Duett der Penſionirten.
Die Anerkennung, welche dem einer unſerer erſten Familien (in Lübeck) angehörenden
Dichter Em. Geibel vom König von Preußen zu Theil wurde, hat hier in allen Kreiſen die
freudigſte Senſation erregt. Eben ſtand der junge Dichter im Begriff, zu einem ſogenannten
Brodſtudium überzugehen und ſich nach Spanien zu begeben, um dort ſeine bereits in Grie¬
chenland begonnenen Studien der romaniſchen Literatur fortzuſetzen und ſich ſo für ein aka¬
demiſches Lehrfach auszubilden — die Munificenz des preußiſchen Monarchen [300 pr. Thlr.!]
hat ihn nun in die angenehme Lage verſetzt, ganz der edlen Dichtkunſt zu leben; ſtatt nach
Spanien wird er ſich nun an den Rhein begeben, wohin ihn zunächſt das Verlangen treibt,
Freiligrath kennen zu lernen. —
Augsburg. Allg. Ztg. 6. Febr. 1843.
Geibel. Biſt du's?
Freiligrath. Ja, ich bin es —
Geibel. der da —
Freiligrath. Der da—
Geibel. ſeinen Speer geſchwungen
Und die Drachen —
Freiligrath. ja, die Drachen,
Sammt dem Drachenfürſt, bezwungen.
5
Geibel. Biſt du's?
Freiligrath. Ja, willſt du mich kennen?
Ja, ich bin es in der That,
Den Bediente Bruder nennen,
Bin der Sänger Freiligrath.
Geibel. O, ſo ſalb' ich dich mit Narden
Und ſo räuchr' ich dir mit Ambra,
O du bardigſter der Barden,
Retteſt mich vor dem Alhambra,
Du der Sänger des Diego,
Vor dem Lande des Riego,
Vor dem Tiger, vor dem Nero,
Vor dem grauſen Eſpartero —
Ohne dich, den einzig Edeln,
Lernt' ich nie ſo trefflich wedeln;
Heiße Geibel, ſo's erlaubt iſt,
Wenn man 'mal ein Dichterhaubt iſt:
Bin der Sohn von einem Paſtor,
Möchte gerne mich zum Kaſtor
Machen; willſt du Pollux ſein?
Freiligrath. Ich geſteh', ich hätte lieber
Die Unſterblichkeit allein,
Doch dieß Demagogenfieber —
Geibel. Bändigen wir nur zu Zwei'n.
Freiligrath. Und ſo laß' uns unſre Flammen —
Geibel. Thun zu Einem Brand zuſammen —
Freiligrath. Braten als getreue Diener —
Geibel. Die verfluchten Jakobiner,
Beide. Und verzehren dann im Frieden
Die Penſion der Invaliden.
Xenien.
l.
Wem es gelingt, in ſeine Bruſt
Nur Eine ſtille Nacht zu ſchauen:
Der hat wol fürder keine Luſt,
Sein Haus auf Euern Sand zu bauen.
Drum laßt mich meiner Wege gehn!
Nicht Sturm, nicht Klippe ſoll mich ſchrecken:
Die Welt, die ich im Traum geſehn,
Will ich, der Welt zum Trotz, entdecken.
II.
Hundscourage.
Winken nur leiſe die Herrn Einmal mit dem
drohenden Finger;
Puh! wie wächſt dann im Nu ihren Lakaien
das Herz!
III.
Concedo!
„Don Quixote, Don Quixote!“
rufen alle Zeitungsſchreiber.
Nur zu wahr! Für Paladine
Hielt auch Ich die Eſeltreiber.
IV.
Entpuppung.
Deſerteur? — „Mit Stolz. Ich habe des Königes
Fahne,
Die mich gepreßt, mit des Volks ſoldloſem
Banner vertauſcht.“
V.
Dem Cenſor.
Unſeliger Eunuche, du,
Der unſres Geiſtes Hauch bewacht
Und ſich für ſeines Sultans Ruh'
Zum gottverfluchten Knechte macht!
7
Du haſt mein bloßes Wort verdammt,
Weil's nicht in Eure Küche paßt: —
Hat minder drum dieß Herz geflammt
Und minder Dich und Ihn gehaßt?
O glaub' den Geiſt nicht unterjocht,
Wenn du vom Leib ein Glied getrennt!
Du, Sklave, putzeſt nur den Docht,
Damit das Licht noch heller brennt.
VI.
A baculo ad angulum?
Meint ihr, es ſolle der Mann das Licht aus Aerger
verbannen,
Weil ſich den Fittig ein Paar ſchwärmende
Mücken verſengt?
VII.
Frage .
Sage mir, Freund: wann erſcheint ſie, die
Prachtausgabe von Deutſchland?
Subſkribirten doch ſchon unſere Väter
darauf;
Längſt iſt's unter der Preſſ' im Noten¬
verlage zu Frankfurt:
Aber ich wünſchte, die Herrn gäben es
endlich heraus!
Antwort.
St! — es erſcheint — doch erſt in ruſſiſche
Juchten gebunden:
Alſo bekommen's dereinſt unſere
Kinder beſcheert.
VIII.
Zeitgemäßer Fortſchritt.
Aus Judas' Strick ward nun ein Bändchen,
Das man auf einen Lumpen näht,
Der um die dreißig Vaterländchen
Das deutſche Vaterland verräth.
IX.
Alles für das Volk, nichts durch das Volk.
Volk! dein goldenes Vließ nur zieht in der Wage des
Fürſten:
Und er veredelt das Schaf, wenn ihm die Wolle zu
ſchlecht.
X.
An das Volk.
Seht mir, am Ruder die Herrn! Dir überläßt
man das Steuern —
Nun, wer das Steuern verſteht, dächt' ich,
regier' auch das Schiff!
XI.
An Ditto.
(Zum Dombau-Album. )
Richtig, du biſt ein Rieſe. — Das war auch jener
Philiſter,
Dem ein winziger Knirps ſtopfte mit Steinen
das Maul!
XII.
X für U.
Baut Dome oder Pyramiden,
Das ſtellt nicht Rhein noch Nil zufrieden!
Sie dienen ja beide nur dem Tod,
Doch das Leben begehrt lebendig Brod.
XIII.
Unſres Wegs!
Preist nur mit bezahlter Lippe,
Preist die Gnaden Eures Herrn:
Sicher führt zu einer Krippe
Uns auch des Jahrhunderts Stern!
XIV.
Andre Zeiten, andre Sitten.
Wenn der Erlöſer erſcheint, wohl grüßen ihn
wieder die Hirten:
Aber es bleiben gewiß dießmal die Könige
aus!
XV.
Zwei Fliegen mit Einer Klappe.
Franklin entriß dem Himmel den Blitz, den
Tyrannen den Szepter:
Glaubt mir, das war von je ein und
dasſelbe Geſchäft!
XVI.
Die Unerlauchten.
Nur der Blitz, der ſie trifft, kann unſere
Herren erleuchten!
Gute philosophi, ſteckt Eure Laternchen
doch ein!
XVII.
Unglückliche Liebe.
Nicht an den Königen liegt's — die Könige
lieben die Freiheit:
Aber die Freiheit liebt leider die Könige
nicht!
XVIII.
Hausordnung.
„Negatives Geſchlecht!“ — Nur Geduld; erſt
hält man die Aerndte,
Dann aus dem friſchern Korn backen die
Söhne das Brod:
Und zwar beſſeres Brod als jüngſt uns Becker
gebacken,
Das den Germanen auf lang wieder den
Magen verdarb.
XIX.
Die (alte) kölniſche Zeitung.
Aus der Küche unſers Hofes
kommt die Farce des Gedärmes:
Und die Wurſt wird fabriziret
von Herrn Johann Jakob Hermes.
XX.
Hermes Psychopompos .
Hermes, Hermes Schattenführer,
großer Todten-General!
Gott der Diebe, Gott der Krämer,
Gott der Deutſchen allzumal;
Immer biſt du noch beflügelt
wie in der antiken Welt:
Doch die Schwingen an den Füßen
deuten jetzt auf Ferſengeld.
XXI.
Die Allgemeine.
Daß dich, alte Sünderin doch! nun lernt ſie
noch beten —
Freilich, ſo haben es ſtets alle Gemeinen
gemacht.
XXII.
Herr von Cotta.
„Preßfreiheit! ſo, ſo? — was hilft mir ein Fittig im
Garten?
Nur in dem Käfige, wißt, kauft man den Vogel
mir ab.“
XXIII.
Ditto.
„Euer Wiſſen iſt nur Dunſt,
Und ſo lernt von mir, dem Alten:
Ich allein verſteh' die Kunſt,
Blätter ohne Stiel zu halten.“
XXIV.
Zurücktritt der Oberdeutſchen Zeitung.
Zwar der Deutſche iſt geduldig,
aber alle Tage Rüben — —
Nein! da wär' der ärmſte Teufel
länger nicht Dein Gaſt geblieben.
XXV.
Dieſelbe als Wöchnerin.
Alle Tage viel verheißen,
alle Tage groß geſprochen:
Aber erſt nach achtzehn Monden
kommt das Fräulein in die Wochen!
XXVI.
Derſelbigen Grabſchrift.
Die den Appetit mit Runkeln
ſich und uns ſchon längſt verdorben:
Iſt an unverdautem Haber
endlich gänzlich abgeſtorben.
XXVII.
Die Jahrbücher der Gegenwart.
Wie ſie ſich ärgern, die Schwaben, daß wieder das
Rad der Geſchichte
Weiter zu gehn ſich erlaubt ohne den Tübinger
Stift!
XXVIII.
O Weimar!
Immer noch trinken ſie Abends den Thee, und
plaudern zuſammen
Ueber den Strumpf, den die Hahn oder die
Paalzow geſtrickt:
Doch, ſtatt Spiritus, reicht man die abgeblaſene
Milch jetzt,
Die ein Gewitter vor zehn Jahren ſchon
ſauer gemacht.
XXIX.
Hahn-Hahn.
„Lauter ächte Vollblut-Küchlein
zog ich in den letzten Wintern:
Zum Beweiſe tragen alle
noch die Eierſchaal' am Hintern.“
XXX.
Rückert.
„Blume vom Ganges, die jüngſt an die Spree
Kunſtgärtner verpflanzten,
Wo mich im Glashaus jetzt Damen und Kinder
beſehn.“
XXXI.
Uhland.
Uhland ſchweigt in der thatloſen Zeit. Es entſagen
die Beſten
Um das verlorne Geſchlecht einer verlorenen
Müh'.
Männer erzog er ſich nicht zu dem Hochwuchs ſeiner
Gedanken,
Und für die müßige Welt ſang er Romanzen
genug.
XXXII.
Lenau.
Andere ſingen, du ſchlägſt, o melancholiſcher
Sproſſer!
Schlägſt in verzweifeltem Kampf, ſelber
verzweifelnd, mit uns.
8
XXXIII.
Platen.
Kalt und ſtolz, ein Gletſcher, erhebſt du dich
über die Fläche,
Die das gemüthliche Vieh unſrer Poeten
begrast:
Selten gewahrt ein Wandrer den Kranz hoch¬
glühender Roſen,
Den du vor frevelnder Hand unter dem
Schneee verbirgſt.
XXXIV.
Ludwig Feuerbach.
Wie muß des Denkers ſcharfes Schwert
In Eure Haſenſeelen fahren!
Hört doch: „Das Beſte iſt nicht werth,
In Ewigkeit es aufzuſparen;
Was einmal die Natur erſchuf,
Kann ſie auch noch einmal erſchaffen.“
Allein vergebens iſt Sein Ruf
An Kinder und an Laffen.
Es ſtellt vergebens ihr Symbol
Der kühne Adler an den Pranger:
Jedwede Puppe, noch ſo hohl,
Fühlt ſich mit einem Falter ſchwanger;
Vergebens läuft der Genius Sturm,
Die Burg des Unſinns zu bezwingen:
Es will's nun einmal jeder Wurm
Zum Schmetterlinge bringen.
XXXV.
Beſtiale Poeſie.
Was erlebt man doch Geſchichten!
Tolle Zeiten, tolle Moden!
Denkt doch: deutſche Haſen dichten
Jetzund auf die Löwen Oden.
XXXVI.
Kommentatoren.
Auch der Parnaß iſt gebahnt, und wer nicht
gerne zu Fuß geht,
Findet in Leipzig ein Heer trefflicher Eſel
bereit.
XXXVII.
Pegaſus im Joche.
„Muß ich, ſprach mein Pegaſus,
meiner Freiheit denn entſagen:
Zieh' ich lieber doch am Pflug,
als ſelbacht am großen Wagen,
Freß' ich lieber doch mein Heu
aus des letzten Bauern Raufe,
Als ich aus der Marmorkrippe
mit dem Vieh des Hofes ſaufe.“
XXXVIII.
Opera posthuma.
„Nichts als Schreiben!“ — Ja, zum Henker!
Doch was rechtet Ihr mit mir?
Machtet Ihr nicht ſo viel Lumpen,
hätt' Ich nicht ſo viel Papier.
Aber, ſtreichen wir die Hälfte —
„Mit dem Reſt, was willſt du machen?“
Nichts, ihr Herrn! es macht mein Knabe
einſt daraus noch — einen Drachen.
XXXIX.
Dauer im Wechſel.
Da iſt Nichts unten, iſt Nichts oben,
Die Pfaffen haben es längſt verſchoben,
Mit Augenverdrehn, mit Phraſenſchwalle —
Krummacher ſind und bleiben ſie Alle!
XL.
Was man nicht laſſen kann.
Ob ſie katholiſch geſchoren, ob proteſtantiſch
geſcheitelt,
Gleichviel: immer geräth man den Geſellen
in's Haar.
XLI.
Bauer-Krieg.
Tröſte dich, Heilige-Schaar! denn die tapfere Garde
von Potsdam
Fliegt in geſtrecktem Galopp gegen die Bauer
herbei.
XLII
Der neueſte Sündenfall.
Du arme Menſchheit! wie mir graut
Vor deinem böſen Geſtirne:
Kaum haſt du den alten Apfel verdaut,
So beißeſt du in die Birne!
XLIII.
Guten Morgen, Nachbar!
Krähe nur, Galliſcher Hahn! daß endlich die Deutſchen
Geſpenſter
Vor dem erwachenden Licht kriechen in's Dunkel
zurück.
XLIV.
Ein deutſcher Mann mag keinen Franzmann leiden,
Doch ſeine Weine trinkt er gern.
Göthe.
Franken, o Franken, wie wart ihr ſo blind!
ihr tanztet, wie Wilde
Um die geheiligte Gluth, ach! und die
Suppe verdarb.
Deutſche Begeiſterung, ſeht, das fromme
Familienfeuer,
Kochte die Rübchen indeß, die ihr den
Fürſten geſchabt.
XLV.
Panem, non Circenses!
„Brod!“ ſo rufet das Volk, und ihr? ihr gebet ihm
Steine.
Sagt mir, Pfaffen, doch an: heißt ihr das chriſtlich
gedacht?
„Brod!“ ſo rufet das Volk: da forſchen und ſuchen
die Weiſen,
Suchen nur wieder den Stein, deß uns ſo wenig
gebricht.
„Brod!“ ſo rufet das Volk, und die Herrſchenden
treten zuſammen,
Und rings fliegen daher wiederum Steine — zum
Dom.
XLVI.
Die Kommuniſten.
Spottet des Völkleins nicht! es hat ja den
römiſchen Adler
Eine geringere Zahl ſolcher Apoſtel ge¬
ſtürzt.
XLVII.
Neuchriſtliche Malerei.
Für dein heilig Gepinſel empfang' die Palme
des Jenſeits!
Doch diesſeitigen Kranz hat dir die Muſe
verſagt:
Denn du ſpuckteſt ins Antlitz der Göttlichen,
ſetzeſt im Knechtsſinn
Ihr ſelbſtleuchtend Geſtirn frech zum Tra¬
banten herab!
XLVIII.
Metternich.
Weinbau und Politik ſind Dir verwandte
Geſchäfte:
Denn Du zieheſt am Stock Völker und
Reben herauf.
XLIX.
Çà ira!
„È pur si muove“ ſei's Panier,
Sie dreht ſich eben doch herum!
Da hilft euch weder Bairiſch Bier,
Noch Preußiſch Chriſtenthum.
L.
Der Kunſtprotektor.
„Alles kann ein Pinſel adlen,
Alles macht ein Pinſel eben,
Einen Satyr kann ein deutſcher
Pinſel zum Apoll erheben.
Darum, nur mit Andacht trete
man vor Meine Pinſel hin:
Aber vor dem Allergrößten
ſollen Meine Bauern knie'n.
Sie gewinnen, wenn des Landes
Vater für die Pinſel brennt:
Denn die Schweine müſſen ſteigen
durch ſolch borſtig Regiment.“
LI.
Griechiſche Revolution.
„Hopfen und Malz, o Herr, iſt an dieſen
Athenern verloren!“
Alſo berichteten jüngſt bairiſche Brauer
nach Haus.
LII.
Parzielle Auferſtehung.
Zweifelt hinfüro mir nicht an der Auferſtehung
der Todten:
Hab' ich doch ſelbſt in Berlin Hunderte neu¬
lich geſehn!
Sind ſie auch nicht mit Fleiſch und Blut, gleich
Menſchen, bekleidet:
Hört man doch fernhin ſchon klappern das
dürre Gebein.
Zwar die Ehre wird nur — den Schriftge¬
lehrten, dem Adel:
Denn an den Lazarus hat nie noch ein König
gedacht.
LIII.
Das Reſkript an Willibald Alexis.
Unſer genädigſter Herr, ſeht, welch ein Freund des
Pikanten:
Mit Höchſteigner Hand ſalzt er die Häringe
ein.
LIV.
Antigone in Spree-Athen.
„Thut desgleichen wie ich: lernt euere Todten
begraben!
Einziger Rath, den ich euch, Deutſche,
zu geben vermag.“
9
LV.
Seydelmann auf dem Todbette.
„Hätt' ich wie Cäſar gedacht, ich wär' in Schwaben
der Mimen
Erſter geblieben, anſtatt Nummero II. in
Berlin.“
LVI.
Sanssouci.
Arie.
Deutſchland iſt nun außer Noth:
Windmühl' hat den Don Quixote,
Und du ſcheinſt mir ein bekanntes
Hauptkapitel aus Cervantes.
LVII.
Die Dekorirten.
Nur Anmerkungen ſind ſie, die Herrn, zum
Text der Geſchichte:
Darum hat man ſie auch alle mit * * *
verſehn.
LVIII.
Verſchiedene Auffaſſung.
„Citoyens! zur Guillotine,
zur Laterne mit dem Adel!“
Gott behüte, die Inſekten
Spieß' ich nur mit meiner Nadel.
LIX.
Zahn um Zahn!
„Lange genug erhob ich zum Adel eueren
Abſchaum:
Nehmt jetzt, Bürger, dafür adligen
Kehricht zurück!“
— Andres erzählt die Geſchichte vom
Florentiniſchen Volke,
Das mit dem Adelsdiplom ſeine Ver¬
brecher beſtraft.
LX.
Prärogative.
Seid ihr wirklich beſſern Blutes
als das bürgerliche Pack:
Hütet euch doch vor den Flöhen,
denn die haben drin Geſchmack!
Sollten's meine Flöhe merken,
meine Sans-culottes-Flöhe,
Dieſe kleinen Epigramme:
weh' dem deutſchen Adel, wehe!
LXI.
Der rothe Adler.
„Als Preußen einſt — Dank jener Knute! —
Beim großen Raube mitgeerbt:
Da haben ſie in Polens Blute
Auch meine Schwingen roth gefärbt.
An goldner Kette ſchmacht' ich hier
Und bin der Bote ihrer Witze:
O Zeus, nimm deinen Aar zu dir,
Und gieb ihm wieder deine Blitze!“
LXII.
Roth I. II. III. IV. — Schwarz
(Schriftſprache.)
Adler! ihr klaſſiſchen Adler, ihr ordentlich rothen
und ſchwarzen! —
Wo nur immer ein Aas, ſammeln die Adler ſich
ſchnell.
LXIII.
„Quid novi ex Africa?“
AuAn J. Fr.
„Wanderer ſteh'! und ſage mir an, in welcher
Verfaſſung
Ihr das geprieſene Volk jener Boruſſen
verließt?
Sind die Poeten noch nicht im Preiſe geſtiegen,
und haben
Immer die Fähndriche noch doppelten Dich¬
tergehalt?
Junkert man immer noch viel und ſchätzt
man Menſchen noch immer
Nur nach der Größe des Wurms, der ſich
im Fleiſche verbirgt?
Mehrt die Canaille ſich ſtark, ſeit jüngſt in
Gnaden geruht ward,
Daß ein adliger Lump werde zum Bürger
gemacht?
Wie viel Pfaffen, o ſprich, wie viel Trompeter
des Glaubens,
Wie viel Heilige ſtehn bei den Miniſtern
in Gunſt?
Hat ſich der Himmel gebührlich bedankt ſchon
wegen des Sonntags
Beſſerer Feier, die Ihm ſeine Getreuen
votirt?
Dann von der Staatszeitung zweideutigem
Rufe verkünd' uns:
Wer doch erfreut nunmehr ihrer Umar¬
mungen ſich?
Zählt ſie noch immer, o Glanz! drei Leſer auf
Einen Redaktor?
Schmiert ſie dem ruſſiſchen Bär immer noch
Honig in's Maul?
Seit ſich der Fürſten Romantiker jüngſt mit
dem Fürſt der Romantik
Enge verbunden, wie iſt's um das Theater
beſtellt?
Liest er noch immer ſo hübſch, der Tick?
Was machen die Alten?
Welche Komödie wird eben bei Hofe ſtu¬
dirt?
Iſt Reinecke der Fuchs bei ſeinem erhabenen
Schwager,
Oder ſein Schwager, der Petz, wieder ein¬
mal in Berlin?
LXIV.
Eichhorn.
Aus einem Bilderbuche für kleine Kinder.
Viel Nüſſe knackt es ſchwerlich,
Sein Maul iſt alt und ſteif,
Sein Kopf gar ungefährlich,
Doch rieſenhaft — ſein Schweif.
LXV.
Was klein, iſt niedlich.
Als ihm der Schön zu groß geworden,
Schickt' er ihn fort mit einem Orden;
Doch, um bei der Familie zu bleiben,
Ließ er ein Schön-lein ſich verſchreiben.
LXVI.
Practica est multiplex.
„Wie? du verſchmähſt die Mixturen, die deinem Vater
geholfen?
Topp! Ich trinke mit dir; Einer doch bleibt auf
dem Platz.“
LXVII.
Simile claudicat.
Mehr nicht, als was Diogenes bat von dem Held
Alexander,
Bat ich, o Fürſt! von Dir; aber vergieb den
Vergleich:
Eins nur haſt Du gemein mit dem Mann; — doch
im Uebrigen merkt man,
Daß ihr bis jetzt nicht viel Griechiſch aus
Sophokles lernt.
LXVIII.
Das neueſte rheinpreußiſche Strafgeſetzbuch
(Epheſ. Vl. 14. nach Luther.)
„Ziehet den Krebs der Gerechtigkeit an!“ ſo ſteht
es geſchrieben;
Nun, ich dächte, dieß Buch hätte doch Ordre
parirt!
LXIX.
Die Verwerfung.
Wie ſie ungeberdig werden!
wie ſie ihre Fackeln ſchwingen!
Nun, Er wußt' es: nur mit Prügeln
iſt Sein Volk vom Fleck zu bringen.
LXX.
„Ständſche Verfaſſung“ — Das heißt: man hat
dem Sklaven die Kette
Jetzo mit einiger Scham unter den Mantel
verſteckt.
LXXI.
Wind, Wind.
Gebt Euren Sand für Felſen aus
Und baut papierne Mauern:
Im Wind zerſtiebt das Kartenhaus
Von Königen und Bauern!
LXXII.
Kabinetsordre.
„An mein Volk“ — — Lest's nicht! das iſt ja die
alte Geſchichte:
Wenn ſich die Völker geregt, haben die Fürſten
geruht.
LXXIII.
Zur Farbenlehre.
Pocht nicht auf Eurer Lehre Reinheit!
Denn, wär' der Fürſt des Staates Einheit
Und Weiß und Schwarz der Staat, o ſchau:
Da wär' der Fürſt — bedenklich grau.
LXXIV.
„Ich wünſche Ihnen von Herzen einen Tag von
Damaskus, und Sie werden Ungeheures wirken.“
Friedrich Wilhelm.
Auf dem Wege von Damasko
Machte Saulus einſt Fiasco:
Doch, das ihn bekehrt, das Licht,
— Ein Berliner war es nicht!
10
LXXV.
Chriſtlich-Germaniſch.
Im Anfang war das Wort, beim Worte
wird es bleiben:
Der König, unſer Herr, wird reden und
wir — ſchreiben.