Heer weg in Sicherheit. Darnach ließ er sie wieder zur Erde, er war aber der Teufel und gab ihnen ein kleines Peitschchen, womit sie sich Geld peitschen konnten, so viel sie wollten. „Damit, sprach er, koͤnnt ihr große Herren werden und im Wagen fahren; nach Verlauf der sieben Jahre aber seyd ihr mein eigen“ und hielt ihnen ein Buch vor, in das mußten sie alle drei unterschreiben. „Doch will ich euch, sagte er, dann erst noch ein Raͤthsel geben, koͤnnt ihr das rathen, sollt ihr frei und aus meiner Gewalt seyn.“ Da ging der Drache von ihnen ab und sie reisten fort mit ihren Peitschchen, hatten Geld die Fuͤlle, ließen sich Herrenkleider machen und zogen in der Welt herum. Wo sie waren, lebten sie in Freuden und Herrlichkeit, fuhren mit Pferden und Wagen, aßen und tranken und die sieben Jahre strichen in kurzer Zeit um. Als es nun bald ans Ende kam,
wurde ihnen angst und bang, zwei waren ganz betruͤbt, der dritte aber nahms auf die leichte Schulter und sprach: „Bruͤder, fuͤrchtet nichts, vielleicht koͤnnen wir das Raͤthsel rathen.“ Wie sie so zusammen saßen, kam eine alte Frau daher, die fragte, warum sie so traurig waͤren. „Ach, was liegt euch daran, ihr koͤnnt uns doch nicht helfen.“ „Wer weiß das, erzaͤhlt mir’s nur.“ Da erzaͤhlten sie’s ihr, daß sie fast sieben Jahr dem Teufel gedient, der haͤtte ihnen Geld wie Heu geschafft, sie haͤtten sich ihm aber verschrieben und waͤren sein Eigenthum, wenn sie nach den sieben Jahren nicht ein Raͤthsel aufloͤsen koͤnnten. Die Alte sprach: „soll euch geholfen werden, so muß einer von euch zum Wald hinein gehen und da wird er an eine zerfallene Klippe kommen, die aussieht wie ein Haͤuschen.“ Die zwei traurigen dachten, das wird uns doch nicht retten und blieben vor dem Wald, der dritte lustige machte sich auf und fand alles so, wie die Frau gesagt hatte; in dem Haͤuschen aber saß eine steinalte Frau, die war des Teufels Großmutter und fragte ihn, woher er kaͤme und was er wollte? Da erzaͤhlte er ihr alles und weil er ein gar schoͤner Mensch war, hatte sie Erbarmen und hob einen großen Stein auf. „Darunter sitz ganz still, wann der Drache kommt, will ich ihn um die Raͤthsel fragen.“ Um zwoͤlf Uhr Nachts kam der Drache geflogen und wollte sein Essen, da deckte ihm seine Großmutter den Tisch und trug Trank und Speise auf, daß er vergnuͤgt war, und sie aßen und tranken zusammen. Da fragte sie ihn im Gespraͤch, wie’s den Tag ergangen waͤre, wie viel Seelen er kriegt haͤtte? „Jch hab’ noch drei Soldaten, die sind
mein,“ sprach er. „Ja, drei Soldaten, sagte sie, haben etwas an sich, die koͤnnen dir noch entkommen.“ Sprach der Teufel hoͤhnisch: „die sind mir gewiß, denen gebe ich ein Raͤthsel auf, das sie nimmermehr rathen koͤnnen.“ „Was ist das fuͤr ein Raͤthsel?“ fragte sie. „Das will ich dir sagen: in der großen Nordsee liegt eine todte Meerkatze, das soll ihr Braten seyn; und von einem Wallfisch die Rippe, das soll ihr silberner Loͤffel seyn; und ein alter Pferdefuß, das soll ihr Weinglas seyn.“ Da ging der Teufel fort zu schlafen und die alte Großmutter hob den Stein auf und ließ den Soldaten heraus. „Hast du auch alles wohl in Acht genommen?“ „Ja,“ sprach er, nun weiß ich mir schon zu helfen.“ Darauf mußte er einen andern Weg durchs Fenster schnell zu seinen Gesellen gehen, damit ihn der Teufel nicht merkte. Wie er nun zu den andern kam, erzaͤhlte er ihnen, was er gehoͤrt hatte und sie konnten nun rathen, was sonst keine Seele gerathen haͤtte; da waren sie alle froͤhlich und guter Dinge und peitschten sich Geld genug. Als nun die sieben Jahre voͤllig herum waren, kam der Teufel mit dem Buche, zeigte die Unterschriften und sprach: „ich will euch nun in die Hoͤlle mitnehmen, da sollt ihr eine Mahlzeit haben, koͤnnt ihr mir rathen, was ihr fuͤr einen Braten werdet zu essen kriegen, so sollt ihr frei und los seyn und das Peitschchen dazu behalten.“ Da fing der erste Soldat an: „in der großen Nordsee liegt eine todte Meerkatze, das wird wohl der Braten seyn.“ Der Teufel aͤrgerte sich, machte hm! hm! hm! und fragte den zweiten: „was soll euer Loͤffel seyn?“ Da antwortete er: „von einem Wallfisch die Rippe, das
soll unser silberner Loͤffel seyn.“ Der Teufel schnitt ein Gesicht, knurrte wieder dreimal hm! hm! hm! und sprach zum dritten: „was soll euer Weinglas seyn.“ „Ein alter Pferdefuß, das soll unser Weinglas seyn.“ Da flog der Teufel fort, ließ sie im Stich und hatte keine Gewalt mehr uͤber sie; aber die drei behielten das Peitschchen, schlugen Geld hervor, so viel sie wollten, und lebten vergnuͤgt bis an ihr Ende.
126.
Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ.
Et was mal en Mann un ’ne Fru west, de hadden so lange se rick woͤren kene Kinner, as se awerst arm woren, da kregen se en kleinen Jungen. Se kunnen awerst kenen Paen dato kregen, da segde de Mann, he wulle mal na den annern Ohre (Orte) gahn un tosehn, ob he da enen krege. Wie he so gink, begegnete uͤnn en armen Mann, de frog en, wo he huͤnne wulle? he segde, he wulle huͤnn un tosehn, dat he ’n Paen kriegte, he sie arm un da wulle uͤnn ken Minske to Gevaher stahn. „O, segde de arme Mann, gi sied arm un ik sie arm, ik will guhe (euer) Gevaher weren; ik sie awerst so arm, ik kann dem Kinne nix giwen, gahet hen un segget de Baͤhmoer (Wehmutter), se sulle man mit den Kinne na der Kerken kummen.“ Ase se nu tohaupe na der Kerken kummet, da is de Bettler schaun darinne, de givt dem Kinne den Namen: Ferenand getruͤ.
Wie he nu ut der Kerken gahet, da segd de Bettler: „nu gahet man na Hus, ik kann guh (euch) nix giwen, un gi suͤllt mie ok nix giwen.“ De Baͤhmoer awerst gav he ’n Schluͤttel un segd er, se moͤgt en, wenn se na Hus kaͤme, dem Vaer giwen, de sull’n verwahren, bis dat Kind vertein Johr old woͤre, dann sull et up de Heide gahn, da woͤre ’n Schlott, dato paßte de Schluͤttel, wat darin woͤre, dat sulle em hoͤren. Wie dat Kind nu sewen Johr alt woren un duͤet (tuͤchtig) wassen wor, gink et mal spilen mit annern Jungens, da hadde de eine noch mehr vom Paen kriegt, ase de annere, he awerst kunne nix seggen, un da grinde he un gink na Hus un segde tom Vaer: „hewe ik denn gar nix vom Paen kriegt?“ — „O ja, segde de Vaer, du hest en Schluͤttel kriegt, wenn up de Heide ’n Schlott steit, so gah man hen un schlut et up.“ Da gink he hen, awerst et was kein Schlott to hoͤren un to sehen. Wier na sewen Jahren, ase he vertein Johr old is, geit he nochmals hen, da steit en Schlott darup. Wie he et upschloten het, da is der nix enne, ase ’n Perd, ’n Schuͤmmel. Da werd de Junge so vuller Fruͤden, dat he dat Perd hadde, dat he sik darup sett un to sinen Vaer jegd (jagt). „Nu hew ik auck ’n Schuͤmmel, nu will ik auck reisen,“ segd he.
Da treckt he weg un wie he unnerweges is, ligd da ’ne Schriffedder up ’n Wegge, he will se eist (erst) upnuͤmmen, da denkt he awerst wier bie sich: „o du suͤst se auck liggen laten, du finndst ja wul, wo du hen kuͤmmst ’ne Schriffedder, wenn du eine bruckest.“ Wie he so weggeit, da roppt et hinner uͤm: „Ferenand
getruͤ, nimm se mit!“ He suͤt sik uͤmme, suͤt awerst keinen, da geit he wier torugge un nuͤmmt se up. Wie he wier ’ne Wile rien (geritten) is, kuͤmmt he bie ’n Water vorbie, so ligd da en Fisk am Oewer (Ufer) un snappet un happet na Luft, so segd he: „toͤv, min lewe Fisk, ik will die helpen, dat du in’t Water kuͤmmst,“ un gript ’n bie’n Schwans un werpt ’n in’t Water. Da steckt de Fisk den Kopp ut den Water un segd: „nu du mie ut den Koth holpen hest, will ik die ’ne Floͤtepiepen giwen, wenn du in de Naud bist, so floͤte derup: dann will ik die helpen; wenn du mal wat in’t Water hast fallen laten, so floͤte man, so will ik et die herut reicken.“ Nu ritt he weg, da kuͤmmt so ’n Minsk to uͤm, de fraͤgt ’n, wo he hen wull. „O na den neggsten Ort.“ — „Wu he dann heite?“ — „Ferenand getruͤ.“ — „Suͤ, da hewe wie ja fast den suͤlwigen Namen, ik heite Ferenand ungetruͤ.“ Da trecket se beide na den neggsten Ohre in dat Wertshus.
Nu was et schlimm, dat de Ferenand ungetruͤ allet wuste, wat ’n annerer dacht hadde un doen wulle; dat wust he doͤre so allerhand slimme Kunste. Et was awerst im Werthshuse so ’n wacker Maͤken, dat hadde ’n schier (klares) Angesicht un drog sik so huͤbsch; dat verleiv sik in den Ferenand getruͤ, denn et was ’n huͤbschen Minschen west, un frog’n, wo he hen to wulle? „O, he wulle so heruͤmmer reisen.“ Da segd se, so sull he doch nur da bliewen, et woͤre hier to Lanne ’n Kuͤnig, de neime wul geren ’n Bedeenten oder ’n Vorruͤter; dabie sulle he in Diensten gahn. He antworde, he kuͤnne nig gud so to einen hingahen un been
sik an. Da segde dat Maͤken: „o dat will ik dann schun dauen.“ Un so gink se auck stracks hen, na den Kuͤnig, un sehde uͤnn, se wuͤste uͤnn ’n huͤbschen Bedeenten. Dat was de wol tofreen un leit ’n to sik kummen un wull ’n to ’m Bedeenten macken. He wull awerst leewer Vorruͤter sin, denn wo sin Perd waͤre, da moͤst he auck sin; da mackt ’n de Kuͤnig to ’m Vorruͤter. Wie duͤt de Ferenand ungetruͤ gewahr wore, da segd he to den Maͤken: „toͤv! helpest du den an, un mie nig?“ „O, segd dat Maͤken, ik will ’n auck anhelpen.“ Se dachte: „den most du die to ’m Fruͤnne wahren, denn he is nig to truen.“ Se geit alse vor ’m Kuͤnig stahn un beed ’n als Bedeenten an; dat is de Kuͤnig tofreen.
Wenn he nu also det Morgens den Heren antrock, da jammerte de juͤmmer: „o wenn ik doch eist mine Leiweste bie mie haͤdde.“ De Ferenand ungetruͤ war awerst dem Ferenand getruͤ juͤmmer upsettsig, wie asso de Kuͤnig mal wier so jammerte, da segd he: „Sie haben ja den Vorreiter, den schicken Sie hin, der muß sie herbeischaffen und wenn er es nicht thut, soll ihm der Kopf vor die Fuͤße gelegt werden.“ Do leit de Kuͤnig den Ferenand getruͤ to sik kummen un sehde uͤm, he haͤdde da un da ’ne Leiweste, de sull he uͤnn herschappen, wenn he dat nig deie, sull he sterwen.
De Ferenand getruͤ gink im Stall to sinen Schuͤmmel un grinde un jammerde. „O wat sin ik ’n ungluͤcksch Minschenkind.“ Do roͤppet jeimes hinner uͤm: „Ferenand getreu, was weinst du?“ He suͤt sik um, suͤt awerst neimes un jammerd juͤmmer fort: „o
min lewe Schuͤmmelken, nu mot ik die verlaten, nu mot ik sterwen.“ Da merkt he eist, dat sin Schuͤmmelken deit dat Fragen. „Doͤst du dat, min Schuͤmmelken, kast du kuͤren (reden)?“ un segd wier: „ik sull da un da hen un sall de Brut halen, west du nig, wie ik dat wol anfange?“ Da antwoerd dat Schuͤmmelken: „gah du na den Kuͤnig un segg, wenn he die giwen wulle, wat du hewen moͤstest, so wullest du se uͤnn schappen; wenn he die ’n Schipp vull Fleisk un ’n Schipp vull Brod giwen wulle, so sull et gelingen; da woͤren de grauten Riesen up den Water, wenn du denen ken Fleisk midde braͤchtest, so terreitn se die; un da woͤren de grauten Vuͤggel, de pickeden die de Ogen ut den Koppe, wenn du ken Brod vor se haͤddest.“ Da lett de Kuͤnig alle Slaͤchter im Lanne slachten un alle Becker backen, dat de Schippe vull werdt. Wie se vull sied, segd dat Schuͤmmelken to ’m Ferenand getruͤ: „nu gah man up mie sitten un treck mit mie in ’t Schipp, wenn dann de Riesen kuͤmmet so segg:
„still, still, meine lieben Riesechen,
ich hab’ euch wohl bedacht,
ich hab’ euch was mitgebracht!“
Un wenn de Vuͤggel kuͤmmet, so seggst du wier:
„still, still, meine lieben Voͤgelchen,
ich hab’ euch wohl bedacht,
ich hab’ euch was mitgebracht!“
dann doet sie die nix, un wenn du dann bie dat Schlott kuͤmmst, dann helpet die de Riesen, dann gah up dat Schlott un nuͤmm
’n Paar Riesen mit, da ligd de Prinzessin un schloͤppet; du darfst se awerst nig upwecken, sonnern de Riesen moͤtt se mit den Bedde upnuͤmmen un in dat Schipp dregen.“ (Und da geschah nun alles, wie das Schimmelchen gesagt hatte, und den Riesen und den Voͤgeln gab der Ferenand getruͤ was er ihnen mitgebracht hatte, dafuͤr wurden die Riesen willig und trugen die Prinzessin im Bett zum Koͤnig.) Un ase se to ’m Kuͤnig kuͤmmet, segd se, se kuͤnne nig liwen, se moͤste ere Schrifften hewen, de woͤren up eren Schlotte liggen bliwen. Da werd de Ferenand getruͤ up Anstifften det Ferenand ungetruͤ roopen, un de Kuͤnig beduͤtt uͤnn, he sulle de Schriften von den Schlotte halen, suͤst sull he sterwen. Da geit he wier in Stall un grind un segd: „o min lewe Schuͤmmelken, nu sull ik noch ’nmal weg, wie suͤll wie dat macken.“ Da segd de Schuͤmmel, se sullen dat Schipp man wier vull laen (laden). (Da geht es wieder wie das vorigemal, und die Riesen und Voͤgel werden von dem Fleisch gesaͤttigt und besaͤnftigt.) Ase se bie dat Schlott kuͤmmet, segd de Schuͤmmel to uͤnn, he sulle man herin gahn, in den Schlapzimmer der Prinzessin, up den Diske, da laͤgen de Schrifften. Da geit Ferenand getruͤ huͤn un langet se. Ase se up ’n Water sind, da let he sine Schriffedder in ’t Water fallen, da segd de Schuͤmmel: „nu kann ik die awerst nig helpen.“ Da faͤllt ’n dat bie mit de Floͤtepipen, he faͤnkt an to floͤten, da kuͤmmt de Fisk un het de Fedder im Mule un langet se ’m hen. Nu bringet he de Schrifften na den Schlotte, wo de Hochtid hallen werd.
De Koͤnigin mogte awerst den Koͤnig nig lien, weil he keine Nese hadde, sonnern se mogte den Ferenand getruͤ geren lien. Wie nu mal alle Herens vom Hove tosammen sied, da segd de Kuͤnigin, se kuͤnne auck Kunstuͤcke macken, se kuͤnne einen den Kopp afhoggen un wier upsetten, et sull nur mant einer versoͤcken. Da wull awerst kener de eiste sien, da mott Ferenand getruͤ daran, wier up Anstifften von Ferenand ungetruͤ, den hogget se den Kopp af un sett ’n uͤnn auck wier up, et is auck glick wier tau heilt, dat et ut sach ase haͤdde he ’n roen Faen (Faden) uͤm ’n Hals. Da segd de Kuͤnig to ehr: „mein Kind, wo hast du denn das gelernt?“ — „Ja, segd se, die Kunst versteh ich, soll ich es an dir auch einmal versuchen?“ — „O ja,“ segd he. Da hogget se en awerst den Kopp af un sett ’n en nig wier upp, se doet as ob se ’n nig darup kriegen kuͤnne un as ob he nig fest sitten wulle. Da ward de Kuͤnig begrawen, se awerst frigget den Ferenand getruͤ.
He ridde awerst juͤmmer sinen Schuͤmmel un ase he mal darup sat, da segd de to em, he sulle mal up ’ne annere Heide, de he em wist, trecken, un da dreimal mit em herummerjagen. Wie he dat dahen hadde, da geit de Schuͤmmel up de Hinnerbeine stahn un verwannelt sik in ’n Kuͤnigssuhn.
127.
Der Eisen-Ofen.
Zur Zeit, wo das Wuͤnschen noch geholfen hat, ward ein Koͤnigssohn von einer alten Hexe verwuͤnscht, daß er im Walde in einem großen Eisen-Ofen sitzen sollte. Da brachte er nun viele Jahre zu und konnte ihn niemand erloͤsen. Einmal kam eine Koͤnigstochter in den Wald, die hatte sich irr gegangen und konnte ihres Vaters Reich nicht wieder finden; neun Tage war sie so herum gegangen und stand zuletzt vor dem eisernen Kasten. Da fragte er sie: „wo kommst du her, und wo willst du hin?“ Sie antwortete: „ich habe meines Vaters Koͤnigreich verloren und kann nicht wieder nach Haus kommen.“ Da sprach’s aus dem Eisen-Ofen: „ich will dir wieder nach Haus verhelfen in einer kurzen Zeit, wann du dich willst unterschreiben, zu thun, was ich verlange. Jch bin ein groͤßerer Koͤnigssohn, als du eine Koͤnigstochter und will dich heirathen.“ Da erschrak sie und dachte: „lieber Gott, was soll ich mit dem Eisen-Ofen anfangen!“ weil sie aber gern wieder zu ihrem Vater heim wollte, unterschrieb sie sich doch, zu thun, was er verlangte. Er sprach aber: „du sollst wiederkommen, ein Messer mitbringen und ein Loch in das Eisen schrappen;“ dann gab er ihr jemand zum Gefaͤhrten, der ging nebenher und sprach nicht, er brachte sie aber in zwei Stunden nach Haus. Nun war große Freude im Schloß, als die Koͤnigstochter wieder kam, und der alte Koͤnig fiel ihr um den Hals und kuͤßte sie. Sie war aber sehr betruͤbt und sprach: „lieber
Vater, wie mir’s gegangen hat! ich waͤr’ nicht wieder nach Haus gekommen aus dem großen wilden Walde, wann ich nicht waͤr’ bei einen eisernen Ofen gekommen, dem habe ich mich muͤssen dafuͤr unterschreiben, daß ich wollte wieder zu ihm zuruͤckkehren, ihn erloͤsen und heirathen.“ Da erschrak der alte Koͤnig so sehr, daß er beinahe in eine Ohnmacht gefallen waͤre, denn er hatte nur die einige TochtrrTochter. Berathschlagten sich also, sie wollten die Muͤllerstochter, die schoͤn waͤr’, an ihre Stelle nehmen; fuͤhrten die hinaus, gaben ihr ein Messer und hießen ihr an dem Eisen-Ofen schaben. Sie schrappte auch 24 Stund, konnte aber nicht das geringste herabbringen; wie nun der Tag anbrach, rief’s in dem Eisen-Ofen: „mich daͤucht, ’s ist Tag draußen!“ Da antwortete sie: „das daͤucht mich auch, ich meint, ich hoͤrt meines Vaters Muͤhle rappeln.“ — „So bist du ja eine Muͤllerstochter, dann geh gleich hinaus und laß die Koͤnigstochter herkommen.“ Da ging sie hin und sagte dem alten Koͤnig, der draußen wollte sie nicht, er wollte seine Tochter. Da erschrak der alte Koͤnig und die Tochter weinte; sie hatten aber noch eine schoͤne Schweinshirtentochter, die war noch schoͤner, als die Muͤllerstochter, der wollten sie ein Stuͤck Geld geben, damit sie fuͤr die Koͤnigstochter zum eisernen Ofen ging. Also ward sie hinausgebracht und mußte auch 24 Stund schrappen, sie bracht aber nichts davon. Wie nun der Tag anbrach, rief’s im Ofen: „mich daͤucht, es ist Tag draußen!“ Da antwortete sie: „das daͤucht mich auch, ich meint, ich hoͤrt meines Vaters Hoͤrnchen tuͤten!“ — „So bist du ja eine Schweinshirten-Tochter, dann geh gleich hinaus und laß die
Koͤnigstochter kommen; und sag’ ihr, es sollt ihr widerfahren, was ich ihr versprochen haͤtte, und wann sie nicht kaͤme, sollte im ganzen Reich alles zerfallen und einstuͤrzen und kein Stein auf dem andern bleiben.“ Als die Koͤnigstochter das hoͤrte, fing sie an zu weinen, es war aber nun nicht anders, sie mußte ihr Versprechen halten. Da nahm sie Abschied von ihrem Vater, steckte ein Messer ein und ging zu dem Eisen-Ofen in den Wald hinaus. Wie sie nun angekommen war, hub sie an zu schrappen und das Eisen gab ihr nach und wie zwei Stunden vorbei waren, hatte sie schon ein kleines Loch geschabt. Da guckte sie hinein und sah einen so schoͤnen Koͤnigssohn, ach! der glimmerte, daß er ihr recht in der Seele gefiel. Nun da schrappte sie noch weiter fort und machte das Loch so groß, daß er heraus konnte. Da sprach er: „du bist mein und ich bin dein, du bist meine Braut und hast mich erloͤst.“ Sie bat sich aus, daß sie noch einmal duͤrfte zu ihrem Vater gehen und der Koͤnigssohn erlaubte es ihr, sie sollte aber nicht mehr mit ihrem Vater sprechen, als drei Worte und dann sollte sie wiederkommen. Also ging sie heim, sie sprach aber mehr als drei Worte, da verschwand alsbald der Eisen-Ofen und war weit weg uͤber glaͤserne Berge und schneidende Schwerter; doch war der Koͤnigssohn erloͤst und nicht mehr darin eingeschlossen. Darnach nahm sie Abschied von ihrem Vater und etwas Geld mit, aber nicht viel, ging wieder in den großen Wald und suchte den Eisen-Ofen, allein der war nicht wieder zu finden. Neun Tage suchte sie, da ward ihr Hunger so groß, daß sie sich nicht zu helfen wußte, denn sie hatte nichts mehr zu leben. Und
wie es Abend wurde, setzte sie sich auf einen kleinen Baum und gedachte darauf die Nacht hinzubringen, weil sie sich vor den wilden Thieren fuͤrchtete. Als nun Mitternacht heran kam, sah sie von ferne ein kleines Lichtchen, dacht sie, „ach! da waͤr’ ich wohl erloͤst,“ stieg vom Baum und ging dem Lichtchen nach, auf dem Weg aber betete sie. Da kam sie zu einem kleinen alten Haͤuschen, da war viel Gras umgewachsen und stand ein kleines Haͤufchen Holz davor. Dachte sie: „ach! wo kommst du hier hin;“ guckte durch’s Fenster hinein, so sah sie nichts darin, als dicke und kleine Jtschen (Kroͤten), aber einen Tisch, schoͤn gedeckt mit Wein und Braten, und Teller und Becher waren von Silber. Da nahm sie sich das Herz und klopfte an; alsbald rief die Dicke:
„Jungfer gruͤn und klein,
Hutzelbein!
Hutzelbeins Huͤndchen
Hutzel hin und her!
Laß geschwind sehen, wer draußen waͤr.“
Da kam eine kleine Jtsche herbei gegangen und machte ihr auf; wie sie eintrat, hießen alle sie willkommen und sie mußte sich setzen. „Wo kommt ihr her? wo wollt ihr hin?“ Da erzaͤhlte sie alles, wie es ihr gegangen waͤre, und weil sie das Gebot uͤbertreten, nicht mehr als drei Worte zu sprechen, waͤre der Ofen weg sammt dem Prinzen; nun wollte sie so lange suchen und uͤber Berg und Thal wandern, bis sie ihn faͤnde, da sprach die alte Dicke:
„Jungfer gruͤn und klein,
Hutzelbein!
Hutzelbeins Huͤndchen!
Hutzel hin und her!
Bring mir die große Schachtel her!“
Da ging die kleine hin und brachte die Schachtel herbeigetragen, hernach gaben sie ihr Essen und Trinken und brachten sie zu einem schoͤnen gemachten Bett, das war wie Seide und Sammet, da legt sie sich hinein und schlief in Gottes Namen. Als der Tag kam, stieg sie auf, und gab ihr die alte Jtsche drei Nadeln aus der großen Schachtel, die sollte sie mitnehmen; sie wuͤrden ihr noͤthig thun, denn sie muͤßte uͤber einen hohen glaͤsernen Berg und uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser, wann sie das durchsetzte, wuͤrde sie ihren Liebsten wiederkriegen. Nun gab sie hiermit drei Theile (Stuͤcke), die sollte sie recht in Acht nehmen, naͤmlich drei große Nadeln, ein Pflugrad und drei Nuͤsse. Hiermit reiste sie ab und wie sie vor den glaͤsernen Berg kam, der so glatt war, steckte sie die drei Nadeln als hinter die Fuͤße und dann wieder vorwaͤrts und gelangte so hinuͤber, und als sie hinuͤber war, steckte sie sie an einen Ort, den sie wohl in Acht nahm. Darnach kam sie vor die drei schneidenden Schwerter, da stellte sie sich auf ihr Pflugrad und rollte hinuͤber. Endlich kam sie vor ein großes Wasser und wie sie uͤbergefahren war, in ein großes, schoͤnes Schloß. Sie ging hinein und hielt um einen Dienst an, sie waͤr’ eine arme Magd und wollte sich gern vermiethen; sie wußte aber, daß der Koͤnigssohn drinne war, den sie erloͤst hatte aus dem eisernen Ofen im großen Wald. Also ward sie angenommen zum Kuͤchenmaͤdchen fuͤr geringen Lohn. Nun
hatte der Koͤnigssohn schon wieder eine andere an der Seite, die wollte er heirathen, denn er dachte, sie waͤre laͤngst gestorben. Abends nun, wie sie aufgewaschen hatte und fertig war, fuͤhlte sie in ihre Tasche und fand die drei Nuͤsse, welche ihr die alte Jtsche gegeben hatte. Biß eine auf und wollte den Kern essen, siehe da war ein stolzes koͤnigliches Kleid drin. Wie’s nun die Braut hoͤrte, kam sie und hielt um das Kleid an und wollte es kaufen; „es waͤr’ kein Kleid fuͤr eine Dienstmagd.“ Da sprach sie, ja sie wollt’s nicht verkaufen, doch wann sie ihr einerlei (ein Ding) wollte erlauben, so sollte sie’s haben, naͤmlich eine Nacht in der Kammer ihres Braͤutigams zu schlafen. Die Braut erlaubt’ es ihr, weil das Kleid so schoͤn war und sie noch keins so hatte. Wie’s nun Abend war, sagte sie zu ihrem Braͤutigam: „das naͤrrische Maͤdchen will in deiner Kammer schlafen.“ „Wann du’s zufrieden bist, bin ich’s auch,“ sprach er. Sie gab aber dem Mann ein Glas Wein, in das sie einen Schlaftrunk gethan hatte. Also gingen beide in die Kammer schlafen, und er schlief so fest, daß sie ihn nicht erwecken konnte. Sie weinte aber die ganze Nacht und rief: „ich hab’ dich erloͤst aus einem wilden Wald und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich hab’ dich erloͤst durch ein verwuͤnschtes Schloß, uͤber einen glaͤsernen Berg, uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser, ehe ich dich gefunden habe und willst mich doch nicht hoͤren.“ Die Bedienten saßen vor der Stubenthuͤre und hoͤrten wie sie so die ganze Nacht weinte und sagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am andern Abend aufgewaschen hatte, biß
sie die zweite Nuß auf, da war noch ein weit schoͤneres Kleid drin; wie das die Braut sah, wollte sie es auch kaufen. Aber Geld wollte das Maͤdchen nicht und bat sich aus, daß es noch einmal in der Kammer des Braͤutigams schlafen duͤrfte. Sie gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk und er schlief so fest, daß er nichts hoͤren konnte. Das Kuͤchenmaͤdchen weinte aber die ganze Nacht und rief: „ich hab’ dich erloͤst aus einem wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich habe dich erloͤst, durch ein verwuͤnschtes Schloß, uͤber einen glaͤsernen Berg, uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser, ehe ich dich gefunden habe und willst mich doch nicht hoͤren.“ Die Bedienten saßen vor der Stubenthuͤre und hoͤrten, wie sie so die ganze Nacht weinte und sagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am dritten Abend aufgewaschen hatte, biß sie die dritte Nuß auf, da war ein noch schoͤneres Kleid darin, das starrte von purem Gold. Wie die Braut das sah, wollte sie es haben, das Maͤdchen aber gab es nur hin, wenn sie zum drittenmal duͤrfte in der Kammer des Braͤutigams schlafen. Der Koͤnigssohn aber huͤtete sich und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen; wie sie nun anfing zu weinen und zu rufen: „liebster Schatz, ich habe dich erloͤst aus dem grausamen, wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich habe dich erloͤst;“ so sprang der Prinz auf und sprach: „du bist mein und ich bin dein.“ Darauf setzte er sich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen und der falschen Braut nahmen sie die Kleider weg, daß sie nicht aufstehen konnte. Als sie zu dem großen Wasser kamen, da
schifften sie hinuͤber, und vor den drei schneidenden Schwertern, da setzten sie sich aufs Pflugrad, und vor dem glaͤsernen Berg, da steckten sie die drei Nadeln hinein; und so gelangten sie endlich zu dem alten kleinen Haͤuschen, aber wie sie hineintraten, war’s ein großes Schloß, die Jtschen waren alle erloͤst und lauter Koͤnigskinder und waren in voller Freude. Da ward Vermaͤhlung gehalten und sie blieben in dem Schloß, das war viel groͤßer, als ihres Vaters Schloß. Weil aber der Alte jammerte, daß er allein bleiben sollte, so fuhren sie weg und holten ihn zu sich und hatten zwei Koͤnigreiche und lebten in gutem Ehestand.
128.
Die faule Spinnerin.
Auf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau, und die Frau war so faul, daß sie immer nichts arbeiten wollte und was ihr der Mann zu spinnen gab, das spann sie nicht fertig und was sie auch spann, haspelte sie nicht, sondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen. Schalt sie nun der Mann, so war sie mit ihrem Maul doch vornen und sprach: „ei, wie sollt’ ich haspeln, da ich keinen Haspel habe, geh du erst in den Wald und schaff’ mir einen.“ „Wenn’s daran liegt, sagte der Mann, so will ich in den Wald gehen und Haspelholz holen.“ Da fuͤrchtete sich die Frau, wenn er das Holz haͤtte, daß er daraus einen Haspel machte und sie abhaspeln und dann wieder frisch spinnen muͤßte. Sie besann sich ein Bischen, da kam ihr ein guter Einfall
und sie lief dem Manne heimlich nach in den Wald. Wie er nun auf einen Baum gestiegen war, das Holz auszulesen und zu hauen, schlich sie darunter in das Gebuͤsch, wo er sie nicht sehen konnte und rief hinauf:
„wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt, der verdirbt!“
Der Mann horchte auf, legte die Axt eine Weile nieder und dachte nach, was das wohl zu bedeuten habe. „Ei was, sprach er endlich, was wird’s gewesen seyn, es hat dir in den Ohren geklungen, mach dir keine unnoͤthige Furcht;“ also ergriff er die Axt von neuem und wollte zuhauen, da rief’s wieder unten:
„wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt, der verdirbt!“
Er hielt ein, kriegte Angst und Bang und sann dem Ding nach; wie aber ein Weilchen vorbei war, kam ihm das Herz wieder und er langte zum drittenmal nach der Axt und wollte zuhauen. Aber zum drittenmal rief’s und sprach’s laut:
„wer Haspelholz haut, der stirbt,
wer da haspelt, der verdirbt!“
Da hatte er’s genug und alle Lust war ihm vergangen, so daß er eilends den Baum herunterstieg und sich auf den Heimweg machte. Die Frau lief, was sie konnte, auf Nebenwegen, damit sie eher nach Haus kaͤme; wie er nun in die Stube trat, that sie unschuldig, als waͤre nichts vorgefallen und sagte: „nun, bringst du ein gutes Haspelholz?“ „Nein, sprach er, ich sehe wohl, es
geht mit dem Haspeln nicht,“ erzaͤhlte ihr, was ihm im Walde begegnet war, und ließ sie von nun an damit in Ruhe.
Bald hernach fing der Mann doch wieder an, sich uͤber die Unordnung im Hause zu aͤrgern und es lief bei ihm uͤber: „Frau, sagte er, es ist doch eine Schande, daß das gesponnene Garn da auf dem Klauel liegen bleibt.“ „Weißt du was, sprach sie, weil wir doch zu keinem Haspel kommen, so stell dich auf den Boden und ich steh unten, da will ich dir den Klauel hinaufwerfen und du wirfst ihn herunter, so gibt’s doch einen Strang.“ „Ja, das geht,“ sagte der Mann; also thaten sie das und wie sie fertig waren, sprach er: „das Garn ist nun gestraͤngt, nun muß es auch gekocht werden.“ Der Frau ward wieder Angst; sie sprach zwar: „ja, wir wollen’s gleich morgen fruͤh kochen,“ dachte aber bei sich auf einen neuen Streich. Fruͤhmorgens stand sie auf, machte Feuer an, und stellte den Kessel bei, allein statt des Garns legte sie einen Klumpen Werg hinein und ließ es so zukochen. Darauf ging sie zum Manne, der noch im Bette lag, und sprach zu ihm: „ich muß einmal ausgehen, steh derweil auf und sieh nach dem Garn, das im Kessel uͤberm Feuer steht, aber du mußt’s bei Zeit thun, gib wohl Acht, denn wo der Hahn kraͤht und du saͤhest nicht nach, wird das Garn zu Werg.“ Der Mann war bei der Hand und wollte nichts versaͤumen, stand eilend auf, so schnell er konnte, und ging in die Kuͤche; wie er aber zum Kessel kam und hinein sah, da erblickte er mit Schrecken nichts als einen Klumpen Werg. Da schwieg er maͤuschenstill,
dachte, er haͤtt’s versehen und waͤr’ Schuld daran und ließ in Zukunft die Frau mit Garn und Spinnen immer zufrieden.
129.
Die vier kunstreichen Bruͤder.
Es war ein armer Mann, der hatte vier Soͤhne, wie die nun herangewachsen waren, sprach er zu ihnen: „lieben Kinder, ihr muͤßt in die Welt, ich habe nichts, das ich euch geben koͤnnte, macht euch auf in die Fremde, lernt ein Handwerk und seht, wie ihr euch durchschlagt.“ Da ergriffen die vier Bruͤder den Wanderstab, nahmen Abschied von ihrem Vater und zogen zusammen zum Thor hinaus. Als sie ein Stuͤck Wegs gemacht hatten, kamen sie an einen Kreuzweg, der nach vier verschiedenen Gegenden fuͤhrte. Da sprach der aͤlteste: „hier muͤssen wir uns trennen, aber heut uͤber vier Jahre wollen wir uns an dieser Stelle wieder treffen und in der Zeit unser Gluͤck versuchen.“
Nun ging jeder seinen Weg und dem aͤltesten begegnete ein Mann, der fragte ihn, wo er hinaus wollte und was er vorhaͤtte. „Jch will ein Handwerk lernen“ antwortete er. Da sprach der Mann; „geh mit mir und werde ein Dieb.“ „Nein, antwortete er, das ist jetzt kein ehrliches Handwerk mehr und das End vom Lied, daß einer als Schwengel in der Feldglocke gebraucht wird.“ „O! sprach der Mann, vor dem Galgen brauchst du dich nicht zu fuͤrchten, ich will dich blos lehren das zu holen, was sonst kein Mensch kriegen kann und wo dir niemand auf die Spur
kommt.“ Da ließ er sich uͤberreden und ward bei dem Manne ein gelernter Dieb und so geschickt, daß vor ihm nichts sicher war, was er einmal haben wollte. Der zweite Bruder begegnete einem Mann, der dieselbe Frage an ihn that, was er in der Welt lernen wolle. „Jch weiß es noch nicht, antwortete er.“ „So geh mit mir und werde ein Sterngucker, nichts besser, als das, es bleibt einem nichts verborgen.“ Er ließ sich das gefallen und ward ein so geschickter Sterngucker, daß sein Meister, als er ausgelernt hatte und weiter ziehen wollte, ihm ein Glas gab und zu ihm sprach: „damit kannst du sehen, was auf Erden und am Himmel vorgeht und kann dir nichts verborgen bleiben.“ Der dritte Bruder begegnete einem Jaͤger, der nahm ihn mit in die Lehre und gab ihm in allem was zur Jaͤgerei gehoͤrte, so guten Unterricht, daß er ein ausgelernter Jaͤger ward. Der Meister schenkte ihm beim Abschied eine Buͤchse und sprach: „die fehlt nicht, was du damit aufs Korn nimmst, das triffst du auch.“ Der juͤngste Bruder begegnete gleichfalls einem Manne, der ihn anredete und nach seinem Vorhaben fragte. „Hast du nicht Lust ein Schneider zu werden?“ „Ach nein, sprach der Junge, das Krummsitzen von Morgens bis Abends, das Hin- und Herfegen mit der Nadel und das Buͤgeleisen will mir nicht in den Sinn.“ „Ei was, antwortete der Mann, bei mir lernst du eine ganz andere Schneiderkunst.“ Da ließ er sich uͤberreden, ging mit und lernte die Kunst des Mannes aus dem Fundament. Beim Abschied gab ihm dieser eine Nadel und sprach: „damit kannst du zusammennaͤhen was dir vorkommt, es sey so weich wie ein Ei
oder so hart als Stahl und es wird so zu einem Stuͤck, daß keine Naht mehr zu sehen ist.“
Zu der bestimmten Zeit, nach Jahresfrist, kamen die vier Bruͤder an dem Kreuzwege zusammen, herzten und kuͤßten sich und kehrten heim zu ihrem Vater. Sie erzaͤhlten ihm, wie es ihnen ergangen waͤre und daß jeder das seinige gelernt haͤtte. Nun saßen sie gerade vor dem Haus unter einem großen Baum, da sprach der Vater: „ich will euch einmal versuchen und sehen, was ihr koͤnnt.“ Darnach schaute er auf und sagte zu dem zweiten Sohne: „oben im Gipfel dieses Baums sitzt ein Buchfinken-Nest, sag mir doch, wie viel Eier liegen darin?“ Der Sterngucker nahm sein Glas, schaute hinauf und sprach: „fuͤnfe liegen darin.“ „Jetzt, sagte der Vater zum aͤltesten, holst du die Eier, ohne daß der Vogel, der darauf sitzt und bruͤtet, gestoͤrt wird.“ Der kuͤnstliche Dieb stieg hinauf und nahm dem Voͤglein, das gar nichts davon merkte und ruhig sitzen blieb, die fuͤnf Eier unter dem Leib weg und brachte sie dem Vater herab. Der Vater nahm sie, legte an jede Ecke des Tisches eins und das fuͤnfte in die Mitte und sprach zum Jaͤger: „du schießest mir mit einem Schuß die fuͤnf Eier in der Mitte entzwei.“ Der Jaͤger legte seine Buͤchse an und schoß die Eier, wies der Vater verlangt hatte, alle fuͤnfe und zwar in einem Schuß. „Nun kommt die Reihe an dich, sprach dieser zu dem vierten Sohn; du naͤhst die Eier wieder zusammen und auch die jungen Voͤglein, die darin sind, so daß ihnen der Schuß nichts schadet.“ Der Schneider holte seine Nadel und naͤhte nach Vorschrift. Als er fertig war, mußte der
Dieb sie wieder auf den Baum ins Nest tragen und dem Vogel, ohne daß er etwas gewahr ward, wieder unter legen. Das Thierchen bruͤtete sie vollends aus und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor und hatten da, wo der Schneider sie zusammengenaͤht, ein roth Streifchen um den Hals.
„Ja, sprach der Alte zu seinen Soͤhnen, ihr habt eure Zeit wohl benutzt und was rechtschaffenes gelernt, ich kann nicht sagen, wem von euch der Vorzug gebuͤhrt. Wenn ihr nur eure Kunst bald anwenden koͤnnt!“ Nicht lang darnach kam ein großer Laͤrm ins Land, die Koͤnigstochter waͤr von einem Drachen entfuͤhrt. Der Koͤnig war Tag und Nacht daruͤber in Sorgen und ließ bekannt machen: „wer sie zuruͤckbraͤchte, sollte sie zur Gemahlin haben.“ Die vier Bruͤder sprachen unter einander, das waͤre eine Gelegenheit, wo wir uns koͤnnten sehen lassen und beschlossen, die Koͤnigstochter zu befreien. „Wo sie ist, will ich bald wissen,“ sprach der Sterngucker, schaute durch sein Glas und sprach: „ich sehe sie, sie sitzt weit von hier, auf einem Felsen im Meer, bei dem Drachen, der sie huͤtet.“ Da ging er zu dem Koͤnig, und bat ihn um ein Schiff fuͤr sich und seine Bruͤder und fuhr mit ihnen fort und uͤber das Meer, bis sie zur Staͤtte hinkamen. Die Koͤnigstochter saß da und der Drache lag in ihrem Schooß und schlief; der Jaͤger sprach: „ich darf ihn nicht schießen, ich wuͤrde die schoͤne Jungfrau zugleich toͤdten.“ „So will ich mein Heil versuchen,“ sagte der Dieb und stahl sie unter dem Drachen weg, so leis und behend, daß das Unthier nichts merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude mit ihr
aufs Schiff und segelten in das Meer hinein, da kam der Drache, der wach geworden war und die Koͤnigstochter nicht mehr gefunden hatte, wuͤthend hinter ihnen her durch die Luft geschnaubt; als er eben uͤber dem Schiff war und sich herablassen wollte, da legte der Jaͤger seine Buͤchse an und schoß ihm gerade in Herz, daß er todt herabfiel. Es war aber ein so gewaltiges Unthier, daß es im Herabfallen das ganze Schiff zertruͤmmerte und sie nur noch auf ein paar Brettern in der offenen See schwammen. Da war der Schneider nicht faul, nahm seine wunderbare Nadel, naͤhte mit ein paar großen Stichen einige Bretter zusammen, setzte sich darauf, schiffte hin und sammelte alle Stuͤcke des Schiffs. Dann naͤhte er sie so behend zusammen, daß gar bald das Schiff wieder segelfertig war und sie gluͤcklich heimfahren konnten.
Als sie dem Koͤnig seine Tochter wiederbrachten, da war große Freude und er sprach zu den vier Bruͤdern: „einer von euch soll sie zur Gemahlin haben, aber welcher das ist, macht unter euch aus.“ Da entstand Streit unter ihnen und der Sterngucker sprach: „haͤtte ich nicht die Koͤnigstochter gesehen, so waͤren alle eure Kuͤnste fuͤr nichts gewesen, darum ist sie mein.“ Der Dieb sprach: „was haͤtte das sehen geholfen, wenn ich sie nicht unter dem Drachen weggenommen haͤtte, darum ist sie mein.“ Der Jaͤger sprach: „ihr waͤrt doch sammt der Koͤnigstochter von dem Unthier zerrissen worden, wenn ich es nicht getoͤdtet haͤtte, darum ist sie mein.“ Der Schneider sprach: „und haͤtte ich euch mit meiner Kunst nicht das Schiff wieder zusammengebracht, ihr waͤrt alle jaͤmmerlich ertrunken, darum ist sie mein.“ Da that der
Koͤnig den Ausspruch: „jeder von euch hat Recht und weil ein jeder die Jungfrau nicht haben kann, so soll sie keiner von euch haben; aber ich will jedem zur Belohnung ein halbes Koͤnigreich geben.“ Da sprachen die Bruͤder: „es ist auch besser, als daß wir uneins werden.“ Der Koͤnig gab jedem ein halbes Koͤnigreich und sie lebten mit ihrem Vater in aller Gluͤckseligkeit.
130.
Einaͤuglein. Zweiaͤuglein und Dreiaͤuglein.
Es war eine Frau, die hatte drei Toͤchter, davon hieß die aͤlteste Einaͤuglein, weil sie nur ein einziges Auge mitten auf der Stirne hatte, und die mittelste Zweiaͤuglein, weil sie zwei Augen hatte, wie andere Menschen, und die juͤngste Dreiaͤuglein, weil sie drei Augen hatte, und das dritte stand bei ihr gleichfalls mitten auf der Stirne. Darum aber, daß Zweiaͤuglein nicht anders aussah, als andere Menschenkinder, konnten es die Schwestern und die Mutter nicht leiden und sie sprachen zu ihm: „du siehst mit deinen zwei Augen nicht besser aus, als das gemeine Volk, du gehoͤrst nicht zu uns;“ und stießen es herum und warfen ihm schlechte, alte Kleider hin und gaben ihm nicht mehr zu essen, als was sie uͤbrig ließen und thaten ihm Herzeleid an, wo sie nur konnten.
Es trug sich zu, daß Zweiaͤuglein hinaus ins Feld gehen und die Ziege huͤten mußte und noch ganz hungrig war, weil ihm seine Schwestern so wenig zu essen gegeben hatten. Da setzte es
sich auf einen Rain und fing an zu weinen und so zu weinen, daß zwei Baͤchlein aus seinen Augen herabflossen. Und wie es einmal aufsah, stand eine Frau neben ihm, die fragte „Zweiaͤuglein, was weinst du?“ Zweiaͤuglein antwortete: „soll ich nicht weinen! weil ich zwei Augen habe, wie andere Menschen, so koͤnnen mich meine Schwestern und meine Mutter nicht leiden, stoßen mich herum, werfen mir alte, schlechte Kleider hin und geben mir nur zu essen, was sie uͤbrig lassen. Heute haben sie mir fast gar nichts gegeben, daß ich noch ganz hungrig bin.“ Sprach die weise Frau: „Zweiaͤuglein, trockne dir dein Angesicht, ich will dir etwas sagen, daß du nicht mehr hungern sollst. Sprich nur zu deiner Ziege:
„Zicklein, meck!
Tischlein deck!“
so wird ein sauber gedecktes Tischlein vor dir stehen und das schoͤnste Essen darauf, daß du essen kannst, so viel du Lust hast. Und wenn du satt bist und das Tischlein nicht mehr brauchst, so sprich nur:
„Zicklein, meck!
Tischlein weg!“
so wirds vor deinen Augen wieder verschwinden.“ Darauf ging die weise Frau fort; Zweiaͤuglein aber dachte; „ich muß gleich einmal versuchen, ob es wahr ist, was sie gesagt hat, denn mich hungert gar zu sehr“ und sprach:
„Zicklein, meck!
Tischlein deck!“
Und kaum hatte es die Worte ausgesprochen, so stand da ein Tischlein mit einem weißen Tuͤchlein gedeckt, darauf ein Teller mit Messer und Gabel und Loͤffel, und die schoͤnsten Speisen standen rund herum und waren noch warm, als waͤren sie eben aus der Kuͤche gekommen. Da sagte Zweiaͤuglein das kuͤrzeste Gebetlein her, das es wußte: „Herr Gott sey unser Gast zu aller Zeit. Amen!“ und langte zu und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau es geheißen hatte:
„Zicklein, meck!
Tischlein weg!“
Alsbald war das Tischchen und alles darauf wieder verschwunden. Das ist ein schoͤner Haushalt, dachte Zweiaͤuglein, und war ganz vergnuͤgt und guter Dinge.
Abends trieb es seine Ziege heim und ruͤhrte das irdene Schuͤsselchen mit Essen, das ihm die Schwestern hingestellt hatten, gar nicht an und am andern Tag zog es wieder mit seiner Ziege hinaus und ließ auch die paar Brocken, die ihm gereicht wurden, liegen. Das erstemal und das zweitemal achteten es die Schwestern nicht, wie es aber jedesmal geschah, merkten sie auf und sprachen: „es ist nicht richtig mit dem Zweiaͤuglein, das laͤßt jedesmal das Essen stehen und hat doch sonst alles aufgezehrt, was wir ihm gegeben, das muß andere Wege gefunden haben.“ Damit sie aber hinter die Wahrheit kaͤmen, sollte Einaͤuglein mitgehen, wenn Zweiaͤuglein auf die Weide ging und sollte Acht haben, was es da vorhaͤtte und ob ihm jemand etwa Essen und Trinken braͤchte.
Als nun Zweiaͤuglein die Ziege wieder hinaustrieb, trat Einaͤuglein zu ihm und sprach: „ich will mitgehen und sehen, daß die Ziege auch recht gehuͤtet und ins Futter getrieben wird.“ Aber Zweiaͤuglein merkte, was Einaͤuglein im Sinne hatte und trieb die Ziege hinaus in hohes Gras und sprach: „komm, Einaͤuglein, wir wollen uns hinsetzen, ich will dir was vorsingen.“ Einaͤuglein setzte sich hin und war von dem ungewohnten Weg und von der Sonnenhitze muͤd und Zweiaͤuglein sang immer:
„Einaͤuglein, wachst du?
Einaͤuglein, schlaͤfst du?“
Da that Einaͤuglein das eine Auge zu und schlief ein. Und als Zweiaͤuglein sah, daß Einaͤuglein fest schlief und nichts verrathen konnte, sprach es:
„Zicklein, meck!
Tischlein deck!“
und setzte sich an sein Tischlein und aß und trank, bis es satt war, dann rief es wieder:
„Zicklein, meck!
Tischlein weg!“
und es verschwand alles und Zweiaͤuglein weckte nun das Einaͤuglein und sprach: „ei, Einaͤuglein, du willst huͤten und schlaͤfst dabei ein, derweil haͤtte die Ziege in alle Welt laufen koͤnnen! Komm, wir wollen nach Haus gehen.“ Da gingen sie nach Haus und Zweiaͤuglein ließ wieder sein Schuͤsselchen unangeruͤhrt stehen, und Einaͤuglein konnte der Mutter nicht sagen, warum es nicht essen wollte und sprach: „ich war draußen eingeschlafen.“
Am andern Tag sprach die Mutter zu Dreiaͤuglein: „geh du mit hinaus und hab Acht, ob Zweiaͤuglein draußen ißt und ob ihm jemand Essen und Trinken bringt, denn essen und trinken muß es doch.“ Da trat Dreiaͤuglein zum Zweiaͤuglein und sprach: „ich will mitgehen und sehen, ob auch die Ziege recht gehuͤtet und ins Futter getrieben wird.“ Aber Zweiaͤuglein merkte, was Dreiaͤuglein im Sinne hatte und trieb die Ziege hinaus ins hohe Gras und sprach: „wir wollen uns dahin setzen, Dreiaͤuglein, ich will dir was vorsingen.“ Dreiaͤuglein setzte sich und war muͤd von dem Weg und der Sonnenhitze und Zweiaͤuglein hub wieder das vorige Liedlein an und sang:
„Dreiaͤuglein, wachst du?“
aber statt daß es nun singen mußte:
„Dreiaͤuglein, schlaͤfst du?“
sang es aus Unbedachtsamkeit:
„Zweiaͤuglein, schlaͤfst du?“
und sang immer:
„Dreiaͤuglein, wachst du?
Zweiaͤuglein, schlaͤfst du?“
Da fielen dem Dreiaͤuglein seine zwei Augen zu und schliefen, aber das dritte, das von dem Spruͤchlein nicht angeredet wurde, schlief nicht ein, doch Dreiaͤuglein that es zu, aber aus List, gleich als schlief es auch damit, doch blinzelte es und konnte alles gar wohl sehen. Und als Zweiaͤuglein meinte, Dreiaͤuglein schlafe fest, sagte es sein Spruͤchlein:
„Zicklein, meck!
Tischlein deck!“
aß und trank nach Herzenslust und hieß dann dem Tischlein wieder fortgehen:
„Zicklein meck!
Tischlein weg!“
und Dreiaͤuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiaͤuglein zu ihm und weckte es und sprach: „ei, Dreiaͤuglein, bist du eingeschlafen! du kannst gut huͤten! Komm wir wollen heim gehen,“ und als sie nach Haus kamen, aß Zweiaͤuglein wieder nicht und Dreiaͤuglein sprach zur Mutter: „ich weiß nun, warum das hochmuͤthige Ding nicht ißt; wenn sie draußen zur Ziege spricht:
„Zicklein, meck!
Tischlein deck!“
so steht ein Tischlein vor ihr, das ist mit dem besten Essen besetzt, viel besser, als wirs hier haben; und wenn sie satt ist, so spricht sie:
„Zicklein, meck!
Tischlein weg!“
und alles ist wieder verschwunden. Jch hab es genau mit angesehen; zwei Augen hatte sie mir mit einem Spruͤchlein eingeschlaͤfert, aber das eine auf der Stirne, das war zum Gluͤck wach geblieben.“ Da rief die Mutter zornig: „willst du’s besser haben, als wir! die Lust soll dir vergehen!“ Und holte ein Schlachtmesser und stieß es der Ziege ins Herz, daß sie todt hinfiel.
Als Zweiaͤuglein das sah, ging es voll Trauer hinaus und setzte sich wieder auf den Feldrain und weinte seine bitteren Thraͤnen. Da stand auf einmal die weise Frau wieder neben ihm und sprach „Zweiaͤuglein, was weinst du?“ „Soll ich nicht weinen, antwortete es, die Ziege, die mir jeden Tag auf euer Spruͤchlein den Tisch so schoͤn deckte, ist mir von meiner Mutter todtgestochen; nun muß ich wieder Hunger und Kummer leiden.“ Die weise Frau sprach: „Zweiaͤuglein, ich will dir einen guten Rath geben, bitt deine Schwestern, daß sie dir das Eingeweide von der geschlachteten Ziege geben und vergrabs vor der Hausthuͤre, so wirds dein Gluͤck seyn.“ Da verschwand sie und Zweiaͤuglein ging heim und sprach zu den Schwestern: „liebe Schwestern, gebt mir doch etwas von meiner Ziege, ich verlange nichts Gutes, gebt mir nur das Eingeweide.“ Da lachten sie und sprachen: „das koͤnnen wir dir wohl geben, wenn du weiter nichts willst.“ Und Zweiaͤuglein nahm das Eingeweide und vergrubs Abends in aller Stille nach dem Rathe der weisen Frau vor die Hausthuͤre.
Am andern Morgen als sie insgesammt erwachten und vor die Hausthuͤre traten, so stand da ein wunderbarer, praͤchtiger Baum, der hatte Blaͤtter von Silber und Fruͤchte von Gold hingen dazwischen, daß wohl nichts schoͤneres und koͤstlicheres auf der Welt zu sehen war. Sie wußten aber nicht, wie der Baum auf einmal in der Nacht gewachsen war, nur Zweiaͤuglein merkte es, daß er aus den Eingeweiden der Ziege aufgesproßt war, denn er stand gerade da, wo es sie hinbegraben hatte. Da sprach die Mutter zu Einaͤuglein: „steig hinauf, mein Kind, und brich uns
die Fruͤchte von dem Baume ab.“ Einaͤuglein stieg hinauf, aber wie es einen von den goldenen Aepfeln greifen wollte, so fuhr ihm der Zweig aus den Haͤnden und das geschah jedesmal, so daß es keinen einzigen Apfel brechen konnte, es mogte sich anstellen, wie es wollte. Da sprach die Mutter: „Dreiaͤuglein, steig du hinauf, du kannst mit deinen drei Augen besser um dich schauen, als Einaͤuglein.“ Einaͤuglein rutschte herunter und Dreiaͤuglein stieg hinauf, aber Dreiaͤuglein war nicht geschickter und mogte schauen wie es wollte, die goldenen Aepfel wichen immer zuruͤck. Endlich ward die Mutter ungeduldig und stieg selbst hinauf, konnte aber so wenig, wie Einaͤuglein und Dreiaͤuglein die Frucht fassen und griff nur immer in die leere Luft hinein. Da sprach Zweiaͤuglein: „ich will mich einmal hinaufmachen, vielleicht gelingt mir’s eher,“ die Schwestern riefen zwar: „du mit deinen zwei Augen, was willst du wohl!“ aber Zweiaͤuglein stieg hinauf und die goldenen Aepfel zogen sich nicht vor ihm zuruͤck, sondern es war ordentlich, als eilten sie seinen Haͤnden entgegen, also daß es einen nach dem andern abpfluͤcken konnte und einen ganzen Schurz voll mit herunter brachte. Die Mutter nahm sie ihm ab und statt daß sie, Einaͤuglein und Dreiaͤuglein, dafuͤr das arme Zweiaͤuglein haͤtten besser behandeln sollen, so wurden sie nur neidisch, daß es allein die Fruͤchte holen konnte und gingen noch haͤrter mit ihm um.
Es trug sich zu, daß, als sie einmal beisammen an dem Baum standen, ein junger Ritter daher kam. „Geschwind, Zweiaͤuglein, riefen die zwei Schwestern, kriech unter, daß wir uns
deiner nicht schaͤmen muͤssen“ und stießen das arme Zweiaͤuglein mit Gewalt unter ein leeres Faß, das neben dem Baume stand und stopften die goldenen Aepfel, die es gebrochen, auch darunter. Als nun der Ritter naͤher kam, war es ein schoͤner Herr, der bewunderte den praͤchtigen Baum von Gold und Silber und sprach zu den beiden Schwestern: „wem gehoͤrt dieser schoͤne Baum? wer mir einen Zweig davon gaͤbe, koͤnnte dafuͤr verlangen, was er wollte.“ Da antworteten Einaͤuglein und Dreiaͤuglein, der Baum gehoͤre ihnen zu und sie wollten ihm einen Zweig wohl abbrechen. Sie gaben sich auch beide große Muͤhe, aber sie waren es nicht im Stand, denn die Zweige und die Fruͤchte wichen jedesmal vor ihnen zuruͤck. Da sprach der Ritter: „das ist ja wunderlich, daß der Baum euch zugehoͤren soll und ihr doch nicht Macht habt, etwas davon abzubrechen!“ Sie blieben dabei, der Baum waͤre ihr Eigenthum; indem sie aber so sprachen, rollte Zweiaͤuglein unter dem Fasse ein paar goldene Aepfel heraus, so daß sie zu Fuͤßen des Ritters liefen, denn es war boͤs, daß Einaͤuglein und Dreiaͤuglein nicht die Wahrheit sprachen. Wie der Ritter die Aepfel sah, da erstaunte er und fragte, wo sie herkaͤmen; Einaͤuglein und Dreiaͤuglein antworteten, sie haͤtten noch eine Schwester, die duͤrfe sich aber nicht sehen lassen, weil sie nur zwei Augen habe wie andere gemeine Menschen. Der Ritter aber wollte sie sehen und rief: „Zweiaͤuglein, komm hervor.“ Da kam Zweiaͤuglein ganz getrost unter dem Faß hervor und der Ritter war verwundert uͤber seine große Schoͤnheit und sprach: „gewiß, Zweiaͤuglein, kannst du mir einen Zweig von dem Baum abbrechen.“
„Ja, antwortete Zweiaͤuglein, das will ich wohl koͤnnen, denn der Baum gehoͤrt mir“ und stieg hinauf und brach mit leichter Muͤhe einen Zweig mit seinen silbernen Blaͤttern und goldenen Fruͤchten ab und gab ihn dem Ritter. Da sprach der Ritter: „Zweiaͤuglein, was soll ich dir dafuͤr geben?“ „Ach, antwortete Zweiaͤuglein, ich leide an Hunger und Durst, Kummer und Noth vom Morgen bis zum Abend, wenn ihr mich mitnehmen und erloͤsen wollt, so waͤr ich gluͤcklich.“ Da hob der Ritter das Zweiaͤuglein auf sein Pferd und brachte es heim auf sein vaͤterliches Schloß, dort gab er ihm schoͤne Kleider, Essen und Trinken nach Herzenslust, und weil er es so lieb hatte, ließ er sich mit ihm einsegnen und ward die Hochzeit in großer Freude gehalten.
Wie nun Zweiaͤuglein so von dem schoͤnen Rittersmann fortgefuͤhrt wurde, da waren die zwei Schwestern recht neidisch uͤber sein Gluͤck. „Nun, der wunderbare Baum bleibt uns, dachten sie, koͤnnen wir auch keine Fruͤchte davon brechen, so wird doch jedermann davor stehen bleiben, zu uns kommen und ihn ruͤhmen; wer weiß, was uns noch fuͤr ein Gluͤck bluͤht.“ Aber am andern Morgen war der Baum verschwunden und ihre Hoffnung dahin; und wie Zweiaͤuglein zu seinem Kaͤmmerlein hinaussah, so stand er zu seiner großen Freude davor und war ihm also nachgegangen.
Zweiaͤuglein lebte lange Zeit vergnuͤgt, da kamen einmal zwei arme Frauen auf ihr Schloß und baten um ein Almosen. Da sah ihnen Zweiaͤuglein ins Gesicht und erkannte ihre Schwestern Einaͤuglein und Dreiaͤuglein, die so in Armuth gerathen waren, daß sie umherziehen und vor den Thuͤren ihr Brot suchen mußten.
Zweiaͤuglein aber hieß sie willkommen und that ihnen Gutes und pflegte sie, also daß die beiden von Herzen bereuten, was sie ihrer Schwester in der Jugend Boͤses angethan hatten.
131.
Die schoͤne Katrinelje und Pif, Paf, Poltrie.
„Guten Tag, Vater Hollenthe!“ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen?“ — „O ja, wenns die Mutter Malcho (Melk-Kuh), der Bruder Hohenstolz, die Schwester Kaͤsetraut und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.“
„Wo ist dann die Mutter Malcho?“
„Sie ist im Stall und melkt die Kuh.“
„Guten Tag, Mutter Malcho!“ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen?“ — „O ja, wenns der Vater Hollenthe, der Bruder Hohenstolz, die Schwester Kaͤsetraut und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.“
„Wo ist dann Bruder Hohenstolz?“
„Er ist in der Kammer und hackt das Holz.“
„Guten Tag, Bruder Hohenstolz!“ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Koͤnnt ich wohl eure Schwester kriegen?“ — „O ja, wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, die Schwester Kaͤsetraut und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.“
„Wo ist dann die Schwester Kaͤsetraut?“
„Sie ist im Garten und schneidet das Kraut.“
„Guten Tag, Schwester Kaͤsetraut!“ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Koͤnnt ich wohl eure Schwester kriegen?“ — „O ja, wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, der Bruder Hohenstolz und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.“
„Wo ist dann die schoͤne Katrinelje?“
„Sie ist in der Kammer und zaͤhlt ihre Pfennige.“
„Guten Tag, schoͤne Katrinelje!“ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Willst du wohl mein Schatz seyn?“ — „O ja, wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, der Bruder HohenholzHohenstolz, die Schwester Kaͤsetraut will, so kanns geschehen.“
„Schoͤn Katrinelje, wie viel hast du an Brautschatz?“ — „Vierzehn Pfennige baares Geld, drittehalb Groschen Schuld, ein halb Pfund Hutzeln, eine Hand voll Prutzeln, eine Hand voll Wurzeln,
un so der watt:
is dat nig en guden Brutschatt?“
„Pif, Paf, Poltrie, was kannst du fuͤr ein Handwerk? bist du ein Schneider?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Schuster?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Ackersmann?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Schreiner?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Schmied?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Muͤller?“ —
„Noch viel besser!“ — „Vielleicht ein Besenbinder?“ — „Ja! ist das nicht ein schoͤnes Handwerk?“
132.
Der Fuchs und das Pferd.
Es hatte ein Bauer ein treues Pferd, das war alt geworden und konnte keine Dienste mehr thun, da wollt ihm sein Herr nichts mehr zu fressen geben und sprach: „brauchen kann ich dich freilich nicht mehr, indeß, zeigst du dich noch so stark, daß du mir einen Loͤwen hierher bringst, so will ich dich behalten, jezt aber mach dich fort aus meinem Stall;“ und jagte es damit weit ins Feld. Das Pferd war traurig und ging nach dem Wald zu, dort ein wenig Schutz vor dem Wetter zu suchen; da begegnete ihm der Fuchs und sprach: „was haͤngst du so den Kopf und gehst so einsam herum?“ — „Ach! sagte das Pferd, Geitz und Treue wohnen nicht in einem Haus, mein Herr hat vergessen, was ich ihm alles in so vielen Jahren gethan habe, und weil ich nicht recht mehr ackern kann, will er mir kein Futter mehr geben und hat mich fortgejagt; er hat zwar gesagt, wenn ich so stark waͤre, daß ich ihm einen Loͤwen braͤchte, wollt er mich behalten, aber er weiß wohl, daß ich das nicht kann.“ Der Fuchs sprach: „da will ich dir helfen, leg dich nur hin, streck dich aus und reg dich nicht, als waͤrst du todt.“ Das Pferd that, was der Fuchs verlangte, der Fuchs aber ging zum Loͤwen, der seine Hoͤhle nicht weit davon hatte und sprach: „da draußen liegt ein todtes Pferd,
komm doch mit hinaus, da kannst du eine fette Mahlzeit halten.“ Der Loͤwe ging mit; wie sie bei dem Pferd standen, sprach der Fuchs: „hier hast du’s doch nicht nach deiner Gemaͤchlichkeit, weißt du was? ich wills mit dem Schweif an dich binden, da kannst du’s in deine Hoͤhle ziehen und in aller Ruhe verzehren.“ Dem Loͤwen gefiel der Rath und er stellte sich hin, damit ihm der Fuchs das Pferd anknuͤpfen koͤnne, hielt auch fein still. Der Fuchs aber band mit des Pferdes Schweif dem Loͤwen die Beine zusammen, und drehte und schnuͤrte alles so wohl und stark, daß es mit keiner Kraft zu zerreißen war. Als er nun sein Werk vollendet hatte, klopfte er dem Pferd auf die Schultern und sprach: „zieh Schimmel, zieh!“ Da sprang das Pferd mit einmal auf, und zog den Loͤwen mit sich fort; der Loͤwe fing an zu bruͤllen, daß die Voͤgel in dem ganzen Wald vor Schrecken aufflogen, aber das Pferd ließ ihn bruͤllen, zog und schleppte ihn uͤber das Feld vor seines Herrn Thuͤr. Wie der Herr das sah, besann er sich eines bessern und sprach zu dem Pferd: „Du sollst bei mir bleiben und es gut haben,“ und gab ihm satt zu fressen bis es starb.
133.
Die zertanzten Schuhe.
Es war einmal ein Koͤnig, der hatte zwoͤlf Toͤchter, eine immer schoͤner als die andere, die hatten ihre zwoͤlf Betten zusammen in einem Saal, und wann sie waren schlafen gegangen, wurde die Thuͤre verschlossen und verriegelt, und doch waren jeden
Morgen ihre Schuhe zertanzt und wußte niemand, wo sie gewesen und wie es zugegangen war. Da ließ der Koͤnig ausrufen, wers koͤnnte ausfindig machen, wo sie in der Nacht tanzten, der sollte sich eine davon zur Frau waͤhlen und nach seinem Tod Koͤnig seyn; wer sich aber meldete und es nach drei Tagen und Naͤchten nicht herausbraͤchte, der haͤtte sein Leben verwirkt. Es kam bald ein Koͤnigssohn, der ward wohl aufgenommen, und Abends in das Zimmer gefuͤhrt, das vor dem Schlafsaal der zwoͤlf Toͤchter war, da stand sein Bett und da sollte er Acht haben, wo sie hingingen und tanzten; und damit sie nichts heimlich treiben konnten oder zu einem andern Ort hinausgingen, war auch die Saalthuͤre offen gelassen. Der Koͤnigssohn aber schlief ein und als er am Morgen aufwachte, waren alle zwoͤlfe zum Tanz gewesen, denn ihre Schuhe standen da und hatten Loͤcher in den Sohlen. Den zweiten und dritten Abend gings eben so und da ward ihm sein Haupt abgeschlagen; und so kamen noch viele und meldeten sich zu dem Wagestuͤck, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trug sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zuging, wo der Koͤnig wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn, wo er hin wollte. „Jch weiß selber nicht recht, sprach er, aber ich haͤtte wohl Lust Koͤnig zu werden und auszumachen, wo die Koͤnigstoͤchter ihre Schuhe vertanzten.“ „Ei, sagte die Alte, das ist so schwer nicht, du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun, als waͤrst du fest eingeschlafen.“ Darauf gab sie ihm ein Maͤntelchen und sprach: „wenn du das
umhaͤngst, so bist du unsichtbar und kannst den Zwoͤlfen dann nachschleichen.“ Wie der Soldat so guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faßte, vor den Koͤnig ging, und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm koͤnigliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer gefuͤhrt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die aͤlteste und brachte ihm einen Becher Wein, aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden und ließ den Wein da hineinlaufen und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fing er an zu schnarchen, wie im tiefsten Schlaf. Das hoͤrten die zwoͤlf Koͤnigstoͤchter, lachten und die aͤlteste sprach: „der haͤtte auch sein Leben sparen koͤnnen!“ Darnach standen sie auf, oͤffneten Schraͤnke, Kisten und Kasten, und holten praͤchtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum und freuten sich auf den Tanz. Nur die juͤngste sagte: „ich weiß nicht, ihr freut euch, aber mir ist so wunderlich zu Muthe, gewiß widerfaͤhrt uns ein Ungluͤck.“ — „Du Schneegans, sagte die aͤlteste, du fuͤrchtest dich immer, hast du vergessen, wie viel Koͤnigssoͤhne schon umsonst da gewesen sind; dem Soldaten haͤtt’ ich nicht einmal brauchen einen Schlaftrunk zu geben, er waͤr’ doch nicht aufgewacht.“ Wie sie alle fertig waren, sahen sie erst nach dem Soldaten, aber der ruͤhrte und regte sich nicht, und wie sie nun glaubten, ganz sicher zu seyn, so ging die aͤlteste an ihr Bett und klopfte daran; alsbald sank es in die Erde und oͤffnete sich eine Fallthuͤr.
Da sah der Soldat, wie sie hinunter stiegen, eine nach der andern, die aͤlteste voran; es war keine Zeit fuͤr ihn zu verlieren, er richtete sich auf, hing sein Maͤntelchen um, und stieg hinter der juͤngsten mit hinab. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid; da erschrak sie und rief: „es ist nicht richtig, es haͤlt mich was am Kleid.“ „Stell dich nicht so einfaͤltig, sagte die aͤlteste, du bist an einem Haken haͤngen geblieben.“ Da gingen sie vollends hinab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderpraͤchtigen Baumgang, da waren alle Blaͤtter von Silber, und schimmerten und glaͤnzten. Der Soldat dachte, du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen, und brach einen Zweig davon ab, da kam ein gewaltiger Knall aus dem Baume. Die juͤngste rief wieder: „es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehoͤrt, das ist noch nie hier geschehen.“ Die aͤlteste aber sprach: „das sind Freudenschuͤsse, weil wir unsere Prinzen bald erloͤst haben!“ Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blaͤtter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie klarer Demant waren; von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal knallte, daß die juͤngste vor Schrecken zusammenfuhr, aber die aͤlteste blieb dabei, es waͤren Freudenschuͤsse. Da gingen sie weiter bis zu einem großen Wasser, darauf standen zwoͤlf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schoͤner Prinz, die hatten auf die zwoͤlfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der juͤngsten ein, da sprach der Prinz: „ich bin doch so stark als sonst, aber heute ist das Schiff viel schwerer, und ich muß rudern, was ich kann.“ — „Wovon sollt’ das kommen,
sprach die juͤngste, als vom warmen Wetter, es ist mir auch so heiß zu Muth.“ Jenseits des Wassers aber stand ein schoͤnes hellleuchtendes Schloß, woraus eine lustige Musik erschallte von Pauken und Trompeten; da hinuͤber ruderten sie, gingen ein, und jeder Prinz tanzte mit seiner Liebsten; der Soldat aber tanzte unsichtbar mit, und wenn eine einen Becher mit Wein hielt, so trank er ihn aus, daß er leer war, wenn sie ihn an den Mund brachte; und der juͤngsten ward auch angst daruͤber, aber die aͤlteste brachte sie immer zum Schweigen. Sie tanzten da bis drei Uhr am andern Morgen, wo alle Schuhe durchgetanzt waren, und sie aufhoͤren mußten. Die Prinzen fuhren sie uͤber das Wasser wieder hinuͤber, und der Soldat setzte sich diesmal vornen hin zur aͤltesten; am Ufer nahmen sie von ihren Prinzen Abschied und versprachen in der folgenden Nacht wieder zu kommen. Als sie an der Treppe waren, lief der Soldat voraus, legte sich ins Bett, und als die Zwoͤlf langsam und muͤd herauf getrippelt kamen, schnarchte er schon wieder laut, so daß sie sprachen: „nun, vor dem sind wir sicher.“ Da thaten sie ihre schoͤnen Kleider aus, hoben sie auf, stellten die zertanzten Schuhe unter das Bett und legten sich nieder. Am andern Morgen wollte der Soldat nichts sagen, sondern das wunderliche Wesen noch mehr ansehen, und ging die zweite und die dritte Nacht wieder mit, und da war alles, wie das erstemal, und sie tanzten jedesmal bis die Schuhe entzwei waren; nur das drittemal nahm er noch einen Becher mit zum Wahrzeichen. Zu der Stunde nun, wo er antworten sollte, nahm er die drei Zweige und den Becher, und ging vor den
Koͤnig, und die Zwoͤlfe standen hinter der Thuͤre und horchten, was er sagen wuͤrde. Wie der Koͤnig nun fragte: „wo haben meine zwoͤlf Toͤchter ihre Schuhe in der Nacht vertanzt?“ antwortete er: „mit zwoͤlf Prinzen in einem unterirdischen Schloß,“ und erzaͤhlte alles und holte die Wahrzeichen hervor. Da rief der Koͤnig seine Toͤchter und fragte sie, ob der Soldat die Wahrheit gesagt haͤtte, und da sie sahen, daß sie verrathen waren und Laͤugnen nichts half, erzaͤhlten sie alles. Darauf fragte ihn der Koͤnig, welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete: „ich bin nicht mehr jung, so gebt mir die aͤlteste.“ Da ward noch an selbigem Tage die Hochzeit gehalten, und ihm das Reich nach des Koͤnigs Tode versprochen; aber die Prinzen wurden auf so viel Tage wieder verwuͤnscht, als sie Naͤchte mit den Zwoͤlfen getanzt hatten.
134.
Die sechs Diener.
Vor Zeiten lebte eine alte Koͤnigin, die war eine Zauberin und hatte die allerschoͤnste Tochter unter der Sonne. Sie dachte aber nur darauf, wie sie die Menschen ins Verderben locken koͤnnte, und wenn ein Freier kam, so sprach sie, wer ihre Tochter haben wolle, muͤsse einen Bund (eine Aufgabe) loͤsen oder sterben. Viele, von der Schoͤnheit der Jungfrau verblendet, wagten es wohl, aber sie vollbrachten nicht, was die Alte ihnen auflegte, und dann war keine Gnade, sie mußten niederknien und das Haupt ward
ihnen abgeschlagen. Nun geschah es, daß ein Koͤnigssohn auch von der großen Schoͤnheit der Jungfrau hoͤrte, und zu seinem Vater sprach: „lieber Vater, laßt mich hinziehen, ich will um sie werben.“ „Nimmermehr, antwortete der Koͤnig, gehst du fort, so gehst du in deinen Tod.“ Da legte der Sohn sich nieder und ward sterbenskrank und lag sieben Jahre lang und kein Arzt konnte ihm helfen. Als der Vater nun sah, daß er doch verloren waͤre, sprach er voll Herzenstraurigkeit zu ihm: „ziehe hin und versuche dein Gluͤck, ich kann dich sonst nicht erretten.“ Wie der Sohn das hoͤrte, stand er auf von seinem Lager, war gesund und machte sich froͤhlich auf den Weg.
Es trug sich zu, daß, als er durch ein Holz zu reiten kam, er von weitem etwas großes auf der Erde liegen sah, und wie er sich naͤherte, konnte er unterscheiden, daß es der Bauch eines Menschen war, der sich dahin gestreckt hatte; der Bauch aber sah aus, wie ein kleiner Berg. Der Dicke, wie der den Reisenden erblickte, richtete sich in die Hoͤhe und sprach zu ihm: „wenn ihr jemand braucht, so nehmt mich in eure Dienste.“ Der Koͤnigssohn aber antwortete: „was soll ich mit einem so dicken Manne anfangen?“ „O, sprach der Dicke, das will nichts sagen, wenn ich mich recht aus einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick.“ „Wenn das ist, sagte der Koͤnigssohn, so kann ich dich brauchen, komm mit mir.“ Da ging der Dicke hinter dem Koͤnigssohn her, und uͤber eine Weile fanden sie einen andern, der lag da auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. Sprach der Koͤnigssohn: „was machst du da?“ „Jch horche,“ antwortete der
Mann.“ „Wornach horchst du denn?“ „Was in der Welt sich eben zutraͤgt, denn ich hoͤre alles, sogar das Gras hoͤre ich wachsen.“ Fragte der Koͤnigssohn: „sag mir, was hoͤrst du am Hofe der alten Koͤnigin, welche die schoͤne Tochter hat.“ Da antwortete er: „ich hoͤre das Schwert sausen, das einem Freier den Kopf abschlaͤgt.“ Der Koͤnigssohn sprach: „ich kann dich brauchen, komm mit mir.“ Da zogen sie weiter und sahen einmal ein paar Fuͤße da liegen und auch etwas von den Beinen, aber das Ende konnten sie nicht sehen; als sie nun eine gute Strecke fortgegangen, kamen sie zu dem Leib und endlich auch zu dem Kopf. „Ei, sprach der Koͤnigssohn, was bist du fuͤr ein langer Strick!“ „O, antwortete der Lange, das ist noch gar nichts, wenn ich mich erst recht ausstrecke, bin ich noch dreitausendmal so lang und groͤßer, als der hoͤchste Berg auf Erden. Jch will euch gerne dienen, wenn ihr mich wollt.“ „Komm mit, sprach der Koͤnigssohn, ich kann dich brauchen.“ Sie zogen weiter und fanden einen am Weg sitzen, der hatte die Augen zugebunden. Sprach der Koͤnigssohn zu ihm: „bist du blind oder hast du bloͤde Augen, daß du nicht kannst in das Licht sehen?“ „Nein, antwortete der Mann, ich darf die Binde nicht abnehmen, denn was ich mit meinen Augen ansehe, das springt aus einander, so eine große Gewalt steckt darin. Kann euch das nuͤtzen, so will ich euch gern dienen.“ „Komm mit, antwortete der Koͤnigssohn, ich kann dich brauchen.“ Sie zogen weiter und fanden einen Mann, der lag mitten im heißen Sonnenschein, und zitterte und fror am ganzen Leibe, so daß ihm kein Glied still stand. „Wie kannst du nur so
frieren, sprach der Koͤnigssohn, die Sonne scheint ja so warm?“ „Ach, antwortete der Mann, je heißer es ist, destomehr frier ich und der Frost dringt mir dann durch alle Knochen, und je kaͤlter es ist, desto heißer wird mir und mitten im Eis kann ichs vor Hitze und mitten im Feuer vor Kaͤlte nicht aushalten.“ „Du bist ein wunderlicher Kerl, sprach der Koͤnigssohn, aber wenn du mir dienen willst, so komm mit.“ Nun zogen sie weiter und sahen einen Mann stehen, der machte einen langen Hals und schaute um sich und uͤber alle Berge hinaus. Sprach der Koͤnigssohn: „wornach siehst du so eifrig?“ Da antwortete der Mann: „ich habe so helle Augen, daß ich uͤber die Waͤlder und Felder, Thaͤler und Berge hinaus und durch die ganze Welt sehen kann.“ Der Koͤnigssohn sprach: „willst du, so komm mit mir, denn so einer fehlte mir noch.“
Nun zog der Koͤnigssohn mit seinen sechs Dienern in die Stadt ein, wo die schoͤne und gefaͤhrliche Jungfrau lebte, ging zu der alten Koͤnigin und sprach: „so ihr mir eure Tochter geben wollt, will ich vollbringen, was ihr auferlegt.“ „Ja, antwortete die Zauberin, dreimal will ich dir einen Bund aufgeben, loͤsest du ihn jedesmal, so sollst du der Herr und Gemahl meiner Tochter werden.“ Sprach er: „was wollt ihr mir zuerst aufgeben?“ „Daß du mir einen Ring wiederbringst, den ich ins rothe Meer habe fallen lassen.“ Da ging der Koͤnigssohn heim zu seinen Dienern und sprach: „der erste Bund ist nicht leicht, ein Ring soll aus dem rothen Meer geholt werden, nun schafft Rath.“ Da sprach der mit den hellen Augen: „ich will sehen, wo er
liegt“ und schaute in das Meer hinab und sagte: „dort liegt er, neben einem Stein.“ „Jch wollte ihn wohl herausholen, sprach der Lange, wenn ich ihn nur sehen koͤnnte.“ „O, da will ich dir helfen!“ rief der Dicke, legte sich nieder und hielt seinen Mund ins Wasser und ließ die Wellen hineinlaufen und trank das ganze Meer aus, daß es trocken ward wie eine Wiese. Nun buͤckte sich der Lange nur ein wenig und holte den Ring mit der einen Hand heraus. Da war der Koͤnigssohn froh und brachte ihn der Alten, die sah den Ring an und sprach mit Verwunderung: „ja, es ist der rechte; den Bund hast du geloͤst, aber nun kommt der zweite.“ Siehst du dort auf der Wiese vor meinem Schlosse, da weiden dreihundert fette Ochsen, die mußt du mit Haut und Haar, Knochen und Hoͤrnern verzehren und unten im Keller liegen dreihundert Faͤsser Wein, die mußt du dazu austrinken, und bleibt von den Ochsen ein Spuͤrchen und von dem Wein ein Troͤpfchen uͤbrig, so ist mir dein Leben verfallen.“ Sprach der Koͤnigssohn: „darf ich mir keine Gaͤste dazu laden, allein schmeckts nicht.“ Die Alte lachte in Bosheit und antwortete: „einen darfst du dir dazu laden, damit du Gesellschaft hast, aber weiter keinen.“
Da ging der Koͤnigssohn zu seinen Dienern und sprach zu dem Dicken: „du sollst heute mein Gast seyn und dich einmal satt essen;“ und der Dicke that sich auf und aß die dreihundert Ochsen, daß kein Haar uͤbrig blieb und fragte: „ob weiter nichts als das Fruͤhstuͤck da waͤre?“ und den Wein trank er gleich aus den Faͤssern, ohne daß er ein Glas noͤthig hatte und trank den letzten Tropfen vom Nagel herunter. Als die Mahlzeit zu Ende
war, ging der Koͤnigssohn zur Alten und sprach, der Bund waͤre geloͤst. Sie verwunderte sich und sagte: „so weit wie du, hats noch keiner gebracht, aber es ist noch ein Bund uͤbrig“ und dachte, ich will dich schon kriegen, du sollst deinen Kopf nicht oben erhalten, und sprach: „heut Abend bring ich meine Tochter zu dir in deine Kammer und in deinen Arm, da sollt ihr beisammen sitzen, aber huͤte dich, daß du nicht einschlaͤfst; ich komme Schlag zwoͤlf Uhr und ist sie dann nicht mehr in deinen Armen, so hast du verloren.“ O, dachte der Koͤnigssohn, der Bund ist leicht, ich will wohl meine Augen offen behalten, doch rief er seine Diener, erzaͤhlte ihnen, was die Alte gesagt hatte und sprach: „wer weiß, was fuͤr eine List dahinter steckt, Vorsicht ist gut, haltet Wache und sorgt, daß die Jungfrau nicht wieder aus meiner Kammer kommt.“ Als es nun Nacht wurde, da brachte die Alte ihre Tochter und fuͤhrte sie in die Arme des Koͤnigssohns und darnach schlang sich der Lange um sie beide in einen Kreis und der Dicke stellte sich vor die Thuͤre, also daß keine lebendige Seele herein konnte. Da saßen sie beide und die Jungfrau sprach kein Wort, aber der Mond schien durchs Fenster auf ihr Angesicht, daß er ihre wunderbare Schoͤnheit sehen konnte. Er that nichts als sie anschauen und war voll Freude und Liebe und seine Augen wurden nicht muͤd, das dauerte bis elf Uhr, da fiel, durch die Kuͤnste der Alten ein Zauber uͤber alle, daß sie sichs nicht erwehren konnten und einschliefen und in dem Augenblick war auch die Jungfrau entruͤckt.
Nun schliefen sie hart bis ein Viertel vor zwoͤlf, da war der Zauber kraftlos und sie erwachten alle wieder. „O Jammer und Ungluͤck, rief der Koͤnigssohn, nun bin ich verloren!“ Die treuen Diener fingen auch an laut zu klagen, aber der Horcher sprach: „seyd einmal still, ich will horchen,“ da horchte er einen Augenblick und dann sprach er: „sie sitzt in einem Felsen dreihundert Stunden von hier und klagt uͤber ihr Schicksal; nun kannst du helfen, Langer, wenn du dich aufrichtest, so bist du mit ein paar Schritten dort.“ „Ja, antwortete der Lange, aber der mit den scharfen Augen muß mitgehen, damit wir den Felsen wegschaffen.“ Da huckte der Lange den mit verbundenen Augen auf, und im Augenblick, wie man eine Hand umwendet, waren sie vor dem verwuͤnschten Felsen. Alsbald nahm der Lange dem andern die Binde von den Augen, dieser schaute sich um und sogleich zersprang der Felsen in tausend Stuͤcke. Da nahm der Lange die Jungfrau auf den Arm, trug sie in einem Nu zuruͤck und kam wieder und holte auch noch seinen Kameraden und eh es zwoͤlfe schlug, saßen sie alle wieder, wie vorher und waren munter und guter Dinge. Jm Schlag zwoͤlf schlich die alte Zauberin herzu mit einem hoͤhnischen Gesicht, als wollte sie sagen, nun ist er mein, und glaubte nicht anders, als ihre Tochter sitze dreihundert Stunden weit, im Felsen; aber wie sie herbei kam und ihre Tochter in den Armen des Koͤnigssohns sah, erschrak sie und sprach: „da ist einer, der kann mehr als ich!“ Aber sie durfte nichts einwenden und mußte ihm die Jungfrau zusagen. Doch sprach sie ihr ins Ohr: „es ist eine Schande fuͤr dich, daß du so durch seine
Diener gewonnen wirst und dir einen Gemahl nicht waͤhlen darfst nach deinem Gefallen.“
Nun hatte die Jungfrau wirklich ein so stolzes Herz, daß sie daruͤber mit Zorn erfuͤllt wurde, und am andern Morgen ließ sie dreihundert Malter Holz zusammenfahren und sprach zu dem Koͤnigssohn, die drei Buͤnde waͤren geloͤst, aber wenn sie ihn heirathen solle, muͤsse jemand sich mitten in das Holz setzen und das Feuer aushalten. Dabei dachte sie, wenn die Diener ihm auch alles thaͤten, wuͤrde sich doch keiner fuͤr ihn verbrennen, und aus Liebe zu ihr wuͤrde er selber sich hinein setzen, und dann waͤr’ sie frei. Wie aber die Diener das hoͤrten, sprachen sie: „wir haben alle etwas gethan, nur der Frostige noch nicht“ und nahmen ihn und trugen ihn ins Holz hinein und steckten’s darauf an. Da hub das Feuer an und brannte drei Tage, bis alles Holz verzehrt war, und als es verlosch, stand der Frostige mitten in der Asche und zitterte wie ein Espenlaub und sprach: „so hab’ ich mein Lebtage nicht gefroren, und wenn’s laͤnger gedauert haͤtte, waͤr’ ich erstarrt.“
Nun war keine Ausflucht mehr zu finden, die schoͤne Jungfrau mußte mit dem Koͤnigssohn sich vermaͤhlen; als sie aber nach der Kirche fuhren, sprach die Alte: „ich kann’s nimmermehr zugeben,“ und schickte ihr Kriegsvolk nach, das sollte alles niedermachen, was ihm vorkaͤme, und ihr die Tochter zuruͤckbringen. Der Horcher aber hatte die Ohren gespitzt und alles angehoͤrt, was die Alte gesprochen, und sagte es dem Dicken, der speite einmal oder zweimal aus hinter dem Wagen, und da entstand ein
groß Wasser, worin die Kriegsvoͤlker stecken blieben und ertranken. Als sie nicht zuruͤckkamen, schickte die Alte ganz geharnischte Reiter, aber der Horcher hoͤrte sie kommen und band dem einen die Augen auf, der guckte die Feinde ein bischen scharf an, da sprangen sie aus einander wie Glas. Nun fuhren sie ungestoͤrt weiter, und als sie in der Kirche verheirathet und eingesegnet waren, nahmen die sechs Diener ihren Abschied und sprachen: „wir wollen weiter unser Gluͤck in der Welt versuchen.“
Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf, vor dem huͤtete ein Schweinehirt seine Heerde; wie sie dahin kamen, sprach er zu seiner Frau: „weißt du auch recht, wer ich bin? ich bin kein Koͤnigssohn, sondern ein Schweinehirt, und der mit der Heerde dort, das ist mein Vater, und nun muͤssen wir zwei auch daran und ihm helfen huͤten.“ Dann stieg er mit ihr in ein Wirthshaus ab, und sagte heimlich zu den Wirthsleuten, heut’ Nacht sollten sie ihr die koͤniglichen Kleider wegnehmen. Wie sie nun am Morgen aufwachte, hatte sie nichts anzuthun und die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein Paar alte wollene Struͤmpfe, und that noch, als waͤrs ein großes Geschenk und sprach: „wenn nicht euer Mann waͤre, haͤtte ich’s euch gar nicht gegeben.“ Da glaubte sie, er sey wirklich ein Schweinehirt, und huͤtete mit ihm die Heerde, und sprach: „ich habe es verdient mit meinem Stolz.“ Das dauerte acht Tage, da konnte sie es nicht mehr aushalten, denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden. Da kamen ein paar Leute und fragten, ob sie recht wuͤßte, wer ihr Mann waͤre? „Ja, antwortete sie, ein Schweinehirt, er ist
eben ausgegangen mit ein wenig Band zu handeln.“ Sie sprachen aber: „kommt einmal mit, wir wollen euch zu ihm hinfuͤhren“ und brachten sie ins Schloß hinauf, und wie sie in den Saal kam, stand da ihr Mann in koͤniglichen Kleidern. Sie erkannte ihn aber nicht, bis er ihr um den Hals fiel, sie kuͤßte und sprach: „ich habe so viel fuͤr dich gelitten, da hast du auch fuͤr mich leiden sollen.“ Nun ward erst recht die Hochzeit gefeiert, und der’s erzaͤhlt hat, wollte, er waͤr’ auch dabei gewesen.
135.
Die weiße und schwarze Braut.
Eine Frau ging mit ihrer Tochter und Stieftochter uͤber Feld, Futter zu schneiden. Da kam der liebe Gott als ein armer Mann zu ihnen gegangen und fragte: „wo fuͤhrt der Weg ins Dorf?“ „Ei, sprach die Mutter, sucht ihn selber,“ und die Tochter setzte noch hinzu: „habt ihr Sorge, daß ihr ihn nicht findet, so bringt euch einen Wegweiser mit.“ Die Stieftochter aber sprach: „armer Mann, ich will dich fuͤhren, komm mit mir.“ Da erzuͤrnte der liebe Gott uͤber die Mutter und Tochter, wendete ihnen den Ruͤcken zu und verwuͤnschte sie, daß sie sollten schwarz werden wie die Nacht, und haͤßlich wie die Suͤnde. Der armen Stieftochter aber ward Gott gnaͤdig und ging mit ihr, und als sie nah am Dorf waren, sprach er einen Segen uͤber sie und sagte: „waͤhl dir drei Sachen aus, die will ich dir gewaͤhren.“ Da sprach das Maͤdchen: „ich moͤchte gern schoͤn werden, wie die Sonne,“ alsbald
wurde sie weiß und schoͤn, wie der Tag. „Dann moͤchte ich einen Geldbeutel haben, der nie leer wuͤrde;“ den gab ihr der liebe Gott auch, sprach aber: „vergiß das Beste nicht, meine Tochter!“ Sagte sie: „ich wuͤnsche mir zum dritten das ewige Himmelreich nach meinem Tode.“ Das wurde ihr auch zugesagt, und also schied der liebe Gott von ihr.
Wie nun die Stiefmutter mit ihrer Tochter nach Hause kam und sah, daß sie beide kohlschwarz und haͤßlich waren, die Stieftochter aber weiß und schoͤn, ward sie ihr im Herzen noch boͤser und hatte nur im Sinn, wie sie ihr ein Leid anthun koͤnnte. Die Stieftochter aber hatte einen Bruder, Namens Reginer, den liebte sie sehr und erzaͤhlte ihm alles, was geschehen war. Nun sprach der Reginer einmal zu ihr: „liebe Schwester, ich will dich abmahlen, damit ich dich bestaͤndig vor Augen sehe, denn meine Liebe zu dir ist so groß, daß ich dich immer in Gedanken habe.“ Da antwortete sie: „aber laß niemand das Bild sehen.“ Er mahlte sich nun seine Schwester ab und hing das Bild in seiner Stube auf, in des Koͤnigs Schloß, bei dem er Kutscher war, und alle Tage ging er davor stehen und dankte Gott fuͤr das Gluͤck seiner lieben Schwester. Nun war aber gerade dem Koͤnig, bei dem er diente, seine Gemahlin verstorben, welche so schoͤn gewesen war, daß man keine finden konnte, die ihr gliche, und der Koͤnig war daruͤber in tiefer Trauer. Die Hofdiener sahen es indessen dem Kutscher ab, wie er taͤglich vor dem schoͤnen Bilde stand, mißgoͤnntens ihm und meldeten es dem Koͤnig. Da ließ dieser das Bild vor sich bringen, und sah, daß es in allem seiner
verstorbenen Frau glich, nur noch schoͤner war, so daß er sich sterblich hinein verliebte, und den Kutscher fragte, wen das Bild vorstellte? Als der Kutscher gesagt hatte, daß es seine Schwester waͤre, entschloß sich der Koͤnig, keine andere, als diese, zur Gemahlin zu nehmen, gab ihm Wagen und Pferde und praͤchtige Goldkleider, und schickte ihn fort, seine erwaͤhlte Braut abzuholen. Wie Reginer mit der Botschaft ankam, freute sich seine Schwester, allein die schwarze aͤrgerte sich uͤber alle Maßen vor großer Eifersucht, und sprach zu ihrer Mutter: „was helfen nun all’ eure Kuͤnste, da ihr mir kein solches Gluͤck verschaffen koͤnnt.“ Da sagte die Alte: „sey still, ich will dirs schon zuwenden,“ und durch ihre Hexenkuͤnste truͤbte sie dem Kutscher die Augen, daß er halb blind war, und der Weißen verstopfte sie die Ohren, daß sie schwer hoͤrte. Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut in den herrlichen koͤniglichen Kleidern, dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und Reginer saß auf dem Bock, um zu fahren. Wie sie eine Weile gereist waren unterwegs rief der Kutscher:
„Deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht naͤßt,
daß Wind dich nicht bestaͤubt,
daß du fein schoͤn zum Koͤnig kommst!“
Die Braut fragte: „was sagt mein lieber Bruder?“ „Ach, sprach die Alte, er hat gesagt, du solltest dein guͤlden Kleid ausziehen und es deiner Schwester geben.“ Da zog sie’s aus und that’s der Schwarzen an, die gab ihr dafuͤr einen schlechten grauen
Kittel. So fuhren sie weiter, uͤber ein Weilchen rief der Bruder abermals:
„deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht naͤßt,
daß Wind dich nicht bestaͤubt
und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst!“
Die Braut fragte: „was sagt mein lieber Bruder?“ „Ach, sprach die Alte, er hat gesagt, du solltest deine guͤldene Haube abthun und deiner Schwester geben.“ Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum uͤber ein Weilchen rief der Bruder:
„deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht naͤßt,
daß Wind dich nicht bestaͤubt
und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst!“
Die Braut fragte: „was sagt mein lieber Bruder?“ „Ach, sprach die Alte, er hat gesagt, du moͤgtest einmal aus dem Wagen sehen.“ Sie fuhren aber gerade uͤber ein tiefes Wasser, wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad’ ins Wasser fiel, sie versank auch, aber in demselben Augenblick stieg eine schneeweiße Ente hervor und schwamm den Fluß hinab. Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem Koͤnig die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch, sie waͤr’s, weil es ihm truͤb vor den Augen war und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der
Koͤnig, wie er die grundlose Haͤßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr boͤs und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern- und Schlangengezuͤcht war. Die alte Hexe aber wußte den Koͤnig doch so zu bestricken und ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, bis daß sie ihm ganz leidlich vorkam und er sich wirklich mit ihr verheirathete.
Einmal Abends saß die schwarze Braut dem Koͤnig auf dem Schooß, da kam eine weiße Ente zum Gossenstein in die Kuͤche geschwommen und sagte zum Kuͤchenjungen:
„Juͤngelchen mach Feuer an,
daß ich meine Federn waͤrmen kann!“
Das that der Kuͤchenjunge und machte ihr ein Feuer auf dem Heerd, da kam die Ente und setzte sich daneben, schuͤttelte sich und strich sich die Federn mit dem Schnabel zurecht. Waͤhrend sie so saß und sich wohlthat, fragte sie:
„Was macht mein Bruder Reginer?“
Der Kuͤchenjunge antwortete:
„Liegt tief bei Ottern und Schlangen.“
Fragte sie:
„Was macht die schwarze Hex im Haus?“
Der Kuͤchenjunge antwortete:
„die sitzt warm ins Koͤnigs Arm.“
Sagte die Ente:
„daß Gott erbarm!“
und schwamm den Gossenstein hinaus.
Den folgenden Abend kam sie wieder und that dieselben Fragen und den dritten Abend noch einmal. Da konnte es der Kuͤchenjunge nicht laͤnger uͤbers Herz bringen und sagte dem Koͤnig alles. Der Koͤnig aber ging den andern Abend hin und wie die Ente den Kopf durch den Gossenstein herein streckte, nahm er sein Schwert und hieb ihr den Hals durch, da wurde sie auf einmal zum schoͤnsten Maͤdchen, und glich genau dem Bild, das der Bruder von ihr gemacht hatte. Der Koͤnig aber war voll Freuden und weil sie ganz naß dastand, ließ er ihr koͤstliche Kleider bringen, als sie die angethan hatte, erzaͤhlte sie ihm, wie sie in den Fluß war hinab geworfen worden, und die erste Bitte, die sie that, war, daß ihr Bruder aus der Schlangenhoͤhle herausgeholt wuͤrde, welches auch gleich geschah. Aber der Koͤnig ging in die Kammer, wo die alte Hexe saß, und fragte: „was verdient die, welche das und das thut?“ indem er den ganzen Hergang erzaͤhlte. Da war sie verblendet, merkte nichts und sprach: „die verdient, daß man sie nackt auszieht und in ein Faß mit Naͤgeln legt und vor das Faß ein Pferd spannt und das Pferd in alle Welt schickt.“ Alles das geschah nun an ihr und ihrer schwarzen Tochter, der Koͤnig heirathete die schoͤne Braut und belohnte den treuen Bruder, indem er ihn zu einem reichen und angesehenen Mann machte.
136.
De wilde Mann.
Et was emoel en wilden Mann, de was verwuͤnsket un genk bie de Bueren in den Goren (Garten) un in’t Korn un moek alles to Schande. Do klagden se an eeren Gutsheeren, se koͤnnen eere Pacht nig mehr betalen, un do leit de Gutsheer alle Jaͤgers bie ene kummen, we dat Dier fangen koͤnne, de soll ’ne graute Belohnung hebben. Do kuͤmmt do en ollen Jaͤger an, de segd, he wuͤll dat Dier wull fangen; do moͤtt se em ’ne Pulle met Fusel (Branntwein) un ’ne Pulle met Wien un ’ne Pulle met Beer gierwen (geben), de settet he an dat Water, wo sik dat Dier alle Dage waͤskt. Un do geit he achter en Baum stohn, do kuͤmmt dat Dier un drinket ut de Pullen, do leckt et alle de Mund un kickt heruͤm, ov dat auck well suͤht. Do werd et drunken, un do geit et liegen un schloͤpd; do geit de Jaͤger to un bind et an Haͤnden un Foͤten, do weckt he et wier up un segd: „du wilde Mann, goh met, soͤksoͤt sast du alle Dage drinken.“ Do nimmtnieemt he et mit noh dat adlicke Schloß, do settet se et do in den Thornt un de Heer geit to andre Nobers, de soͤllt seihn (sehen), wat he foͤr’n Dier fangen hed. Do spierlt ene von de jungen Heerens met’n Ball un let de in den Thornt fallen un dat Kind segd: „wilde Mann, schmiet mie den Ball wier to;“ do segd de wilde Mann: „den Ball most du soͤlvst wier hahlen.“ „Je, segd dat Kind, ick heve kinen Schluͤrtel.“ — „Dann mack du, dat du bie dien Moder eere Tasken kuͤmmst un stehl eer den Schluͤrtel.“ — Do
schluͤt dat Kind den Thornt orpen un de wilde Mann loͤpd derut; do faͤnk dat Kind an to schreien: „o wilde Mann, bliev doch hier, ick kriege suͤs Schlaͤge.“ Do niermt de wilde Mann dat Kind up de Nacken un lopd darmet de Wildniß herin; de wilde Mann was weg, dat Kind was verloren! De wilde Mann de tuͤt dat Kind en schlechten Kiel (Kittel) an un schickt et noh den Goͤrner an den Kaisers Hof, do mot et frogen, ov de kinen Goͤrners-Jungen van dohn (noͤthig) hed? Do segd de, he woͤre so schmeerig antrocken, de annern wullen nig bie em schlopen. Do seg he, he wull in’t Strauh liegen, un geit alltied des Morgens froͤh in den Goren, do kuͤmmt em de wilde Mann entgiergen, do seg he: „nu waske die, nu kaͤmme die!“ un de wilde Mann maͤckt de Goren so schoͤn, dat de Goͤrner et soͤlvst nig so gut kann. Un de Prinzessin suͤt alle Morgen den schoͤnen Jungen, do seg se to den Goͤrner, de kleine Lehrjunge soͤll eer en Busk Blomen brengen. Un se froͤg dat Kind, van wat foͤr Standt dat et woͤre; do seg et, ja, dat wuͤs et nig, do giv se em en broden Hohn vull Ducoeten. Es he in kuͤmmt, giv he dat Geld sinen Heeren un seg: „wat sall ick do met dohn, dat bruckt ji men.“ Un he moste eer noh enen Busk Blomen brengen, do giv se em ’ne Aant (Ente) vull Ducoeten, de giv he wier an sinen Heeren. Un do noh en moel, do giv se em ’ne Gans vull Ducoeten, de giv de Junge wier an sinen Heeren. Do meent de Prinzessin, he hev Geld, un he hev nix, un do hierothet se em in’t geheem, un do weeret eere Oeldern so beise un setten se in dat Brauhuse, do mot se sick met spinnen ernaͤhren, un he geit in de Kuͤcke un helpt
den Kock de Broden dreien un steld manxden (zuweilen) en Stuͤck Fleesk un brengd et an sine Frau.
Do kuͤmmt so’n gewoltigen Krieg in Engelland, wo de Kaiser hin mott un alle de grauten Heerens, do segd de junge Mann, he wull do auck hen, ov se nig noh en Perd in Stall hedden, un se saden, se hedden noh ent, dat goͤnk up drei Beenen, dat woͤr em gut genog. He settet sick up dat Perd, dat Perd dat geit alle: husepus! husepus! Do kuͤmmt em de wilde Mann in de moͤte (entgegen), do doͤt sick so’n grauten Berg up, do sind wull dusend Regimenter Soldaten un Offzeers in, do daͤt he schoͤne Kleeder an un krigd so’n schoͤn Perd. Do tuͤt (zieht) he met alle sin Volk in den Krieg noh Engelland, de Kaiser enfaͤnk en so froͤndlick un begerd en, he moͤg em doh biestoen. He gewinnt de Schlacht un verschleit alles. Do daͤt sick de Kaiser so bedanken voͤr em un fraͤgd, wat he foͤr’n Heer woͤre, he segd: „dat froget mie men nig, dat kann ick ju nig seggen.“ He ritt met sin Volk wier ut Engelland, do kuͤmmt em de wilde Mann wier entgiergen un doͤt alle dat Volk wier in den Berg, un he geit wier up sien dreibeenige Perd sitten. Do seget de Luide: „do kuͤmmt usse Hunkepus wier an met dat dreibeenige Perd,“ un se froget: „wo hest du achter de Hierge (Hecke) laͤgen un hest schlopen?“ „Je, segd he, wenn ick der nig woͤr west, dann haͤdde et in Engelland nig gut gohn!“ Se segget: „Junge, schwieg stille, suͤs giv die de Heer wat upd’ Jack.“ — Un so genk et noh tweenmoel un ton derdenmoel gewient he alles; do kreeg he en Stick in den Arm, do niermt de Kaiser sinen Dock (Tuch) und verbind em de
Wunden. Do neidigt (noͤthigt) se em, he moͤg do bliewen, „ni, ick bliewe nig bie ju, un wat ick sin, geit ju nig an.“ Do kuͤmmet em de wilde Mann wier entgiergen un deih alle dat Volk wier in den Berg un he genk wier up sin Perd sitten un genk wier noh Hues. Do lachten de Luide un segden: „do kuͤmmt usse Hunkepus wier an, wo hest du doh laͤgen un schlopen?“ He seg: „ick heve foͤrwohr nig slopen, nu is ganz Engelland gewunnen un et is en wohren Frerden (Frieden).“
Do segde de Kaiser von den schoͤnen Ritter, de em hev biestohen; do seg de junge Mann to en Kaiser: „woͤre ick nig bie ju west, et woͤre nig guet gahen.“ Do will de Kaiser em wat upn Buckel gierwen, „ji, seg he, wenn ji dat nig gleiwen willt, will ick ju minen Arm wiesen;“ un asse he den Arm wiest un asse de Kaiser de Wunde suͤt, do wert he gans verwuͤndert un segd: „villicht buͤst du Gott soͤlvst ader en Engel, den mie Gott toschickt hev“ un bat em uͤm Verzeihnuͤß, dat he so grov met em handelt haͤdde, un schenket em sin ganse Kaisers Gut. Un de wilde Mann was erloͤset un stund ase en grauten Kuͤnig foͤr em un vertelde em de ganse Sacke, un de Berg was en gans Kuͤnigs-Schloß un he trock met sine Frau derup, un lerweten vergnoͤgt bis an eeren Daud.
137.
De drei schwatten Princessinnen.
Ostindien was von den Fiend belagert, he wull de Stadt nig verloeten, he wull ersten 600 Dahler hebben. Do leiten se dat ut trummen: well de schaffen koͤnne, de soll Boͤrgemester weren. Do was der en armen Fisker, de fiskede up de See mit sinen Sohn, do kam de Fiend un nam den Sohn gefangen un gav em dofoͤr 600 Dahler. Do genk de Vader hen un gav dat de Heerens in de Stadt un de Fiend trock av un de Fisker wurde Boͤrgemester. Do word utropen, wer nig Heer Boͤrgemester segde, de soll an de Galge richtet weren.
De Sohn de kam de Fiend wier ut de Haͤnde un kam in en grauten Wold up en haujen Berg, de Berg de deih sick up, da kam he in en graut verwuͤnsket Schloß, woin Stohle, Diske un Baͤnke alle schwatt behangen woͤren. Do queimen drei Princessinnen, de gans schwatt antrocken woͤren, de men en luͤck (wenig) witt in’t Gesicht haͤdden, de segden to em, he soll men nig bange sien, se wullen em nix dohn, he koͤnn eer erloͤsen. Do seg he, je dat wull he gern dohn, wann he men wuͤste, wo he dat macken soͤll? Do segget se: he soͤll en gans Johr nig met en kuͤhren (sprechen) un soͤll se auck nig anseihen; wat he gern hebben wull, dat soͤll he men seggen, wann se Antwort gierwen droͤfden (geben duͤrften), wullen se et dohn. As he ’ne Tied lang der west was, sede he, he wull asse gern noh sin Vader gohn, da segget se, dat soͤll he men dohn, duͤssen Buel (Beutel) met Geld soͤll he met
niermen, duͤsse Kloͤder soͤll he antrecken un in acht Dage moͤst he der wier sien.
Do werd he upnurmen (aufgehoben) un is glick in Ostindien, do kann he sin Vader in de Fiskhuͤtte nig mer finden un froͤg de Luide, wo doh de arme Fisker blierwen woͤre, do segget se, dat moͤst he nig seggen, dann queim he an de Galge. Do kuͤmmt he bie sin Vader, do seg he: „Fisker, wo sin ji do to kummen?“ Do seg de: „dat moͤt ji nig seggen, wann dat de Heerens van de Stadt gewahr weeret, kuͤmme ji an de Galge.“ He willt ober gar nig loten, he werd noh de Galge bracht; es he do is, seg he: „o mine Heerens, gierwet mie doh Verloͤv, dat ick noh de olle Fiskhuͤtte gohn mag.“ Do tuͤt he sinen ollen Kiel an, do kuͤmmt he wier noh de Heerens un seg: „seih ji et nu wull, sin ick nig en armen Fisker sinen Sohn? in duͤt Tueg heve ick minen Vader un Moder dat Braud gewunnen.“ Do erkennet se en un badden uͤm Vergiebnuͤß un niermt en met noh sin Hues, do verteld he alle wuͤ et em gohn hev, dat he woͤre in en Wold kummen up en haujen Berg, do haͤdde sick de Berg updohn, do woͤre he in en verwuͤnsket Schloß kummen, wo alles schwatt west woͤre un drei Princessinnen woͤren der an kummen, de woͤren schwatt west, men en luͤck witt in’t Gesicht. De haͤdden em segd, he soͤll nig bange sien, he koͤnn eer erloͤsen. Do seg sine Moder: dat moͤg wull nig gut sien, he soll ’ne gewiehte Wasskeefze met niermen un draͤppen (tropfen) eer gleinig (gluͤhend) Wass in’t Gesicht.
He geit wier hen un do gruelte (graute) em so, un he druͤppde er Wass in’t Gesicht, asse se sleipen, un se woͤren all halv witt;
do spruͤngen alle de drei Princessinnen up un segden: „de verfluchte Hund, usse Bloet soll oͤrfer die Rache schreien, nu is kin Mensk up de Welt geboren, un werd geboren, de us erloͤsen kann, wie hevet noh drei Broͤders, de sind in siewen Ketten anschloeten, de soͤllt die terrieten.“ Do givd et en Gekriesk in’t ganse Schloß un he sprank noh ut dat Fenster un terbrack dat Been un dat Schloß sunk wier in den Grunde, de Berg was wier to, un nuͤmmes wust, wo et west was.
138.
Knoist un sine dre Suͤhne.
Twisken Werrel un Soist, do wuhnde ’n Mann un de hede Knoist, de hadde dre Suͤhne, de eene was blind, de annre was lahm un de dridde was splenternaket. Do gingen se mohl oͤwer Feld, do sehen se eenen Hasen. De blinne de schoͤt en, de lahme de fienk en, de nackede de stack en in de Tasken. Do kaͤimen se fuͤr een groot allmaͤchtig Waater, do wuren dre Schippe uppe, dat eene dat rann, dat annre dat sank, dat dridde, do was keen Buoden inne. Wo keen Buoden inne was, do gingen se olle dre inne: do kaͤimen se an eenen allmaͤchtig grooten Walle (Wald), do was een groot allmaͤchtig Boom inne, in den Boom was eene allmaͤchtig groote Capelle, in de Capelle was een hageboͤcken Koͤster un een bußboomen Pastoer, de deelden dat Wiggewaater mit Knuppeln uit.
Sielig is de Mann,
de den Wiggewaater entlaupen kann.
139.
Dat Maͤken von Brakel.
Et gink mal ’n Maͤken von Brakel na de suͤnt Annen Capellen unner de Hinnenborg un weil et gierne ’n Mann heven wulle un ock meinde, et waͤre suͤs neimes in de Capellen, sau sank et:
„O hilge suͤnte Anne!
help mie doch bald tom Manne,
du kennst ’n ja wull,
he wuhnt var’m Suttmer Dore,
hed gele Hore:
du kennst ’n ja wull!“
De Koͤster stand awerst huͤnner den Altare un hoͤre dat, da rep he mit ’ner gans schroͤgerigen Stimme: „du kriggst’n nig! du kriggst’n nig!“ Dat Maͤken awerst meinde, dat Marienkinneken dat bie de Mudder Anne steiht, hedde uͤm dat to ropen, da wor et beuse un reip: „Pepperlepep, dumme Blae, halt de Schnuten un lat de Moͤhme kuͤhren (die Mutter reden)!“
140.
Das Hausgesinde.
„Wo wust du henne?“ — „Nah Walpe!“ — „Jck nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann!“
„Haͤst du auck ’n Mann? wie hedd din Mann?“ — „Cham!“ — „Min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann!“
Haͤst du auck ’n Kind? wie hedd din Kind?“ — „Grind!“ — „Min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann!“
„Haͤst du auck ’n Weige? Wie hedd dine Weige?“ — „Hippodeige!“ — „Mine Weige Hippodeige, dine Weige Hippodeige; min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann!“
„Haͤst du auck ’n Knecht? wie hedd din Knecht?“ — „Mach mirs recht!“ — „Min Knecht Mach mirs recht, din Knecht Mach mirs recht; mine Weige Hippodeige, dine Weige Hippodeige; min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann!“
141.
Das Laͤmmchen und Fischchen.
Es war einmal ein Bruͤderchen und Schwesterchen, die hatten sich herzlich lieb, ihre rechte Mutter war aber todt und sie hatten eine Stiefmutter, die war ihnen nicht gut, und that ihnen heimlich alles Leid an. Es trug sich zu, daß die zwei mit andern
Kindern auf einer Wiese vor dem Haus spielten, und an der Wiese war ein Teich, der ging bis an die eine Seite vom Haus. Die Kinder liefen da herum, kriegten sich und spielten Abzaͤhlens:
„Enecke, Benecke, lat mie liewen,
will die ock min Vuͤgelken giewen.
Vuͤgelken sall mie Strau soͤken,
Strau will ick den Koͤseken giewen,
Koͤseken sall mie Melk giewen,
Melk will ick den Baͤcker giewen,
Baͤcker sall mie ’n Kocken backen,
Kocken will ick den Kaͤtken giewen,
Kaͤtken sall mie Muͤse fangen,
Muͤse will ick in’n Rauck hangen
un will se anschnien.“
Dabei standen sie in einem Kreis und auf welchen nun das Wort „anschnien“ fiel, der mußte fortlaufen, und die andern liefen ihm nach und fingen ihn. Wie sie so froͤhlich dahinsprangen, sah’s die Stiefmutter vom Fenster mit an und aͤrgerte sich. Weil sie aber Hexenkuͤnste verstand, so verwuͤnschte sie beide, das Bruͤderchen in einen Fisch und das Schwesterchen in ein Lamm. Da schwamm das Fischchen im Teich hin und her und war traurig und das Laͤmmchen ging auf der Wiese hin und her und war traurig und fraß nicht und ruͤhrte kein Haͤlmchen an. So ging eine lange Zeit hin, da kamen fremde Gaͤste auf das Schloß. Die falsche Stiefmutter dachte, jetzt ist die Gelegenheit gut, rief den Koch und sprach zu ihm: „geh und hol das Lamm von der Wiese und
schlachts, wir haben sonst nichts fuͤr die Gaͤste.“ Da ging der Koch hin und holte das Laͤmmchen und fuͤhrte es in die Kuͤche, band ihm die Fuͤßchen, das litt es alles geduldig. Wie er nun sein Messer herausgezogen hatte und auf der Schwelle wetzte, um es abzustechen, sah es, wie ein Fischlein in dem Wasser vor dem Gossenstein hin- und herschwamm und zu ihm hinaufblickte. Das war aber das Bruͤderchen, denn als das Fischchen gesehen hatte, wie der Koch das Laͤmmchen fortfuͤhrte, war es mitgeschwommen im Teich bis zum Haus. Da rief das Laͤmmchen hinab:
„Ach Bruͤderchen im tiefen See!
wie thut mir doch mein Herz so weh!
der Koch der wetzt das Messer,
will mir mein Herz durchstechen!“
Das Fischchen antwortete:
„Ach Schwesterchen in der Hoͤh,
wie thut mir doch mein Herz so weh
in dieser tiefen See!“
Wie der Koch hoͤrte, daß das Laͤmmchen sprechen konnte und so traurige Worte zu dem Fischchen hinabrief, erschrak er und dachte, es muͤßte kein natuͤrliches Laͤmmchen seyn, sondern von der boͤsen Frau im Haus verwuͤnscht. Da sprach er: „sey ruhig, ich will dich nicht schlachten,“ nahm ein anderes Thier und bereitete das fuͤr die Gaͤste und brachte das Laͤmmchen zu einer guten Baͤuerin, der erzaͤhlte er alles, was er gesehen und gehoͤrt hatte. Die Baͤuerin war aber gerade die Amme von dem Schwesterchen gewesen, vermuthete gleich, wer’s seyn wuͤrde, und ging
mit ihm zu einer weisen Frau. Da sprach die weise Frau einen Segen uͤber das Laͤmmchen und Fischchen, wovon sie ihre menschliche Gestalt wieder bekamen und darnach fuͤhrte sie sie beide in einen großen Wald in ein klein Haͤuschen, wo sie zufrieden und gluͤcklich lebten.
142.
Simeliberg.
Es waren zwei Bruͤder, einer war reich, der andere arm. Der Reiche aber gab dem Armen nichts und er mußte sich vom Kornhandel kuͤmmerlich ernaͤhren, da ging es ihm oft so schlecht, daß er fuͤr seine Frau und Kinder kein Brot hatte. Einmal fuhr er mit seinem Karren durch den Wald, da erblickte er zur Seite einen großen kahlen Berg und weil er den noch nie gesehen hatte, hielt er still und betrachtete ihn mit Verwunderung. Wie er so stand, sah er zwoͤlf wilde, große Maͤnner daher kommen; weil er nun glaubte, das waͤren Raͤuber, schob er seinen Karren ins Gebuͤsch und stieg auf einen Baum, und wartete, was da geschehen wuͤrde. Die zwoͤlf Maͤnner gingen aber vor den Berg und riefen: „Berg Semsi! Berg Semsi! thu dich auf.“ Alsbald that sich der kahle Berg in der Mitte von einander und die zwoͤlfe gingen hinein und wie sie drin waren, schloß er sich zu. Ueber eine kleine Weile aber, thaͤt er sich wieder auf und die Maͤnner kamen, mit schweren Saͤcken auf den Rucken, heraus und wie sie alle wieder am Tageslicht waren, sprachen sie: „Berg Semsi!
Berg Semsi! thu dich zu!“ Da fuhr der Berg zusammen und war kein Eingang mehr an ihm zu sehen, und die Zwoͤlfe gingen fort. Als sie ihm nun ganz aus den Augen waren, stieg der Arme vom Baum herunter, und war neugierig, was wohl im Berge Heimliches verborgen waͤre. Also ging er davor und sprach: „Berg Semsi! Berg Semsi! thu dich auf!“ und der Berg that sich auch vor ihm auf. Da trat er hinein und der ganze Berg war eine Hoͤhle voll Silber und Gold und hinten lagen große Haufen Perlen und leuchtende Edelsteine, wie Korn aufgeschuͤttet. Der Arme wußte gar nicht, was er anfangen sollte, und ob er sich etwas von den Schaͤtzen nehmen duͤrfte; endlich fuͤllte er sich die Taschen mit Gold, die Perlen und Edelsteine aber ließ er liegen. Als er wieder heraus kam, sprach er gleichfalls: „Berg Semsi! Berg Semsi! thu dich zu!“ da schloß sich der Berg, und er fuhr nun mit seinem Karren nach Haus. Nun brauchte er nicht mehr zu sorgen, und konnte mit seinem Golde fuͤr Frau und Kind Brot und auch Wein dazu kaufen, lebte froͤhlich und redlich, gab den Armen und that jedermann Gutes; als aber das Gold all’ war, ging er zu seinem Bruder, lieh einen Scheffel und holte sich von neuem; doch ruͤhrte er von den großen Schaͤtzen nichts an. Wie er sich zum drittenmal etwas holen wollte, borgte er bei seinem Bruder wieder den Scheffel. Der Reiche war aber schon lange neidisch uͤber sein Vermoͤgen und den schoͤnen Haushalt, den er sich eingerichtet hatte, und konnte nicht begreifen, woher der Reichthum kaͤme und was sein Bruder mit dem Scheffel anfing. Da dachte er eine List aus, und bestrich
den Boden mit Pech, und wie er das Maß wieder bekam, so war ein Goldstuͤck darin haͤngen geblieben. Alsbald ging er zu seinem Bruder und fragte ihn: „was hast du mit dem Scheffel gemessen?“ „Korn und Gerste,“ sagte der andere. Da zeigte er ihm das Goldstuͤck und drohte ihm, wenn er nicht die Wahrheit sagte, so wollt’ er ihn beim Gericht verklagen. Er erzaͤhlte ihm nun alles, wie es zugegangen war; der Reiche aber ließ gleich einen Wagen anspannen, fuhr hinaus, und dachte ganz andere Schaͤtze mitzubringen. Wie er vor den Berg kam, rief er: „Berg Semsi! Berg Semsi! thu dich auf!“ der Berg that sich auf und er ging hinein. Da lagen die Reichthuͤmer alle vor ihm, und er wußte lange nicht, wozu er am ersten greifen sollte, endlich lud er Edelsteine auf, so viel er tragen konnte und wollte sie hinausbringen. Er kehrte also um, weil aber Herz und Sinn ganz voll von den Schaͤtzen waren, hatte er daruͤber den Namen des Bergs vergessen, und rief: „Berg Simeli! Berg Simeli! thu dich auf!“ Aber das war der rechte Name nicht und der Berg regte sich nicht und blieb verschlossen. Da ward ihm angst, aber je laͤnger er nachsann, desto mehr verwirrten sich seine Gedanken und halfen ihm alle Schaͤtze nichts mehr. Am Abend that sich der Berg auf und die zwoͤlf Raͤuber kamen herein, und als sie ihn sahen, waren sie froh und riefen: „Vogel, haben wir dich endlich, meinst du wir haͤtten’s nicht gemerkt, daß du zwei Mal hereingekommen bist, aber wir konnten dich nicht fangen, zum drittenmal sollst du nicht wieder heraus.“ Da rief er: „ich war’s nicht; mein Bruder war’s!“
aber er mogte bitten um sein Leben und sagen was er wollte, sie schlugen ihm das Haupt ab.
143.
Up Reisen gohn.
Et was emol ne arme Frau, de hadde enen Sohn, de wull so gerne reisen, do seg de Mohr: „wu kannst du reisen? wi hebt je gar kien Geld dat du mitniemen kannst!“ Do seg de Sohn: „ick will mi gut behelpen, ick will alltied seggen: „nig viel! nig viel! nig viel!“
Do genk he ene gude Tied un sede alltied: „nig viel! nig viel! nig viel!“ Kam do bi en Trop Fisker un seg: „Gott helpe ju! nig viel! nig viel! nig viel!“ „Wat segst du, Kerl? Nig viel!“ un asse dat Goͤren (Garn) uttrocken, kregen se auck nig viel Fiske. Se met enen Stock up de Jungen un: hest du mi nig dersken (dreschen) seihn! „Wat sall ick denn seggen?“ seg de Junge — „Du sallst seggen: fank vull! fank vull!“
Do geit he wier ene ganze Tied un seg: „fank vull! fank vull!“ bis he kuͤmmt an enen Galgen, do hebt se en armen Suͤnder, den willt se richten. Do seg he: „guden Morgen, fank vull! fank vull!“ „Wat segst du, Kerl, fank vull? soͤllt der noch mehr leige (leidige, boͤse) Lude in de Welt sien? is duͤt noch nig genog?“ — He krig wier wat up den Puckel. — „Wat sall ick denn seggen?“ — „Du sallst seggen: Gott troͤst de arme Seele!“
De Junge geit wier ene ganze Tied un seg: „Gott troͤst de arme Seele!“ Do kuͤmmt he an en Grawen, do steit en Filler (Schinder), de tuͤt en Perd af. De Junge seg: „guden Morgen, Gott troͤst de arme Seele!“ „Wat segst du, leige Kerl?“ un schleit en met sinen Filhacken uͤm de Ohren, dat he ut den Augen nig seihen kann. — „Wu sall ick denn seggen?“ — „Du sallst seggen: do ligge du Aas in en Grawen.“
Do geit he un seg alltied: „do ligge du Aas in en Grawen! do ligge du Aas in en Grawen!“ Nu kuͤmmt he di enen Wagen vull Luͤde, do seg he: „guden Morgen, do ligge du Aas in en Grawen!“ Do foͤllt de Wagen uͤm in en Grawen, de Knecht kreg de Pietske un knapt den Jungen, dat he wier to sine Mohr krupen moste, un he is sien Lewen nig wier up reisen gohn.
144.
Das Eselein.
Es lebte einmal ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die waren reich und hatten alles, was sie sich wuͤnschten, nur keine Kinder. Daruͤber klagte sie Tag und Nacht und sprach: „ich bin wie ein Acker, auf dem nichts waͤchst.“ Endlich erfuͤllte Gott ihre Wuͤnsche, als das Kind aber zur Welt kam, sah’s nicht aus wie ein Menschenkind, sondern war ein junges Eselein. Wie die Mutter das erblickte, fing ihr Jammer und Geschrei erst recht an, sie haͤtte lieber gar kein Kind gehabt, als einen Esel, und sagte, man sollt’s in’s Wasser werfen, damit’s die Fische fraͤßen. Der
Koͤnig aber sprach: „nein, hat Gott ihn gegeben, soll er auch mein Sohn und Erbe seyn, nach meinem Tod auf dem koͤniglichen Thron sitzen und die koͤnigliche Krone tragen.“ Also ward das Eselein aufgezogen, nahm zu und die Ohren wuchsen ihm auch fein hoch und gerad hinauf. Es war aber sonst froͤhlicher Art, sprang herum, spielte und hatte besonders seine Lust an der Musik, so daß es zu einem beruͤhmten Spielmann ging und sprach: „lehr mich deine Kunst, daß ich so gut die Laute schlagen kann, wie du.“ „Ach! liebes Herrlein, antwortete der Spielmann, das sollt euch schwer fallen, eure Finger sind nicht allerdings dazu gemacht, und gar zu groß; ich sorg’, die Saiten haltens nicht aus.“ Es half aber keine Ausrede, das Eselein wollt’ und mußt’ die Laute schlagen, war beharrlich und fleißig, und lernte es am Ende so gut, als sein Meister selber. Einmal ging es nachdenksam spaziren und kam an einen Brunnen, da schaute es hinein und sah im spiegelhellen Wasser seine Eseleins-Gestalt, daruͤber ward es so betruͤbt, daß es in die Welt hineinging und nur einen treuen Gesellen mitnahm. Sie zogen auf und ab, zuletzt kamen sie in ein Reich, wo ein alter Koͤnig herrschte, der nur eine einzige aber wunderschoͤne Tochter hatte. Das Eselein sagte: „hier wollen wir weilen,“ klopfte an’s Thor und rief: „es ist ein Gast haußen, macht auf, damit er eingehen kann.“ Als aber nicht aufgethan ward, setzte es sich hin, nahm seine Laute und schlug sie mit seinen Fuͤßen aufs lieblichste. Da sperrte der Thuͤrhuͤter gewaltig die Augen auf, lief zum Koͤnig und sprach: „da draußen sitzt ein Eselein vor dem Thor, das schlaͤgt die Laute
allzulieblich.“ „Ei, so laß mir den Musikant hereinkommen,“ sprach der Koͤnig. Wie aber ein Eselein hereintrat, fing alles an uͤber den Lautenschlaͤger zu lachen. Nun sollte das Eselein unten zu den Knechten gesetzt und gespeist werden, es ward aber unwillig und sprach: „ich bin kein gemeines Stalleselein, ich bin ein gar vornehmes.“ Da sagten sie: „wenn du das bist, so setz dich zu dem Kriegsvolk.“ „Nein, sprach es, ich will beim Koͤnig sitzen.“ Der Koͤnig lachte und sagte in gutem Muth: „ja, so solls seyn, wie du verlangst, Eselein, komm her zu mir.“ Darnach fragte er: „Eselein, wie gefaͤllt dir meine Tochter?“ das Eselein drehte den Kopf nach ihr, schaute sie an, nickte und sprach: „aus der Maßen wohl, so schoͤn hab ich noch keine gesehen.“ „Nun, so sollst du auch neben ihr sitzen,“ sagte der Koͤnig. „Das ist mir eben recht,“ sprach das Eselein, und setzte sich an ihre Seite und aß und wußte sich gar fein und saͤuberlich zu betragen. Als das edle Thierlein eine gute Zeit an des Koͤnigs Hof geblieben war, dachte es, was hilft das alles, du mußt wieder heim, ließ den Kopf traurig haͤngen, trat vor den Koͤnig und verlangte seinen Abschied. Der Koͤnig hatte es aber gar lieb und sprach: „Eselein, was ist dir, du schau’st ja sauer, wie ein Essigkrug, ich will dir geben, was du verlangst; willst du Gold?“ — „Nein,“ sagte das Eselein und schuͤttelte mit dem Kopf. — „Willst du Kostbarkeiten und Schmuck?“ — „Nein.“ — „Willst du mein halbes Reich?“ — „Ach nein!“ — Da sprach der Koͤnig: „wenn ich nur wuͤßte, was dich vergnuͤgt machen koͤnnte; willst du meine schoͤne Tochter zur Frau?“ „Ach ja,“
sagte das Eselein, war auf einmal ganz lustig und guter Dinge, denn das wars gerade, was es sich gewuͤnscht hatte. Also ward eine große und praͤchtige Hochzeit gehalten. Abends, wie Braut und Braͤutigam in ihr Schlafkaͤmmerlein gefuͤhrt wurden, wollte der Koͤnig wissen, ob sich das Eselein auch fein artig und manierlich betruͤge, und hieß einem Diener sich dort verstecken. Wie sie nun beide drinnen waren, schob der Braͤutigam den Riegel vor die Thuͤre, blickte sich um und wie er glaubte, daß sie ganz allein waͤren, da warf er auf einmal seine Eselhaut ab und stand da als ein schoͤner, koͤniglicher Juͤngling, der sprach: „siehst du, wer ich bin und daß ich deiner werth gewesen.“ Da ward die Braut froh, kuͤßte ihn und hatte ihn von Herzen lieb. Als es aber Morgen ward, sprang er auf, zog seine Thierhaut wieder uͤber und haͤtte kein Mensch gedacht, was fuͤr einer dahinter steckte. Bald kam auch der alte Koͤnig gegangen: „ei, rief er, ist das Eselein schon munter! du bist wohl recht traurig, sagte er zu seiner Tochter, daß du keinen ordentlichen Menschen zum Mann bekommen hast?“ „Ach nein, lieber Vater, ich habe ihn so lieb, als wenn er der allerschoͤnste waͤr und will ihn mein Lebtag behalten.“ Der Koͤnig wunderte sich, aber der Diener, der sich versteckt hatte, kam und offenbarte ihm alles. Der Koͤnig sprach: „das ist nimmermehr wahr!“ — „So wacht selber die folgende Nacht, ihr werdet’s mit eigenen Augen sehen; und wißt ihr was, Herr Koͤnig, nehmt ihm die Haut weg, und werft sie in’s Feuer, so muß er sich wohl in seiner rechten Gestalt zeigen.“ „Dein Rath ist gut,“ sprach der Koͤnig, und Abends, als sie schliefen,
schlich er sich hinein, und wie er zum Bett kam, sah er im Mondschein einen stolzen Juͤngling da ruhen, und die Haut lag abgestreift auf der Erde. Da nahm er sie weg, und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen und die Haut hineinwerfen und blieb selber dabei, bis sie ganz zu Asche verbrannt war. Weil er aber sehen wollte, was der Beraubte anfangen wuͤrde, blieb er die Nacht wach, und lauschte. Als der Juͤngling ausgeschlafen hatte, beim ersten Morgenschein, stand er auf und wollte die Eselshaut anziehen, aber sie war nicht zu finden. Da erschrak er und sprach voll Trauer und Angst: „nun muß ich sehen, daß ich entfliehe.“ Wie er hinaustrat, stand aber der Koͤnig da und sprach: „ei! mein Sohn, wohin so eilig, was hast du im Sinn? Bleib hier; du bist ein so schoͤner Mann, du sollst nicht wieder von mir; ich geb’ dir jetzt mein Reich halb, und nach meinem Tod bekommst du es ganz.“ „So wuͤnsch ich dem guten Anfang auch ein gutes Ende,“ sprach der Juͤngling, „ich bleibe bei euch.“ Da gab ihm der Alte das halbe Reich, und als er nach einem Jahr starb, hatte er das ganze, und nach dem Tode seines Vaters noch eins dazu, und lebte reich und vergnuͤgt.
145.
Der undankbare Sohn.
Es saß einmal ein Mann mit seiner Frau vor der Hausthuͤr, und hatten ein gebraten Huhn vor sich stehen, und wollten das zusammen verzehren, da sah der Mann, wie sein alter Vater daher
kam, geschwind nahm er das Huhn und versteckte es, weil er ihm nichts davon goͤnnte. Der Alte kam, that einen Trunk und ging fort. Nun wollte der Sohn das gebratene Huhn wieder auf den Tisch tragen, aber als er darnach griff, war es eine große Kroͤte geworden, die sprang ihm ins Angesicht, und saß da und ging nicht wieder weg, und wenn sie jemand wegthun wollte, sah sie ihn giftig an, als wollt’ sie ihm ins Angesicht springen, so daß keiner sie anzuruͤhren getraute. Und die Kroͤte mußte der undankbare Sohn alle Tage fuͤttern, sonst fraß sie ihm aus seinem Angesicht, und also ging er in der Welt hin und her.
146.
Die Ruͤbe.
Es waren einmal zwei Bruͤder, die dienten beide als Soldaten, und war der eine reich, der andere arm. Da wollte der Arme sich aus seiner Noth helfen, zog den Soldatenrock aus, und ward ein Bauer. Also grub und hackte er sein Stuͤckchen Acker und saͤte Ruͤbsamen. Der Same ging auf und es wuchs da eine Ruͤbe, die ward groß und stark und zusehends dicker, und wollte gar nicht aufhoͤren zu wachsen, so daß sie eine Fuͤrstin aller Ruͤben heißen konnte, denn nimmer war so eine gesehen, und wird auch nimmer wieder gesehen werden. Zuletzt war sie so groß, daß sie allein einen ganzen Wagen anfuͤllte, und zwei Ochsen daran ziehen mußten, und der Bauer wußte nicht was er damit anfangen sollte, und ob’s sein Gluͤck oder sein Ungluͤck waͤre. Endlich
dachte er, verkaufst du sie, was wirst du großes dafuͤr bekommen, und willst du sie selber essen, so thun die kleinen Ruͤben denselben Dienst, am besten ist, du bringst sie dem Koͤnig und machst ihm eine Verehrung damit. Also lud er sie auf den Wagen, spannte zwei Ochsen vor, brachte sie an den Hof und schenkte sie dem Koͤnig. „Ei! sagte der Koͤnig, was ist das fuͤr ein seltsam Ding? mir ist viel Wunderliches vor die Augen gekommen, aber so ein Ungethuͤm noch nicht; aus was fuͤr Samen mag die gewachsen seyn? oder dir geraͤth’s allein, und du bist ein Gluͤckskind.“ „Ach nein, sagte der Bauer, ein Gluͤckskind bin ich nicht, ich bin ein armer Soldat, der sich nicht mehr naͤhren konnte, darum den Soldatenrock an den Nagel hing und das Land baute; ich habe noch einen Bruder, der ist reich und Euch, Herr Koͤnig, auch wohl bekannt, ich aber, weil ich nichts habe, bin von aller Welt vergessen.“ Da empfand der Koͤnig Mitleid mit ihm und sprach: „deiner Armuth sollst du uͤberhoben und so von mir beschenkt werden, daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommst.“ Da schenkte er ihm eine Menge Gold, Acker, Wiesen und Heerden, und machte ihn steinreich, so daß des andern Bruders Reichthum gar nicht konnte damit verglichen werden. Als dieser hoͤrte, was sein Brnder mit einer einzigen Ruͤbe erworben hatte, beneidete er ihn und sann hin und her, wie er sich auch ein solches Gluͤck zuwenden koͤnnte. Er wollt’s aber noch viel gescheidter anfangen, nahm Gold und Pferde und brachte sie dem Koͤnig, und meinte nicht anders, der wuͤrde ihm ein viel groͤßeres Gegengeschenk machen, denn haͤtte sein Bruder so viel fuͤr eine Ruͤbe bekommen,
was wuͤrde es ihm fuͤr so schoͤne Dinge nicht alles tragen. Der Koͤnig nahm das Geschenk und sagte, er wuͤßte ihm nichts wieder zu geben, das seltner und besser waͤre, als die große Ruͤbe. Also mußte der Reiche seines Bruders Ruͤbe auf einen Wagen legen und nach Haus fahren lassen. Daheim wußte er nicht, an wem er seinen Zorn und Aerger auslassen sollte, bis ihm boͤse Gedanken kamen und er beschloß seinen Bruder zu toͤdten. Er gewann Moͤrder, die mußten sich in einen Hinterhalt stellen, und darauf ging er zu seinem Bruder und sprach: „lieber Bruder, ich weiß einen heimlichen Schatz, den wollen wir mit einander heben und theilen.“ Der andere ließ sich’s auch gefallen und ging ohne Arg mit; als sie aber hinauskamen, stuͤrzten die Moͤrder uͤber ihn her, banden ihn und wollten ihn an einen Baum haͤngen. Jndem sie eben daruͤber waren, erscholl aus der Ferne lauter Gesang und Hufschlag, daß ihnen der Schrecken in den Leib fuhr und sie uͤber Hals und Kopf ihren Gefangenen in den Sack steckten, am Ast hinaufwanden und haͤngen ließen, er aber arbeitete darin, bis er ein Loch im Sack hatte, wodurch er den Kopf stecken konnte. Darauf ergriffen sie die Flucht. Wer aber des Wegs daher kam, war nichts als ein fahrender Schuͤler, ein junger Geselle, der froͤhlich sein Lied singend durch den Wald die Straße ritt. Wie der oben nun merkte, daß einer unter ihm vorbei ging, rief er: „sey mir gegruͤßt, zu guter Stunde!“ Der Schuͤler guckte sich uͤberall um, wußte nicht, wo die Stimme herschallte, endlich sprach er: „wer ruft mir?“ Da antwortete es aus dem Wipfel: „erhebe deine Augen, ich sitze hier oben im Sack
der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen sind alle Schulen ein Wind, um ein Weniges, so werde ich ausgelernt haben, herabsteigen und weiser seyn als alle Menschen. Jch verstehe die Gestirn- und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kraͤfte der Kraͤuter, Voͤgel und Steine. Waͤrst du einmal darin, du wuͤrdest fuͤhlen, was fuͤr Herrlichkeit aus ihm fließt.“ Der Schuͤler, wie er das alles hoͤrte, erstaunte und sprach: „gesegnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen?“ Oben der antwortete, als thaͤt ers nicht gern: „eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stuͤck uͤbrig, das ich erst lernen muß.“ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat, daß er doch moͤgte hineingelassen werden, sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß. Da stellte sich der oben, als gaͤb er endlich nach und sprach: „damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du eingehen.“ Also ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf und befreite ihn, dann rief er selber: „nun zieh mich recht geschwind hinauf,“ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten. „Halt!“ sagte der andere, „so gehts nicht an,“ packte ihn beim Kopf, steckte ihn ruͤcklings in den Sack, schnuͤrte zu und zog den Juͤnger der Weisheit am Strick baumwaͤrts und schwengelte ihn in der Luft: „wie stehts, mein lieber Gesell? siehe, schon fuͤhlst du, daß dir die Weisheit kommt,
und machst gute Erfahrung, sitze also fein ruhig, bis du kluͤger wirst.“ Damit stieg er auf des Schuͤlers Pferd und ritt fort.
147.
Das junggegluͤhte Maͤnnlein.
Zur Zeit da unser Herr noch auf Erden ging, kehrte er eines Abends mit dem heiligen Petrus bei einem Schmied ein und bekam willig Herberg. Nun geschah’s, daß ein armer Bettelmann, von Alter und Gebrechen hart gedruͤckt, in dieses Haus kam und vom Schmied Almosen forderte. Deß erbarmte sich Petrus und sprach: „Herr und Meister, so dir’s gefaͤllt, heil’ ihm doch seine Plage, daß er sich selbst sein Brot moͤge gewinnen.“ Sanftmuͤthig sprach der Herr: „Schmied, leih’ mir deine Esse und leg’ mir Kohlen an, so will ich den alten, kranken Mann zu dieser Zeit verjuͤngen.“ Der Schmied war ganz bereit und St. Petrus zog die Baͤlge, und als das Kohlenfeuer auffunkte, groß und hoch, nahm unser Herr das alte Maͤnnlein, schob’s in die Esse, mitten in’s rothe Feuer, daß es drin gluͤhte, wie ein Rosenstock und Gott lobte mit lauter Stimme. Nachdem trat der Herr zum Loͤschtrog, zog das gluͤhende Maͤnnlein hinein, daß das Wasser uͤber ihm zusammenschlug, und nachdem ers fein sittlich abgekuͤhlt, gab er ihm seinen Segen; siehe, zuhand sprang das Maͤnnlein heraus, zart, gerad, gesund und wie von zwanzig Jahren. Der Schmied, der eben und genau zugesehen, lud sie alle zum Nachtmahl, er hatte aber eine alte, halbblinde, bucklichte Schwieger,
die machte sich zum Juͤngling hin und fragte ihn fleißig: „ob ihn das Feuer hart gebrennet?“ „Nie sey ihm besser gewesen, antwortete jener, er habe da in der Glut gesessen, wie in einem kuͤhlen Thau.“
Dies klang die ganze Nacht in den Ohren der alten Frau, und als der Herr fruͤhmorgens die Straße weiter gezogen war und dem Schmied wohl gedankt hatte, dachte der, er koͤnnte seine alte Schwieger auch jung machen, da er fein ordentlich alles zugesehen und es in seine Kunst schlage. Rief sie deshalb an, ob sie auch wie ein Maͤgdlein von achtzehn Jahren in Spruͤngen daher wolle gehen? Sie sprach: „von ganzem Herzen,“ weil es dem Juͤngling auch so sanft angekommen. Machte also der Schmied große Glut und stieß die Alte hinein, die sich hin und wieder bog und grausames Mordgeschrei anstimmte; „sitz still, was schreist und huͤpfst du, ich will erst weidlich zublasen!“ zog damit die Baͤlge von neuem bis ihr alle Haderlumpen brannten, da schrie das alte Weib ohne Ruh. Der Schmied dachte: Kunst geht nicht recht zu! nahm sie heraus und warf sie in den Loͤschtrog, da schrie sie ganz uͤberlaut, daß es droben im Haus die Schmiedin und ihre Schnur hoͤrten, die liefen beide die Stiegen herab, und sahen die Alte heulend und maulend ganz zusammen geschnurrt im Trog liegen, das Angesicht gerunzelt, gefaltet und ungeschaffen. Darob sich die zwei, die beide mit Kindern gingen, so entsetzten, daß sie noch dieselbe Nacht zwei Junge gebaren, die waren ganz nicht wie Menschen geschaffen, sondern wie Affen,
liefen zum Wald hinein und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her.
148.
Des Herrn und des Teufels Gethier.
Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet; blos den Geis hatte er vergessen, da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise, mit feinen, langen Schwaͤnzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen und sie mit vieler Muͤhe losknuͤpfen; verdroß ihn zuletzt, war her und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist.
Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah, wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben schaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte, die denn die Geise, so da gingen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn und sprach: „dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen.“ Der Herr antwortete: „was hattest du es zu Schaden erschaffen?“ Der Teufel sagte: „ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere Natur haben, und mußt mirs theuer zahlen.“
— „Jch zahl’ dir’s, sobald das Eichenlaub abfaͤllt, dann komm, dein Geld ist schon gezaͤhlt.“ Als das Eichenlaub abgefallen war, kam der Teufel und forderte seine Schuld. Der Herr aber sprach: „in der Kirche zu Constantinopel steht eine hohe Eiche, die hat noch alles ihr Laub!“ Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel und wollte die Eiche suchen, irrte sechs Monate in der Wuͤstenei, eh er sie befand, und als er wieder kam, waren derweil wieder alle andere Eichen voll gruͤner Blaͤtter. Da mußte er seine Schuld fahren lassen, stach im Zorn allen uͤbrigen Geisen die Augen aus und setzte ihnen seine eigene ein.
Darum haben alle Geise Teufelsaugen und abgebißne Schwaͤnz und er nimmt gern ihre Gestalt an.
149.
Der Hahnenbalken.
Es war einmal ein Zauberer, der stand mitten in einer großen Menge Volks und vollbrachte seine Wunderdinge, da ließ er auch einen Hahn einher schreiten, der hob einen schweren Balken und trug ihn, als waͤr er federleicht. Nun war aber ein Maͤdchen, das hatte eben ein vierblaͤttriges Kleeblatt gefunden, und war dadurch klug geworden, so daß kein Blendwerk vor ihm bestehen konnte, und es sah, daß der Balken nichts war, als ein Strohhalm. Da rief es: „ei! ihr Leute seht ihr nicht, das ist ein bloßer Strohhalm und kein Balken, was der Hahn da traͤgt.“ Alsbald verschwand der Zauber, und die Leute sahen was es war,
und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort, er aber sprach voll Zorn innerlich: „ich will mich schon raͤchen.“ — Nach einiger Zeit hielt das Maͤdchen Hochzeit, war geputzt, und ging in einem großen Zug uͤber das Feld nach dem Ort, wo die Kirche stand. Auf einmal kamen sie an einen stark angeschwollenen Bach, und war keine Bruͤcke und kein Steg daruͤber zu gehen. Da war die Braut flink, hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten. Wie sie nun eben im Wasser so steht, ruft ein Mann, und das war der Zauberer, neben ihr ganz spoͤttisch: „ei! wo hast du deine Augen, daß du das fuͤr ein Wasser haͤltst.“ Da gingen ihr die Augen auf und sie sah, daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaubluͤhenden Flachsfeld stand. Da sahen es die Leute auch allesammt und jagten sie mit Schimpf und Gelaͤchter fort.
150.
Die alte Bettelfrau.
Es war einmal eine alte Frau, du hast wohl ehe eine alte Frau sehn betteln gehn? Diese alte Frau bettelte auch, und wenn sie etwas bekam, dann sagte sie: „Gott lohn’ euch!“ Die Bettelfrau kam an eine Thuͤr, da stand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer und waͤrmte sich. Der Junge sagte freundlich zu der armen alten Frau, wie sie so an der Thuͤr stand und zitterte: „kommt Altmutter und erwaͤrmt euch.“ Sie kam herzu; sie ging aber zu nahe ans Feuer steh’n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen und sie ward’s nicht gewahr. Der Junge stand
und sah das, er haͤtt’s doch loͤschen sollen? Nicht wahr, er haͤtte loͤschen sollen? Und wenn er kein Wasser gehabt haͤtte, dann haͤtte er alles Wasser in seinem Leibe zu den Augen herausweinen sollen, das haͤtte so zwei huͤbsche Baͤchlein gegeben zu loͤschen.
151.
Die drei Faulen.
Ein Koͤnig hatte drei Soͤhne, die waren ihm alle gleich lieb, und er wußte nicht, welchen er zum Koͤnig nach seinem Tode bestimmen sollte. Als die Zeit kam, daß er sterben wollte, rief er sie vor sich und sprach: „liebe Kinder, ich habe etwas bei mir bedacht, das will ich euch sagen: welcher von euch der Faulste ist, der soll nach mir Koͤnig werden.“ Da sprach der aͤlteste: „Vater, so gehoͤrt das Reich mir, denn ich bin so faul, wenn ich liege und will schlafen, und es faͤllt mir ein Tropfen in die Augen, so mag ich sie nicht zuthun, damit ich einschlafe.“ Der zweite sprach: „Vater, das Reich gehoͤrt mir, denn ich bin so faul, wenn ich beim Feuer sitze mich zu waͤrmen, so ließ ich mir eher die Fersen verbrennen, eh ich die Beine zuruͤckzoͤge.“ Der dritte sprach: „Vater, das Reich ist mein, denn ich bin so faul, sollt’ ich aufgehenkt werden und haͤtte den Strick schon um den Hals, und einer gaͤb’ mir ein scharf Messer in die Hand, damit ich den Strick zerschneiden duͤrfte, so ließ ich mich eher henken, eh ich meine Hand aufhuͤbe zum Strick.“ Wie der Vater das hoͤrte, sprach er: „du sollst der Koͤnig seyn.“
152.
Das Hirtenbuͤblein.
Es war einmal ein Hirtenbuͤbchen, das war wegen seiner weisen Antworten, die es auf alle Fragen gab, weit und breit beruͤhmt. Der Koͤnig des Landes hoͤrte auch davon, glaubte es nicht und ließ das Buͤbchen kommen. Da sprach er zu ihm: „kannst du mir auf drei Fragen, die ich dir vorlegen will, Antwort geben, so will ich dich ansehen wie mein eigen Kind, und du sollst bei mir in meinem koͤniglichen Schloß wohnen.“ Sprach das Buͤblein: „wie lauten die drei Fragen?“ Der Koͤnig sagte: „die erste lautet: wie viel Tropfen Wasser sind in dem Weltmeer?“ Das Hirtenbuͤblein antwortete: „Herr Koͤnig, laßt alle Fluͤsse auf der Erde verstopfen, damit kein Troͤpflein mehr daraus ins Meer lauft, das ich nicht erst gezaͤhlt habe, so will ich euch sagen, wie viel Tropfen im Meere sind.“ Sprach der Koͤnig: „die andere Frage lautet: wie viel Sterne stehen am Himmel?“ Das Hirtenbuͤbchen sagte: „gebt mir einen großen Bogen weiß Papier“ und dann machte es mit der Feder so viel feine Punkte darauf, daß sie kaum zu sehen und fast gar nicht zu zaͤhlen waren, und einem die Augen vergingen, wenn man darauf blickte. Darauf sprach es: „so viel Sterne stehen am Himmel als hier Punkte auf dem Papier; zaͤhlt sie nur.“ Aber niemand war dazu im Stand. Sprach der Koͤnig: „die dritte Frage lautet: wie viel Secunden hat die Ewigkeit?“ Da sagte das Hirtenbuͤblein: „in Hinterpommern liegt der Demantberg,
der hat eine Stunde in die Hoͤhe, eine Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert Jahr ein Voͤgelein und wetzt sein Schnaͤblein daran, und wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Secunde der Ewigkeit vorbei.“
Sprach der Koͤnig: „du hast die drei Fragen aufgeloͤst, wie ein Weiser und sollst fortan bei mir in meinem koͤniglichen Schlosse wohnen und ich will dich ansehen, wie mein eigenes Kind.“
153.
Die Sternthaler.
Es war einmal ein kleines Maͤdchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, daß es kein Kaͤmmerchen mehr hatte darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und gar nichts mehr, als die Kleider, die es auf dem Leib trug und ein Stuͤckchen Brot, das es in der Hand hielt und das ihm ein mitleidiges Herz noch geschenkt hatte. Es war aber gar gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld, da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „ach, gib mir doch etwas zu essen, ich bin so hungerig.“ Es reichte ihm das ganze Stuͤckchen Brot und sagte: „Gott segne dirs!“ und ging weiter; da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „es friert mich so an meinem Kopf, schenk mir doch etwas, womit ich ihn bedecken kann!“ Da that es seine Muͤtze ab und gab sie ihm.
und als es noch ein Bischen gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror, da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Roͤcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich kam es in einen Wald und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein und das fromme Maͤdchen dachte: es ist dunkle Nacht, da kannst du wohl dein Hemd weggeben; und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Thaler hinein und ward reich fuͤr sein Lebtag.
154.
Der gestohlene Heller.
Es saß einmal ein Vater mit seiner Frau und seinen Kindern Mittags am Tisch, und ein guter Freund, der zum Besuch gekommen war, aß mit ihnen. Und wie sie so saßen und es zwoͤlf Uhr schlug, da sah der Fremde die Thuͤre aufgehen und ein schneeweiß gekleidetes, ganz blasses Kindlein hereinkommen; es blickte sich nicht um und sprach auch nichts, sondern ging geradezu in die Kammer neben an. Bald darauf kam es zuruͤck und ging eben so still wieder zur Thuͤre hinaus. Am zweiten und am dritten Tag kam es auf eben diese Weise; da fragte endlich der Fremde den Vater, wem das schoͤne Kind gehoͤre, das alle Mittag in die
Kammer gehe. „Jch habe es nicht gesehen, antwortete er, und wuͤßte auch nicht, wem es gehoͤren koͤnnte.“ Am andern Tage, wie es wieder kam, zeigte es der Fremde dem Vater, der sah es aber nicht und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts. Nun stand der Fremde auf, ging zur Kammerthuͤre, oͤffnete sie ein wenig und schaute hinein. Da sah er das Kind auf der Erde sitzen und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben und wuͤhlen; wie es aber den Fremden bemerkte, verschwand es. Nun erzaͤhlte er, was er gesehen und beschrieb das Kind genau, da erkannte es die Mutter und sagte: „ach! das ist mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestorben ist.“ Sie brachen die Dielen auf und fanden zwei Heller, die hatte einmal das Kind von der Mutter erhalten, um sie einem armen Manne zu geben, es hatte aber gedacht, dafuͤr kannst du dir einen Zwieback kaufen, die Heller behalten und in die Dielenritzen versteckt und da hatte es im Grabe keine Ruhe gehabt und war alle Mittage gekommen um nach den Hellern zu suchen. Die Eltern gaben darauf das Geld einem Armen und nachher ist das Kind nicht wieder gesehen worden.
155.
Die Brautschau.
Es war ein junger Hirte, der wollte gern heirathen und kannte drei Schwestern, davon war eine so schoͤn wie die andere, daß ihm die Wahl schwer wurde und er sich nicht entschließen
konnte, einer davon den Vorzug zu geben. Da fragte er seine Mutter um Rath, die sprach: „lad alle dreie ein und setz ihnen Kaͤs vor und hab acht, wie sie ihn anschneiden.“ Das that der Juͤngling, die erste aber verschlang den Kaͤs mit der Rinde, die zweite schnitt in der Hast die Rinde vom Kaͤs ab, weil sie aber so hastig war, ließ sie noch viel Gutes daran und warf das mit weg; die dritte schaͤlte ordentlich die Rinde ab, nicht zu viel und nicht zu wenig. Der Hirt erzaͤhlte das alles seiner Mutter, da sprach sie: „nimm die dritte zu deiner Frau.“ Das that er und lebte zufrieden und gluͤcklich mit ihr.
156.
Die Schlickerlinge.
Es war einmal ein Maͤdchen, das war schoͤn, aber faul und nachlaͤssig. Wenn es spinnen sollte, so war es so verdrießlich, daß wenn ein kleiner Knoten im Flachs war, es gleich einen ganzen Haufen mit herausriß und neben sich zur Erde schlickerte. Nun hatte es ein Dienstmaͤdchen, das war arbeitsam, suchte den weggeworfenen Flachs zusammen, reinigte ihn, spann ihn fein und ließ sich ein huͤbsches Kleid daraus weben. Als nun das faule Maͤdchen eine Braut war und die Hochzeit sollte gehalten werden, tanzte das fleißige in seinem schoͤnen Kleide lustig herum, da sprach die Braut:
„ach wat kann dat Maͤken springen
in minen Slickerlingen!“
Das hoͤrte der Braͤutigam und fragte die Braut, was sie damit sagen wolle. Da erzaͤhlte sie ihm, daß das Maͤdchen ein Kleid von dem Flachs truͤge, den sie weggeworfen habe. Wie der Braͤutigam das hoͤrte, und ihre Faulheit und den Fleiß des armen Maͤdchens sah, ließ er sie stehen, ging zu jener und nahm sie zur Frau.
157.
Der Sperling und seine vier Kinder.
Ein Sperling hatte vier Junge in einem Schwalbennest; wie sie nun fluͤck sind, stoßen boͤse Buben das Nest ein; sie kommen aber alle gluͤcklich in Windbraus davon. Nun ist dem Alten leid, weil seine Soͤhne in die Welt kommen, daß er sie nicht vor allerlei Gefahr erst verwarnet und ihnen gute Lehren fuͤrgesagt habe.
Aufn Herbst kommen in einem Weizenacker viel Sperlinge zusammen, allda trifft der Alte seine vier Jungen an, die fuͤhrt er voll Freuden mit sich heim: „ach, meine lieben Soͤhne, was habt ihr mir den Sommer uͤber Sorge gemacht, dieweil ihr ohne meine Lehre in Winde kamet; hoͤret meine Worte, und folget eurem Vater, und sehet euch wohl vor; kleine Voͤglein haben große Gefaͤhrlichkeit auszustehn!“ Darauf fraget er den aͤltern, wo er sich den Sommer uͤber aufgehalten, und wie er sich ernaͤhrt haͤtte. „Jch habe mich in den Gaͤrten gehalten, Raͤuplein und Wuͤrmlein gesucht, bis die Kirschen reif wurden.“ — „Ach! mein Sohn, sagte der Vater, die Schnabelweid ist nicht boͤs, aber es ist große
Gefahr dabei, darum habe forthin deiner wohl Acht und sonderlich wenn Leut in Gaͤrten umher gehn, die lange, gruͤne Stangen tragen, die inwendig hohl sind und oben ein Loͤchlein haben.“ — „Ja, mein Vater, wenn denn ein gruͤn Blaͤttlein aufs Loͤchlein mit Wachs geklebt waͤre?“ spricht der Sohn. — „Wo hast du das gesehn?“ — „Jn eines Kaufmanns Garten,“ sagt der Junge. — „O! mein Sohn, spricht der Vater, Kaufleut, geschwinde Leut! bist du um die Weltkinder gewesen, so hast du Weltgeschmeidigkeit genug gelernt, siehe und brauchs nur recht wohl, und trau dir nicht zu viel.“
Darauf befragt er den andern: „wo hast du dein Wesen gehabt?“ — „Zu Hofe,“ spricht der Sohn. — „Sperling und alberne Voͤglein dienen nicht an diesem Ort, da viel Gold, Sammet, Seiden, Wehr, Harnisch, Sperber, Kautzen und Blaufuͤß sind, halt dich zum Roßstall, da man den Hafer schwingt, oder wo man drischet, so kann dirs Gluͤck mit gutem Fried auch dein taͤglich Koͤrnlein bescheeren.“ — „Ja Vater, sagt dieser Sohn, wenn aber die Stalljungen Hebritzen machen und ihr Maschen und Schlingen ins Stroh binden, da bleibt auch mancher behenken.“ — „Wo hast du das gesehn?“ sagte der Alte. — „Zu Hof, beim Roßbuben.“ — „O! mein Sohn, Hofbuben, boͤse Buben! bist du zu Hof und um die Herren gewesen, und hast keine Federn da gelassen, so hast du ziemlich gelernet, du wirst dich in der Welt wohl wissen auszureißen, doch siehe dich um und auf; die Woͤlfe fressen auch oft die gescheidten Huͤndlein.“
Der Vater nimmt den dritten auch vor sich: „wo hast du dein Heil versucht?“ — „Auf den Fahrwegen und Landstraßen hab ich Kuͤbel und Seil eingeworfen und da bisweilen ein Koͤrnlein oder Graͤuplein angetroffen.“ — „Dies ist ja, sagt der Vater, eine feine Nahrung, aber merk gleich wohl auf die Schanz, und siehe fleißig auf, sonderlich wenn sich einer buͤcket, und einen Stein aufheben will, da ist dir nicht lang zu bleiben.“ — „Wahr ists, sagt der Sohn; wenn aber einer zuvor einen Wand- oder Handstein im Busen oder Tasche truͤge?“ — „Wo hast du dies gesehn?“ — „Bei’n Bergleuten, lieber Vater, wenn sie ausfahren fuͤhren sie gemeinlich Handstein bei sich.“ — „Bergleut, Werkleut, anschlaͤgige Leut, bist du um Bergburschen gewesen, so hast du was gesehen und erfahren.
Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl gut Acht,
Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold umbracht.“
Endlich kommt der Vater an juͤngsten Sohn: „du mein liebes Gackennestle, du warest allzeit der alberst und schwaͤchest, bleib du bei mir, die Welt hat viel grober und boͤser Voͤgel, die krumme Schnaͤbel und lange Krallen haben, und nur auf arme Voͤglein lauern und sie verschlucken, halt dich zu deinesgleichen und lies die Spinnlein und Raͤuplein von den Baͤumen oder Haͤuslein, so bleibst du lang zufrieden.“ — „Du, mein lieber Vater, wer sich naͤhrt ohn’ ander Leut Schaden, der kommt lang hin, und kein Sperber, Habicht, Aar oder Weih wird ihm nicht schaden, wenn er zumal sich und seine ehrliche Nahrung dem lieben Gott all Abend und Morgen treulich befiehlt, welcher aller Wald- und Dorfvoͤglein
Schoͤpfer und Erhalter ist, der auch der jungen Raͤblein Geschrei und Gebet hoͤret, denn ohne seinen Willen faͤllt auch kein Sperling oder Schneekuͤnglein auf die Erde.“ — „Wo hast du dies gelernt?“ — Antwortet der Sohn: „wie mich der große Windbraus von dir wegriß, kam ich in ein Kirch, da las ich den Sommer die Fliegen und Spinnen von den Fenstern ab, und hoͤret diese Spruͤch predigen, da hat mich der Vater aller Sperlinge den Sommer uͤber ernaͤhrt und behuͤtet vor allem Ungluͤck und grimmigen Voͤgeln.“ — „Traun! mein lieber Sohn, fleuchst du in die Kirchen und hilfest Spinnen und die sumsenden Fliegen aufraͤumen, und zirpst zu Gott, wie die jungen Raͤblein, und befiehlst dich dem ewigen Schoͤpfer, so wirst du wohl bleiben, und wenn die ganze Welt voll wilder tuͤckischer Voͤgel waͤre.
Denn wer dem Herrn befiehlt seine Sach,
Schweigt, leidet, wartet, betet, braucht Glimpf, thut gemach,
Bewahret Glaub und gut Gewissen rein,
Dem will Gott Schutz und Helfer seyn.“
158.
Das Maͤrchen vom Schlauraffenland.
Jn der Schlauraffenzeit da ging ich und sah an einem kleinen Seidenfaden hing Rom und der Lateran, und ein fußloser Mann der uͤberlief ein schnelles Pferd, und ein bitterscharfes Schwert das durchhieb eine Bruͤcke; da sah ich einen jungen Esel mit einer silbernen Nase der jug hinter zwei schnellen Hasen her, und eine
Linde, die war breit, auf der wuchsen heiße Fladen, da sah ich eine alte duͤrre Geis, trug wohl hundert Fuder Schmalzes an ihrem Leibe und sechzig Fuder Salzes. Jst das nicht gelogen genug? Da sah ich zackern einen Pflug, ohne Roß und Rinder, und ein jaͤhriges Kind warf vier Muͤhlensteine von Regensburg bis nach Trier und von Trier hinein in Strasburg; und ein Habicht schwamm uͤber den Rhein, das that er mit vollem Recht, da hoͤrt’ ich Fische mit einander Laͤrm anfangen, daß es in den Himmel hinauf scholl, und ein suͤßer Honig floß wie Wasser von einem tiefen Thal auf einen hohen Berg, das waren seltsame Geschichten. Da waren zwei Kraͤhen, maͤhten eine Wiese, und ich sah zwei Muͤcken an einer Bruͤcke bauen, und zwei Tauben zerrupften einen Wolf, zwei Kinder die wurfen zwei Zicklein, aber zwei Froͤsche droschen mit einander Getreid aus. Da sah ich zwei Maͤuse einen Bischof weihen, zwei Katzen, die einem Baͤren die Zunge auskratzten. Da kam eine Schnecke gerennt und erschlug zwei wilde Loͤwen, da stand ein Bartscheerer, schor einer Frauen ihren Bart ab, und zwei saͤugende Kinder hießen ihrer Mutter stillschweigen. Da sah’ ich zwei Windhunde, brachten eine Muͤhle aus dem Wasser getragen und eine alte Schindmaͤhre stand dabei, die sprach: es waͤre Recht. Und im Hof standen vier Rosse, die droschen Korn aus allen Kraͤften, und zwei Ziegen, die den Ofen heitzten und eine rothe Kuh schoß das Brot in den Ofen. Da kraͤhte ein Huhn: kickeriki! das Maͤhrchen ist ausverzaͤhlt kickeriki!
159.
Das Dietmarsische Luͤgen-Maͤrchen.
Jch will euch etwas erzaͤhlen: ich sah zwei gebratene Huͤhner fliegen, flogen schnell und hatten die Baͤuche gen Himmel gekehrt, die Ruͤcken nach der Hoͤlle, und ein Amboß und ein Muͤhlstein die schwammen uͤber den Rhein, fein langsam und leise, und ein Frosch saß und fraß eine Pflugschaar zu Pfingsten auf dem Eis; da waren drei Kerls, wollten einen Hasen fangen, gingen auf Kruͤcken und Stelzen, der eine war taub, der zweite blind, der dritte stumm und der vierte konnte keinen Fuß ruͤhren. Wollt ihr wissen, wie das geschah? Der Blinde der sah zuerst den Hasen uͤber Feld traben, der Stumme der rief dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim Kragen. Etliche die wollten zu Land segeln und spannten die Segel im Wind, und schifften uͤber große Aecker hin, da segelten sie uͤber einen hohen Berg, da mußten sie elendig versaufen. Ein Krebs jagte einen Hasen in die Flucht, und hoch auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinauf gestiegen; in dem Land sind die Fliegen so groß, als hier zu Land die Ziegen.
160.
Raͤthsel-Maͤrchen.
Drei Frauen waren verwandelt in Blumen, die auf dem Felde standen, doch deren eine durft’ des Nachts in ihrem Hause seyn. Da sprach sie auf eine Zeit zu ihrem Mann, als sich der Tag nahete und
sie wiederum zu ihren Gespielen auf das Feld gehen und eine Blume werden mußt: „so du heute Vormittag kommst und mich abbrichst, werd’ ich erloͤst und fuͤrder bei dir bleiben;“ als dann auch geschahe. Nun ist die Frage, wie sie ihr Mann erkannt habe, so die Blumen ganz gleich und ohne Unterschied waren? Antwort: dieweil sie die Nacht in ihrem Haus und nicht auf dem Feld war, fiel der Thau nicht auf sie, als auf die andern zwei, darbei sie der Mann erkannte.
161.
Der goldene Schluͤssel.
Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, mußte ein armer Junge hinausgehen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie er es nun zusammengesucht und aufgeladen hatte, wollte er, weil er so erfroren war, noch nicht nach Haus gehen, sondern erst Feuer anmachen und sich ein Bischen waͤrmen. Da scharrte er den Schnee weg, und wie er so den Erdboden aufraͤumte, fand er einen goldnen Schluͤssel. Nun glaubte er, wo der Schluͤssel waͤre, muͤßte auch das Schloß dazu seyn, grub weiter und fand ein eisernes Kaͤstchen; ei, dachte er, wenn der Schluͤssel nur paßt! es sind gewiß wunderbare und koͤstliche Sachen darin! Er suchte, aber es war kein Schluͤsselloch da, endlich fand er doch noch ein ganz kleines, und versuchte, und der Schluͤssel paßte genau, da drehte er ihn einmal herum, und nun muͤssen wir warten, bis er vollends aufgeschlossen hat, dann werden wir sehen, was darin liegt.
Kinder-Legenden.
1.
Der heilige Joseph im Walde.
Es war einmal eine Mutter die hatte drei Toͤchter, davon war die aͤlteste unartig und boͤs, die zweite schon viel besser, obgleich sie auch ihre Fehler hatte, die juͤngste aber war ein frommes, gutes Kind. Die Mutter war aber so unnatuͤrlich, daß sie gerade die aͤlteste Tochter am liebsten hatte und die juͤngste nicht leiden konnte. Daher schickte sie das arme Maͤdchen oft hinaus in einen großen Wald um es sich vom Hals zu schaffen, denn sie dachte, es wuͤrde sich verirren und nimmermehr wieder kommen. Aber der Schutzengel, den jedes fromme Kind hat, verließ es nicht, sondern brachte es immer wieder auf den rechten Weg. Jndessen doch einmal, konnte es sich gar nicht wieder aus dem Walde herausfinden und das Schutzenglein that auch, als wenn es nicht bei der Hand waͤre. Das Kind ging immer fort, bis es Abend war, da sah es in der Ferne ein Lichtchen brennen, auf das lief es zu, und kam vor eine kleine Huͤtte. Es klopfte an, die Thuͤre ging auf und es gelangte zu einer zweiten Thuͤre, da klopfte es wieder an. Ein alter Mann, der einen weißen Bart hatte und sehr ehrwuͤrdig aussah, machte ihm auf, und das war
niemand anders als der heilige Joseph. Er sprach ganz freundlich: „komm, liebes Kind, setz dich ans Feuer auf mein Stuͤhlchen und waͤrm dich, ich will dir klar Waͤsserchen holen, wenn du Durst hast; zu essen aber hab ich hier im Walde nichts fuͤr dich, als ein paar Wuͤrzelcher, die mußt du dir erst schaben und kochen.“ Da reichte ihm der heil. Joseph die Wurzeln; das Maͤdchen schrappte sie saͤuberlich ab, dann holte es ein Stuͤckchen Pfannkuchen und das Brot das ihm seine Mutter mitgegeben hatte, und that alles zusammen in einem Kesselchen bei’s Feuer und kochte sich ein Mus. Als das fertig war, sprach der heil. Joseph: „ich bin so hungrig, gib mir etwas von deinem Essen.“ Da gab ihm das Kind gleich und gab ihm mehr als es fuͤr sich behielt, doch war Gottes Seegen dabei, daß es satt wurde. Als sie nun gegessen hatten, sprach der heil. Joseph: „nun wollen wir zu Bett gehen, ich habe aber nur ein Bett, leg du dich hinein, ich will mich ins Stroh auf die Erde legen.“ „Nein, antwortete es, bleib du nur in deinem Bett, fuͤr mich ist das Stroh weich genug.“ Der heil. Joseph aber nahm das Kind auf den Arm und trug es ins Bettchen, da that es sein Gebet und schlief ein. Am andern Morgen als es aufwachte, wollte es dem heil. Joseph guten Morgen sagen, aber es sah ihn nicht. Da stand es auf und suchte ihn, konnte ihn aber in keiner Ecke finden; endlich gewahrte es hinter der Thuͤre einen Sack mit Geld, so schwer, als es ihn nur tragen konnte, darauf stand geschrieben, das waͤre fuͤr das Kind, das heute Nacht hier geschlafen haͤtte. Da nahm es den Sack und sprang damit fort und kam auch gluͤcklich zu seiner Mutter, und weil es ihr
alle das Geld schenkte, so konnte sie nicht anders, sie mußte mit ihm zufrieden seyn.
Am folgenden Tag bekam das zweite Kind auch Lust in den Wald zu gehen. Die Mutter gab ihm ein viel groͤßer Stuͤck Pfannkuchen und Brot mit. Es erging ihm nun gerade, wie dem ersten Kinde. Abends kam es in das Huͤttchen des heil. Joseph, der ihm Wurzeln zu einem Mus reichte. Als das fertig war, sprach er gleichfalls zu ihm: „ich bin so hungerig, gib mir etwas von deinem Essen. Da antwortete das Kind: „iß als mit.“ Als ihm darnach der heil. Joseph sein Bett anbietet und sich aufs Stroh legen will, antwortet es: „nein, leg dich als mit ins Bett, wir haben ja beide wohl Platz darin.“ Der heil. Joseph nahm es auf den Arm und legte es ins Bettchen und legte sich ins Stroh. Morgens, als das Kind aufwachte und den heil. Joseph suchte, war er verschwunden, aber hinter der Thuͤre fand es ein Saͤckchen mit Geld, das war haͤndelang und darauf war geschrieben, es waͤre fuͤr das Kind, das heute Nacht hier geschlafen haͤtte. Da nahm es das Saͤckchen und lief damit heim und brachte es seiner Mutter, doch behielt es heimlich davon fuͤr sich.
Nun war die aͤlteste Tochter neugierig geworden und wollte den folgenden Morgen auch hinaus in den Wald. Die Mutter gab ihr Pfannkuchen mit, so viel sie wollte, Brot und auch Kaͤse dazu. Abends fand sie den heil. Joseph in seinem Huͤttchen gerade so wie ihn die zwei andern gefunden hatten. Als das Mus fertig war, und der heil. Joseph sprach: „ich bin so hungerig, gib mir etwas von deinem Essen,“ antwortete das Maͤdchen: „warte,
bis ich satt bin, was ich dann uͤber lasse, das sollst du haben.“ Es aß aber beinah alles auf, und der heil. Joseph mußte das Schuͤsselchen ausschrappen. Der gute Alte bot ihm hernach sein Bett an und wollte auf dem Stroh liegen, das nahm es ohne Widerrede an, legte sich in das Bettchen und ließ dem Greis das harte Stroh. Am andern Morgen, wie es aufwachte, war der heil. Joseph nicht zu finden, doch daruͤber machte es sich keine Sorgen; es suchte hinter der Thuͤre nach einem Geldsack. Es daͤuchte ihm, es laͤge etwas auf der Erde, doch weil es nicht recht unterscheiden konnte, was es war, buͤckte es sich und stieß mit seiner Nase daran. Aber es blieb an der Nase hangen, und wie es sich aufrichtete, sah es zu seinem Schrecken, daß es noch eine zweite Nase war, die an der seinen festhing. Es fing an zu schreien und zu heulen, aber das half nichts, es mußte immer auf seine Nase sehen, wie die so weit hinausstand. Da lief es in einem Geschrei fort, bis es dem heil. Joseph begegnete, dem fiel es zu Fuͤßen und bat so lange, bis er aus Mitleid ihm die Nase wieder abnahm und noch zwei Pfennige schenkte. Als es daheim ankam, stand vor der Thuͤre seine Mutter und fragte: „was hast du geschenkt kriegt?“ Da log es und antwortete: „einen großen Sack voll Gelds, aber ich habe ihn unterwegs verloren.“ „Verloren! rief die Mutter, o den wollen wir schon wieder finden;“ nahm es bei der Hand und wollte mit ihm suchen. Zuerst fing es an zu weinen und wollte nicht mit gehen, endlich aber ging es mit, doch auf dem Wege kamen so viele Eidechsen und Schlangen auf sie beide los, daß sie sich nicht zu retten wußten; die
stachen auch endlich das boͤse Kind todt und die Mutter in den Fuß, weil sie es nicht besser erzogen hatte.
2.
Die zwoͤlf Apostel.
Es war dreihundert Jahr vor des Herrn Christi Geburt, da lebte eine Mutter, die hatte zwoͤlf Soͤhne, war aber so arm und duͤrftig, daß sie nicht wußte, womit sie ihnen das Leben laͤnger erhalten sollte. Sie betete aber taͤglich zu Gott, er moͤchte doch geben, daß alle ihre Soͤhne mit dem verheißenen Heiland auf Erden zusammen waͤren. Als nun ihre Noth immer groͤßer ward, schickte sie einen nach dem andern in die Welt, um sich ihr Brot zu suchen. Der aͤlteste hieß Petrus, der ging aus und war schon weit gegangen, eine ganze Tagereise, da gerieth er in einen großen Wald. Er suchte einen Ausweg, konnte aber keinen finden, und verirrte sich immer tiefer; dabei empfand er so großen Hunger, daß er sich kaum aufrecht erhalten konnte. Endlich ward er so schwach, daß er liegen bleiben mußte und glaubte dem Tode nahe zu seyn. Da stand auf einmal neben ihm ein kleiner Knabe, der glaͤnzte und war so schoͤn und freundlich wie ein Engel. Das Kind schlug seine Haͤndchen zusammen, daß er aufschauen und es anblicken mußte. Da sprach es: „warum sitzest du da so betruͤbt?“ „Ach! antwortete Petrus, ich gehe umher in der Welt und suche mein Brot, damit ich noch den verheißenen lieben Heiland sehe; das ist mein groͤßter Wunsch!“ Das Kind sprach:
„komm mit mir, so soll dein Wunsch erfuͤllt werden.“ Und nahm den Petrus an der Hand und fuͤhrte ihn zu einer Hoͤhle. Wie sie hineinkamen, so blitzte alles von Gold, Silber und Kristall, und in der Mitte standen zwoͤlf Wiegen neben einander. Da sprach das Englein: „lege dich in die erste und schlaf ein wenig; ich will dich wiegen.“ Das that Petrus, und das Englein sang ihm und wiegte ihn so lange, bis er eingeschlafen war.“ Und wie er schlief, kam der zweite Bruder, den auch sein Schutzenglein herein fuͤhrte und wurde auch in den Schlaf gewiegt, und so kamen die andern nach der Reihe, bis alle zwoͤlfe da lagen in den goldenen Wiegen und schliefen. Sie schliefen aber dreihundert Jahre, bis in der Nacht, worin der Weltheiland geboren wurde. Da erwachten sie auch und waren mit ihm auf Erden und wurden die zwoͤlf Apostel genannt.
3.
Die Rose.
Et was mal eine arme Frugge, de hadde twei Kinner; dat jungeste moste olle Dage in en Wald gohn un langen (holen) Holt. Asset nu mal ganz wiet soͤken geit, kam so en klein Kind, dat was awerst ganz wacker, to em un holp (half) flietig Holt lesen un drog et auk bis fuͤr dat Hus; dann was et awerst, eh en Augenschlaͤgsken (Augenblick) vergink, verswunnen. Dat Kind vertelde et siner Moder, de wul et awerst nig gloͤven. Up et lest brochte et en Rause (Rose) mit un vertelde, dat schoͤne Kind
haͤdde em deise Rause gieven un haͤdde em saͤgt, wenn de Rause upbloͤhet waͤr, dann wull et wier kummen. De Moder stellde dei Rause in’t Water. Einen Morgen kam dat Kind gar nig ut dem Bedde, de Moder gink to dem Bedde hen, un fund dat Kind daude (todt); et lag awerst ganz anmotik. Un de Rause was den sulftigen Morgen upbloͤhet.
4.
Armuth und Demuth fuͤhren zum Himmel.
Es war einmal ein Koͤnigssohn, der ging hinaus in das Feld und war nachdenklich und traurig. Er sah den Himmel an, der war so schoͤn rein und blau, da seufzte er und sprach: „wie wohl muß es einem erst da oben im Himmel seyn!“ Da erblickte er einen greisen, armen Mann, der des Weges daher kam und redete ihn an und fragte: „wie kann ich wohl in den Himmel kommen?“ Der Mann antwortete: „durch Armuth und Demuth! Leg an meine zerrissenen Kleider, wandere sieben Jahre in der Welt und lerne ihr Elend kennen; nimm kein Geld, sondern wenn du hungerst bitte mitleidige Herzen um ein Stuͤckchen Brot, so wirst du dich dem Himmel naͤhern.“ Da zog der Koͤnigssohn seinen praͤchtigen Rock aus und hing dafuͤr das Bettlergewand um, ging hinaus in die weite Welt und duldete groß Elend. Er nahm nichts als ein wenig Essen, sprach nichts, sondern betete zu dem Herrn, daß er ihn einmal in seinen Himmel aufnehmen wolle. Als die sieben Jahre herum waren, da kam er
wieder an seines Vaters Schloß, aber niemand erkannte ihn. Er sprach zu den Dienern: „geht und sagt meinen Eltern, daß ich wiedergekommen bin;“ aber die Diener glaubten es nicht, lachten und ließen ihn stehen. Da sprach er: „geht und sagts meinen Bruͤdern, daß sie herab kommen, ich moͤchte sie so gerne wieder sehen.“ Sie wollten auch nicht, bis endlich einer darunter hinging und es den Koͤnigskindern sagte, aber diese glaubten es nicht und bekuͤmmerten sich nicht darum. Da schrieb er einen Brief an seine Mutter und beschrieb ihr darin all sein Eleud, aber er sagte nicht, daß er ihr Sohn waͤre. Da ließ ihm die Koͤnigin aus Mitleid einen Platz unter der Treppe anweisen und ihm taͤglich durch zwei Diener Essen bringen. Aber der eine war boͤs und sprach: „was soll dem Bettler das gute Essen!“ behielts fuͤr sich oder gabs den Hunden und brachte dem Schwachen, Abgezehrten nur Wasser; doch der andere war ehrlich und brachte ihm was er fuͤr ihn bekam. Es war wenig, doch konnte er davon eine Zeit lang leben; dabei war er ganz geduldig, bis er immer schwaͤcher ward. Als aber seine Krankheit zunahm, da begehrte er das heil. Abendmahl zu empfangen. Wie es nun unter der halben Messe ist, fangen von selbst alle Glocken in der Stadt und in der Gegend an zu laͤuten. Der Geistliche geht nach der Messe zu dem armen Mann unter der Treppe, so liegt er da todt, in der einen Hand eine Rose, in der andern eine Lilie und neben ihm ein Papier, darauf steht seine Geschichte aufgeschrieben.
Als er begraben war, wuchs auf der einen Seite des Grabs eine Rose, auf der andern eine Lilie heraus.
5.
Gottes Speise.
Es waren einmal zwei Schwestern, die eine hatte keine Kinder und war reich, die andere hatte fuͤnf Kinder und war eine Wittwe und war so arm, daß sie nicht mehr Brot genug hatte, sich und ihre Kinder zu saͤttigen. Da ging sie in der Noth zu ihrer Schwester und sprach: „meine Kinder leiden mit mir den groͤßten Hunger, du bist reich, gib mir doch ein Bischen Brot.“ Die steinreiche war auch steinhart, sprach: „ich habe selbst nichts in meinem Hause,“ und wies die arme mit boͤsen Worten fort. Nach einiger Zeit kam der Mann der reichen Schwester heim und wollte sich ein Stuͤck Brot schneiden, wie er aber den ersten Schnitt in den Laib that, floß das rothe Blut heraus. Als die Frau das sah, erschrak sie und erzaͤhlte ihm, was geschehen war. Er eilte hin und wollte helfen, wie er aber in die Stube der Wittwe trat, so fand er sie betend; die beiden juͤngsten Kinder hatte sie auf den Armen, die drei aͤltesten lagen da und waren gestorben. Er bot ihr Speise an, aber sie antwortete: „nach irdischer Speise verlangen wir nicht mehr; drei hat Gott schon gesaͤttigt, unser Flehen wird er auch erhoͤren.“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, so thaten die beiden Kleinen ihren letzten Athemzug und darauf brach ihr auch das Herz und sie sank todt nieder.
6.
Die drei gruͤnen Zweige.
Es war einmal ein Einsiedler, der lebte in einem Walde, an dem Fuße eines Berges und brachte seine Zeit in Gebet und guten Werken zu, und jeden Abend trug er noch zur Ehre Gottes ein paar Eimer Wasser den Berg hinauf. Manches Thier hat er damit getraͤnkt und manche Pflanze damit erquickt, denn auf den Anhoͤhen weht bestaͤndig ein harter Wind, der die Luft und die Erde austrocknet, und die wilden Voͤgel, die vor den Menschen scheuen, kreisen dann hoch und suchen mit ihren scharfen Augen nach einem Trunk. Und weil der Einsiedler so fromm war, so ging ein Engel Gottes seinen Augen sichtbar mit ihm hinauf, zaͤhlte seine Schritte und brachte ihm, wenn die Arbeit vollendet war, sein Essen, so wie jener Prophet auf Gottes Geheiß von den Raben gespeiset wurde. Als der Einsiedler in seiner Froͤmmigkeit schon zu einem hohen Alter gekommen war, da trug es sich zu, daß er einmal von weitem sah, wie ein armer Suͤnder zum Galgen gefuͤhrt wurde und er zu sich selber sprach: „jetzt widerfaͤhrt diesem sein Recht!“ Abends, als er das Wasser den Berg hinauftrug, erschien der Engel nicht, der ihn sonst begleitete und brachte ihm auch nicht seine Speise. Da erschrak er, pruͤfte sein Herz und bedachte, womit er wohl koͤnnte gesuͤndigt haben, weil Gott also zuͤrne; aber er wußte es nicht. Da aß und trank er nicht, warf sich nieder auf die Erde und betete Tag und Nacht. Und als er einmal in dem Walde so recht bitterlich weinte, hoͤrte
er ein Voͤglein, das sang so schoͤn und herrlich, da ward er noch betruͤbter und sprach: „wie singst du so froͤhlich! dir zuͤrnt der Herr nicht; ach, wenn du mir sagen koͤnntest, womit ich ihn beleidigt habe, damit ich Buße thaͤte und mein Herz auch wieder froͤhlich wuͤrde!“ Da fing das Voͤglein an zu sprechen und sagte zu ihm: „du hast unrecht gethan, weil du einen armen Suͤnder verdammt hast, der zum Galgen gefuͤhrt wurde, darum zuͤrnt dir der Herr; doch wenn du Buße thun und deine Suͤnde bereuen willst, so wird er dir verzeihen.“ Da stand der Engel neben ihm und hatte einen trockenen Ast in der Hand und sprach: „diesen trockenen Ast sollst du so lange tragen, bis drei gruͤne Zweige aus ihm hervorsprießen, und Nachts, wenn du schlafen willst, sollst du ihn unter dein Haupt legen. Dein Brot sollst du dir an den Thuͤren erbitten und in demselben Hause nicht laͤnger als eine Nacht verweilen. Das ist die Buße, die dir der Herr auflegt.“
Da nahm der Einsiedler das Stuͤck Holz und ging in die Welt zuruͤck, die er so lange nicht gesehen hatte. Er aß und trank nichts, als was man ihm an den Thuͤren reichte, manche Bitte aber ward nicht gehoͤrt und manche Thuͤre blieb ihm verschlossen, also daß er oft ganze Tage lang keinen Krumen Brot bekam. Einmal war er vom Morgen bis Abend von Thuͤre zu Thuͤre gegangen; niemand hatte ihm etwas gegeben, niemand wollte ihn die Nacht beherbergen, da ging er hinaus in einen Wald und fand endlich eine angebaute Hoͤhle und eine alte Frau saß darin. Da sprach er: „gute Frau, behaltet mich diese Nacht in euerm Hause.“ Aber sie antwortete: „nein, ich darf nicht,
wenn ich auch wollte. Jch habe drei Soͤhne, die sind boͤs und wild, wenn sie von ihrem Raubzug heim kommen und finden euch, so wuͤrden sie uns beide umbringen.“ Da sprach der Einsiedler: „laßt mich nur bleiben, sie werden euch und mir nichts thun“ und die Frau war mitleidig und ließ sich bewegen. Da legte sich der Mann unter die Treppe und das Stuͤck Holz unter seinen Kopf. Wie die Alte das sah, fragte sie nach der Ursache, da erzaͤhlte er ihr, daß er es zur Buße mit sich herum trage und Nachts zu seinem Kissen brauche. Er habe den Herrn beleidigt, denn als er einen armen Suͤnder auf dem Gang nach dem Gericht gesehen, habe er gesagt, diesem widerfahre sein Recht. Da fing die Frau an zu weinen und rief: „ach, wenn der Herr ein einziges Wort also bestraft, wie wird es meinen Soͤhnen ergehen, wenn sie vor ihm im Gericht erscheinen.“
Um Mitternacht kamen die Raͤuber heim, laͤrmten und tobten. Sie zuͤndeten ein Feuer an und als das die Hoͤhle erleuchtete und sie einen Mann unter der Treppe liegen sahen, geriethen sie in Zorn und schrien ihre Mutter an: „wer ist der Mann, haben wirs nicht verboten irgend jemand aufzunehmen?“ Da sprach die Mutter: „laßt ihn, es ist ein armer Suͤnder der seine Schuld buͤßt.“ Die Raͤuber fragten was er gethan, und riefen: „Alter, erzaͤhl uns deine Suͤnden!“ Der Alte erhob sich und sagte ihnen, wie er mit einem einzigen Wort schon so gesuͤndigt habe, daß Gott ihm zuͤrne, und er fuͤr diese Schuld jetzt buͤße. Den Raͤubern ward von seiner Erzaͤhlung das Herz so gewaltig geruͤhrt, daß sie uͤber ihr bisheriges Leben erschraken, in sich gingen und mit herzlicher Reue ihre
Buße begannen. Der Einsiedler, nachdem er die drei Suͤnder bekehrt, legte sich wieder nieder. Am Morgen aber fand man ihn todt, und aus dem trocknen Holz, auf welchem sein Haupt lag, waren drei gruͤne Zweige hoch empor gewachsen. Also hatte ihn der Herr wieder in Gnaden zu sich aufgenommen.
7.
Mutter-Gottes-Glaͤschen.
Es hatte einmal ein Fuhrmann seinen Karren, der schwer mit Wein beladen war, festgefahren, so daß er ihn troz aller Muͤhe nicht wieder losbringen konnte. Nun kam gerade die Mutter Gottes des Weges daher und als sie die Noth des armen Mannes sah, sprach sie zu ihm: „ich bin muͤd und voll Durst, gib mir ein Glas Wein, und ich will deinen Wagen dir frei machen.“ „Gerne, antwortete der Fuhrmann, aber ich habe kein Glas, worin ich dir den Wein geben koͤnnte.“ Da brach die Mutter Gottes ein weißes Bluͤmchen mit rothen Streifen, das Feldwinde heißt, ab, und das einem Glase sehr aͤhnlich sieht und reichte es dem Fuhrmann. Der fuͤllte es mit Wein und die Mutter Gottes trank ihn und in dem Augenblick war der Wagen auch los. Das Bluͤmchen heißt noch immer Mutter-Gottes-Glaͤschen.
8.
Das alte Muͤtterchen.
Es war in einer großen Stadt ein altes Muͤtterchen, das saß Abends allein in seiner Kammer; es dachte so daruͤber nach, wie es
erst den Mann, dann die beiden Kinder, nach und nach alle Verwandte, endlich heute auch noch den letzten Freund verloren haͤtte, und nun ganz allein und verlassen waͤre. Da ward es in tiefstem Herzen traurig, und vor allem schwer war ihm der Verlust der beiden Soͤhne, daß es in seinem Schmerz Gott daruͤber anklagte. So saß es still und in sich versunken, als es auf einmal zur Fruͤhkirche laͤuten hoͤrte und sich wunderte, daß es die ganze Nacht also in Leid zugebracht. Es zuͤndete seine Leuchte an und ging zur Kirche; bei seiner Ankunft war sie schon hell, aber nicht, wie gewoͤhnlich, von Kerzen, sondern von einem daͤmmernden Lichte. Sie war auch schon angefuͤllt mit Menschen und alle Plaͤtze besetzt, und als es zu seinem gewoͤhnlichen Sitz kam, war der auch nicht mehr ledig, sondern die ganze Bank gedraͤngt voll. Und wie es die Leute ansah, so waren es lauter verstorbene Verwandten, die saßen da in ihren altmodischen Kleidern, aber mit blassem Angesicht. Sie sprachen auch nicht und sangen nicht, es ging aber ein leises Summen und Wehen durch die Kirche. Da stand eine Muhme auf, trat vor und sprach zu dem Muͤtterlein: „dort sieh nach dem Altar, da wirst du deine Soͤhne sehen.“ Die Alte blickte hin und sah ihre beiden Kinder, der eine hing am Galgen, der andere war auf ein Rad geflochten. Da sprach die Muhme: „siehst du, so waͤr es ihnen ergangen, waͤren sie im Leben geblieben, und haͤtte sie Gott nicht als unschuldige Kinder zu sich genommen.“ Die Alte ging zitternd nach Haus und dankte Gott auf den Knieen, daß er es besser mit ihr gemacht, als sie haͤtte begreifen koͤnnen; und am dritten Tag legte sie sich und starb.
9.
Die himmlische Hochzeit.
Es hoͤrte einmal ein armer Bauernjunge in der Kirche, wie der Pfarrer sprach: „wer da will ins Himmelreich kommen, muß immer gerad aus gehen.“ Da machte er sich auf und ging immer zu, ganz gerade ohne abzuweichen, uͤber Berg und Thal. Endlich fuͤhrte ihn sein Weg in eine große Stadt und mitten in die Kirche, wo eben Gottesdienst gehalten wurde. Wie er nun all die Herrlichkeit sah, meinte er, nun waͤre er im Himmel angelangt, setzte sich hin und war von Herzen froh. Als der Gottesdienst vorbei war und der Kuͤster ihn hinausgehen hieß, antwortete er: „nein, ich gehe nicht wieder hinaus, ich bin froh, daß ich endlich im Himmel bin.“ Da ging der Kuͤster zum Pfarrer und sagte ihm, es waͤre ein Kind in der Kirche, das wolle nicht wieder heraus, weil es glaube, es waͤre da im Himmelreich. Der Pfarrer sprach: „wenn es das glaubt, so wollen wir es darin lassen.“ Darauf ging er hin und fragte es, ob es auch Lust haͤtte zu arbeiten? Ja, antwortete der Kleine, ans Arbeiten sey er gewohnt, aber aus dem Himmel ginge er nicht wieder heraus. Nun blieb er in der Kirche, und als er sah, wie die Leute zu dem Muttergottesbild mit dem Jesuskind, das aus Holz geschnitten war, kamen, knieten und beteten, dachte er, das ist der liebe Gott und sprach: „hoͤr einmal, lieber Gott, was bist du mager! gewiß lassen dich die Leute hungern! ich will dir aber jeden Tag mein halbes Essen bringen.“ Von nun an brachte er dem Bilde jeden Tag die Haͤlfte
von seinem Essen, und das Bild fing auch an, Speise zu genießen. Wie ein paar Wochen herum waren, merkten die Leute, daß das Bild zunahm, dick und stark ward und wunderten sich sehr. Der Pfarrer konnt es auch nicht begreifen, blieb in der Kirche und ging dem Kleinen nach, da sah er, wie dieser sein Brot mit der Mutter Gottes theilte und diese es auch annahm.
Nach einiger Zeit wurde der Knabe krank und konnte acht Tage lang nicht aus dem Bett, wie er aber wieder aufstehen konnte, war sein erstes, daß er seine Speise der Mutter Gottes brachte. Der Pfarrer ging ihm nach und hoͤrte, wie er sprach: „lieber Gott, nimms nicht uͤbel, daß ich dir so lange nichts gebracht; ich war aber krank und konnte nicht aufstehen.“ Da antwortete ihm das Bild und sprach: „ich habe deinen guten Willen gesehen, das ist mir genug; naͤchsten Sonntag sollst du mit mir auf die Hochzeit kommen.“ Der Knabe freute sich da und sagte es dem Pfarrer, der bat ihn hinzugehen und das Bild zu fragen, ob er auch duͤrfe mitkommen. „Nein, antwortete das Bild, du allein.“ Der Pfarrer wollte ihn erst vorbereiten und ihm das Abendmahl geben; das war der Knabe zufrieden, und naͤchsten Sonntag, wies Abendmahl an ihn kam, fiel er um und war todt, und war zur ewigen Hochzeit.