Drei Gutenbergslieder.
(Juni 1840.)
I.
Die Sonne, der wir lang geharrt,
Iſt endlich aufgegangen;
Wir ſchauen ihre Himmelfahrt
Voll Sehnen und Verlangen.
Wo iſt ein Herz, das ruhig ſchlägt,
Wenn ſolch ein Tag die Schwingen regt?
Ihr Völker wachet auf!
Die Ketten brach der Lenz entzwei
Mit ſeinen Roſendüften,
Und unſre Seelen rauſchen frei,
Wie Adler, in den Lüften.
Die Toten drückt der Tod heut' nicht;
Horcht! unſer Meiſter lebt und ſpricht:
Ihr Völker, wachet auf!
Ihr Völker, wachet auf und ſeht
Den Himmel ſelbſt in Flammen!
Ihr Völker, wachet auf und ſteht
Ein einig Heer zuſammen!
Voran, voran, im Sturm voran!
Der Gutenberg trägt uns die Fahn'.
Ihr Völker, wachet auf!
Verheiſſend ſchaut ſein ſelig Haubt
Aus Wolken zu der Erden;
Ob man die Blüten uns geraubt,
Die Frucht ſoll uns doch werden;
Was ſolch ein guter Geiſt erſann,
Das thut kein Teufel in den Bann.
Ihr Völker, wachet auf!
II.
Seht ihr den Geiſt der Freiheit ſchreiten
Auf Blumenſohlen durch das Land?
Zum ſtillen Segen liebend breiten
Die ſchwertgewohnte Götterhand?
Auf hohem Berg, im tiefſten Thale,
So freudig rauſcht's, ſo wunderſam;
Die Freiheit weint zum vierten Male,
Zum vierten Male nicht aus Gram.
Denn Völker knieen am Altare,
Den ihrem Sohn man auferbaut,
Das Opfer ſind vierhundert Jahre,
Die Ewigkeit iſt ſeine Braut.
Vierhundert Jahre ſind erſchlagen,
Vierhundert Feinde liegen tot,
Bald wird er frei die Waffen tragen,
Die ihm die freie Mutter bot.
Bald wird er ſchleudern frei die Blitze
In des Verbrechens düſtres Haus,
Und dann auf ihrem Lotterſitze
Des Volkes Feinde ſpähen aus.
III.
Aus Hütten einzig kommt das Heil der Welt,
Im härnen Mantel predigt der Prophete —
So ward auch Blei, und nicht das Gold, beſtellt,
Daß tauſendzüngig jede Wahrheit rede.
Ein böſer Geiſt der Tiefe hauſt im Gold,
Es iſt ein Knecht und gibt ſich gern in Sold;
Wie Porzia, faßt das Beſte man in Blei,
Und reimt man drauf, ſo reimt man immer: Frei!
Das ſchwere Blei wird in des Meiſters Hand
Der Elfengeiſter luftiges Gewand;
Er läßt es nicht als Todeskugel fliegen,
Er führet es als Wort von Sieg zu Siegen,
Und wo die beſte Waffe fehlt von Erz,
Da trifft ein Wort des rechten Mannes Herz;
Es zittert nicht vor des Tyrannen Miene —
Was will die Flocke gegen die Lawine?
Kein Cenſor fällt der Wahrheit in die Zügel,
Er hat nur Federn, doch die Wahrheit Flügel.
Anaſtaſius Grün.
(Wien, 13. Februar 1840. Anaſtaſius Grün befindet ſich ſeit einigen
Tagen hier, um ſich um den Kammerherrnſchlüſſel zu bewerben,
da ſeine Frau, geborne Gräfin Attems, Sternkreuzordensdame
wurde und doch nicht allein zu Hofe gehen kann. Der Graf ſoll
dem Poeten völlig entſagt haben. Leipz. Allg. Z.)
Ein heiß Gebet, befremdend wohl und neu,
Sei, Todesengel, heut' an Dich gerichtet:
Tritt in die Hütte, an die harte Streu,
In den Palaſt, und horch, wo Einer dichtet!
So lang er ſich und ſeinem Schmerze treu,
Bei ſeinem ſchönſten Lied werd' er vernichtet!
Für tauſend Tote will ich Thränen haben;
Doch Lebende lernt' ich noch nicht begraben!
Ein Fähndrich warf das Banner hin und floh,
Und hat ſein Heer, halb ſiegreich ſchon, verlaſſen.
Ich aber frage angſterfüllet: Wo,
Wo darf ich ferner lieben oder haſſen?
Ein Lied, begeiſtert, traurig oder froh —
Am Ende wird's ein Spottlied auf den Gaſſen!
Das wie ein Held gepanzert vorwärts drang,
Dein Lied, auch Deines, wär' der Lüge Klang?
O, ſage: Nein! O, ſage jenen Flachen,
Daß ewig Deiner Seele ſie nicht wert!
Die Freiheit träumte jüngſt noch vom Erwachen,
Als Du ein „neues Oſtern“ uns beſcheert —
Behalt' das Ruder! ſteure fort den Nachen,
Blitz' durch die Finſterniß mit Deinem Schwert!
Du wollteſt in dem Rath der Spötter ſtehen?
Ich will Dich lieber auf dem Munkatſch ſehen!
Was gibt es wohl, das unverdorben bliebe,
Wo jene ſchwere Luft des Dünkels weht?
Zum Haſſe wird im Herzen dort die Liebe,
Vergiftet auf der Lippe das Gebet!
Kein Stern ſo ſchön, daß er nicht bald zerſtiebe,
Wenn er am Ordensſternenhimmel geht!
Und Alles um ein Weib? Soll ich es glauben?
Ein Weib darf Dich Dir ſelbſt — doch uns nicht rauben!
Darf man den Tempel um ein Weib entweih'n?
Mit einem Weib um goldne Götzen tanzen?
Du willſt nicht mehr ſo frei ſein, frei zu ſein?
Dein Schwert als Kreuzlein auf die Bruſt Dir pflanzen?
Ich ſuch' den Dichter nur in unſern Reihn —
Leb' wohl! Leb' wohl! Ich laß Dich Deinen Schranzen!
Schon hör' ich Dich: „Herz, Herz — nicht mehr ſo warm!
Wir geh'n zu Hofe — Gräfin — Ihren Arm!“
Sonette.
Aus einer größern Sammlung „Diſſonanzen.“
9
I.
Was ſchmerzlich oft die Seele mir durchwühlte
Und drin in ſtillen Nächten ſich bewegte,
Wie meine Mutter mich, die Zeit, erregte,
Was ich für ſie, was ihr zum Trotz ich fühlte —
Hier iſt es, wie ich's aus der Bruſt mir ſpülte,
Wie ich's in ſcharfgeſchliff'ne Formen legte,
Vor roher Hand mit einem Zaun umhegte,
Beglückt, daß ich das Herz mir endlich kühlte.
Doch ſchaudert mich, ſo wild ſind meine Muſen,
Ein toll Geſchlecht, gleich jener Rotte Kora,
Abſcheuliche, verſteinernde Meduſen —
Allein nur zu — periculum in mora —
Fort mit den Ungeheuern aus dem Buſen,
Und aufgethan die Büchſe der Pandora!
II.
Ja, ich bekenn's, die Stimme Gottes iſt
Des Volkes Stimme! und wer ihr vertraut,
Der hat ſein Haus auf Felſen ſich gebaut,
Indeß der Zorn des Herrn die Frevler frißt.
Dem Sänger Heil, der ihrer nie vergißt,
Dem nur des Volkes Schmerz vom Auge thaut,
Der nicht im eignen Jammer ſich beſchaut
Und ſelbſtgefällig ſeine Silben mißt!
Doch ſollt' er drum nur Waffenträger ſein,
Der dienend hinter ſeinem Heere ſteht
Und, wenn es Not thut, reicht ein Schwert hinein?
Der nicht voran, ein Feuerzeichen, geht,
Und Seher iſt wie ſonſt? Ich rufe: Nein!
Und dreimal: Nein! und ſtimme für Profet!
III.
Der Gott des Friedens will uns nimmer ſegnen,
Den Oelzweig weinend auf die Seite legen;
Vom Nil zum Tajo höret man ſchon regen
Die Kriegsdämonen ſich, die wildverwegnen.
Und mancher ſieht im Geiſt nur Helden regnen,
Die ſollen auf den Spitzen ihrer Degen
Der Völker künftige Geſchichte wägen,
Und ſo dem Sturme ſtürmiſch auch begegnen.
Der Dichter aber denkt man nicht, der ſtillen,
Wenn blutig weithin ſich die Felder röten
Und Unheil alle finſtern Mächte brauen.
Und doch — nur ſie verſtehn der Gottheit Willen;
Jetzt, eben jetzt ſind Seher uns vonnöten,
Den Flug der Adler wieder zu beſchauen!
IV.
An A. A. L. Follen in Zürich,
als er nach Deutſchland überſiedeln wollte.
Manch böſer Geiſt haust in Helvetiens Schlünden,
Manch ſchlimmer Pfaffe keucht den Berg hinan,
Der Teufel bricht ſich mit dem Kreuze Bahn,
Der Teufel in den frommen Thalesgründen.
Doch lieb' ich ſie mit allen ihren Sünden.
Ha! klebt nicht Winkelriedens Blut daran?
Hier iſt die Wüſte und das Canaan,
Um ein Profet der Welt das Heil zu künden.
Hier fliegen noch die Adler, mein Follen —
Hier rauſchen ſie noch über Deinem Haubte —
Was willſt Du tot ſie und gefangen ſehn?
O laß den Traum, an den der Jüngling glaubte,
Vergiß, wo friſche Alpenroſen ſtehn,
Der deutſchen Freiheit Roſe, die beſtaubte!
V.
Wer Etwas auf dem Herzen hat, der eile,
Es noch bei Zeiten vor ſein Volk zu bringen;
Schon rührt der Hader ſeine ſchwarzen Schwingen,
Schon liegt das Haubt des Friedens unterm Beile.
Der Henker harrt, daß er's vom Rumpfe theile,
Bald wird der Blutſtrahl in die Lüfte dringen,
Verharſchte Wunden werden wieder ſpringen,
Und fehlen wird der Arzt dann, der ſie heile.
Schon hör' ich ferne die Kanonen brummen,
Die Säbel klirren und die Trommeln ſchallen,
Kein Vogel will im Wald ſein Lied mehr ſummen.
Noch eine Nacht — die Würfel müſſen fallen;
Dann gibt's ein trübes, trauriges Verſtummen,
Des Hahnen Ruf verſcheucht die Nachtigallen.
VI.
Ich zähle gerne mit bei guten Chriſten
Und ſtreite ritterlich und ohne Wanken,
Wenn ſie uns wollen das Gemüt abdanken,
Die unausſtehlich pfiffigen Sophiſten.
Doch haſſ' ich das Gemüt der Pietiſten,
Das, frech getreten aus des Anſtands Schranken,
Uns möcht' die reinſten himmliſchen Gedanken
Mit ſeinen Nebelworten überliſten.
Auch mir hat ſich das Aug' ſchon oft genetzt,
Sah ich das Herz mißhandelt und zerſchlagen
Und von den Rüden des Verſtands gehetzt.
Es darf das Herz wohl auch ein Wörtchen ſagen;
Doch ward es weislich in die Bruſt geſetzt,
Daß man's ſo hoch nicht wie den Kopf ſoll tragen.
VII.
Nie wurden noch der Sylben mehr gemeſſen,
Und glaubt man unſerm kritiſchen Gelichter,
So wäre ſchier der dritte Mann ein Dichter
Von Thule bis zum Lande der Tſcherkeſſen.
Und Alle nur auf eitel Ruhm verſeſſen,
Ein jeglicher Poet begehret, ſpricht er
Zwei Verſe nur, gleich Publikum und Richter,
Und würd' ſein Pfeifen anders bald vergeſſen.
Doch mir däucht nur ein Dichter, der noch ſänge,
Der ſeinen Wohllaut noch verſtrömen müßte,
Wo keines Menſchen Stimme zu ihm dränge:
Im ſtillen Meer an unwirtbarer Küſte —
Zuhörer nur die wilden Felſenhänge —
Und in Arabiens grauenvoller Wüſte.
VIII.
Von Büchern liegt vor mir ein Perſerheer,
Doch keins kann mir den Unmut ganz verwiſchen;
Der will den Geiſt auf Reiſen ſich erfriſchen,
Der holt ſich ſeinen Helden über Meer.
Unwillig ſchwingt der Kritiker den Speer:
Warum die fremde Koſt auf unſern Tiſchen?
Warum nach Gold in fremden Flüſſen fiſchen?
Iſt unſre Heimat, unſer Herz ſo leer?
Geh' wieder in dein Kämmerlein und dichte!
Brauchſt keinen Turban, keine welſchen Blouſen;
Zünd' deinen Zunder an am eignen Lichte!
Greif', Sänger, wieder in den eignen Buſen,
In deines eignen theuern Volks Geſchichte!
Da, oder nirgends wohnen deine Muſen.
IX.
Den Naturdichtern.
Titan und Zwerg, das Große, wie das Kleine,
Iſt Poeſie, und Poeſie im Halme,
Wie in des Orientes ſtolzer Palme,
Und Poeſie noch in der Weiſen Steine;
Und Poeſie die Mück' im Sonnenſcheine,
Und Poeſie in eines Dampfſchiffs Qualme,
Und Poeſie auf einer Schweizeralme,
Und Poeſie vor Allem auch im Weine.
Wo Euch des Himmels heil'ge Luft umweht,
Da rauſcht die Poeſie mit ihren Schwingen;
Sie fehlet nie, oft fehlt nur der Poet.
Wie Gott, iſt ſie zuletzt in allen Dingen:
Doch wenn einmal ein Löwe vor Euch ſteht,
Sollt Ihr nicht das Inſekt auf ihm beſingen.
X.
Ein Glück, ihr Götter, oder nur ein Leiden,
Ein himmliſch würdig Leiden Eurem Sohne!
Im Grunde iſt es doch die Dornenkrone,
Um die wir Eure Lieblinge beneiden.
Ich kann das Glück mit ſtummem Lächeln meiden —
Naht' ich mich je, ein Sklave, ſeinem Throne? —
Nur Eines wünſch' ich, daß ich einſt nicht ohne
Des Unglücks Weihe mög' von hinnen ſcheiden.
Ich bin entſagend gern zurückgeblieben,
Wenn blühendrot das Volk ſich auf den Straßen,
Mit ſeinen Dirnen ſchäckernd, umgetrieben;
Doch manch ein ſtilles Antlitz von den blaſſen,
War's auch nur um ein unglückſelig Lieben,
Es mußte ſich von mir beneiden laſſen.
XI.
Shelley.
Um ſeinen Gott ſich doppelt ſchmerzlich mühend,
War er ihm, ſelbſterrungen, doppelt theuer,
Dem Ewigen war keine Seele treuer,
Kein Glaube je ſo ungeſchwächt und blühend.
Mit allen Pulſen für die Menſchheit glühend,
Saß immer mit der Hoffnung er am Steuer,
Wenn er auch zürnte, ſeines Zornes Feuer
Nur gegen Sklaven und Tyrannen ſprühend.
Ein Elfengeiſt in einem Menſchenleibe,
Von der Natur Altar ein reiner Funken,
Und drum für Englands Pöbelſinn die Scheibe;
Ein Herz, vom ſüßen Duft des Himmels trunken,
Verflucht vom Vater und geliebt vom Weibe,
Zuletzt ein Stern im wilden Meer verſunken.
XII.
Die Ihr voll Mut zu ſchleudern euch nicht ſcheutet
Ein blitzend Wort in unſres Lebens Schwüle,
O Glück, wenn ihr euch auf dem Sterbepfühle
Vom Neid zerſtückter Kränze noch erfreutet!
Wie haben Ruhm in Scheffeln ſich erbeutet,
Die ruhig trabten ihren Weg zur Mühle
Und immer hübſch die trunkenſten Gefühle
Gleich tauben Blüten aus dem Korn gereutet!
Brauch' deine Hand, die iſt der Welt genug,
Und Kopf und Herz ſind beide überflüſſig;
Man will den Flaum vom Vogel, nicht den Flug.
Kannſt du nur dichten, gehe lieber müſſig;
Die Welt, die ſtets das Ungereimte trug,
Iſt des Gereimten ſchnell ſehr überdrüſſig.
XIII.
O lobt Euch nur des Weſtes Schmeichelwehen,
Wenn kräuſelnd er ob blauen Flächen zittert
Und kaum dem Schilf ein welkes Blatt zerknittert —
Ihr ſtillen Seelen, mög's Euch wohl ergehen!
Ich aber muß das Meer im Sturme ſehen,
Wenn Segel reißen, wenn der Maſt zerſplittert,
Wenn's in mir, um mich, über mir gewittert,
Wenn Luft und Waſſer hell im Brande ſtehen.
Ihr mögt ein ungleich größer Glück erfahren,
Daß Eure Gluten lange ſchon verlodert,
Eh' Euer Leib im Schoos der Erde modert.
Ich werd' nun einmal wilder mit den Jahren,
Die Leidenſchaft iſt mein Eliaswagen,
Und Feuer nur kann mich zum Himmel tragen.
XIV.
Auch ich wär' nach der ſüßen Ruhe lüſtern,
Auch ich möcht' unter Blütenbäumen liegen,
Ein treues Liebchen in den Armen wiegen,
Statt alſo mir das Leben zu verdüſtern!
Ließ' nur, wie ſonſt, der Lorber ſich erflüſtern,
Ließ' nur, wie ſonſt, die Palme ſich erſiegen,
Das Muſenpferd muß jetzt zum Ziele fliegen
Mit wildrem Hufſchlag, flammenſprühnden Nüſtern.
Die große Zeit zertrümmerte die Flöte,
Sie braucht Poſaunen und den tiefſten Baſſo,
Und ſchwarze Nacht ſtatt milder Abendröte.
Die Loſung iſt nun Dante, und nicht Taſſo.
Was ſollen uns noch Schiller oder Göthe?
Was ſoll uns gar der Paſcha Semilaſſo?
XV.
Wie blinkend ſie von eurem Ruder triefe,
Die Perle ſtammt doch oft aus dunkler Quelle,
Klar ſcheint in flacher Hand ſo manche Welle,
Die doch geſchöpft aus grauenvoller Tiefe.
Schließt, wie's auch einer Welt zuwiderliefe,
Auf's Heiligthum nie von der blanken Schwelle,
Das Einzelwort mag faßlich ſein und helle,
Der ganze Geiſt bleibt eine Hieroglife.
O denket immer bei des Dichters Pracht,
Bei allen ſeinen funkelnden Geſteinen,
Daß ihre Mutter iſt die heil'ge Nacht!
Sein Rauſchen mögt ihr zu verſtehen meinen;
Er ſelbſt birgt ſich ein See im Felſenſchacht,
Der ewig ſieht des Himmels Sterne ſcheinen.
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XVI.
Ich kann oft ſtundenlang am Strome ſtehen,
Wenn ich entflohen aus der Menſchen Bann;
Er plaudert hier, wie ein erfahrner Mann,
Der in der Welt ſich tüchtig umgeſehen.
Da ſchildert er mir ſeiner Jugend Wehen,
Wie er den Weg durch Klippen erſt gewann,
Ermattet drauf im Sande ſchier verrann,
Und jedes Wort fühl' ich zum Herzen gehen.
Wie wallt er doch ſo ſicher ſeine Bahn!
Bei allem Plänkeln, Hin- und Wiederſtreifen
Vergißt er nie: „Ich muß zum Ocean!“
Du, Seele, nur willſt in der Irre ſchweifen?
O tritt, ein Kind, doch zur Natur heran,
Und lern' die Weisheit aus den Waſſern greifen!
XVII.
Die uns als wilde, rohe Zweifler haſſen,
Und drob manch derben Fluch uns ſchon geſpendet,
Die frommen Leute — wie ſind ſie verblendet;
Der Glauben iſt's, von dem wir nimmer laſſen.
Zieht erſt der Frühling jubelnd durch die Straßen,
Wie wird des Herzens eitler Trotz gewendet,
Daß ſich's mit jedem Strauch nach oben wendet
Ein Stück des ſchönen Himmels zu erfaſſen!
Ja, naht des Jahres Fürſt mit ſeinem Hof,
Und jauchzt der Lenz auf Bergen und in Klüften,
Wo klagend kaum der Nebel niedertrof —
Schlief' auch ſein Glaube dann in Todesgrüften,
Der ew'ge Fauſt, der ſtolze Philoſoph,
Er haſcht ihn wieder aus den blauen Lüften.
XVIII.
Der Tod, ihr Freunde, ja, der Tod ſoll leben!
Ich hab' ein glühend Lied in tiefſter Nacht
Dem treuſten Freund der Erde angefacht;
Die Toten will ich und den Tod erheben!
Wir ſind nur Kinder, die mit Widerſtreben,
Gleich Tropfen von dem Meer, ſich losgemacht,
Und die vom Tode werden heimgebracht
Und liebend an das All zurückgegeben.
Vernichtung dünkt Euch eine herbe Pille?
Doch — heiſcht' das Element nicht dieſen Zoll,
Das Sterben würde unſer eigner Wille.
Das Sterben macht das Leben ganz und voll;
Erſt ſei das Herz in unſrem Buſen ſtille,
Wenn's in der Bruſt der Menſchheit ſchlagen ſoll.
XIX.
Von Hermelin den Mantel umgeſchlagen,
Das trunkne Haubt weit über mir im Blauen,
Die Alpen — wie ſo ſtolz darein ſie ſchauen,
Als wüßten ſie, daß ſie den Himmel tragen!
Gleich leichtbeſchwingten Liebesboten jagen
Die Silberſtröme hin durch Nacht und Grauen,
Dem Oceane von den hohen Frauen
Manch einen ſehnſuchtsvollen Gruß zu ſagen.
Die Herden läuten und die Adler fliegen,
Das iſt ein ewig Rauſchen, ewig Rinnen,
Als könnt' das Leben nimmer hier verſiegen.
Läßt ſich ein ſchöner, ſchöner Bild erſinnen?
Und doch hab' ich das Schönſte noch verſchwiegen:
Den frommen, ſtillen Friedhof mitten drinnen!
XX.
Der Freiheit Prieſter, der Vaſall des Schönen,
So wird der Dichter in die Welt geſandt;
Ein Troubadour zieh' er von Land zu Land,
Das Herrlichſte mit ſeinem Lied zu krönen.
Die Heldenthat gewinn' in ſeinen Tönen
Für alle Zeiten ſicheren Beſtand,
Den eignen Kummer ſchreib' er in den Sand,
Des eignen Herzens mög' er ſich entwöhnen.
Ein Gärtner, dem der Garten nur gegeben,
Für fremde Buſen Blumen draus zu pflücken,
Ein Winzer, der für Fremde baut die Reben —
Sei all ſein Troſt, nur And're zu beglücken;
Dem armen Taucher gleich, wag' er das Leben,
Mit ſeltnen Perlen ſeine Zeit zu ſchmücken.
XXI.
O Freiheit, Freiheit! Nicht wo Hymnen ſchallen,
In reichgeſchmückten fürſtlichen Arkaden —
Freiheit! Du wohnſt an einſamen Geſtaden,
Und liebſt die Stille, wie die Nachtigallen.
Du flieheſt das Geräuſch der Marmorhallen,
Wo trunkne Schlemmer ſich im Weine baden,
Du läßt in Hütten dich zu Gaſte laden,
Wo Thränen in die leeren Becher fallen.
Ein Engel nahſt Du bei verſchloßnen Thüren,
Stellſt lächelnd Dich an Deiner Treuen Bette,
Und horchſt der himmliſchen Muſik der Kette.
Nicht ſtolze Tempel wollen Dir gebühren,
Drin wir als Opfer unſern Stolz Dir bieten —
Wärſt Du die Freiheit, wenn wir vor Dir knieten?
XXII.
Die Geſchäftigen.
Nicht Einen Hauch vergeuden ſie, nicht Einen,
Nein, Alles wird gleich für den Markt geboren,
Kein Herzensſchlag geht ohne Zins verloren,
Die Herren machen Brod aus ihren Steinen.
Sie machen Brod aus Lachen und aus Weinen —
Ich hab' mir die Beſchaulichkeit erkoren,
Und niemals ſtreng gerechnet mit den Horen,
Ich denke fromm: „Gott gibt's im Schlaf den Seinen!“
Ich kann des Lebens banggeſchäftig Rauſchen,
Dieß laute Thun und Treiben nicht verſtehn,
Und möcht' mein einſam Glück nicht drum vertauſchen.
Laßt mich die ſtillen Pfade weiter gehn,
Der Wolken und der Sterne Zug belauſchen,
Und ſchönen Kindern in die Augen ſehn!
XXIII.
Sei mir geſegnet, frommes Volk der Alten,
Dem unglückſelig ſein hieß: ſelig ſein,
Das jedes Haus, in das der Blitz ſchlug ein,
Für ein dem Zeus geweihetes gehalten!
Du fühlteſt wohl, des Himmels heimlich Walten
Enthüll' ſich den Geſchlagenen allein,
Und da leucht' erſt der Wahrheit voller Schein,
Wo ſich das Herz, der Wolke gleich, geſpalten.
O ſprecht, war's nicht zumeiſt des Unglücks Stunde,
Die Euch hinan zum Ewigen gehoben,
Der Himmelsoffenbarung klang vom Munde?
Der Frieden nicht, der Sturm trägt uns nach Oben,
Die höchſten Freuden ſind auf dunklem Grunde,
Gleichwie des Aethers Sterne, eingewoben.
XXIV.
Nimm nicht als Himmel an die Wolkenſchichte,
Erprobe ſelbſt Dein jugendlich Gefieder,
Wirf mutig in die ſchwanken Schalen nieder
Des Zweifels Deine eigenen Gewichte!
Erwärm' den Geiſt am ſelbſtgeſchaffnen Lichte,
Und forſche heut und forſche morgen wieder,
Senk' nie zufrieden Deine Augenlider,
Ruf' Deinen Glauben täglich zu Gerichte!
Doch was Du immer wageſt, o beſchönig's
Nie vor den Menſchen durch ein zaghaft Schweigen,
Bekenn' es mit dem Freimut eines Königs!
Ob ſie Dir flammend auch den Holzſtoß zeigen;
Mit Flammen tauft der Ewige den Phönix,
Der ſtolz ſoll über ihre Waſſer ſteigen.
XXV.
Am ſchönſten Tag um einen Wunſch betrogen,
Und eine Niete jede, jede Karte,
An meinem Schwerte Scharte nur an Scharte,
Wenn einmal aus der Scheide ich's gezogen.
Doch halt' ich mutig über allen Wogen
Die Poeſie, die leuchtende Standarte,
Durch ſie verſöhn' ich mein Geſchick, das harte,
Den rauhſten Sturm mit ihrem Regenbogen.
Nie tönte meine Leier Tod und Fluch,
Nie ſchnitt ich aus des Hyperioniden
Purpur ein traurig-düſtres Leichentuch;
Der Herr hat mir ein frommes Herz beſchieden,
Die Welt iſt mir ein heilig, heilig Buch,
Drin alle Blätter flüſtern: Frieden! Frieden!
XXVI.
Wir haben, was auch eine Sage ſchreibe,
Den Funken des Prometheus nicht gepachtet;
So tief wir unter uns das Weib geachtet,
Die reinſte Flamme wohnt in ſeinem Leibe.
Und wer dem ſelbſtiſch froſtigen Getreibe,
Das ihm des Herzens liebſte Kinder ſchlachtet,
Wer dieſer Kälte zu entrinnen trachtet,
Wo flöh' er hin, als zu dem treuen Weibe?
Ein Felſen iſt der Mann, der nur erglüt,
Wenn trotzig er gen Himmel ſich erhoben,
Zurück ihm ſchleudernd ſeiner Sonne Strahlen;
Ein ſtiller See des Weibes weich Gemüt,
Das fromm in ſich empfängt das Licht von Oben,
Drin ſich die Himmel himmliſcher noch malen.
XXVII.
Tot iſt die Freundſchaft! wer mag ſie noch ſingen?
Mit manchen Göttern ward in unſern Tagen
Auch dieſe Göttin von dem Volk erſchlagen,
Und Niemand will ihr mehr ein Opfer bringen.
Allein mußt Du entfalten deine Schwingen,
Allein nach Deinen Idealen jagen,
Allein Dich auf die See des Lebens wagen,
Allein, allein nach Deinem Himmel ringen.
Der Alten denkt man wohl in manchen Stunden,
Und auch ihr Geiſt, ſo gern man ſich's verhehlte,
Iſt aus der Jugend noch nicht ganz verſchwunden;
Doch hin das Herrlichſte, was ſie beſeelte;
Würd' ein Ariſtogiton heut' gefunden,
Ich glaube, daß ihm der Harmodius fehlte.
XXVIII.
Einer Schriftſtellerin.
Du willſt den Lorber auf die Locken drücken,
Nicht einſam mehr in ſtillen Nächten beten,
Hin auf den Markt mit Deinen Thränen treten,
Ein müſſig Volk mit Deinem Schmerz beglücken?
Nur Roſen ſollten Deine Stirne ſchmücken,
Und nicht die Martyrkrone des Poeten,
Das iſt fürwahr der Mund nicht zum Profeten,
Und würd' mit Küſſen leichter uns entzücken.
Daß meine Nachtigall im Dunkeln bliebe!
Schwer wird die Höh', nach der Du ſtrebſt, erklommen,
Wär's auch, daß Dich ein ſtarker Genius triebe.
Nur Hekatomben werden angenommen
Auf dem Altar des Ruhms, auf dem der Liebe —
— O liebe! — iſt ein Schärflein auch willkommen.
XXIX.
Tief, tief im Meere ſprach einſt eine Welle:
Wie glücklich müſſen meine Schweſtern leben,
Die droben ſtrahlend auf und nieder ſchweben;
O dürft' ich einmal an des Tages Helle!
Wie ſie gebeten, ſo geſchah ihr ſchnelle,
Sie durfte aus dem dunkeln Schoos ſich heben;
Doch kaum war ihr Ein Sonnenſtrahl gegeben,
Lag ſie ſchon ſterbend an des Ufers Schwelle.
O mögen Alle doch ihr Schickſal loben,
Die ſtill geheim des Lebens Kreis beſchreiben
Und nie die Wut der offnen See erproben.
O mögen ſie in tiefer Nacht verbleiben,
Und ihrer Keiner ſtreben je nach oben,
Um mit den Winden auf den Sand zu treiben.
XXX.
Freiligrath.
Der Himmel fing von Neuem an zu blauen,
Der Winter ſich zum Abmarſch anzuſchicken,
Die Erde ſich mit jungem Grün zu ſticken, —
Ich nahm Dein Buch, recht tief darein zu ſchauen.
Und mich erfaßt ein heimlich lüſtern Grauen;
Ich ſeh' die alten Straußenfedern nicken,
Und glaub' in Tauſend Eine Nacht zu blicken —
Hier, denk' ich, wären ſo für mich die Frauen!
Da bringt mein Mädchen mir die erſten Veilchen,
Im blauen Shawl, im leichten Roſakleide,
Die weiche Hand das Einzige von Seide.
Dein Orient ruht wieder auf ein Weilchen;
Mein Herz, kaum nach der Fremde ſo begehrlich,
Bleibt gern im Lande nun und nährt ſich ehrlich.
XXXI.
Unſern Künſtlern.
Das Leben hat am Ende doch gewonnen,
Und all die überhimmliſchen Geſtalten,
Verklärten Leiber und verklärten Falten,
Die ſchattenhaft durchſichtigen Madonnen,
Aus Aetherduft und Veilchenblau geſponnen,
Die nur auf Roſen und auf Lilien wallten, —
Sie konnten ſich nicht mehr zuſammenhalten,
Und ſind in Andacht gottvollſt nun zerronnen.
Doch, liebe Künſtler, drum kein Klaggeſtöhn!
Die Erde mag noch viel des Guten treiben,
Verlaſſet nur die ſchroffen, kühlen Höh'n;
Sucht wieder Gott der Welt einzuverleiben!
Das Heilige gelingt ſo ſelten ſchön,
Das Schöne nur wird ewig heilig bleiben.
11
XXXII.
Wie Jakob hab' ich oft mit Gott gerungen,
Oft fühlt' ich meinen Glauben zweifelnd ſtocken,
Und oftmals haben Eure Kirchenglocken,
Ich läugn' es nicht, verdrießlich mir geklungen.
Ich habe gern mein eigen Lied geſungen,
Geſponnen gern von meinem eignen Rocken,
Bin nie nach eines Prieſters ſchmalen Brocken,
Ein hungeriger Zionsheld, geſprungen.
Doch ſcheint auch Ihr mir nicht vom beſten Stempel,
Und ſo verſchmerz' ich Euer pfäffiſch Schnauben
Und Euere für mich verſchloßnen Tempel.
Wär' ich wie Schlangen klug und fromm wie Tauben,
Würd' ich ein Heiliger gar zum Exempel —
Ihr ſteinigtet mich wohl um meinen Glauben!
XXXIII.
Ruſſophobie.
Die Einen:
Wie gehet Ihr nur ſo verkehrte Bahnen!
Ihr hättet beſſer ewig ſie gemieden,
Euch gänzlich von der Politik geſchieden,
Ihr Geiſterſeher, ihr Baſchkiromanen!
Ihr möchtet gern Europa's Zukunft ahnen?
Ich ſag' Euch, unſre Freiheit wird hienieden
Kein Czar an ſeinen Kaukaſus je ſchmieden,
Ihr Geiſterſeher, ihr Baſchkiromanen!
Die Andern:
Ihr werdet ſie zu frühe nur verlieren,
Und Euer Spott wird in ſich ſelbſt zu nichte,
Denn Alles, Alles deutet auf Baſchkiren.
Reißt man ſich nicht um ruſſiſche Gedichte?
Wird Raupach wohl umſonſt dramatiſiren
Schon jetzt die ganze ruſſiſche Geſchichte?
XXXIV.
Pferdeausfuhrverbot.
Wir müſſen uns bei Zeiten tüchtig rühren,
Und können drum, trotz manchem ſchönen Gulden,
Getreue Unterthanen, nimmer dulden,
Daß Franken Eure Pferde uns entführen.
Wir wollen nicht zu früh das Feuer ſchüren,
Wir thun nur, was wir unſern Liebden ſchulden,
Beſchloſſen demgemäß in allen Hulden,
Alſo zu ſteuern ſolchen Ungebühren:
Habt uns ein Aug' auf jede Mäklerſchar,
Daß ſie uns keinen Huf contrebandiren,
Vom Karrengaule bis zum Bairaktar!
Doch naht ſich eins von unſern Flügelthieren,
Die ſind zum Kriegsdienſt völlig unbrauchbar —
Laßt ſie die Grenzen immerhin paſſiren!
XXXV.
Franz Dingelſtedt's Jordanslied.
Die Nachtigall hat für den Aar geſungen,
Der, fortgeflogen aus dem Alpenlande,
Verſchmachtend lag in unſrem deutſchen Sande,
Weil er ſich hatt' zu hoch hinangeſchwungen.
Wem wäre nicht ihr Lied ans Herz gedrungen,
Ihr grollend, rührend Lied von unſrer Schande?
Doch ſprecht, wann ſind bei uns des Freien Bande
Von eines Sängers Liede je geſprungen?
Du ſankeſt, ſchier ein Knecht, am Throne nieder,
Damit der Freie bälder auferſtände;
Geh' hin, mein Freund, und frag' nach Jahren wieder!
Statt ſeiner Alpen bleiben ihm vier Wände;
Die Macht, ſie lächelt über Deine Lieder,
Und wäſcht noch, ein Pilatus, ſich die Hände.
XXXVI.
Ludwig Uhland.
Nur ſelten noch, faſt graut's mir, es zu ſagen,
Nehm' ich der Freiheit Evangelium,
Den Schatz von Minne und von Ritterthum
Zur Hand in unſern hartbedrängten Tagen.
Wie hab' ich einſt ſo heiß dafür geſchlagen!
Wie haſtig dreht' ich Blatt um Blatt herum!
Ich kann nicht mehr — ich kann nicht — ſei es drum!
Es ſoll doch Niemand mich zu ſchelten wagen.
Ein ander Haſſen und ein ander Lieben
Iſt in die Welt gekommen, und von allen
Sind wenig Herzen nur ſich gleich geblieben.
So ſind auch Deine Lieder mir entfallen;
Ein einziges ſteht feſt in mir geſchrieben;
Kennſt Du das Lied: „Weh Euch, Ihr ſtolzen Hallen!“
XXXVII.
Deutſche und franzöſiſche Dichter.
Gemälde, Spiegel, Uhren und Tapeten,
Und rings, wie bei dem türkiſchen Sultane,
Von Sammt und Seide ſtrotzende Divane,
Auch Kruzifixe, nie davor zu beten.
So lieben's überm Rheine die Poeten;
Ums Haubt gewunden farbige Turbane,
Durch Wolken Weihrauchs rauſchend im Kaftane —
Sind das noch Dichter, noch Anachoreten?
Hoch über meinem Volk, in der Manſarde,
Umduftet von des Gartens blühndem Flieder,
Am Hut von Roſen eine Feſtkokarde,
Indeß die jungen Spatzen auf und nieder
Vorm Fenſter ſchildern, eine Ehrengarde —
So ſchreib' Ich für mein deutſches Mädchen Lieder.
XXXVIII.
O hätten ſie mir doch ihr Ohr geliehen
In jenen erſten unglückſel'gen Stunden,
Da ich die Spur der Herrlichen gefunden,
Und ſprach: Ihr Freunde, laßt mich weiter ziehen!
Sie lachten aber meiner nur und ſchrieen:
Pah! ein Paar kleine, leichte Liebeswunden?
Der Vogel iſt nun einmal feſtgebunden,
Und ſoll ſo bald nicht wieder uns entfliehen.
Jetzt wollen Alle die Gefahr erkennen;
Sie führen mir den Engel aus dem Haus,
Da mir die Kraft verſagt, um mich zu trennen.
Lauft darauf alle Weisheit denn hinaus?
Ihr laßt den Schmetterling getroſt verbrennen,
Und löſcht voll Mitleid dann die Kerzen aus!
XXXIX.
O heiſſ' mich nicht von Deinem Antlitz fliehn,
Auf dem der Liebe heilige Gedanken
Gleich goldnen Sternen auf und nieder ſchwanken,
Die ſtill und furchenlos am Himmel ziehn!
Hier iſt mein Tempel und hier will ich knien,
Um dieſen Altar meine Arme ranken,
In dieſen Armen meinen Göttern danken,
Daß ſie mir ihre Seligkeit verliehn!
Biſt Du, mein Herz, ſelbſt wider dich im Bunde?
Was ſoll der volle ſchäumende Pokal,
Was die Unendlichkeit dem Mann der Stunde?
Begehre nicht die Herrlichkeit zumal!
Bitt' um Ein Wort nur aus dem lieben Munde,
Ein halbes Lächeln, Einen Sonnenſtrahl!
XL.
Ob die Locken eine Glorie quellen
Um Dein Antlitz und Du himmliſchmild
Auf mich blickſt, ein ſtumm Marienbild,
Das zwei blaue Sterne fromm erhellen,
Ob Dein Haar in ungebundnen Wellen
Um den Nacken flutet, ſtolz und wild,
Und Dein Aug' ein harter Demantſchild,
Dran die kühnſten Wünſche jach zerſchellen;
Ob ich ſehe mit dem Heil'genſcheine
Dich, ob mit des Unmut's düſtrer Falte,
Ewig, ewig fleh' ich nur das Eine:
Daß Dein ſchöner Mund doch nie erkalte,
Daß Dein ſchönes Auge niemals weine,
Und mir Gott Dein ſchönes Herz erhalte.
XLI.
„Eins — zwei — drei — vier — nun, eine hübſche Schar!
Mein guter Freund, Ihr treibt das Ding ins Große;
Heut' iſt es dieſe, Morgen jene Roſe:
Mit Eurem Herzen ſteht es ſonderbar.“
Der Dichter iſt der Sultan Scheriar,
Und liebt, wie dieſer Herr, das Grandioſe;
Der ruht' auch zweimal nie im ſelben Schooſe,
Bis er Scheherezaden ward gewahr.
Ich ſah wohl manch ein ſchönes Angeſicht,
Das ich beſungen und belobt; nur ſchade,
Das, was ich ſuchte, war es immer nicht.
Und Alles, Alles mord' ich ohne Gnade,
Was meinem Ideale widerſpricht:
Wann kommſt Du endlich, o Scheherezade?
XLII.
Ich thue Jedermänniglich zu wiſſen,
Daß ich den finſtern Unmut ſehr bereue
Und mich von Herzen meines Lebens freue,
Daß ich erlöſt von allen Kümmerniſſen.
Mein liebes Fiſchchen hat nun angebiſſen
Und ſchwört mir über alle Maßen Treue,
Es herzt und herzt und herzt mich ſtets aufs Neue,
Und drückt mich ſchmeichelnd in die Sophakiſſen.
Ich lad' Euch, meine Freunde, ſämmtlich ein,
Mir eine frohe Stunde 'mal zu ſchenken;
Doch laßt mir dann die tolle Frage ſein:
Wann wir uns wohl zu ehlichen gedenken?
So lange noch der ganze Himmel mein,
Will ich mich nicht auf Haus und Hof beſchränken.
XLIII.
Ich ſtand auf einem Berg, da hört' ich ſingen
Zur Linken plötzlich ernſte, trübe Lieder;
Ein Opfer war es für die Erde wieder,
Ich kannte wohl der Glocken dumpfes Klingen.
Zur Rechten ſah ich einen Säugling bringen;
Wie eines Schmetterlinges bunt Gefieder,
Viel luſt'ge Bänder wehten auf und nieder,
Ein Glöckchen wollt' vor Freude ſchier zerſpringen.
Die Andacht wagt' kein Weſen rings zu ſtören:
Die Herden hielten ſtill auf ihren Weiden,
Wie fromme Beter flüſterten die Föhren.
Als ob die Glocken ſich umarmt, die Beiden,
Konnt' ich bald Einen ſüſſen Klang nur hören
Und Tod und Leben nicht mehr unterſcheiden.
XLIV.
Erreichbar nur dem Sturm und Sonnenbrand,
Von keines Wandrers Fuße umgebogen,
In ſcheuen Kreiſen nur vom Aar umflogen,
Wie ein Johannes in der Wüſte, ſtand
Ein Blümchen einſt auf kahler Alpenwand;
Der Himmel hatte, doppelt ihm gewogen,
Es ſeinem Herzen näher auferzogen,
Doch nur mit Klagen ſchaut' es in das Land.
„Warum, o Gott, in eines Felſen Schoos?
Warum, o Gott, mir ſolch ein einſam Loos?
Was ſterb' ich nicht in holder Schweſtern Mitten?”
Still, meine Blume, ſtill! Was klagſt Du noch?
Wohl biſt Du einſam, aber ſicher doch
Vor Menſchenhänden und vor Menſchentritten.
XLV.
Der Gefangene.
Der uns die Freiheit einſt ſo kühn gelehret,
Hört ihr ihn hinter jenem Gitter wohl,
Dran ſpottend noch des Glaubens rauh Symbol,
Manch eiſern Kreuz, das ihm die Flucht verwehret?
Das alſo iſt der Lohn, der ihm beſcheeret
Ward von dem angebeteten Idol?
Die Wangen blaß, die Augen trüb und hohl,
Die Augen, die er — nicht zum Himmel kehret.
Seit Jahren ſah er keine Wolke ſchweben,
Seit Jahren kein Geſtirn in blauer Ferne
Die goldne, thaubeglänzte Schwinge heben.
Die Erde — ach! er ließ' ſie Euch ſo gerne;
Doch ſprecht, ihr Herrn, wer hat Euch Macht gegeben,
Die Hand zu legen auf des Himmels Sterne?
XLVI .
Einem Schauſpieler.
Ja, ich will Kugeln gießen aus den Lettern,
Hör' ich die Stunde der Erlöſung ſchlagen,
Und Du auch wirſt in ſolchen großen Tagen
Die Welt nicht ſuchen mehr auf Deinen Brettern.
Gilt es, der Erde Götzen zu zerſchmettern,
Ich kenne Dich, Du wirſt Dein Leben wagen.
Wer unſers Friedens drückend Joch getragen,
Dem graut auch wahrlich nicht vor Sturm und Wettern.
Bis dahin aber opfere dem Schönen
So treu, wie jetzt, und heiſſe nicht deſpotiſch
Dein Herz zu früh deſſelben ſich entwöhnen.
So Manche macht die Freiheit jetzt zelotiſch,
Daß ſie, Barbaren gleich, die Kunſt verhöhnen;
Sei lieber göthiſch, theurer Freund, als gothiſch!
XLVII.
Nach langem Ringen iſt der Tag gewichen;
Ein reizend Weib im leichten Silberflor,
Tritt Luna hinter dem Gebirge vor,
Der Oſtwind iſt ihr neckend nachgeſtrichen.
Und eine bunte Schar von wunderlichen
Geſtalten taucht vor meinem Blick empor,
Sie kommen zaghaft, wie ein Mädchenchor,
Und wie auf Zehen zu mir angeſchlichen.
Ein Rauſchen naht von tauſend, tauſend Schwingen,
Ich fühl', wie Geiſter meine Stirne küſſen
Und mir die Hände legen auf das Haubt.
Ich hör' die Sterne aus den Lüften ſingen:
„Wohl dem, den wir noch wachen Augs begrüſſen,
Der an die Nacht, die heilige, noch glaubt!“
12
XLVIII.
Hölderlin.
Den Klugen leiten ſicher ſtets die Horen,
Nur mit dem Genius ſpielen oft die Winde;
Daß er, ſo Glück, wie Unglück, früher finde,
Wird er mit Schwingen in die Welt geboren.
Doch bleibt ihm treu die Gottheit zugeſchworen;
Sie legt am böſen Tag dem armen Kinde
Mit weicher Hand ums Aug' des Wahnſinns Binde,
Daß es nie ſehe, was das Herz verloren.
Die Götter haben freundlich Dein gedacht,
Die Du ſo fromm gehalten einſt in Ehren,
Und lebend ſchon Dich aus der Welt gebracht.
Nichts Irdiſches kann fürder Dich verſehren,
Und reiner, denn ein Stern zum Schooß der Nacht,
Wirſt Du zurück zur großen Mutter kehren.
XLIX.
Trüg' ich ein Schwert als Krieger um die Lenden,
Ging' ich als Landmann hinter einem Pfluge,
Dann ſäß' ich Abends froh bei meinem Kruge,
Um mit dem Tag mein Tagewerk zu enden.
So aber, wenn ſie ſich zur Ruhe wenden,
Schweift mein Geiſt noch auf irrem Wanderzuge,
Und meine Seele kreist in ſtetem Fluge,
Ihr will kein Abend ſeinen Frieden ſpenden.
Dem Himmliſchen erbaun wir keine Schranken,
Es folgt uns nach ins laute Weltgetriebe
Und wird im Schlummer auch nicht von uns wanken.
Kein Ort — daß ich vor ihnen ſicher bliebe!
Gleich Blitzen zücken um mich die Gedanken
Und treffen mich ſelbſt in dem Arm der Liebe.
L.
So redet nur! Ihr ſollt mich nicht bekehren.
Er iſt in Eurer Hütte nie geſtanden,
War Euch nie weihend, ſegnend nie zu Handen,
Mein Genius — er gab Euch niemals Lehren.
Was man nicht kennt, das mag man leicht entbehren.
Doch mir geht ohne ihn mein Werk zu Schanden,
Indeß die Nüchternen in allen Landen,
Die Gottentfremdeten, die Schätze mehren.
Behagt Euch wohl im friedlichen Genuß,
Das Bischen Witz, es bleib' Euch unbenommen,
Das auf die Frohne wie ein Sklave muß.
Mir aber mag nur Zeus, der Donnrer, frommen,
Zu meinem Werke muß ein Himmelsgruß,
Ein heil'ger Sturm mein Herz erſt überkommen.
LI.
Byron's Sonett an Chillon.
(Bekanntlich haßte B. das Sonett.)
Dein himmliſch Lied — es hat ſchon manche Labe
In ſchwarzen düſtern Stunden mir bereitet,
Und wie den Jüngling treulich Du begleitet,
So freute Dein ſich ſchon der wilde Knabe.
Die Beſten haben über Deinem Grabe
Wetteifernd Lorberkränze hingebreitet,
Ach! wo ein Lob das andre niederſtreitet,
Wie wenig iſt's, was ich zu bieten habe!
Wenn ich mich zu Sonettendichtern wende,
Die auch die Reime ſträubend nur verſchlungen,
Seh' ich vor Allem Göthe's kleine Spende;
Doch hat er nicht, wie Du, den Groll bezwungen,
Der ſeines Liebens Anfang noch und Ende,
Der noch die Freiheit im Sonett beſungen.
LII.
Grabſchrift.
Sein oder Nichtſein iſt hier keine Frage;
Ich bin geweſen, was ich konnte ſein.
Kein Schelm und Schuft, bei Gott! ein Narr allein,
Der auch ſein Lämpchen brannt' am hellen Tage.
Kein Turner, aber doch von deutſchem Schlage;
Und wär' mein Vers wie meine Hände, rein,
So ruhete diß dichterlich Gebein
Dereinſt in einem ſtolzen Sarkophage.
Ich nahm das Leben für ein Würfelſpiel,
Das Keinem ſeine ſtete Gunſt geſchworen,
Doch oft hatt' ich der Augen noch zu viel;
Ich trieb's, ein Thor, wie tauſend andre Thoren,
Und, glücklicher als weiland Freund Schlemihl,
Hab' niemals meinen Schatten ich verloren.