Gedichte
von
Friedrich Hoelderlin.
Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreueſt,
Wenn ſie entgegen dir
Die zarten Arme ſtrecken,
So haſt du mein Herz erfreut,
Vater Helios! und wie Endymion,
War ich dein Liebling,
Heilige Luna!
Fragment.
Stuttgart und Tuͤbingen
in der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung.
1826.
Inhalt.
Seite
Das Schickſal. 1
Griechenland. An St. 5
Dem Genius der Kühnheit. Eine Hymne. 8
Lebensgenuß. An Neuffer. 12
Der Gott der Jugend. 13
An eine Roſe. 16
Freundeswunſch. An Roſine St. 17
Diotima. 19
Das Ahnenbild. 23
Der blinde Sänger. 26
Dichtermuth. 29
Natur und Kunſt, oder Saturn und Jupiter. 31
An unſere Dichter. 33
An Eduard. 34
Der gefeſſelte Strom. 37
Sonnenuntergang. 39
Menſchenbeifall. 40
Stimme des Volks. 41
Die ſcheinheiligen Dichter. 42
Die Launiſchen. 43
Der Zeitgeiſt. 44
Der Tod für's Vaterland. 45
Des Morgens. 46
Abendphantaſie. 47
An die Hoffnung. 49
Der Winter. 50
Der gute Glaube. 52
Ihre Geneſung. 53
Abbitte. 54
Ehmals und jetzt. 55
An die Deutſchen. 56
An die jungen Dichter. 57
Seite
Die Kürze. 58
Sokrates und Alcibiades. 59
Die Götter. 60
Empedokles. 61
Der Neckar. 62
Heidelberg. 64
Der Main. 66
Ermunterung. 69
Die Heimath. 71
Die Liebe. 73
Lebenslauf. 75
Der Abſchied. 76
Diotima. 78
Rückkehr in die Heimath. 80
An die Parzen. 82
Unter den Alpen geſungen. 83
Der Menſch. Fragment. 85
Emilie an ihrem Brauttag. 87
An Hiller. 1793. 114
Seiner Großmutter zum zwei und ſiebenzigſten Ge-
burtstag. 117
An L. Fragment. 120
Sophokles. 122
Der zürnende Dichter. 123
Die Scherzhaften. 124
An Diotima. 125
An ihren Genius. 126
Menons Klagen um Diotima. 127
Die Nacht. Fragment. 137
Die Herbſtfeier. An Siegfried Schmidt. 139
Der Wanderer. 147
Die Eichbäume. 153
An den Aether. 155
Der Archipelagus. 159
Andenken. 180
Die Wanderung. 183
Der Rhein. Fragment. 188
Hyperions Schickſalslied. 196
Der Tod des Empedokles. Fragmente eines Trauer-
ſpiels. 198
Das Schickſal.
Πϱοσϰυνουνιεϛ την εἱμαϱμενην, σοφου.
Aeschylus.
Als von des Friedens heil'gen Thalen,
Wo ſich die Liebe Kraͤnze wand,
Hinuͤber zu den Goͤttermahlen
Des goldnen Alters Zauber ſchwand,
Als nun des Schickſals eh'rne Rechte,
Die große Meiſterin, die Noth
Dem uͤbermuͤthigen Geſchlechte
Den langen, bittern Kampf gebot:
Da ſprang er aus der Mutter Wiege,
Da fand er ſie, die ſchoͤne Spur
Zu ſeiner Tugend ſchwerem Siege,
Der Sohn der heiligen Natur;
Der hohen Geiſter hoͤchſte Gabe,
Der Tugend Loͤwenkraft begann,
Im Siege, den ein Goͤtterknabe
Den Ungeheuern abgewann.
Hoͤlderlin Gedichte. 1
Es kann die Luſt der goldnen Ernte
Im Sonnenbrande nur gedeih'n;
Und nur in ſeinem Blute lernte
Der Kaͤmpfer, frei und ſtolz zu ſeyn;
Triumph! die Paradieſe ſchwanden;
Wie Flammen aus der Wolke Schoos,
Wie Samen aus dem Chaos, wanden
Aus Stuͤrmen ſich Heroen los.
Der Noth iſt jede Luſt entſproſſen,
Und unter Schmerzen nur gedeiht
Das Liebſte, was mein Herz genoſſen,
Der holde Reiz der Menſchlichkeit;
So ſtieg, in tiefer Fluth erzogen,
Wohin kein ſterblich Auge ſah,
Stilllaͤchelnd aus den ſchwarzen Wogen
In ſtolzer Bluͤthe Cypria.
Durch Noth vereiniget, beſchwuren,
Vom Jugendtraume ſuͤß berauſcht,
Den Todesbund die Dioskuren,
Und Schwerdt und Lanze ward getauſcht;
In ihres Herzens Jubel eilten
Sie, wie ein Adlerpaar, zum Streit,
Wie Loͤwen ihre Beute, theilten
Die Liebenden Unſterblichkeit.
Die Klagen lehrt die Noth verachten,
Beſchaͤmt und ruhmlos laͤßt ſie nicht
Die Kraft der Juͤnglinge verſchmachten,
Giebt Muth der Bruſt, dem Geiſte Licht;
Der Greiſe Fauſt verjuͤngt ſie wieder;
Sie koͤmmt wie Gottes Blitz heran,
Und truͤmmert Felſenberge nieder,
Und wallt auf Rieſen ihre Bahn.
Mit ihrem heil'gen Wetterſchlage,
Mit Unerbittlichkeit vollbringt
Die Noth an Einem großen Tage,
Was kaum Jahrhunderten gelingt;
Und wenn in ihren Ungewittern
Selbſt ein Elyſium vergeht,
Und Welten ihrem Donner zittern —
Was groß und goͤttlich iſt, beſteht.
O du, Geſpielin der Koloſſen,
O weiſe, zuͤrnende Natur,
Was je ein Rieſenherz beſchloſſen,
Es keimt in deiner Schule nur;
Wohl iſt Arkadien entflohen,
Des Lebens beſſ're Frucht gedeiht
Durch ſie, die Mutter der Heroen,
Die eherne Nothwendigkeit.
Fuͤr meines Lebens goldnen Morgen
Sey Dank, o Pepromene, dir!
Ein Saitenſpiel und ſuͤße Sorgen
Und Traͤum' und Thraͤnen gabſt du mir!
Die Flammen und die Stuͤrme ſchonten
Mein jugendlich Elyſium,
Und Ruh' und ſtille Liebe thronten
In meines Herzens Heiligthum.
Es reife von des Mittags Flamme,
Es reife nur von Kampf und Schmerz
Die Bluͤth' am grenzenloſen Stamme,
Wie Sproſſe Gottes, dieſes Herz!
Befluͤgelt von dem Sturm, erſchwinge
Mein Geiſt des Lebens hoͤchſte Luſt,
Der Tugend Siegesluſt verjuͤnge
Bei kargem Gluͤcke mir die Bruſt!
Im heiligſten der Stuͤrme falle
Zuſammen meine Kerkerwand,
Und herrlicher und freier walle
Mein Geiſt in's unbekannte Land!
Hier blutet oft der Adler Schwinge;
Auch druͤben warte Kampf und Schmerz!
Bis an der Sonnen letzte ringe,
Genaͤhrt vom Siege, dieſes Herz!
Griechenland.
An St.
Haͤtt' ich dich im Schatten der Platanen,
Wo durch Blumen der Iliſſus rann,
Wo die Juͤnglinge ſich Ruhm erſannen,
Wo die Herzen Sokrates gewann,
Wo Aſpaſia durch Myrten wallte,
Wo der bruͤderlichen Freude Ruf
Aus der laͤrmenden Agora ſchallte,
Wo mein Plato Paradieſe ſchuf;
Wo den Fruͤhling Feſtgeſaͤnge wuͤrzten,
Wo die Fluten der Begeiſterung
Von Minervens heil'gem Berge ſtuͤrzten —
Der Beſchuͤtzerin zur Huldigung —
Wo in tauſend ſuͤßen Dichterſtunden,
Wie ein Goͤttertraum, das Alter ſchwand.
Haͤtt' ich da, Geliebter! dich gefunden,
Wie vor Jahren dieſes Herz dich fand!
Ach! wie anders haͤtt' ich dich umſchlungen! —
Marathons Heroen ſaͤngſt du mir,
Und die ſchoͤnſte der Begeiſterungen
Laͤchelte vom trunknen Auge dir,
Deine Bruſt verjuͤngten Siegsgefuͤhle,
Und dein Haupt vom Lorberzweig umſpielt,
Fuͤhlte nicht des Lebens dumpfe Schwuͤle,
Die ſo karg der Hauch der Freude kuͤhlt.
Iſt der Stern der Liebe dir verſchwunden?
Und der Jugend holdes Roſenlicht?
Ach! umtanzt von Hellas goldnen Stunden,
Fuͤhlteſt du die Flucht der Jahre nicht!
Ewig, wie der Veſta Flamme, gluͤhte
Muth und Liebe dort in jeder Bruſt,
Wie die Frucht der Hesperiden, bluͤhte
Ewig dort der Jugend ſuͤße Luſt.
Haͤtte doch von dieſen goldnen Jahren
Einen Theil das Schickſal dir beſcheert;
Dieſe reitzenden Athener waren
Deines gluͤhenden Geſangs ſo werth;
Hingelehnt am frohen Saitenſpiele
Bei der ſuͤßen Chiertraube Blut,
Haͤtteſt du vom ſtuͤrmiſchen Gewuͤhle
Der Agora gluͤhend ausgeruht.
Ach! es haͤtt' in jenen beſſern Tagen
Nicht umſonſt ſo bruͤderlich und groß
Fuͤr ein Volk dein liebend Herz geſchlagen,
Dem ſo gern des Dankes Zaͤhre floß! —
Harre nur! ſie koͤmmt gewiß die Stunde,
Die das Goͤttliche vom Staube trennt!
Stirb! du ſuchſt auf dieſem Erdenrunde,
Edler Geiſt! umſonſt dein Element.
Attika, die Rieſin iſt gefallen;
Wo die alten Goͤtterſoͤhne ruh'n,
Im Ruin geſtuͤrzter Marmorhallen
Bruͤtet ew'ge Todesſtille nun,
Laͤchelnd ſteigt der ſuͤße Fruͤhling nieder,
Doch er findet ſeine Bruͤder nie
In Iliſſus heil'gem Thale wieder —
Ewig deckt die bange Wuͤſte ſie.
Mich verlangt in's beſſre Land hinuͤber,
Nach Alcaͤus und Anakreon,
Und ich ſchlief' im engen Hauſe lieber
Bei den Heiligen in Marathon;
Ach! es ſey die letzte meiner Thraͤnen,
Die dem heil'gen Griechenlande rann,
Laßt, o Parzen, laßt die Scheere toͤnen,
Denn mein Herz gehoͤrt den Todten an!
Dem Genius der Kuͤhnheit.
Eine Hymne.
Wer biſt du? wie zur Beute, breitet
Das Unermeßliche vor dir ſich aus,
Du Herrlicher! mein Saitenſpiel geleitet
Dich auch hinab in Plutons dunkles Haus;
So flogen auf Ortygias Geſtaden,
Indeß der Lieder Sturm die Wolken brach,
Dem Rebengott die taumelnden Maͤnaden
In wilder Luſt durch Hain und Kluͤfte nach.
Einſt war, wie mir, der ſtille Funken
Zu freier heitrer Flamme dir erwacht,
Du brausteſt ſo, von junger Freude trunken,
Voll Uebermuths durch deiner Waͤlder Nacht,
Als von der Meiſterin, der Noth, geleitet,
Dein ungewohnter Arm die Keule ſchwang,
Und drohend ſich, vom erſten Feind erbeutet,
Die Loͤwenhaut um deine Schulter ſchlang.
Wie nun im jugendlichen Kriege
Heroenkraft mit der Natur ſich maß!
Ach! wie der Geiſt, vom wunderbaren Siege
Berauſcht, der armen Sterblichkeit vergaß;
Die ſtolzen Juͤnglinge! die kuͤhnen!
Sie legten froh dem Tieger Feſſeln an,
Sie baͤndigten, von ſtaunenden Delphinen
Umtanzt, den koͤniglichen Ozean.
Oft hoͤr' ich deine Wehre rauſchen,
Du Genius der Kuͤhnen! und die Luſt,
Den Wundern deines Heldenvolks zu lauſchen,
Sie ſtaͤrkt mir oft die lebensmuͤde Bruſt;
Doch weilſt du freundlicher um ſtille Laren,
Wo eine Welt der Kuͤnſtler kuͤhn belebt,
Wo um die Majeſtaͤt des Unſichtbaren
Ein edler Geiſt der Dichtung Schleier webt.
Den Geiſt des Alls und ſeine Fuͤlle
Begruͤßte Maͤons Sohn auf heil'ger Spur,
Sie ſtand vor ihm, mit abgelegter Huͤlle,
Voll Ernſtes da, die ewige Natur;
Er rief ſie kuͤhn vom dunklen Geiſterlande,
Und laͤchelnd trat, in aller Freuden Chor,
Entzuͤckender im menſchlichen Gewande
Die namenloſe Koͤnigin hervor.
Er ſah die daͤmmernden Gebiete,
Wohin das Herz in banger Luſt begehrt,
Er ſtreuete der Hoffnung ſuͤße Bluͤthe
Ins Labyrinth, wo Keiner wiederkehrt,
Dort glaͤnzte nun in mildem Roſenlichte
Der Lieb' und Ruh' ein laͤchelnd Heiligthum,
Er pflanzte dort der Heſperiden Fruͤchte,
Dort ſtillt die Sorgen nun Elyſium.
Doch ſchrecklich war, du Gott der Kuͤhnen!
Dein heilig Wort, wenn unter Nacht und Schlaf
Verkuͤndiger des ew'gen Lichts erſchienen,
Und den Betrug der Wahrheit Flamme traf!
Wie ſeinen Blitz aus hoheu Wetternaͤchten
Der Donnerer auf lange Thale ſtreut,
So zeigteſt du entarteten Geſchlechten
Der Rieſen Sturz, der Voͤlker Sterblichkeit.
Du wogſt mit ſtreng gerechter Schale,
Wenn mit der Wage du das Schwerdt vertauſcht,
Du ſprachſt, ſie wankten, die Sardanapale,
Vom Taumelkelche deines Zorns berauſcht;
Es ſchreckt umſonſt mit ihrem Tiegergrimme
Dein Tribunal die alte Finſterniß,
Du hoͤrteſt ernſt der Unſchuld leiſe Stimme,
Und opferteſt der heil'gen Nemeſis.
Verlaß mit deinem Goͤtterſchilde,
Verlaß, o du der Kuͤhnen Genius,
Die Unſchuld nie! Gewinne dir und bilde
Das Herz der Juͤnglinge mit Siegsgenuß!
O ſaͤume nicht! erwache, ſtrafe, ſiege!
Und ſichre ſtets der Wahrheit Majeſtaͤt,
Bis aus der Zeit geheimnißvoller Wiege,
Des Himmels Kind, der ew'ge Friede, geht!
Lebensgenuß.
An Neuffer.
Noch kehrt in mich der ſuͤße Fruͤhling wieder,
Noch altert nicht mein kindiſch froͤhlich Herz,
Noch rinnt vom Auge mir der Thau der Liebe nieder,
Noch lebt in mir der Hoffnung Luſt und Schmerz.
Noch troͤſtet mich mit ſuͤßer Augenweide
Der blaue Himmel und die gruͤne Flur,
Noch reicht die Goͤttliche den Taumelkelch der Freude,
Die jugendliche, freundliche Natur.
Getroſt! Es iſt der Schmerzen werth dies Leben,
So lang uns Armen Gottes Sonne ſcheint
Und Bilder beßrer Zeit um unſre Seele ſchweben,
Und ach! mit uns ein treues Auge weint.
Der Gott der Jugend.
Gehn Dir im Daͤmmerlichte,
Wenn in der Sommernacht
Fuͤr ſelige Geſichte
Dein liebend Auge wacht,
Noch oft der Freunde Manen
Und, wie der Sterne Chor,
Die Geiſter der Titanen
Des Alterthums empor:
Wird da, wo ſich im Schoͤnen,
Das Goͤttliche verhuͤllt,
Noch oft das tiefe Sehnen
Der Liebe Dir geſtillt;
Belohnt des Herzens Muͤhen
Der Ruhe Vorgefuͤhl,
Und toͤnt von Melodieen
Der Seele Saitenſpiel:
So ſuch' im ſtillſten Thale
Den bluͤthenreichſten Hain
Und gieß' aus goldner Schale
Den frohen Opferwein!
Noch laͤchelt unveraltet
Des Herzens Fruͤhling Dir,
Der Gott der Jugend waltet
Noch uͤber Dir und mir.
Wie unter Tiburs Baͤumen,
Wenn da der Dichter ſaß,
Und unter Goͤttertraͤumen
Der Jahre Flucht vergaß,
Wenn ihn die Ulme kuͤhlte,
Und wenn ſie ſtolz und froh
Um Silberbluͤthen ſpielte,
Die Flut des Anio;
Und wie um Platons Hallen,
Wenn durch der Haine Gruͤn,
Begruͤßt von Nachtigallen,
Der Stern der Liebe ſchien,
Wenn alle Luͤfte ſchliefen,
Und, ſanft bewegt vom Schwan,
Cephiſus durch Oliven
Und Myrthenſtraͤuche rann:
So ſchoͤn iſt's noch hienieden!
Auch unſer Herz erfuhr
Das Leben und den Frieden
Der freundlichen Natur;
Noch bluͤht des Himmels Schoͤne,
Noch miſchen bruͤderlich
In unſers Herzens Toͤne
Des Fruͤhlings Laute ſich.
Drum ſuch' im ſtillſten Thale
Den duͤftereichſten Hain,
Und gieß' aus goldner Schale
Den frohen Opferwein!
Noch laͤchelt unveraltet
Das Bild der Erde dir,
Der Gott der Jugend waltet
Noch uͤber dir und mir.
An eine Roſe.
Ewig traͤgt im Mutterſchooſe,
Suͤße Koͤnigin der Flur,
Dich und mich die ſtille, große,
Allbelebende Natur.
Roͤschen! unſer Schmuck veraltet,
Sturm entblaͤttert dich und mich,
Doch der ew'ge Keim entfaltet
Bald zu neuer Bluͤthe ſich.
Freundeswunſch.
An Roſine St.
Wenn vom Fruͤhling rund umſchlungen,
Von des Morgens Hauch umweht,
Trunken nach Erinnerungen
Meine wache Seele ſpaͤht;
Wenn, wie einſt am fernen Herde,
Mir ſo ſuͤß die Sonne blinkt,
Und ihr Stral in's Herz der Erde
Und der Erdenkinder dringt;
Wenn, umdaͤmmert von der Weide,
Wo der Bach voruͤber rinnt,
Tief bewegt von Leid und Freude,
Meine Seele traͤumt und ſinnt;
Wenn im Haine Geiſter ſaͤuſeln,
Wenn im Mondenſchimmer ſich
Kaum die ſtillen Teiche kraͤuſeln:
Schau ich oft und gruͤße dich.
Hoͤlderlin Gedichte. 2
Edles Herz, du biſt der Sterne
Und der ſchoͤnen Erde werth,
Biſt des werth, ſo viel die ferne
Nahe Mutter Dir beſchert.
Sieh', mit Deiner Liebe lieben
Schoͤnes die Erwaͤhlten nur;
Denn Du biſt ihr treu geblieben,
Deiner Mutter, der Natur.
Der Geſang der Haine ſchalle
Froh, wie Du, um Deinen Pfad;
Sanft bewegt vom Weſte, walle,
Wie Dein friedlich Herz, die Saat!
Deine liebſte Bluͤthe regne,
Wo Du wandelſt, auf die Flur,
Wo Dein Auge weilt, begegne,
Dir das Laͤcheln der Natur!
Oft im ſtillen Tannenhaine
Webe Dir um's Angeſicht
Seine zauberiſche, reine
Glorie das Abendlicht!
Deines Herzens Sorge wiege
Drauf die Nacht in ſuͤße Ruh'
Und die freie Seele fliege
Liebend den Geſtirnen zu!
Diotima.
Leuchteſt Du wie vormals nieder,
Goldner Tag! und ſproſſen mir
Des Geſanges Blumen wieder
Lebenathmend auf zu Dir?
Wie ſo anders iſt's geworden!
Manches, was ich traurig mied,
Stimmt in freundlichen Akkorden
Nun in meiner Freude Lied,
Und mit jedem Stundenſchlage
Werd' ich wunderbar gemahnt
An der Kindheit ſtille Tage,
Seit ich ſie, die Eine, fand.
Diotima! edles Leben!
Schweſter, heilig mir verwandt!
Eh' ich Dir die Hand gegeben,
Hab' ich ferne Dich gekannt.
Damals ſchon, da ich in Traͤumen,
Mir entlokt vom heitern Tag,
Unter meines Gartens Baͤumen,
Ein zufriedner Knabe lag,
Da in leiſer Luſt und Schoͤne
Meiner Seele Mai begann:
Saͤuſelte, wie Zephyrstoͤne,
Goͤttliche! Dein Hauch mich an.
Ach! und da, wie eine Sage,
Jeder frohe Gott mir ſchwand,
Da ich vor des Himmels Tage
Darbend, wie ein Blinder, ſtand,
Da die Laſt der Zeit mich beugte,
Und mein Leben, kalt und bleich,
Sehnend ſchon hinab ſich neigte
In der Todten ſtummes Reich:
Wuͤnſcht' ich oͤfters noch, dem blinden
Wanderer, dies Eine mir,
Meines Herzens Bild zu finden
Bei den Schatten oder hier.
Nun! ich habe Dich gefunden!
Schoͤner, als ich ahnend ſah,
Hoffend in den Feierſtunden,
Holde Muſe! biſt Du da;
Von den Himmliſchen dort oben,
Wo hinauf die Freundſchaft flieht,
Wo, des Alters uͤberhoben,
Immerheitre Schoͤne bluͤht,
Scheinſt Du mir herabgeſtiegen,
Goͤtterbotin! weilteſt Du
Nun in guͤtigem Genuͤgen
Bei dem Saͤnger immerzu!
Sommerglut und Fruͤhlingsmilde,
Streit und Friede wechſelt hier
Vor dem ſtillen Goͤtterbilde
Wunderbar im Buſen mir;
Zuͤrnend unter Huldigungen,
Hab ich oft beſchaͤmt, beſiegt;
Sie zu faſſen, ſchon gerungen,
Die mein Kuͤhnſtes uͤberfliegt;
Unzufrieden im Gewinne,
Hab' ich ſtolz darob geweint,
Daß zu herrlich meinem Sinne
Und zu maͤchtig ſie erſcheint.
Ach! und deine ſtille Schoͤne,
Heilig holdes Angeſicht!
Herz! an deine Himmelstoͤne
Iſt gewoͤhnt das meine nicht;
Aber deine Melodieen
Heitern maͤhlig mir den Sinn,
Daß die truͤben Traͤume fliehen,
Und ich ſelbſt ein Andrer bin;
Bin ich dazu denn erkoren?
Ich zu deiner hohen Ruh'?
So zu Licht und Luſt geboren,
Goͤttlich Gluͤckliche! wie Du?
Wie Dein Vater und der meine,
Der in heitrer Majeſtaͤt
Ueber ſeinem Eichenhaine
Dort in lichter Hoͤhe geht,
Wie er in die Meereswogen,
Wo die kuͤhle Tiefe baut,
Steigend an des Himmels Bogen,
Klar und ſtillt herunterſchaut,
So will ich aus Goͤtterhoͤhen,
Neu geweiht in ſchoͤn'rem Gluͤck,
Froh zu ſingen und zu ſehen
Nun zu Sterblichen zuruͤck.
Das Ahnenbild.
Alter Vater! Du blickſt immer, wie ehmals, noch,
Da Du gerne gelebt unter den Sterblichen,
Aber ruhiger nur und
Wie die Seligen heiterer,
In die Wohnung, wo Dich Vater! das Soͤhnlein
nennt,
Wo es laͤchelnd vor Dir ſpielt und den Muthwill uͤbt,
Wie die Laͤmmer im Feld', auf
Gruͤnem Teppiche, den zur Luſt
Ihm die Mutter gegoͤnnt. Ferne ſich haltend, ſieht
Ihm die Liebende zu, wundert der Sprache ſchon
Und des jungen Verſtandes
Und des bluͤhenden Auges ſich.
Und an andere Zeit mahnt ſie der Mann, Dein
Sohn,
An die Luͤfte des Mais, da er geſeufzt um ſie,
An die Braͤutigamstage,
Wo der Stolze die Demuth lernt;
Doch es wandte ſich bald. Sicherer, denn er war,
Iſt er, herrlicher iſt unter den Seinigen
Nun der Zweifachgeliebte,
Und ihm gehet ſein Tagewerk.
Stiller Vater! auch Du lebteſt und liebteſt ſo;
Darum wohneſt Du nun, als ein Unſterblicher,
Bei den Kindern, und Segen,
Wie aus Wolken des Himmels, koͤmmt
Oefters uͤber das Haus, ruhiger Mann! von Dir,
Und es mehrt ſich, es reift, edler von Jahr zu Jahr,
In beſcheidenem Gluͤcke,
Was mit Hoffnungen Du gepflanzt.
Die Du liebend erzogſt, ſiehe! ſie gruͤnen Dir,
Deine Baͤume, wie ſonſt, breiten ums Haus den
Arm,
Voll von dankenden Gaben;
Sicher ſtehen die Staͤmme ſchon.
Und am Huͤgel hinab, wo Du den ſonnigen
Boden ihnen gebaut, neigen und ſchwingen ſich
Deine freudigen Reden,
Trunken, purpurner Trauben voll.
Aber unten im Haus ruhet, beſorgt von Dir,
Der gekelterte Wein; theuer iſt der dem Sohn,
Und er ſparet zum Feſt das
Alte, lautere Feuer ſich.
Dann beim naͤchtlichen Mahl, wenn er, in Luſt
und Ernſt,
Von Vergangenem viel, vieles von Kuͤnftigem
Mit den Freunden geſprochen,
Und der letzte Geſang noch hallt,
Haͤlt er hoͤher den Kelch, ſiehet dein Bild und ſpricht:
Deiner denken wir nun, Dein, und ſo werd' und
bleib'
„Ihre Ehre des Hauſes
„Guten Genien, hier und ſonſt!“
Und es toͤnen zum Dank hell die Kryſtalle Dir,
Und die Mutter, ſie reicht heute zum erſtenmal
Daß es wiſſe vom Feſte,
Auch dem Kinde von Deinem Trank.
Der blinde Saͤnger.
Eλυσεν αἰνον ἀχοϛ ἀπ̕ ὀμματων Aϱηϛ
Sophocles.
Wo biſt Du, Jugendliches! das immer mich
Zur Stunde weckt des Morgens, wo biſt Du,
Licht?
Das Herz iſt wach, doch haͤlt und hemmt in
Heiligem Zauber die Nacht mich immer.
Sonſt lauſcht ich um die Daͤmmerung gern, ſonſt
harrt'
Ich gerne Dein am Huͤgel, und nie umſonſt!
Nie taͤuſchten mich, Du Holdes! Deine
Boten, die Luͤfte, denn immer kamſt Du,
Kamſt allbeſeligend den gewohnten Pfad
Herein in Deiner Schoͤne, wo biſt Du Licht?
Das Herz iſt wieder wach, doch bannt und
Hemmt die unendliche Nacht mich immer.
Mir gruͤnten ſonſt die Lauben, es leuchteten
Die Blumen, wie die eignen Augen, mir,
Nicht ferne war das Angeſicht der
Lieben, und leuchtete mir, und droben
Und um die Waͤlder ſah ich die Fittige
Des Himmels fliegen, da ich ein Juͤngling war;
Nun ſitz' ich ſtill allein, von einer
Stunde zur anderen, und Geſtalten
Aus Lieb und Leid der helleren Tage ſchafft,
Zur eignen Freude nun mein Gedanke ſich,
Und ferne lauſch' ich hin, ob nicht ein
Freundlicher Retter vielleicht mir komme.
Dann hoͤr' ich oft den Wagen des Donneres
Am Mittag, wenn der eherne nahe kommt
Und ihm das Haus bebt, und der Boden
Unter ihm droͤhnt, und der Berg es nachhallt.
Den Retter hoͤr' ich dann in der Nacht, ich hoͤr'
Ihn toͤdtend, den Befreier, belebend ihn,
Den Donnerer, vom Untergang zum
Orient eilen und ihm nach toͤnt ihr,
Ihr meiner Seele Saiten! es lebt mit ihm
Mein Geiſt, und wie die Quelle dem Strome folgt,
Wohin er trachtet, ſo geleit' ich
Gerne den Sicheren auf der Irrbahn.
Wohin? wohin? ich hoͤre Dich da und dort,
Du Herrlicher! und rings um die Erde toͤnt's!
Wo endeſt Du? und was, was iſt es
Ueber den Wolken? und o wie wird mir!
Tag! Tag! Du uͤber ſtuͤrzenden Wolken! ſey
Willkommen mir! es bluͤhet mein Auge Dir.
O Jugendlicht! o Gluͤck! das alte
Wieder! doch geiſtiger rinnſt Du nieder,
Du goldner Quell aus heiligem Kelch! und Du,
Du gruͤner Boden! friedliche Wieg'! und Du,
Haus meiner Vaͤter! und ihr Lieben,
Die mir begegneten einſt, o nahet,
O kommt, daß euer, euer die Freude ſey,
Ihr alle! daß euch ſegne der Sehnende!
O nehmt, daß ich's ertrage, mir das
Leben, das Goͤttliche mir vom Herzen!
Dichtermuth.
Sind denn Dir nicht verwandt alle Lebendigen?
Naͤhrt zum Dienſte denn nicht ſelber die Parze
Dich?
Drum! ſo wandle nur wehrlos
Fort durch's Leben und ſorge nicht!
Was geſchiehet, es ſey alles geſegnet Dir,
Sey zur Freude gewandt! oder was koͤnnte denn
Dich beleidigen, Herz! was
Da begegnen, wohin du ſollſt?
Dann, wie ſtill am Geſtad, oder in ſilberner
Fernhintoͤnender Flut, oder auf ſchweigenden
Waſſertiefen der leichte
Schwimmer wandelt, ſo ſind auch wir,
Wir, die Dichter des Volks, gerne wo Lebendes
Um uns athmet und wallt, freudig, und Jedem
hold,
Jedoch trauend, wie ſaͤngen
Sonſt wir Jedem den eignen Gott?
Wenn die Woge denn auch Einen der Muthigen,
Wo er treulich getraut, ſchmeichlend hinunter
zieht,
Und die Stimmen des Saͤngers
Nun in blauender Halle ſchweigt;
Freudig ſtarb er und noch klagen die Einſamen,
Seine Haine, den Fall ihres Geliebteſten;
Oefters toͤnet der Jungfrau
Vom Gezweige ſein freundlich Lied.
Wenn des Abends vorbei Einer der Unſern koͤmmt,
Wo der Bruder ihm ſank, denket er Manches
wohl
An der warnenden Stelle,
Schweigt und gehet getroͤſteter.
Natur und Kunſt
oder
Saturn und Jupiter.
Du walteſt hoch am Tag' und es bluͤhet Dein
Geſetz, Du haͤltſt die Wage, Saturnus Sohn!
Und theilſt die Looſ' und ruheſt froh im
Ruhm der unſterblichen Herrſcherkuͤnſte.
Doch in den Abgrund, ſagen die Saͤnger ſich,
Habſt Du den heil'gen Vater, den eignen, einſt
Verwieſen und es jammern drunten,
Da, wo die Wilden vor Dir mit Recht ſind,
Schuldlos der Gott der goldenen Zeit ſchon laͤngſt,
Einſt muͤhelos, und groͤßer, wie Du, wenn ſchon
Er kein Gebot ausſprach und ihn der
Sterblichen Keiner mit Namen nannte.
Herab denn! oder ſchaͤme des Danks Dich nicht!
Und willſt Du bleiben, diene dem Aelteren
Und goͤnn' es ihm, daß ihn vor Allen,
Goͤttern und Menſchen, der Saͤnger nenne!
Denn, wie aus dem Gewoͤlke Dein Blitz, ſo kommt
Von ihm, was Dein iſt, ſiehe! ſo zeugt von ihm,
Was Du gebeutſt, und aus Saturnus
Frieden iſt jegliche Macht erwachſen.
Und hab' ich erſt am Herzen Lebendiges
Gefuͤhlt und daͤmmert, was Du geſtalteteſt.
Und war in ihrer Wiege mir in
Wonne die wechſelnde Zeit entſchlummert:
Dann kenn' ich Dich, Kronion, dann hoͤr' ich Dich,
Den weiſen Meiſter, welcher, wie wir, ein Sohn
Der Zeit, Geſetze giebt und, was die
Heilige Daͤmmerung birgt, verkuͤndet.
An unſere Dichter.
Des Ganges Ufer hoͤrten des Freudengotts
Triumph, als allerobernd vom Indus her
Der junge Bacchus kam, mit heil'gem
Weine vom Schlafe die Voͤlker weckend.
O weckt, ihr Dichter! weckt ſie vom Schlummer auf,
Die jetzt noch ſchlafen, gebt die Geſetze, gebt
Uns Leben, ſingt, Heroen! ihr nur
Habt der Eroberung Recht, wie Bacchus.
Hoͤlderlin Gedichte. 3
An Eduard.
Euch alten Freunde droben, unſterbliches
Geſtirn! euch frag' ich, Helden! woher es iſt,
Daß ich ſo unterthan ihm bin, und
So der Gewaltige ſein mich nennet?
Denn wenig kann ich bieten, nur weniges
Kann ich verlieren, aber ein liebes Gluͤck,
Ein einziges, zum Angedenken
Reicherer Tage zuruͤck geblieben;
Und ſo er mir's geboͤte, dies Eine noch,
Mein Saitenſpiel, ich wagt' es, wohin er wollt',
Und mit Geſange folgt' ich, ſelbſt in's
Ende der Tapferen ihm hinunter.
„Die Wolke“ — ſaͤng' ich — „traͤnket mit Regen
Dich,
„Du Mutterboden! aber mit Blut der Menſch;
„So ruht, ſo kuͤhlt die Liebe ſich, die
„Droben und drunten nicht Gleiches findet.
„Wo iſt am Tag ihr Zeichen? wo ſpricht das Herz
„Sich aus? o wann im Leben, wann iſt es frei,
„Was unſer Wort nicht nennt, wann wird, was
„Trauert, gebannt in die Nacht, ſein Wunſch
ihm? —
„Jetzt, wann die Opfer fallen, ihr Freunde! jetzt!
„Schon tritt hinzu der feſtliche Zug, ſchon blinkt
„Der Stahl, die Wolke dampft, ſie fallen, und es
„Hallt in der Luft, und die Erde ruͤhmt es!“
Wenn ich ſo ſingend fiele, dann raͤchteſt Du
Mich, mein Achill! und ſpraͤcheſt: „er lebte doch
„Treu bis zuletzt!“ das ernſte Wort, das
Spraͤche mein Feind und der Todtenrichter!
Doch weilen wir in Ruhe, Du Lieber, noch;
Uns birgt der Wald, es haͤlt das Gebirge dort
Das muͤtterliche, noch die beiden
Bruͤder in ſicherem Arm gefangen.
Uns iſt die Weisheit Wiegengeſang; ſie webt
Um's Aug' ihr heilig Dunkel; doch oͤfters koͤmmt
Aus ferne toͤnendem Gewoͤlk die
Mahnende Flamme des Zeitengottes.
Es regt ſein Sturm die Schwingen Dir auf; Dich
ruft,
Dich nimmt der maͤcht'ge Vater hinauf; o nimm
Mich Du, und trage Deine leichte
Beute dem laͤchelnden Gott entgegen!
Der gefeſſelte Strom.
Was ſchlaͤfſt und traͤumſt Du, Juͤngling! gehuͤllt
in Dich,
Und ſaͤumſt am kalten Ufer, Geduldiger,
Und achteſt nicht des Urſprungs, Du, des
Oceans Sohn, des Titanenfreundes?
Die Liebesboten, welche der Vater ſchickt,
Kennſt Du die lebenathmenden Luͤfte nicht?
Und trifft das Wort Dich nicht, das hell von
Oben der wachende Gott Dir ſendet? —
Schon toͤnt, ſchon toͤnt es ihm in der Bruſt! es
quillt,
Wie da er noch im Schooſe der Felſen ſpielt',
Ihm auf; und nun gedenkt er ſeiner
Kraft, der Gewaltige, nun, nun eilt er,
Der Zauderer, er ſpottet der Feſſeln nun,
Und nimmt und bricht und wirft die zerbrochenen
Im Zorne, ſpielend, da und dort zum
Schallenden Ufer; und von der Stimme
Des Goͤtterſohns erwachen die Berge rings,
Es regen ſich die Waͤlder, es hoͤrt die Kluft
Den Herold fern, und ſchaudernd regt im
Buſen der Erde ſich Freude wieder.
Der neue Fruͤhling daͤmmert, es bluͤht um ihn;
Er aber wandelt hin zu Unſterblichen;
Denn nirgend darf er bleiben, als wo
Ihn in die Arme der Vater aufnimmt.
Sonnenuntergang.
Wo biſt Du? trunken daͤmmert die Seele mir
Von aller Deiner Wonne; denn eben iſt's,
Daß ich gelauſcht, wie, goldner Toͤne
Voll, der entzuͤckende Sonnenjuͤngling
Sein Abendlied auf himmliſcher Leyer ſpielt';
Es toͤnten rings die Waͤlder und Huͤgel nach,
Doch fern iſt er zu frommen Voͤlkern,
Die ihn noch ehren, hinweggegangen.
Menſchenbeifall.
Iſt nicht heilig mein Herz, ſchoͤnren Lebens voll,
Seit ich liebe? Warum achtetet ihr mich mehr,
Da ich ſtolzer und wilder,
Wortereicher und leerer war?
Ach! der Menge gefaͤllt, was auf den Marktplatz
taugt,
Und es ehret der Knecht nur den Gewaltſamen;
An das Goͤttliche glauben
Die allein, die es ſelber ſind.
Stimme des Volks.
Du ſeyeſt Gottes Stimme, ſo ahndet' ich
In heil'ger Jugend; ja, und ich ſag' es noch. —
Um meine Weisheit unbekuͤmmert
Rauſchen die Waſſer doch auch, und dennoch
Hoͤr' ich ſie gern, und oͤfters bewegen ſie
Und ſtaͤrken mir das Herz, die Gewaltigen;
Und meine Bahn nicht, aber richtig
Wandeln in's Meer ſie die Bahn hinunter.
Die ſcheinheiligen Dichter.
Ihr kalten Heuchler, ſprecht von den Goͤttern nicht!
Ihr habt Verſtand, ihr glaubt nicht an Helios
Noch an den Donnerer und Meergott;
Todt iſt die Erde, wer mag ihr danken?
Getroſt ihr Goͤtter! zieret ihr doch das Lied,
Wenn ſchon aus euren Namen die Seele ſchwamd,
Und iſt ein großes Wort vonnoͤthen,
Mutter Natur! ſo gedenkt man deiner.
Die Launiſchen.
Hoͤr' ich ferne nur her, wenn ich fuͤr mich geklagt,
Saitenſpiel und Geſang, ſchwingt mir das Herz
doch gleich;
Bald auch bin ich verwandelt,
Blinkſt du, purpurner Wein! mich an
Unter Schatten des Waldes, wo die gewaltige
Mittagsſonne mir ſanft uͤber dem Laube glaͤnzt;
Ruhig ſitz' ich daſelbſt, wenn,
Zuͤrnend ſchwerer Beleidigung,
Ich im Felde geirrt — zuͤrnen zu gerne doch
Deine Dichter, Natur! trauern und weinen leicht,
Die Begluͤckten; wie Kinder,
Die zu zaͤrtlich die Mutter haͤlt,
Sind ſie muͤrriſch und voll herriſchen Eigenſinns;
Wandeln ſtill ſie des Wegs, irret Geringes doch
Bald ſie wieder; ſie reißen
Aus dem Gleiſe ſich ſtraͤubend Dir.
Doch Du ruͤhreſt ſie kaum, Liebende! freundlich an,
Sind ſie friedlich und fromm; froͤhlich gehorchen ſie!
Du lenkſt, Meiſterin! ſie mit
Weichem Zuͤgel, wohin Du willſt.
Der Zeitgeiſt.
Zu lang ſchon walteſt uͤber dem Haupte mir
Du in der dunkeln Wolke, du Gott der Zeit!
Zu wild, zu bang iſt's ringsum, und es
Truͤmmert und wankt ja, wohin ich blicke.
Ach! wie ein Knabe ſeh' ich zu Boden oft,
Such' in der Hoͤhle Rettung vor Dir, und moͤcht,'
Ich Bloͤder, eine Stelle finden,
Alleserſchuͤtt'rer! wo Du nicht waͤreſt.
Laſſ' endlich, Vater! offenen Aug's mich Dir
Begegnen! haſt denn Du nicht zuerſt den Geiſt
Mit Deinem Stral aus mir geweckt? mich
Herrlich an's Leben gebracht, o Vater!
Wohl keimt aus jungen Reben uns heil'ge Kraft;
In milder Luft begegnet den Sterblichen,
Und wenn ſie ſtill im Haine wandeln,
Heiternd ein Gott; doch allmaͤcht'ger weckſt Du
Die reine Seele Juͤnglingen auf, und lehrſt
Die Alten weiſe Kuͤnſte; der Schlimme nur
Wird ſchlimmer, daß er baͤlder ende,
Wenn Du, Erſchuͤtterer! ihn ergreifeſt.
Der Tod fuͤr's Vaterland.
Du kommſt, o Schlacht! ſchon wogen die Juͤnglinge
Hinab von ihren Huͤgeln, hinab in's Thal,
Wo keck herauf die Wuͤrger dringen,
Sicher der Kunſt und des Arms, doch ſichrer
Koͤmmt uͤber ſie die Seele der Juͤnglinge,
Denn die Gerechten ſchlagen, wie Zauberer,
Und ihre Vaterlandsgeſaͤnge
Laͤhmen die Kniee der Ehreloſen.
O nehmt mich, nehmt mich mit in die Reihen auf,
Damit ich einſt nicht ſterbe gemeinen Tods!
Umſonſt zu ſterben, lieb' ich nicht, doch
Lieb' ich, zu fallen am Opferhuͤgel
Fuͤr's Vaterland, zu bluten des Herzens Blut
Fuͤr's Vaterland — und bald iſt's geſcheh'n! Zu euch
Ihr Theuern! komm' ich, die mich leben
Lehrten und ſterben, zu euch hinunter!
Wie oft im Lichte duͤrſtet' ich euch zu ſeh'n,
Ihr Helden und ihr Dichter aus alter Zeit!
Nun gruͤßt ihr freundlich den geringen
Fremdling und bruͤderlich iſt's hier unten.
Des Morgens.
Vom Thaue glaͤnzt der Raſen, beweglicher
Eilt ſchon die wache Quelle; die Birke neigt
Ihr ſchwankes Haupt und im Geblaͤtter
Rauſcht es und ſchimmert; und um die grauen
Gewoͤlke ſtreifen roͤthliche Flammen dort,
Verkuͤndende, ſie wallen geraͤuſchlos auf;
Wie Fluten am Geſtade, wogen
Hoͤher und hoͤher die wandelbaren.
Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu ſchnell,
Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort!
Denn offner fliegt, vertrauter Dir mein
Auge, Du Freudiger! zu, ſo lang Du
In Deiner Schoͤne jugendlich blickſt und noch
Zu herrlich nicht, zu ſtolz mir geworden biſt;
Du moͤchteſt immer eilen, koͤnnt' ich,
Goͤttlicher Wanderer, mit Dir! — doch laͤchelſt
Des frohen Uebermuͤthigen Du, daß er
Dir gleichen moͤchte; ſegne mir lieber dann
Mein ſterblich Thun und heitre wieder,
Guͤtiger! heute den ſtillen Pfad mir!
Abendphantaſie.
Vor ſeiner Huͤtte ruhigem Schatten ſitzt
Der Pfluͤger, dem Genuͤgſamen rauſcht ſein Heerd.
Gaſtfreundlich toͤnt dem Wanderer im
Friedlichen Dorfe die Abendglocke.
Wohl kehren jetzt die Schiffer zum Hafen auch,
In fernen Staͤdten froͤhlich verrauſcht des Markts
Geſchaͤft'ger Laͤrm; in ſtiller Laube
Glaͤnzt das geſellige Mahl den Freunden.
Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen
Von Lohn und Arbeit; wechſelnd in Muͤh' und Ruh'
Iſt alles freudig; warum ſchlaͤft denn
Nimmer nur mir in der Bruſt der Stachel?
Am Abendhimmel bluͤht ein Fruͤhling auf;
Unzaͤhlig bluͤh'n die Roſen und ruhig ſcheint
Die goldne Welt; o dorthin nehmt mich
Purpurne Wolken! und moͤge droben
In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb und Leid! —
Doch, wie verſcheucht von thoͤrichter Bitte, flieht
Der Zauber; dunkel wird's, und einſam
Unter dem Himmel, wie immer, bin ich.
Komm du nun, ſanfter Schlummer! zu viel begehrt
Das Herz; doch endlich, Jugend, vergluͤhſt du ja,
Du ruheloſe, traͤumeriſche!
Friedlich und heiter iſt dann das Alter.
An die Hoffnung.
O Hoffnung! holde! guͤtig geſchaͤftige!
Die du das Haus der Trauernden nicht verſchmaͤhſt,
Und gerne dienend, Edle, zwiſchen
Sterblichen walteſt und Himmelsmaͤchten;
Wo biſt du? wenig lebt' ich, doch athmet kalt
Mein Abend ſchon, und ſtille, den Schatten gleich,
Bin ich ſchon hier; und ſchon geſanglos
Schlummert das ſchauernde Herz im Buſen.
Im gruͤnen Thale, dort, wo der friſche Quell
Vom Berge taͤglich rauſcht, und die liebliche
Zeitloſe mir am Herbſtlicht aufbluͤht,
Dort in der Stille, du Holde, will ich
Dich ſuchen, oder wenn in der Mitternacht
Das unſichtbare Leben im Haine wallt,
Und uͤber mir die immer frohen
Blumen, die ſicheren Sterne, glaͤnzen.
O du, des Aethers Tochter! erſcheine dann
Aus deines Vaters Gaͤrten, und darfſt du nicht,
Mir ſterblich Gluͤck verheißen, ſchreck', o
Schrecke mit anderem nur das Herz mir.
Hoͤlderlin Gedichte. 4
Der Winter.
Jetzt komm und huͤlle, zaubriſcher Phantaſus,
Den zarten Sinn der Frauen in Wolken ein,
In goldne Traͤum' und ſchuͤtze ſie, die
Bluͤhende Ruhe der Immerguten.
Dem Manne laß ſein Sinnen und ſein Geſchaͤft
Und ſeiner Kerze Schein und den kuͤnft'gen Tag
Gefallen, laß des Unmuths ihm, der
Haͤßlichen Sorge zu viel nicht werden,
Wenn jetzt der immerzuͤrnende Boreas,
Mein Erbfeind, uͤber Nacht mit dem Froſt das Land
Befaͤllt, und ſpaͤt, zur Schlummerſtunde,
Spottend der Menſchen, ſein ſchrecklich Lied
ſingt,
Und unſrer Staͤdte Mauern und unſerm Zaun,
Den fleißig wir geſetzt, und den ſtillen Hain
Zerreißt, und ſelber im Geſang die
Seele mir ſtoͤret, der Allverderber.
Und raſtlos tobend uͤber den ſanften Strom
Sein ſchwarz Gewoͤlk ausſchuͤttet, daß weit umher
Das Thal gaͤhrt und, wie fallend Laub, vom
Berſtenden Huͤgel herab der Fels faͤllt.
Wohl frommer iſt, denn andre Lebendige,
Der Menſch; doch zuͤrnt es draußen, gehoͤrt er
auch
Sich eigner an und ſinnt und ruht in
Sicherer Huͤtte, der Freigeborne.
Und immer wohnt der freundlichen Genien
Noch einer gerne ſegnend mit ihm, und wenn
Sie zuͤrnten all', die ungelehr'gen
Geniuskraͤfte, doch liebt die Liebe.
Der gute Glaube.
Schoͤnes Leben! Du liegſt krank und das Herz
iſt mir
Muͤd vom Weinen und ſchon daͤmmert die Furcht
in mir;
Doch, doch kann ich nicht glauben,
Daß Du ſterbeſt, ſo lang Du liebſt.
Ihre Geneſung.
Deine Freundin, Natur! leidet und ſchlaͤft, und du
Allbelebende ſaͤumſt? ach, und ihr heilt ſie nicht
Maͤcht'ge Luͤfte des Aethers,
Nicht ihr Quellen des Sonnenlichts?
Alle Blumen der Erd', alle die froͤhlichen
Schoͤnen Fruͤchte des Hains, heitern ſie alle nicht
Dieſes Leben, ihr Goͤtter,
Das ihr ſelber in Lieb' erzogt?
Ach! ſchon athmet und toͤnt heilige Lebensluſt
Ihr im reizenden Wort wieder, wie ſonſt, und
ſchon
Glaͤnzt das Auge des Lieblings
Freundlich offen, Natur! Dich an.
Abbitte.
Heilig Weſen! geſtoͤrt hab' ich die goldene
Goͤtterruhe Dir oft, und der geheimeren,
Tiefern Schmerzen des Lebens
Haſt Du manche, getrennt von mir.
O vergiß es, vergieb! gleich dem Gewoͤlke dort
Vor dem friedlichen Mond, geh' ich dahin und Du
Ruhſt und glaͤnzeſt in deiner
Schoͤne wieder, du ſuͤßes Licht!
Ehmals und Jetzt.
In juͤngeren Tagen war ich des Morgens froh,
Des Abends weint' ich; jetzt, da ich aͤlter bin,
Beginn' ich zweifelnd meinen Tag, doch
Heilig und heiter iſt mir ſein Ende.
An die Deutſchen.
Spottet ja nicht des Kind's, wenn es mit Peitſch'
und Sporn,
Auf dem Roſſe von Holz, muthig und groß ſich
duͤnkt.
Denn, ihr Deutſchen, auch ihr ſeyd
Thatenarm und gedankenvoll.
Oder koͤmmt, wie der Stral aus dem Gewoͤlke
koͤmmt,
Aus Gedanken die That? Leben die Buͤcher bald?
O ihr Lieben! ſo nehmt mich,
Daß ich buͤße die Laͤſterung!
An die jungen Dichter.
Lieben Bruͤder! es reift unſere Kunſt vielleicht,
Da, dem Juͤnglinge gleich, lange ſie ſchon gegaͤhrt,
Bald zur Stille der Schoͤnheit;
Seyd nur fromm, wie der Grieche war!
Liebt die Goͤtter und denkt freundlich der Sterb-
lichen!
Haßt den Rauſch wie den Froſt! lehrt und be-
ſchreibet nicht!
Wenn der Meiſter euch aͤngſtigt,
Fragt die große Natur um Rath!
Die Kuͤrze.
„Warum biſt du ſo kurz? liebſt du wie vormals
denn
„Nun nicht mehr den Geſang? fand'ſt du als
Juͤngling doch
„In den Tagen der Hoffnung,
„Wenn du ſangeſt, das Ende nie?“
Wie mein Gluͤck iſt mein Lied. — Willſt du im
Abendroth
Froh dich baden? Hinweg iſt's und die Erd' iſt kalt,
Und der Vogel der Nacht ſchwirrt
Unbequem vor das Auge dir.
Sokrates und Alcibiades.
„Warum huldigeſt Du, heiliger Sokrates,
„Dieſem Juͤnglinge ſtets? kennſt Du Groͤß'res
nicht?
„Warum ſiehet mit Liebe,
„Wie auf Goͤtter, Dein Aug' auf ihn?“
Wer das Tiefſte gedacht, liebt das Lebendigſte,
Hohe Tugend verſteht, wer in die Welt geblickt,
Und es neigen die Weiſen
Oft am Ende zum Schoͤnen ſich.
Die Goͤtter.
Du ſtiller Aether! immer bewahrſt du ſchoͤn
Die Seele mir im Schmerz, und es adelt ſih
Zur Tapferkeit vor deinen Stralen,
Helios! oft die empoͤrte Bruſt mir.
Ihr guten Goͤtter! arm iſt, wer euch nicht kennt,
Im rohen Buſen ruhet der Zwiſt ihm nie,
Und Nacht iſt ihm die Welt, und keine
Freude gedeihet und kein Geſang ihm.
Nur ihr, mit euer ewigen Jugend, naͤhrt
In Herzen, die euch lieben, den Kinderſinn,
Und laßt in Sorgen und in Irren
Nimmer den Genius ſich vertrauern.
Empedokles.
Das Leben ſuchſt Du, ſuchſt, und es quillt und
glaͤnzt
Ein goͤttlich Feuer tief aus der Erde Dir,
Und Du in ſchauderndem Verlangen
Wirfſt Dich hinab in des Aetna Flammen.
So ſchmelzt' im Weine Perlen der Uebermuth
Der Koͤnigin; und mochte ſie! Haͤtteſt Du
Nur Deinen Reichthum nicht, o Dichter,
Hin in den gaͤhrenden Kelch geopfert!
Doch heilig biſt Du mir, wie der Erde Macht,
Die Dich hinwegnahm, kuͤhner Getoͤdteter!
Und folgen moͤcht' ich in die Tiefe,
Hielte die Liebe mich nicht, dem Helden.
Der Neckar.
In deinen Thaͤlern wachte mein Herz mir auf
Zum Leben, deine Wellen umſpielten mich,
Und all' der holden Huͤgel, die Dich,
Wanderer! kennen, iſt keiner fremd mir.
Auf ihren Gipfeln loͤste des Himmels Luft
Mir oft der Knechtſchaft Schmerzen; und aus dem
Thal,
Wie Leben aus dem Freudebecher,
Glaͤnzte die blaͤuliche Silberwelle.
Der Berge Quellen eilten hinab zu dir,
Mit ihnen auch mein Herz, und Du nahmſt uns mit
Zum ſtill erhabnen Rhein, zu ſeinen
Staͤdten hinunter und luſt'gen Inſeln. —
Noch duͤnkt die Welt mir ſchoͤn, und das Aug'
entflieht,
Verlangend nach den Reizen der Erde, mir
Zum goldnen Pactol, zu Smyrna's
Ufer, zu Ilions Wald. Auch moͤcht' ich
Bei Sunium oft landen, den ſtummen Pfad
Nach deinen Saͤulen fragen, Olympion!
Noch eh' der Sturmwind und das Alter
Hin in den Schutt der Athenertempel
Und ihrer Gottesbilder auch dich begraͤbt;
Denn lang ſchon einſam ſtehſt du, o Stolz der Welt,
Die nicht mehr iſt. Und o ihr ſchoͤnen
Inſeln Ioniens! wo die Meerluft
Die heißen Ufer kuͤhlt und den Lorbeerwald
Durchſaͤuſelt, wenn die Sonne den Weinſtock waͤrmt.
Ach! wo ein goldner Herbſt dem armen
Volk' in Geſaͤnge die Seufzer wandelt,
Wenn ſein Granatbaum reift, wenn aus gruͤner
Nacht
Die Pomeranze blinkt, und der Maſtirbaum
Von Harze traͤuft, und Pauck' und Cymbel
Zum labyrinthiſchen Tanze klingen.
Zu euch, ihr Inſeln! bringt mich vielleicht, zu euch,
Mein Schutzgott einſt; doch weicht mir aus treuem
Sinn
Auch da mein Neckar nicht mit ſeinen
Lieblichen Wieſen und Uferweiden.
Heidelberg.
Lange lieb' ich Dich ſchon, moͤchte Dich, mir zur Luſt,
Mutter nennen und Dir ſchenken ein kunſtlos Lied,
Du, der Vaterlandsſtaͤdte
Laͤndlich ſchoͤnſte, ſo viel ich ſah.
Wie der Vogel des Walds uͤber die Gipfel fliegt,
Schwingt ſich uͤber den Strom, wo er vorbei Dir
glaͤnzt,
Leicht und kraͤftig die Bruͤcke,
Die von Wagen und Menſchen toͤnt.
Wie von Goͤttern geſandt, feſſelt' ein Zauber einſt,
Auf die Bruͤcke mich an, da ich voruͤber gieng,
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne ſchien.
Und der Juͤngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
Traurig froh, wie das Herz, wenn es, ſich ſelbſt
zu ſchoͤn,
Liebend unterzugehen,
In die Fluten der Zeit ſich wirft.
Quellen hatteſt Du ihm, hatteſt dem Fluͤchtigen
Kuͤhle Schatten geſchenkt, und die Geſtade ſahn
All' ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.
Aber ſchwer in das Thal hieng die gigantiſche
Schickſalskundige Burg, nieder bis auf den Grund
Von den Wettern geriſſen;
Doch die ewige Sonne goß
Ihr verjuͤngendes Licht uͤber das alternde
Rieſenbild, und umher gruͤnte lebendiger
Epheu; freundliche Waͤlder
Rauſchten uͤber die Burg herab.
Straͤuche bluͤhten herab, bis wo im heitern Thal,
An den Huͤgel gelehnt, oder dem Ufer hold,
Deine froͤhlichen Gaſſen
Unter duftenden Gaͤrten ruhn.
Hoͤlderlins Gedichte. 5
Der Main.
(Variation des obigen: der Neckar.)
Wohl manches Land der lebenden Erde moͤcht'
Ich ſehn, und oͤfters uͤber die Berg' enteilt
Das Herz mir und die Wuͤnſche wandern
Ueber das Meer, zu den Ufern, die mir
Vor andern, ſo ich kenne, geprieſen ſind,
Doch lieb iſt in der Ferne nicht eines mir,
Wie jenes, wo die Goͤtterſoͤhne
Schlafen, das trauernde Land der Griechen.
Ach! einmal dort an Suniums Kuͤſte moͤcht'
Ich landen, deine Saͤulen, Olympion!
Erfragen, dort, noch eh der Nordſturm
Hin in den Schutt der Athenertempel
Und ihrer Goͤtterbilder auch dich begraͤbt;
Denn lang ſchon einſam ſtehſt du, o Stolz der Welt,
Die nicht mehr iſt! — und o ihr ſchoͤnen
Inſeln Joͤniens, wo die Luͤfte
Vom Meere kuͤhl, an warme Geſtade wehn,
Wenn unter kraͤft'ger Sonne die Traube reift,
Ach! wo ein goldner Herbſt dem armen
Volk' in Geſaͤnge die Seufzer wandelt,
Wenn die Betruͤbten jetzt ihr Limonenwald,
Und ihr Granatbaum, purpurner Aepfel voll,
Und ſuͤßer Wein und Pauck' und Zithar
Zum labyrinthiſchen Tanze ladet. —
Zu euch vielleicht, ihr Inſeln! geraͤth noch einſt
Ein heimathloſer Saͤnger; denn wandern muß
Von Fremden er zu Fremden und die
Erde, die freie, ſie muß ja leider
Statt Vaterlands ihm dienen, ſo lang er lebt,
Und wenn er ſtirbt — doch nimmer vergeß ich dich,
So fern ich wandre, ſchoͤner Main! und
Deine Geſtade, die vielbegluͤckten.
Gaſtfreundlich nahmſt du, Stolzer! bei dir mich auf
Und heiterteſt das Auge dem Fremdlinge,
Und ſtill hingleitende Geſaͤnge
Lehrteſt du mich und geraͤuſchlos Leben.
O ruhig mit den Sternen, du Gluͤcklicher!
Wallſt du von deinem Morgen zum Abend fort,
Dem Bruder zu, dem Rhein; und dann mit
Ihm in den Ocean freudig nieder!
Ermunterung.
Echo des Himmels! heiliges Herz! warum
Warum verſtummſt du unter den Lebenden,
Schlaͤfſt, freies! von den Goͤtterloſen
Ewig hinab in die Nacht verwieſen?
Wacht denn, wie vormals, nimmer des Aethers
Licht?
Und bluͤht die alte Mutter, die Erde nicht?
Und uͤbt der Geiſt nicht da und dort, nicht
Laͤchelnd die Liebe das Recht noch immer?
Nur du nicht mehr! doch mahnen die Himmliſchen,
Und ſtillebildend weht, wie ein kahl Gefild,
Der Athem der Natur dich an, der
Alleserheiternde, ſeelenvolle.
O Hoffnung! bald, bald ſingen die Haine nicht
Des Lebens Lob allein, denn es iſt die Zeit,
Daß aus der Menſchen Munde ſie, die
Schoͤnere Seele ſich neu verkuͤndet,
Dann liebender im Bunde mit Sterblichen
Das Element ſich bildet, und dann erſt reich,
Bei frommer Kinder Dank, der Erde
Bruſt, die unendliche, ſich entfaltet,
Und unſre Tage wieder, wie Blumen, ſind,
Wo ſie, des Himmels Sonne ſich ausgetheilt
Im ſtillen Wechſel ſieht und wieder
Froh in den frohen das Licht ſich findet,
Und er, der ſprachlos waltet und unbekannt
Zukuͤnftiges bereitet, der Gott, der Geiſt
Im Menſchenwort, am ſchoͤnen Tage
Kommenden Jahren, wie einſt, ſich ausſpricht.
Die Heimath.
Froh kehrt der Schiffer heim an den ſtillen Strom,
Von Inſeln fernher, wenn er geerntet hat;
So kaͤm' auch ich zur Heimath, haͤtt' ich
Guͤter ſo viele, wie Leid, geerntet.
Ihr theuern Ufer, die mich erzogen einſt,
Stillt ihr der Liebe Leiden, verſprecht ihr mir,
Ihr Waͤlder meiner Jugend, wenn ich
Komme, die Ruhe noch einmal wieder?
Am kuͤhlen Bache, wo ich der Wellen Spiel,
Am Strome, wo ich gleiten die Schiffe ſah,
Dort bin ich bald; euch traute Berge,
Die mich behuͤteten einſt, der Heimath
Verehrte ſichre Grenzen, der Mutter Haus;
Und liebender Geſchwiſter Umarmungen
Begruͤß' ich bald, und ihr umſchließt mich,
Daß, wie in Banden, das Herz mir heile,
Ihr treu geblieb'nen! aber ich weiß, ich weiß
Der Liebe Leid, dieß heilet ſo bald mir nicht,
Dieß ſingt kein Wiegenſang, den troͤſtend
Sterbliche ſingen, mir aus dem Buſen.
Denn ſie, die uns das himmliſche Feuer leihn,
Die Goͤtter ſchenken heiliges Leid uns auch,
Drum bleibe dieß. Ein Sohn der Erde
Bin ich; zu lieben gemacht, zu leiden.
Die Liebe.
Wenn ihr Freunde vergeßt, wenn ihr die Euern all',
O ihr Dankbaren, ſie, euere Dichter ſchmaͤht,
Gott vergeb' es, doch ehret
Nur die Seele der Liebenden.
Denn o ſaget, wo lebt menſchliches Leben ſonſt,
Da die knechtiſche jetzt alles, die Sorge, zwingt?
Darum wandelt der Gott auch
Sorglos uͤber dem Haupt uns laͤngſt.
Doch, wie immer das Jahr kalt und geſanglos iſt,
Zur beſchiedenen Zeit, aber aus weißem Feld
Gruͤne Halme doch ſproſſen.
Oft ein einſamer Vogel ſingt.
Wenn ſich maͤhlig der Wald dehnet, der Strom
ſich regt.
Schon die mildere Luft leiſe von Mittag weht
Zur erleſenen Stunde,
So ein Zeichen der ſchoͤnern Zeit,
Die wir glauben, erwaͤchst einzig genuͤgſam nah,
Einzig edel und fromm uͤber dem ehernen,
Wilden Boden die Liebe,
Gottes Tochter, von ihm allein.
Sey geſegnet, o ſey, himmliſche Pflanze, mir
Mit Geſange gepflegt, wenn des aͤtheriſchen
Nektars Kraͤfte Dich naͤhren,
Und der ſchoͤpf'riſche Stral Dich reift.
Wachs' und werde zum Wald! eine beſeeltere,
Voll entbluͤhende Welt! Sprache der Liebenden
Sey die Sprache des Landes,
Ihre Seele der Laut des Volks!
Lebenslauf.
Groͤßeres wollteſt auch du, aber die Liebe zwingt
All' uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,
Und es kehret umſonſt nicht
Unſer Bogen, woher er kommt.
Aufwaͤrts oder hinab! wehet in heil'ger Nacht, ‒
Wo die ſtumme Natur werdende Tage ſinnt,
Weht im nuͤchternen Orkus
Nicht ein liebender Athem auch?
Dieß erfuhr ich. Denn nie, ſterblichen Meiſtern
gleich,
Habt ihr Himmliſchen, ihr Alleserhaltenden,
Daß ich wuͤßte, mit Vorſicht,
Mich des ebenen Pfads gefuͤhrt.
Alles pruͤfe der Menſch, ſagen die Himmliſchen,
Daß er, kraͤftig genaͤhrt, danken fuͤr Alles lern',
Und verſtehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will.
Der Abſchied.
Trennen wollten wir uns? waͤhnten es gut und klug?
Da wirs thaten, warum ſchreckte, wie Mord, die
That?
Ach! wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.
Den verrathen? ach ihn, welcher uns alles erſt,
Sinn und Leben erſchuf, ihn, den beſeelenden
Schutzgott unſerer Liebe,
Dieß, dieß Eine vermag ich nicht.
Aber anderen Fehl denket der Menſchen Sinn,
Andern ehernen Dienſt uͤbt er und anders Recht,
Und es fordert die Seele
Tag fuͤr Tag der Gebrauch uns ab.
Wohl! ich wußt' es zuvor. Seit der gewurzelte
Allentzweiende Haß Goͤtter und Menſchen trennt,
Muß, mit Blut ſie zu ſuͤhnen,
Muß der Liebenden Herz vergehn.
Laß mich ſchweigen! o laß nimmer von nun an mich
Dieſes Toͤdtliche ſehn, daß ich im Frieden doch
Hin ins Einſame ziehe,
Und noch unſer der Abſchied ſey!
Reich die Schale mir ſelbſt, daß ich des rettenden
Heil'gen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
Mit Dir trinke, daß alles
Haß und Liebe vergeſſen ſey!
Hingehn will ich. Vielleicht ſeh' ich in langer Zeit
Diotima! Dich hier. Aber verblutet iſt
Dann das Wuͤnſchen und friedlich
Gleich den Seligen, fremd ſind wir.
Und ein ruhig Geſpraͤch fuͤhret uns auf und ab,
Sinnend, zoͤgernd, doch itzt faßt die Vergeſſenen
Hier die Stelle des Abſchieds,
Es erwarmet ein Herz in uns,
Staunend ſeh' ich dich an, Stimmen und ſuͤßen Sang,
Wie aus voriger Zeit, hoͤr' ich und Saitenſpiel,
Und befreiet in Flammen
Fliegt in Luͤfte der Geiſt uns auf.
Diotima..
Du ſchweigſt und duldeſt, denn ſie verſtehen dich
nicht.
Du edles Leben! ſieheſt zur Erd' und ſchweigſt
Am ſchoͤnen Tag, denn ach! umſonſt nur
Suchſt du die Deinen im Sonnenlichte,
Die Koͤniglichen, welche wie Bruͤder doch,
Wie eines Hains geſellige Gipfel ſonſt
Der Lieb' und Heimath ſich und ihres
Immer umfangenden Himmels freuten.
Des Urſprungs noch in toͤnender Bruſt gedenk;
Die Dankbarn, ſie, ſie mein' ich, die einzig treu
Bis in den Tartarus die Freude
Brachten, die Freien, die Goͤttermenſchen.
Die zaͤrtlich großen Seelen, die nimmer ſind;
Denn ſie beweint, ſo lange das Trauerjahr
Schon dauert, von den vor'gen Sternen
Taͤglich gemahnet, das Herz noch immer.
Und dieſe Todtenklage, ſie ruht nicht aus,
Die Zeit doch heilt. Die Himmliſchen ſind jetzt ſtark,
Sind ſchnell. Nimmt denn nicht ſchon ihr altes
Freudiges Recht die Natur ſich wieder?
Sieh! eh noch unſer Huͤgel, o Liebe, ſinkt,
Geſchieht's und ja! noch ſiehet mein ſterblich Lied
Den Tag, der, Diotima! naͤchſt den
Goͤttern mit Helden dich nennt, und dir gleicht.
Ruͤckkehr in die Heimath.
Ihr milden Luͤfte, Boten Italiens!
Und du mit deinen Pappeln, geliebter Strom!
Ihr wogenden Gebirg'! o all' ihr
Sonnigen Gipfel! ſo ſeyd ihr's wieder.
Du ſtiller Ort! in Traͤumen erſchienſt du fern,
Nach hoffnungsloſem Tage dem Sehnenden,
Und du, mein Haus, und ihr Geſpielen,
Baͤume des Huͤgels, ihr wohlbekannten!
Wie lang' iſt's, o wie lange! des Kindes Ruh'
Iſt hin, und hin iſt Jugend und Lieb' und Gluͤck,
Doch du, mein Vaterland, du Heilig-
Duldendes, ſiehe, du biſt geblieben!
Und darum, daß ſie dulden mit dir, mit dir
Sich freu'n, erziehſt du, Theures! die Deinen auch,
Und mahnſt in Traͤumen, wenn ſie ferne
Schweifen und irren, die Ungetreuen.
Und wenn im heißen Buſen dem Juͤnglinge
Die eigenmaͤcht'gen Wuͤnſche beſaͤnftiget
Und ſtille vor dem Schickſal ſind, dann
Giebt der Gelaͤuterte dir ſich lieber.
Lebt wohl denn, Jugendtage, du Roſenpfad
Der Lieb', und all' ihr Pfade des Wanderers,
Lebt wohl! und nimm und ſegne du mein
Leben, o Himmel der Heimath, wieder!
Hoͤlderlin Gedichte. 6
An die Parzen.
Nur Einen Sommer goͤnnt, ihr Gewaltigen!
Und Einen Herbſt zu reifem Geſange mir,
Daß williger mein Herz, vom ſuͤſſen
Spiele geſaͤttiget, dann mir ſterbe!
Die Seele, der im Leben ihr goͤttlich Recht
Nicht ward, ſie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch iſt mir einſt das Heil'ge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen:
Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenſpiel
Mich nicht hinabgeleitet; Einmal
Lebt' ich, wie Goͤtter, und mehr bedarf's nicht.
Unter den Alpen geſungen.
Heilige Unſchuld, Du der Menſchen und der
Goͤtter liebſte Vertrauteſte! Du magſt im
Hauſe oder draußen ihnen zu Fuͤßen
Sitzen, den Alten,
Immerzufriedener Weisheit voll; denn manches
Gute kennet der Mann, doch ſtaunet er dem
Wild gleich, oft zum Himmel, aber wie rein iſt,
Reine, Dir alles!
Siehe! das rauhe Thier des Feldes, gerne
Dient und trauet es Dir, der ſtumme Wald ſpricht
Wie vor Alters, ſeine Spruͤche zu Dir, es
Lehren die Berge
Heil'ge Geſetze Dich, und was noch jetzt uns
Vielerfahrenen, offenbar der große
Vater werden heißt, Du darfſt es allein uns
Helle verkuͤnden.
So mit den Himmliſchen allein zu ſeyn, und
Geht voruͤber das Licht, und Strom und Wind, und
Zeit eilt ſie zum Ort, vor ihnen ein ſtetes
Auge zu haben,
Seliger weiß und wuͤnſch' ich nichts, ſo lange
Nicht auch mich, wie die Winde, fort die Flut nimmt,
Daß wohl aufgehoben, ſchlafend dahin ich
Muß in den Wogen;
Aber es bleibt daheim gern, wer in treuem
Buſen Goͤttliches haͤlt, und frei will ich, ſo
Lang ich darf, euch all' ihr Sprachen des Himmels!
Deuten und ſingen.
Der Menſch.
Fragment.
Kaum ſproßten aus den Waſſern, o Erde, dir
Der alten Berge Gipfel; und dufteten,
Voll junger Waͤlder, durch die Mailuft,
Ueber den Ocean hin, luſtathmend,
Die erſten gruͤnen Inſeln; und freudig ſah
Des Sonnengottes Auge die Erſtlinge,
Die Baͤum und Blumen, ſeiner Jugend
Laͤchelnde Kinder, aus Dir geboren.
Da auf den Inſeln ſchoͤnſten,
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lag unter Trauben einſt, nach lauer
Nacht, in der daͤmmernden Morgenſtunde,
Geboren dir, o Erde, dein ſchoͤnſtes Kind;
Und auf zum Vater Helios ſieht bekannt
Der Knab' und weiht und waͤhlt, die ſuͤſſen
Beere verſuchend, die heil'ge Rebe
Zur Amme ſich. Und bald iſt er groß; ihn ſcheun
Die Thiere, denn ein Anderer iſt, wie ſie,
Der Menſch; nicht dir und nicht dem Vater
Gleicht er . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ach! darum treibt ihn, Erde! vom Herzen dir
Sein Uebermuth, und deine Geſchenke ſind
Umſonſt, die zaͤrtlichen, zu hoch ſchlaͤgt
Immer und immer der ſtolze Buſen.
Von ſeines Ufers duftender Wieſe muß
Ins bluͤthenloſe Waſſer hinaus der Menſch,
Und glaͤnzte auch, wie die Sternennacht, von
Goldenen Fruͤchten ſein Hain, doch graͤbt er
Sich Hoͤhlen in den Bergen und ſpaͤht im Schacht,
Von ſeines Vaters heiligem Strale fern,
Dem Sonnengott auch ungetreu, der
Knechte nicht liebt und der Sorgen ſpottet.
Ach! freier athmen Voͤgel des Walds, wenn ſchon
Des Menſchen Bruſt ſich wilder und ſtolzer hebt,
Sein Trotz wird Angſt, und ſeines Friedens
Blume, die zaͤrtliche, bluͤht nicht lange.
Emilie
vor ihrem Brauttag.
Emilie an Klara.
Ich bin im Walde mit dem Vater draus
Geweſen, dieſen Abend, auf dem Pfade,
Du kenneſt ihn, vom vor'gen Fruͤhlinge.
Es bluͤhten wilde Roſen nebenan,
Und von der Felswand uͤberſchattet' uns
Der Eichenbuͤſche ſonnenhelles Gruͤn;
Und oben durch der Buchen Dunkel quillt
Das klare fluͤchtige Gewaͤſſer nieder.
Wie oft, du Liebe! ſtand ich dort und ſah
Ihm nach aus ſeiner Baͤume Daͤmmerung
Hinunter in die Ferne, wo zum Bach
Es wird, zum Strome, ſehnte mich mit ihm
Hinaus — wer weiß wohin?
Das haſt du oft
Mir vorgeworfen, daß ich immerhin
Abweſend bin mit meinem Sinne, haſt
Mir's oft geſagt, ich habe bei den Menſchen
Kein friedlich Bleiben nicht, verſchwende
Die Seele an die Luͤfte, lieblos ſey
Ich oͤfters bei den Meinen. Gott! ich lieblos?
Wohl mag es freudig ſeyn und ſchoͤn, zu bleiben,
Zu ruhn in einer lieben Gegenwart,
Wenn eine große Seele, die wir kennen,
Vertraulich nahe waltet uͤber uns,
Sich um uns ſchließt, daß wir, die Heimatloſen,
Doch wiſſen, wo wir wohnen.
Gute! Treue!
Doch haſt Du recht. Biſt denn Du nicht mir eigen?
Und hab' ich ihn den theuern Vater nicht,
Den Heiligjugendlichen, Vielerfahrnen,
Der, wie ein ſtiller Gott auf dunkler Wolke,
Verborgenwirkend uͤber ſeiner Welt
Mit freiem Auge ruht? und wenn er ſchon
Ein Hoͤher's weiß, und ich des Mannes Geiſt
Nur ahnen kann, doch ehrt er liebend mich,
Und nennt mich ſeine Freude, ja! und oft
Giebt eine neue Seele mir ſein Wort.
Dann moͤcht' ich wohl den Segen, den er gab,
Mit Einem, das ich liebte, gerne theilen.
Und bin allein — ach! ehmals war ich's nicht!
Mein Eduard! mein Bruder! denkſt du ſein
Und denkſt du noch der frommen Abende,
Wenn wir im Garten oft zuſammenſaßen
Nach ſchoͤnem Sommertage, wenn die Luft
Um unſre Stille freundlich athmete,
Und uͤber uns des Aethers Blumen glaͤnzten?
Wenn von den Alten er, den Hohen! uns
Erzaͤhlte, wie in Freude ſie und Freiheit
Aufſtrebten, ſeine Meiſter? Toͤnender
Hub dann aus ſeiner Bruſt die Stimme ſich,
Und zuͤrnend war und liebend oft voll Thraͤnen
Das Auge meinem Stolzen; ach! den letzten
Der Abende, wie nun, da Großes ihm
Bevorſtand, ruhiger der Juͤngling war,
Noch mit Geſaͤngen, die wir gerne hoͤrten,
Und mit der Zither uns die Trauernden
Vergnuͤgt'!
Ich ſeh' ihn immer, wie er gieng.
Nie war er ſchoͤner kuͤhn, die Seele glaͤnzt'
Ihm auf der Stirne, dann voll Andacht trat
Er vor den alten Vater. Kann ich Gluͤck
Von dir empfangen! ſprach er, heil'ger Mann!
So wuͤnſche lieber mir das groͤßte, denn
Ein anderes! und betroffen ſchien der Vater.
Wenn's ſeyn ſoll, wuͤnſch' ich dir's, antwortet' er.
Ich ſtand beiſeit, und wehemuͤthig ſah
Der Scheidende mich an und rief mich laut;
Mir bebt' es durch die Glieder, und er hielt
Mich zaͤrtlich feſt, in ſeinen Armen ſtaͤrkte
Der Starke mir das Herz, und da ich aufſah
Nach meinem Lieben, war er fortgeeilt.
„Ein edel Volk iſt hier auf Korſika;“
Schrieb freudig er im letzten Briefe mir,
„Wie wenn ein zahmer Hirſch zum Walde kehrt
„Und ſeine Bruͤder trifft, ſo bin ich hier,
„Und mir bewegt im Maͤnnerkriege ſich
„Die Bruſt, daß ich von allem Weh geneſe.
„Wie lebſt Du, theure Seele! und der Vater?
„Hier unter frohem Himmel, wo zu ſchnell
„Die Fruͤhlinge nicht altern, und der Herbſt
„Aus lauer Luft die goldnen Fruͤchte ſtreut.
„Auf dieſer guten Inſel werden wir
„Uns wiederſehen; dieß iſt meine Hoffnung.
„Ich lobe mir den Feldherrn. Oft im Traum'
„Hab' ich ihn faſt geſehen, wie er iſt,
„Mein Paoli, noch eh' er freundlich mich
„Empfing und zaͤrtlich vorzog, wie der Vater
„Den Juͤngſtgebornen, der es mehr bedarf.
„Und ſchaͤmen muß ich vor den andern mich,
„Den furchtbarſtillen, ernſten Juͤnglingen.
„Sie duͤnken traurig dir bei Ruh und Spiel;
„Unſcheinbar ſind ſie, wie die Nachtigall,
„Wenn von Geſang ſie ruht; am Ehrentag'
„Erkennſt Du ſie. Ein eigen Leben iſt's! —
„Wenn mit der Sonne wir, mit heil'gem Lied'
„Heraufgehn uͤbern Huͤgel, und die Fahnen
„In's Thal hinab im Morgenwinde wehn,
„Und drunten auf der Ebne fernher ſich,
„Ein gaͤhrend Element, entgegen uns
„Die Menge regt und treibt, da fuͤhlen wir
„Frohlockender, wie wir uns herrlich lieben;
„Denn unter unſern Zelten und auf Wogen
„Der Schlacht begegnet uns der Gott, der uns
„Zuſammenhaͤlt.
„Wir thun, was ſich gebuͤhrt,
„Und fuͤhren wohl das edle Werk hinaus.
„Dann kuͤßt ihr noch den heimathlichen Boden,
„Den trauernden, und kommt und lebt mit uns,
„Emilie! — Wie wird's dem alten Vater
„Gefallen, bei den Lebenden noch Einmal
„Zum Juͤngling aufzuleben und zu ruhn
„In unentweihter Erde, wenn er ſtirbt.
„Denkſt du des troͤſtenden Geſanges noch,
„Emilie, den ſeiner theuern Stadt
„In ihrem Fall der ſtille Roͤmer ſang, Horaz Epod. 16, v. 39 sqq.
„Noch hab' ich Einiges davon im Sinne.
„Klagt nicht mehr! kommt in neues Land! ſo
ſagt' er.
„Der Ocean, der die Gefild' umſchweift,
„Erwartet uns. Wir ſuchen ſelige
„Gefilde, reiche Inſeln, wo der Boden
„Noch ungepfluͤgt die Fruͤchte jaͤhrlich giebt,
„Und unbeſchnitten noch der Weinſtock bluͤht,
„Wo der Olivenzweig nach Wunſche waͤchſt,
„Und ihren Baum die Feige keimend ſchmuͤckt,
„Wo Honig rinnt aus hohler Eich' und leicht
„Gewaͤſſer rauſcht von Bergeshoͤhe. Noch Manches
„Bewundern werden wir, die Gluͤcklichen.
„Es ſparte fuͤr ein frommes Volk Saturnus Sohn
„Dieß Ufer auf, da er die goldne Zeit
„Mit Erze miſchte. — Lebe wohl, du Liebe!“
Der Edle fiel des Tags darauf im Treffen
Mit ſeiner Liebſten Einem, ruht mit ihm
In Einem Grab!
In deinem Schooſe ruht
Er, ſchoͤnes Korſika! und deine Waͤlder
Umſchatten ihn, und deine Luͤfte wehn
Am milden Herbſttag freundlich uͤber ihm,
Dein Abendlicht vergoldet ſeinen Huͤgel.
Ach! dorthin moͤcht' ich wohl, doch haͤlf' es nicht.
Ich ſucht' ihn, ſo wie hier. Ich wuͤrde faſt
Dort weniger, wie hier, mich ſein entwoͤhnen.
So wuchs ich auf mit ihm, und weinen muß ich
Und laͤcheln, denk' ich, wie mir's ehmals oft
Beſchwerlich ward, dem Wilden nachzukommen,
Wenn nirgend er beim Spiele bleiben wollte.
Nun biſt du dennoch fort und laͤſſeſt mich
Allein, du Lieber! und ich habe nun
Kein Bleiben auch, und meine Augen ſehn
Das Gegenwaͤrtige nicht mehr, o Gott!
Und mit Phantomen peiniget und troͤſtet
Nun meine Seele ſich, die einſame.
Das weißt du, gutes Maͤdchen! nicht, wie ſehr
Ich unvernuͤnftig bin. Ich will dir's all'
Erzaͤhlen. Morgen! Mich beſucht doch immer
Der ſuͤße Schlaf, und wie die Kinder bin ich,
Die beſſer ſchlummern, wenn ſie ausgeweint.
Emilie an Klara.
Der Vater ſchwieg im Leide tagelang,
Da er's erfuhr; und ſcheuen mußt' ich mich,
Mein Weh ihm ſehn zu laſſen; lieber gieng
Ich dann hinaus zum Huͤgel und das Herz
Gewoͤhnte mir zum freien Himmel ſich.
Ich tadelt' oft ein wenig mich daruͤber,
Daß nirgend mehr im Hauſe mirs gefiel.
Vergnuͤgt mit Allem war ich ehmals da,
Und leicht war Alles mir. Nun aͤngſtigt es
Mich oft; noch trieb ich mein Geſchaͤft, doch leblos,
Bis in die Seele ſtumm in meiner Trauer.
Es war, wie in der Schattenwelt, im Hauſe.
Der ſtille Vater und das ſtumme Kind!
Wir wollen fort auf eine Reiſe, Tochter!
Sagt' eines Tags mein Vater und wir giengen,
Und kamen dann zu Dir. In dieſem Land',
An deines Nekars friedlichſchoͤnen Ufern,
Da daͤmmert eine ſtille Freude mir
Zum erſtenmale wieder auf. Wie oft
Im Abendlichte ſtand ich auf dem Huͤgel
Mit dir, und ſah das gruͤne Thal hinauf,
Wo zwiſchen Bergen, da die Rebe waͤchſt,
An manchem Dorf voruͤber, durch die Wieſen
Zu uns herab, von luft'ger Weid' umkraͤnzt,
Das goldne ruhige Gewaͤſſer wallte!
Mir bleibt die Stelle lieb, wo ich gelebt.
Ihr heiter freien Ebenen des Mains,
Ihr reichen, bluͤhenden! wo nahe bald
Der frohe Strom, des ſtolzen Vaters Liebling,
Mit offnem Arm' ihn gruͤßt, den alten Rhein!
Auch ihr! Sie ſind wie Freunde mir geworden,
Und aus der Seele mir vergehen ſoll
Kein frommer Dank, und trag' ich Leid im Buſen,
So ſoll mir auch die Freude lebend bleiben.
Erzaͤhlen wollt' ich dir, doch hell iſt nie
Das Auge mir, wenn deſſen ich gedenke;
Vor ſeinen kindiſchen, geliebten Traͤumen
Bebt immer mir das Herz.
Wir reiſten dann
Hinein in andre Gegenden, ins Land
Des Varusthals, dort bei den dunkeln Schatten
Der wilden, heil'gen Berge lebten wir,
Die Sommertage durch, und ſprachen gern
Von Helden, die daſelbſt gewohnt, und Goͤttern.
Noch giengen wir des Tages, ehe wir
Vom Orte ſchieden, in den Eichenwald
Des herrlichen Gebirgs hinaus, und ſtanden
In kuͤhler Luft auf hoher Heide nun.
„Hier unten in dem Thale ſchlafen ſie
„Zuſammen, ſprach mein Vater, lange ſchon,
„Die Roͤmer mit den Deutſchen, und es haben
„Die Freigebornen ſich, die ſtolzen, ſtillen,
„Im Tode mit den Welteroberern
„Verſoͤhnt, und Großes iſt und Groͤßeres
„Zuſammen in der Erde Schoos gefallen.
„Wo ſeyd ihr, meine Todten all'? Es lebt
„Der Menſchengenius, der Sprache Gott,
„Der alte Braga noch, und Hertha gruͤnt
„Noch immer ihren Kindern, und Walhalla
„Blaut uͤber uns, der heimathliche Himmel;
„Doch euch, ihr Heldenbilder, find' ich nicht.“
Ich ſah hinab und leiſe ſchauerte
Mein Herz und bei den Starken war mein Sinn,
Den Guten, die hier unten vormals lebten.
Jetzt ſtand ein Juͤngling, der, uns ungeſehen,
Am einſamen Gebuͤſch beiſeit geſeſſen,
Nicht ferne von mir auf. O Vater! mußt'
Ich rufen, das iſt Eduard! — Du biſt
Nicht klug, mein Kind! erwiedert er und ſah
Den Juͤngling an; es mocht' ihn wohl auch treffen,
Er faßte ſchnell mich bei der Hand und zog
Mich weiter. Einmal mußt' ich noch mich umſehn.
Derſelbe wars und nicht derſelbe! Stolz und groß,
Und Aug' und Stirn' und Locke; ſchaͤrfer blickt'
Er nur, und um die ſeelenvolle Miene
War, wie ein Schleier, ihm ein ſtiller Ernſt
Gebreitet. Und er ſah mich an. Es war,
Als ſagt' er, gehe nur auch du, ſo geht
Mir alles hin, doch duld' ich aus und bleibe.
Wir reisten noch deſſelben Abends ab,
Und langſamtraurig fuhr der Wagen weiter
Und weiter durchs unwegſame Gebirg.
Es wechſelten in Nebel und in Regen
Der Baͤum' und des Gebuͤſches dunkle Bilder
Im Walde nebenan. Der Vater ſchlief,
In dumpfem Schmerze traͤumt' ich hin, und kaum
Nur eben noch, die lange Zeit zu zaͤhlen,
War mir die Seele wach.
Ein ſchoͤner Strom
Erweckt' ein wenig mir das Aug'; es ſtanden
Im breiten Boot die Schiffer am Geſtad';
Die Pferde traten folgſam in die Faͤhre,
Und ruhig ſchifften wir. Erheitert war
Die Nacht, und auf die Wellen leuchtet'
Und Huͤtten, wo der fromme Landmann ſchlief,
Aus blauer Luft das ſtille Mondlicht nieder;
Und alles duͤnkte friedlich mir und ſorglos,
In Schlaf geſungen von des Himmels Sternen.
Hoͤlderlin Gedichte. 7
Und ich ſollt' ohne Ruhe ſeyn von nun an,
Verloren ohne Hoffnung mir an Fremdes
Die Seele meiner Jugend! Ach! ich fuͤhlt'
Es jetzt, wie es geworden war mit mir.
Dem Adler gleich, der in der Wolke fliegt,
Erſchien und ſchwand mir aus dem Auge wieder,
Und wieder mir des hohen Fremdlings Bild,
Daß mir das Herz erbebt' und ich umſonſt
Mich faſſen wollte. Schliefſt du gut, mein Kind!
Begruͤßte nun der gute Vater mich,
Und gerne wollt' ich auch ein Wort ihm ſagen.
Die Thraͤnen doch erſtickten mir die Stimme,
Und in den Strom' hinunter mußt' ich ſehn,
Und wußte nicht, wo ich mein Angeſicht
Verbergen ſollte.
Gluͤckliche! die du
Dieß nie erfahren, uͤberhebe mein
Dich nicht. Auch du, und wer von allen mag
Sein eigen bleiben unter dieſer Sonne?
Oft meint' ich ſchon, wir leben nur, zu ſterben,
Uns opfernd hinzugeben fuͤr ein Anders.
O ſchoͤn zu ſterben, edel ſich zu opfern,
Und nicht ſo fruchtlos, ſo vergebens, Liebe!
Das mag die Ruhe der Unſterblichen
Dem Menſchen ſeyn.
Bedaure du mich nur!
Doch tadeln, Gute, ſollſt du mir es nicht!
Nennſt du ſie Schatten, jene, die ich liebe?
Da ich kein Kind mehr war, da ich ins Leben
Erwachte, da aufs neu mein Auge ſich
Dem Himmel oͤffnet' und dem Licht, da ſchlug
Mein Herz dem Schoͤnen; und ich fand es noch;
Wie ſoll ichs nennen, nun es nicht mehr iſt
Fuͤr mich? O laßt! Ich kann die Todten lieben,
Die Fernen; und die Zeit bezwingt mich nicht.
Mein oder nicht! du biſt doch ſchoͤn, ich diene
Nicht Einem, was der Stunde nur gefaͤllt,
Dem Taͤglichen gehoͤr ich nicht; es iſt
Ein Anders, was ich lieb'; unſterblich
Iſt, was du biſt, und du bedarfſt nicht meiner,
Damit du groß und gut und liebenswuͤrdig
Und herrlich ſeyſt, du edler Genius!
Laßt nur mich ſtolz in meinem Leide ſeyn,
Und zuͤrnen, wenn ich ihn verlaͤugnen ſoll;
Bin ich doch ſonſt geduldig, und nicht oft
Aus meinem Munde koͤmmt ein Maͤnnerwort.
Demuͤthigt michs doch ſchon genug, daß ich,
Was ich dir lang verborgen, nun geſagt.
Emilie an Klara.
Wie dank' ich dir, du Liebe, daß du mir
Vertrauen abgewonnen, daß ich dir
Mein ſtill Geheimniß ausgeſprochen.
Ich bin nun ruhiger ‒ wie nenn' ichs dir?
Und an die ſchoͤnen Tage denk' ich, wenn ich oft
Hinaus ging mit dem Bruder, und wir oben
Auf unſerm Huͤgel beieinander ſaßen,
Und ich den Lieben bei den Haͤnden hielt,
Und mirs gefallen ließ am offnen Feld'
Und an der Straß', und ins Gewoͤlb' hinauf
Des gruͤnen Ahorns ſtaunt', an dem wir lagen.
Ein Sehnen war in mir, doch war ich ſtill.
Es bluͤhten uns der erſten Hoffnung Tage,
Die Tage des Erwachens.
Holde Daͤmm'rung!
So ſchoͤn iſts, wenn die guͤtige Natur
Ins Leben lockt ihr Kind. Es ſingen nur
Den Schlummerſang am Abend unſre Muͤtter.
Sie brauchen nie das Morgenlied zu ſingen.
Dieß ſingt die andre Mutter uns, die gute;
Die wunderbare, die uns Lebensluſt
In unſern Buſen athmet, uns mit ſuͤßen
Verheißungen erweckt.
Wie iſt mir, Liebe!
Ich kann an Jugend heute nur, und nur
An Jugend denken.
Sieh! ein heitrer Tag
Iſts eben auch. Seit fruͤhem Morgen ſitz' ich
Am lieben Fenſter, und es wehn die Luͤfte,
Die zaͤrtlichen, herein, mir blickt das Licht
Durch meine Baͤume, die zu nahe mir
Gewachſen ſind, und maͤhlig mit den Bluͤthen
Das ferne Land verhuͤllen, daß ich mich
Beſcheiden muß, und hie und da noch kaum
Hinaus mich find' aus dieſem freundlichen
Gefaͤngniß! und es fliegen uͤber ihnen
Die Schwalben und die Lerchen, und es ſingen
Die Stunde durch genug die Nachtigallen,
Und wie ſie heißen, all die Lieblinge
Der ſchoͤnen Jahrszeit; eigne Namen moͤcht'
Ich ihnen geben, und den Blumen auch,
Den ſtillen, die aus dunklem Beete duften,
Zu mir herauf wie junge Sterne glaͤnzend.
Und wie es lebt und gluͤcklich iſt im Wachsthum,
Und ſeiner Reiſe ſich entgegen freut!
Es findet jedes ſeine Stelle doch,
Sein Haus, die Speiſe, die das Herz ihm ſaͤttigt,
Und jedes ſegneſt du mit eignem Segen,
Natur! und giebſt dich ihnen zum Geſchaͤft,
Und traͤgſt und naͤhrſt zu ihrer Bluͤthenfreud'
Und ihrer Frucht ſie fort, du guͤtige!
Und klagteſt du doch oͤfters, trauernd Herz!
Vergaßeſt mir den Glauben, dankteſt nicht,
Und dachteſt nicht, wenn dir dein Thun zu wenig
Bedeuten wollt', es ſey ein frommes Opfer,
Das du, wie andre, vor das Leben bringeſt,
Wohl meinend, wie der Lerche Lied, das ſie
Den Luͤften ſingt, den freudegebenden. —
Nun geh' ich noch hinaus und hole Blumen,
Dem Vater aus dem Feld', und bind' ihm ſie
In Einen Straus, die drunten in dem Garten,
Und die der Bach erzog; ich wills ſchon richten,
Daß ihm's gefallen ſoll. Und dir? dir bring' ich
Genug des Neuen. Da iſt's immer anders.
Jetzt bluͤhn die Weiden; jetzt vergolden ſich
Die Wieſen; jetzt beginnt der Buche Gruͤn,
Und jetzt der Eiche ‒ nun! leb' wohl indeſſen!
Emilie an Klara.
Ihr Himmliſchen! das war er. Kannſt du mir
Es glauben? ‒ Beſte! ‒ waͤrſt du bei mir! ‒ Er!
Der Hohe, der Gefuͤrchtete, Geliebte! ‒
Mein bebend Herz, haſt du ſo viel gewollt?
Da gieng ich ſo zuruͤck mit meinen Blumen,
Sah auf den Pfad, den abendroͤthlichen,
In meiner Stille nieder, und es ſchlief
Mir ſanft im Buſen das Vergangene,
Ein kindlich Hoffen athmete mir auf;
Wie wenn uns zwiſchen ſuͤßem Schlaf und Wachen
Die Augen halb geoͤffnet ſind, ſo war
Ich Blinde. Sieh! da ſtand er vor mir mein
Heroe und ich Arme war, wie todt,
Und ihm, dem Bruͤderlichen, uͤberglaͤnzte
Das Angeſicht, wie einem Gott, die Freude.
„Emilie!“ — das war ſein frommer Gruß,
Ach! alles Sehnen weckte mir und all
Das liebe Leiden, ſo ich eingewiegt,
Der goldne Ton des Juͤnglings wieder auf!
Nicht aufſehn durft' ich! keine Sylbe durft'
Ich ſagen! O, was haͤtt' ich ihm geſagt!
Was mein' ich denn, du Gute? — laß mich nur!
Nun darf ich ja, nun iſts ſo thoͤricht nimmer,
Und ſchoͤn iſt's, wenn der Schmerz mit ſeiner
Schweſter
Der Wonne ſich verſoͤhnt, noch eh' er weggeht.
O Wiederſehn! das iſt noch mehr, du Liebe!
Als wenn die Baͤume wieder bluͤhn, und Quellen
Von neuem froͤhlich rauſchen —
Ja! ich hab'
Ihn oft geſucht und ernſtlich oft es mir
Verſagt, doch wollt' ich ſein Gedaͤchtniß ehren.
Die Bilder der Geſpielen, die mit mir
Auf gruͤner Erd' in ſtummer Kindheit ſaßen,
Sie daͤmmern ja um meine Seele mir,
Und dieſer edle Schatte, ſollt' er nicht?
Das Herz im Buſen, das unſterbliche,
Kann nicht vergeſſen, ſieh! und oͤfters bringt
Ein guter Genius die Liebenden
Zuſammen, daß ein neuer Tag beginnt,
Und ihren Mai die Seele wieder feiert.
O wunderbar iſt mir! auch er! — daß du
Hinunter mußteſt, Lieber! ehe dir
Das deine ward, und dich die frohe Braut
Zum Maͤnnerruhme ſegnete! Doch ſtarbſt
Du ſchoͤn, und oft hab' ich gehoͤrt, es fallen
Die Lieblinge des Himmels fruͤh, damit
Sie ſterblich Gluͤck und Leid und Alter nicht
Erfahren. Nimmermehr vergeſſ' ich dich,
Und ehren ſoll er dich. Dein Bild will ich
Ihm zeigen, wenn er koͤmmt; und wenn der Stolze
Sich dann verwundert, daß er ſich bei mir
Gefunden, ſag' ich ihm, es ſey ein Andrer,
Und den er lieben muͤſſe. O er wirds!
Emilie an Klara.
Da ſchrieb er mir. Ja theures Herz! er iſts,
Den ich geſucht. Wie dieſer Juͤngling mich
Demuͤthiget und hebt! Nun! lies es nur!
„So biſt du's wieder und ich habe dich
„Gegruͤßt, gefunden, habe dich noch Einmal
„In deiner frommen Ruh' geſtoͤrt, du Kind
„Des Himmels! — Nein, Emilie! du kannteſt
„Mich ja. Ich kann nicht fragen. Wir ſind's,
„Die Laͤngſtverwandten, die der Gott getraut,
„Und bleiben wird es, wie die Sonne droben.
„Ich bin voll Freude, ſchoͤne Seele! bin
„Der neuen Melodien ungewohnt.
„Es iſt ein anders Lied, als jenes, ſo
„Dem Juͤnglinge die Parze lehrend ſingt,
„Bis ihm, wie Wohllaut, ihre Weiſe toͤnt;
„Dann goͤnnt ſie ihm, du Friedliche! von dir
„Den ſuͤßern Ton, den liebſten, einzigen,
„Zu hoͤren. Mein? o ſieh! du wirſt in Luſt
„Die Muͤhe mir, und, was mein Herz gebeut,
„Du wirſt es all in heilge Liebe wandeln.
„Und hab' ich mit Unmoͤglichem gerungen,
„Und mir die Bruſt zu Treu und Ruh gehaͤrtet,
„Du waͤrmeſt ſie mit frommer Hoffnung mir,
„Daß ſie vertrauter mit dem Siege ſchlaͤgt.
„Und wenn das Urbild, das, wie Morgenlicht,
„Mir aus des Lebens dunkler Wolke ſtieg,
„Das Himmliſche, mir ſchwindet, ſeh' ich dich,
„Und, eine ſchoͤne Goͤtterbotin, mahnſt
„Du laͤchelnd mich an meinen Phoͤbus wieder;
„Und wenn ich zuͤrne, ſaͤnftigeſt du mich.
„Dein Schuͤler bin ich dann, und lauſch' und lerne.
„Von deinem Munde nehm' ich, Zauberin
„Des Ueberredens ſuͤße Gabe mir,
„Daß ſie die Geiſter freundlich mir bezwingt;
„Und wenn ich ferne war von dir, und wund
„Und muͤd dir wiederkehre, heilſt du mich,
„Und ſingſt in Ruhe mich, du holde Muſe!
„Emilie! daß wir uns wiederſahn!
„Daß wir uns einſt gefunden, und du nun
„Mich nimmer fliehſt, und nahe biſt! Zu gern
„Zu gern entwich dein ſtolzes Bild dem Wandrer,
„Das zarte, reine, da du ferne warſt,
„Du Heiligſchoͤnes! doch ich ſah dich oft,
„Wenn ich des Tags allein die Pfade gieng,
„Und Abends in der fremden Huͤtte ſchwieg.
„O heute! gruͤße, wenn du willſt, den Vater!
„Ich kenn' ihn wohl; auch meinen Namen kennt er;
„Und ſeiner Freunde Freund bin ich. Ich wußte nicht,
„Daß er es war, da wir zuerſt einander
„Begegneten, und lang erfuhr ich's nicht.
„Bald gruͤß' ich ſchoͤner dich. — Armenion.“
Emilie an Klara.
Er woll' ihn morgen ſprechen, ſagte mir
Mein Vater, morgen! und er ſchien nicht freundlich.
Nun ſitz' ich hier und meine Augen ruhn
Und ſchlummern nicht; — ach! ſchaͤmen muß ich mich,
Es dir zu klagen, — will ich ſtille werden,
So regt ein Laut mich auf; ich ſinn' und bitte,
Und weiß nicht, was? und ſagen moͤcht' ich viel,
Doch iſt die Seele ſtumm; — o fragen moͤcht' ich
Die ſorgenfreien Baͤume hier, die Stralen
Der Nacht und ihre Schatten, wie es nun
Mir endlich werden wird.
Zu ſtill iſt's mir
In dieſer ſchoͤnen Nacht, und ihre Luͤfte
Sind mir nicht hold, wie ſonſt. Die Thoͤrin!
So lang er ferne war, ſo liebt' ich ihn;
Nun bin ich kalt, und zag' und zuͤrne mir
Und andern. — Auch die Worte, ſo ich dir
In dieſer boͤſen Stunde ſchreibe, lieb'
Ich nicht, und was ich ſonſt von ihm geſchrieben,
Unleidlich iſt es mir. Was iſt es denn?
Ich wuͤnſche faſt, ich haͤtt' ihn nie geſehn.
Mein Friede war doch ſchoͤner. Theures Herz!
Ich bin betruͤbt, und anders, denn ichs war,
Da ich um den Verlornen trauerte.
Ich bin es nimmer, nein! ich bin es nicht,
Ich bin nicht gut, und ſeellos bin ich auch.
Mich laͤßt die Furcht, die haͤßliche, nicht ruhn.
O daß der goldne Tag die Ruhe mir,
Mein eigen Leben wiederbraͤcht'! —
Ich will
Geduldig ſeyn, und wenn der Vater ihn
Nicht ehrt, mir ihn verſagt, den Theuren,
So ſchweig' ich lieber, und es ſoll mir nicht
Zu ſehr die Seele kraͤnken; kann ich ſtill
Ihn ehren doch, und bleiben, wie ich bin.
Emilie an Klara.
Nun muß ich laͤcheln uͤber alles Schlimme,
Was ich die vor'ge Nacht getraͤumt; und hab'
Ich dir es gar geſchrieben? Anders bin
Ich itzt geſinnt.
Er kam, und mir frohlokte
Das Herz, wie er herab die Straße ging,
Und mir das Volk den fremden Herrlichen
Beſtaunt'! und lobend uͤber ihn geheim
Die Nachbarn ſich beſprachen, und er jetzt
Den Knaben, der an ihm voruͤberging,
Nach meinem Hauſe fragt'! ich ſahe nicht
Hinaus, ich konnt', an meinem Tiſche ſitzend,
Ihn ohne Scheue ſehn — wie red' ich viel?
Und da er nun herauf die Treppe kam,
Und ich die Tritte hoͤrt' und ſeine Thuͤre
Mein Vater oͤffnete, ſie draußen ſich
Stillſchweigend gruͤßten, daß ich nicht
Ein Wort vernehmen konnt', ich Unvernuͤnft'ge,
Wie ward mir bange wieder? Und ſie blieben
Nicht kurze Zeit allein im andern Zimmer,
Daß ich es laͤnger nicht erdulden konnt',
Und dacht': ich koͤnnte wohl den Vater fragen
Um dieß und jenes, was ich wiſſen mußte.
Dann haͤtt' ichs wohl geſehn in ihren Augen,
Wie mir es werden ſollte. Doch ich kam
Bis an die Schwelle nur, gieng lieber doch
In meinen Garten, wo die Pflanzen ſonſt,
In andrer Zeit, die Stunde mir gekuͤrzt.
Und froͤhlich glaͤnzten, von des Morgens Thau
Geſaͤttiget, im friſchen Lichte ſie
Ins Auge mir, wie liebend ſich das Kind
An die betruͤbte Mutter draͤngt, ſo waren
Die Blumen und die Bluͤthen um mich rings,
Und ſchoͤne Pforten woͤlbten uͤber mir
Die Baͤume.
Doch ich konnt' es jetzt nicht achten,
Nur ernſter ward und ſchwerer nur, und baͤnger
Das Herz mir Armen immer, und ich ſollte
Wie eine Dienerinn von ferne lauſchen,
Ob ſie vielleicht mich riefen, dieſe Maͤnner!
Ich wollte nun auch nimmer um mich ſehn,
Und barg in meiner Laube mich und weinte,
Und hielt die Haͤnde vor das Auge mir.
Da hoͤrt' ich ſanft des Vaters Stimme nah,
Und laͤchelnd traten, da ich noch die Thraͤnen
Mir trocknete, die beyden in die Laube:
„Haſt du dich ſo geaͤngſtiget, mein Kind!
„Und zuͤrnſt du, ſprach der Vater, daß ich erſt
„Fuͤr mich den edlen Gaſt behalten wollt'?
„Ihn haſt du nun. Er mag die Zuͤrnende
„Mit mir verſoͤhnen, wenn ich Unrecht that.“
So ſprach er; und wir reichten alle drey
Die Haͤnd' einander, und der Vater ſah
Mit ſtiller Freud' uns an. —
„Ein Trefflicher
„Iſt dein geworden, Tochter! ſprach er jetzt,
„Und dein, o Sohn! dieß heiligliebend Weib.
„Ein freudig Wunder, daß die alten Augen
„Mir uͤbergehen, ſeyd ihr mir, und bluͤht,
„Wie eine ſeltne Blume mir, ihr Beyden!
„Denn nicht gelingt es immerhin den Menſchen,
„Das Ihrige zu finden. Großes Gluͤck
„Zu tragen und zu opfern giebt der Gott
„Den Einen, weniger gegeben iſt
„Den Andern; aber hoffend leben ſie.
„Zwey Genien geleiten auf und ab
„Uns Lebende, die Hoffnung und der Dank.
„Mit Einſamen und Armen wandelt jene,
„Die Immerwache; dieſer fuͤhrt aus Wonne
„Die Gluͤcklichen des Weges freundlich weiter,
„Vor boͤſem Schikſal ſie bewahrend. Oft,
„Wenn er entfloh, erheben ſich zu ſehr
„Die Freudigen, und raͤchend traf ſie bald
„Das ungebetne Weh.
„Doch gerne theilt
„Das freie Herz von ſeinen Freuden aus,
„Der Sonne gleich, die liebend ihre Stralen
„An ihrem Tag' aus goldner Fuͤlle giebt;
„Und um die Guten daͤmmert oft und glaͤnzt
„Ein Kreis von Licht und Luft, ſo lang ſie leben.
„O Fruͤhling meiner Kinder, bluͤhe nun
„Und altre nicht zu bald, und reife ſchoͤn!“
So ſprach der gute Vater. Vieles wollt'
Er wohl noch ſagen, denn die Seele war
Ihm aufgegangen; aber Worte fehlten ihm.
Er gab ihn mir und ſegnet' uns und gieng
Hinweg.
Ihr Himmelsluͤfte, die ihr oft
Mich troͤſtend angeweht, nun athmetet
Ihr heiligend um unſer goldnes Gluͤck!
Wie anders wars, wie anders, da mit ihm,
Dem Liebenden, dem Freudigen, ich jetzt,
Ich Freudige, zu unſrer Mutter auf,
Zur ſchoͤnen Sonne ſah! nun daͤmmert es
Im Auge nicht, wie ſonſt im ſehnenden,
Nun gruͤßt' ich helle dich, du ſtolzes Licht!
Und laͤchelnd weilteſt du, und kamſt und ſchmuͤckteſt
Den Lieben mir, und kraͤnzteſt ihm mit Roſen
Die Schlaͤfe, Freundliches!
Und meine Baͤume,
Sie ſtreuten auch ein hold Geſchenk herab,
Zu meinem Feſt, vom Ueberfluß der Bluͤthen!
Da ging ich ſonſt; ach! zu den Pflanzen fluͤchtet'
Ich oft mein Herz, bey ihnen weilt' ich oft,
Und hing an ihnen; dennoch ruht' ich nie,
Und meine Seele war nicht gegenwaͤrtig.
Wie eine Quelle, wenn die jugendliche
Dem heimathlichen Berge nun entwich,
Die Pfade bebend ſucht, und flieht und zoͤgert,
Und durch die Wieſen irrt und bleiben moͤcht',
Und ſehnend, hoffend immer doch enteilt.
So war ich; aber liebend hat der ſtolze,
Der ſchoͤne Strom die fluͤchtige genommen,
Und ruhig wall' ich nun, wohin der ſichre
Mich bringen will, hinab am heitern Ufer.
Hoͤlderlin Gedichte. 8
An Hiller.
1793.
Du lebteſt, Freund! — Wer nicht die
koͤſtliche
Reliquie des Paradieſes, nicht
Der Liebe goldne koͤnigliche Frucht,
Wie Du, auf ſeinem Lebenswege brach,
Wem nie im Kreiſe freier Juͤnglinge
In ſuͤßem Ernſt der Freundſchaft trunkne Zaͤhre
Hinab ins Blut der heil'gen Rebe rann,
Wer nicht, wie Du, aus dem begeiſternden
Dem ewigvollen Becher der Natur
Sich Muth und Kraft, und Lieb' und Freude trank,
Der lebte nie, und wenn ſich ein Jahrhundert,
Wie eine Laſt, auf ſeiner Schulter haͤuft. —
Du lebteſt, Freund! es bluͤht nur wenigen
Des Lebens Morgen, wie er Dir gebluͤht;
Du fandeſt Herzen, Dir an Einfalt, Dir
An edelm Stolze gleich; es ſproßten Dir
Viel ſchoͤne Bluͤthen der Geſelligkeit;
Auch adelte die innigere Luſt,
Die Tochter weiſer Einſamkeit, Dein Herz;
Fuͤr jeden Reitz der Huͤgel und der Thale,
Fuͤr jede Grazien des Fruͤhlings ward
Ein offnes unumwoͤlktes Auge Dir.
Dich, Gluͤcklicher, umfieng die Rieſentochter
Der ſchaffenden Natur, Helvetia;
Wo frei und ſtark, der alte, ſtolze Rhein
Vom Fels hinunter donnert, ſtandeſt Du,
Und jubelteſt ins herrliche Getuͤmmel.
Wo Fels und Wald ein holdes zauberiſches
Arkadien umſchließt, wo himmelhoch Gebirg,
Deß tauſendjaͤhr'gen Scheitel ew'ger Schnee,
Wie Silberhaar des Greiſen Stirne, kraͤnzt,
Umſchwebt von Wetterwolken und von Adlern,
Sich unabſehbar in die Ferne dehnt,
Wo Tells und Walters heiliges Gebein
Der unentweihten freundlichen Natur
Im Schooſe ſchlaͤft, und manches Helden Staub
Vom leiſen Abendwind emporgeweht,
Des Sennen ſorgenfreies Dach umwallt,
Dort fuͤhlteſt Du, was groß und goͤttlich iſt,
Von ſeligen Entwuͤrfen gluͤhte Dir
Von tauſend goldnen Traͤumen Deine Bruſt;
Und als Du nun vom lieben heilgen Lande
Der Einfalt und der freien Kuͤnſte ſchiedſt,
Da woͤlkte freilich ſich die Stirne Dir,
Doch ſchuf Dir bald mit deinem Zauberſtabe
Manch ſelig Stuͤndchen die Erinnerung.
Wohl ernſter ſchlaͤgt ſie nun, die Scheideſtunde;
Denn ach! ſie mahnt die unerbittliche,
Daß unſer liebſtes welkt, daß ew'ge Jugend
Nur druͤben im Elyſium gedeiht;
Sie wirft uns auseinander, Herzensfreund!
Wie Maſt und Segel vom zerriſſ'nen Schiffe
Im wilden Ocean der Sturm zerſtreut.
Vielleicht indeß uns andre nah und ferne
Der unerforſchten Pepromene Wink
Durch Steppen oder Paradieſe fuͤhrt,
Fliegſt du der jungen ſeligeren Welt
Auf Deiner Philadelphier Geſtaden
Voll frohen Muths im fernen Meere zu;
Vielleicht, daß auch ein ſuͤßes Zauberband
Ans abgelebte feſte Land Dich feſſelt!
Denn traun! ein Raͤthſel iſt des Menſchen Herz!
Oft flammt der Wunſch, unendlich fortzuwandern,
Unwiderſtehlich herrlich in uns auf;
Oft daͤucht uns auch im engbeſchraͤnkten Kreiſe
Ein Freund, ein Huͤttchen, und ein liebes Weib
Zu aller Wuͤnſche Saͤttigung genug. —
Doch werfe, wie ſie will, die Scheideſtunde
Die Herzen, die ſich lieben, auseinander!
Es ſcheuet ja der Freundſchaft heil'ger Fels
Die traͤge Zeit, und auch die Ferne nicht.
Wir kennen uns, Du Theurer! — Lebe wohl!
Seiner Mutter zum zwei und ſieben-
zigſten Geburts-Tag.
Vieles haſt Du erlebt, Du theure Mutter! und
ruhſt nun
Gluͤcklich, von Fernen und Nah'n liebend beim
Namen genannt,
Mir auch herzlich geehrt in des Alters ſilberner
Krone,
Unter den Kindern, die Dir reifen und wachſen
und bluͤh'n.
Langes Leben hat Dir die ſanfte Seele gewonnen,
Und die Hoffnung, die Dich freundlich im Leiden
gefuͤhrt.
Denn zufrieden biſt Du und fromm, wie die
Mutter, die einſt den
Beſten der Menſchen, den Freund unſerer Erde,
gebar.
Ach! ſie wiſſen es nicht, wie der Hohe wandelt'
im Volke,
Und vergeſſen iſt faſt, was der Lebendige war.
Wenige kennen ihn doch, und oft erſcheint erheiternd
Mitten in ſtuͤrmiſcher Zeit ihnen das himmliſche
Bild.
Allverſoͤhnend und ſtill, mit armen Sterblichen
gieng er,
Dieſer einzige Mann, goͤttlich im Geiſte, dahin.
Keins der Lebenden war aus ſeiner Seele geſchloſſen,
Und die Leiden der Welt trug er an liebender
Bruſt.
Mit dem Tode befreundet' er ſich, im Namen der
Andern
Gieng er aus Schmerzen und Muͤh'n, ſiegend,
zum Vater zuruͤck.
Und Du kenneſt ihn auch, Du theuere Mutter,
und wandelſt
Glaubend und duldend und ſtill ihm dem Er-
habenen nach.
Sieh! es haben mich ſelbſt verjuͤngt die kindlichen
Worte,
Und es rinnen, wie einſt, Thraͤnen vom Auge
mir noch;
Und ich denke zuruͤck an laͤngſt vergangene Tage,
Und die Heimath erfreut wieder mein einſam
Gemuͤth,
Und das Haus, wo ich einſt bei deinen Segnungen
aufwuchs,
Wo, von Liebe genaͤhrt, ſchneller der Knabe gedieh.
Ach! wie dacht' ich dann oft, Du ſollteſt meiner
Dich freuen,
Wenn ich ferne mich ſah wirkend in offener Welt.
Manches hab' ich verſucht und getraͤumt und habe
die Bruſt mir
Wund gerungen indeß, aber ihr heilet ſie mir
O ihr Lieben; und lange, wie Du, o Mutter!
zu leben,
Will ich lernen; es iſt ruhig das Alter und
fromm.
Kommen will ich zu Dir, dann ſegne den Enkel
noch einmal,
Daß Dir halte der Mann, was er, als Knabe,
gelobt.
An L.
Fragment.
Komm! in's Offene, Freund! zwar glaͤnzt ein
Weniges heute
Nur herunter und eng ſchließet der Himmel uns
ein.
Weder die Berge ſind, noch aufgegangen des Waldes
Gipfel nach Wunſch, und leer ruht vom Geſange
die Luft.
Truͤb iſt's heut, es ſchlummern die Gaͤng' und die
Gaſſen, und faſt will
Mir es ſcheinen, es ſey, als in der bleiernen
Zeit.
Dennoch gelinget der Wunſch, Rechtglaubige zwei-
feln an Einer
Stunde nicht, und der Luſt bleibe geweihet der
Tag.
Denn nicht wenig erfreuet, was wir vom Himmel
gewonnen,
Wenn er's weigert und doch goͤnnet den Kindern
zuletzt.
Nur daß ſolcher Reden und auch der Schritt' und
der Muͤhe
Werth der Gewinn und ganz wahr das Ergoͤtz-
liche ſey.
Darum hoff' ich ſogar, es werde, wenn das Ge-
wuͤnſchte
Wir beginnen und erſt unſere Zunge geloͤſt,
Und gefunden das Wort, und aufgegangen das
Herz iſt,
Und von trunkener Stirn' hoͤher Beſinnen ent-
ſpringt,
Mit den unſern zugleich des Himmels Bluͤthe
beginnen,
Und dem offenen Blick offen der Leuchtende ſeyn.
Sophokles.
Viele verſuchten umſonſt, das Freudigſte freudig
zu ſagen,
Hier ſpricht endlich es mir, hier in der Trauer,
ſich aus.
Der zuͤrnende Dichter.
Fuͤrchtet den Dichter nicht, wenn er edel zuͤrnet,
ſein Buchſtab
Toͤdtet, aber es macht Geiſter lebendig der Geiſt.
Die Scherzhaften.
Immer ſpielet und ſcherzt! ihr muͤßt, o Freunde!
mir geht dieß
In die Seele, denn dieß muͤſſen Verzweifelte
nur.
An Diotima.
Komm und beſaͤnftige mir, die du einſt Elemente
verſoͤhnteſt,
Wonne der himmliſchen Muſe, das Chaos der
Zeit!
Ordne den tobenden Kampf mit Friedenstoͤnen des
Himmels,
Bis in der ſterblichen Bruſt ſich das entzweite
vereint,
Bis der Menſchen alte Natur, die ruhige, große,
Aus der gaͤhrenden Zeit maͤchtig und heiter ſich
hebt!
Kehr' in die duͤrftigen Herzen des Volks, lebendige
Schoͤnheit,
Kehr' an den gaſtlichen Tiſch, kehr' in die Tempel
zuruͤck!
Denn Diotima lebt, wie die zarten Bluͤthen im
Winter,
Reich an eigenem Geiſt, ſucht ſie die Sonne
doch auch.
Aber die Sonne des Geiſts, die ſchoͤnere Welt,
iſt hinunter,
Und in froſtiger Nacht zanken Orkane ſich nun.
An ihren Genius.
Send' ihr Blumen und Fruͤchte aus nie verſiegender
Fuͤlle,
Send' ihr, freundlicher Geiſt, ewige Jugend
herab!
Huͤll' in deine Wonnen ſie ein und laß ſie die
Zeit nicht
Sehn, wo einſam und fremd ſie, die Athenerin,
lebt,
Bis ſie im Lande der Seligen einſt die fuͤrſtlichen
Schweſtern,
Die zu Phidias Zeit herrſchten und liebten, um-
faͤngt.
Menons Klage um Diotima.
1.
Taͤglich geh' ich heraus und ſuch' ein Anderes immer,
Habe laͤngſt ſie befragt, alle die Pfade des Lands;
Droben die kuͤhlenden Hoͤhn, die Schatten alle
beſuch' ich,
Und die Quellen; hinauf irret der Geiſt und
hinab,
Ruh' erbittend; ſo flieht das getroffene Wild in
die Waͤlder,
Wo es um Mittag ſonſt ſicher im Dunkel geruht;
Aber nimmer erquickt ſein gruͤnes Lager das Herz
ihm,
Jammernd und ſchlummerlos treibt es der
Stachel umher.
Nicht die Waͤrme des Lichts, und nicht die Kuͤhle
der Nacht hilft,
Und in Wogen des Stroms taucht es die Wun-
den umſonſt.
Und wie ihm vergebens die Erd' ihr froͤhliches
Heilkraut
Reicht, und das gaͤhrende Blut keiner der Ze-
phyre ſtillt,
So, ihr Lieben, auch mir, ſo will es ſcheinen,
und Niemand
Kann von der Stirne mir nehmen den traurigen
Traum?
2.
Ja! es frommet auch nicht, ihr Todesgoͤtter! wenn
einmal
Ihr ihn haltet, und feſt habt den bezwungenen
Mann,
Wenn ihr Boͤſen hinab in die ſchaurige Nacht ihn
genommen,
Dann zu ſuchen, zu flehn, oder zu zuͤrnen mit
euch,
Oder geduldig auch wohl im furchtſamen Banne
zu wohnen,
Und mit Laͤcheln von euch hoͤren das nuͤchterne
Lied.
Soll es ſeyn, ſo vergiß dein Heil, und ſchlummere
klanglos!
Aber doch quillt ein Laut hoffend im Buſen
Dir auf,
Immer kannſt Du noch nicht, o meine Seele, noch
kannſt Du's
Nicht gewohnen, und traͤumſt mitten im eiſernen
Schlaf!
Feſtzeit hab' ich nicht, doch moͤcht' ich die Locke
bekraͤnzen;
Bin ich allein denn nicht? aber ein Freundliches
muß
Fernher nahe mir ſeyn, und laͤcheln muß ich und
ſtaunen,
Wie ſo ſelig doch auch mitten im Leide mir iſt.
3.
Licht der Liebe! ſcheineſt du denn auch Todten, du
goldnes!
Bilder aus hellerer Zeit leuchtet ihr mir in die
Nacht?
Liebliche Gaͤrten, ſeyd, ihr abendroͤthlichen Berge,
Seyd willkommen, und ihr, ſchweigende Pfade
des Hains,
Zeugen himmliſchen Gluͤcks, und ihr, hochſchauende
Sterne,
Die mir damals oft ſegnende Blicke gegoͤnnt!
Euch, ihr Liebenden, auch, ihr ſchoͤnen Kinder des
Maitags,
Stille Roſen und euch, Lilien, nenn' ich noch oft!
Ihr Vertrauten! ihr Lebenden all' einſt nahe dem
Herzen,
Einſt wahrhaftiger, einſt heller und ſchoͤner ge-
ſehn.
Hoͤlderlin Gedichte. 9
Wohl gehn Fruͤhlinge fort, ein Jahr verdraͤnget
das andre,
Wechſelnd und ſtreitend, ſo tost droben voruͤber
die Zeit
Ueber ſterblichem Haupt, doch nicht vor ſeligen Augen,
Und den Liebenden iſt anderes Leben geſchenkt.
Denn ſie alle, die Tag' und Jahre der Sterne,
ſie waren
Diotima! um uns innig und ewig vereint.
4.
Aber wir, zufrieden geſellt, wie die liebenden
Schwaͤne,
Wenn ſie ruhen am See, oder auf Wellen gewiegt,
Niederſehn in die Waſſer, wo ſilberne Wolken ſich
ſpiegeln,
Und aͤtheriſches Blau unter den Schiffenden wallt,
So auf Erden wandelten wir. Und drohte der
Nord auch,
Er, der Liebenden Feind, klagenbereitend, und
fiel
Von den Aeſten das Laub, und flog im Winde der
Regen,
Ruhig laͤchelten wir, fuͤhlten den eigenen Gott
Unter trautem Geſpraͤch, in Einem Seelengeſange,
Ganz in Frieden mit uns kindlich und freudig
allein.
Aber das Haus iſt oͤde mir nun, und ſie haben
mein Auge
Mir genommen, auch mich hab' ich verloren mit
ihr.
Darum irr' ich umher und wohl, wie die Schatten,
ſo muß ich
Leben, und ſinnlos duͤnkt lange das Uebrige mir.
6.
Feiern moͤcht' ich, aber wofuͤr? und ſingen mit
Andern,
Aber ſo einſam fehlt jegliches Goͤttliche mir.
Dieß iſt's, dieß mein Gebrechen, ich weiß, es
laͤhmet ein Fluch mir
Darum die Sehnen, und wirft, wo ich beginne,
mich hin,
Daß ich fuͤhllos ſitze den Tag und ſtumm, wie die
Kinder,
Nur vom Auge mir kalt oͤfters die Thraͤne noch
ſchleicht,
Und die Pflanze des Felds, und der Voͤgel Singen
mich truͤb macht,
Weil mit Freuden auch ſie Boten des Himmli-
ſchen ſind,
Aber mir in ſchaudernder Bruſt die beſeelende Sonne,
Kuͤhl und fruchtlos mir daͤmmert, wie Stralen
der Nacht,
Ach! und nichtig und leer, wie Gefaͤngnißwaͤnde,
der Himmel,
Eine beugende Laſt, uͤber dem Haupte mir haͤngt!
6.
Sonſt mir anders bekannt! o Jugend! und bringen
Gebete,
Dich nicht wieder, Dich nie? fuͤhret kein Pfad
mich zuruͤck?
Soll es werden auch mir, wie den Goͤtterloſen,
die vormals
Glaͤnzenden Auges doch auch ſaßen am ſeligen
Tiſch,
Aber uͤberſaͤttiget bald, die ſchwaͤrmenden Gaͤſte,
Nun verſtummet, und nun, unter der Luͤſte Ge-
ſang,
Unter bluͤhender Erd' entſchlafen ſind, bis dereinſt
ſie
Eines Wunders Gewalt, ſie, die Verſunkenen,
zwingt,
Wiederzukehren und neu auf gruͤnendem Boden
zu wandeln. —
Heiliger Odem durchſtroͤmt goͤttlich die lichte
Geſtalt,
Wenn das Feſt ſich beſeelt, und Fluten der Liebe
ſich regen,
Und vom Himmel getraͤnkt, rauſcht der lebendige
Strom,
Wenn es drunten ertoͤnt, und ihre Schaͤtze die
Nacht zollt,
Und aus Baͤchen herauf glaͤnzt das begrabene
Gold.
7.
Aber o Du, die ſchon am Scheidewege mir damals,
Da ich verſank vor Dir, troͤſtend ein Schoͤneres
wies,
Du, die, Großes zu ſehn und froher die Goͤtter
zu ſingen,
Schweigend, wie ſie, mich einſt ſtille begeiſternd,
gelehrt,
Goͤtterkind! erſcheineſt Du mir, und gruͤßeſt, wie
einſt, mich,
Redeſt wieder, wie einſt, hoͤhere Dinge mir zu?
Siehe! weinen vor Dir und klagen muß ich, wenn
ſchon noch
Denkend edlerer Zeit, deſſen die Sele ſich ſchaͤmt.
Denn ſo lange, ſo lang' auf matten Pfaden der
Erde
Hab' ich, Deiner gewohnt, Dich in der Irre
geſucht,
Freudiger Schutzgeiſt! aber umſonſt, und Jahre
zerrannen,
Seit wir ahnend um uns glaͤnzen die Abende
ſahn.
8.
Dich nur, Dich erhaͤlt Dein Licht, o Heldin! im
Lichte,
Und Dein Dulden erhaͤlt liebend, o Guͤtige!
Dich;
Und nicht einmal biſt Du allein, Geſpielen genug
ſind,
Wo bluͤheſt und ruhſt unter den Roſen des
Jahrs;
Und der Vater, er ſelbſt, durch ſanft muthath-
mende Muſen
Sendet die zaͤrtlichen Wiegengeſaͤnge Dir zu.
Ja! noch iſt ſie es ganz! noch ſchwebt vom Haupte
zur Sohle,
Still herwandelnd, wie ſonſt, mir die Athene-
rin vor.
Und wie, freundlicher Geiſt! von heiterſinnender
Stirne
Segnend und ſicher Dein Stral unter die Sterb-
lichen faͤllt,
So bezeugeſt Du mir's, und ſagſt mir's, daß ich
es Andern
Wiederſage, denn auch Andere glauben es nicht,
Daß unſterblicher doch, denn Sorg' und Zuͤrnen,
die Freude
Und ein goldener Tag taͤglich am Ende noch iſt.
9.
So will ich, ihr Himmliſchen! denn euch danken
und endlich
Athmet aus leichter Bruſt, wieder des Saͤngers
Gebet.
Und wie, wenn ich mit ihr, auf ſonniger Hoͤhe
mit ihr ſtand,
Spricht belebend ein Gott innen im Tempel
mich an.
Leben will ich denn auch! ſchon gruͤnt's! wie von
heiliger Leier
Ruft es von ſilbernen Bergen Appollons voran!
Komm! es war wie ein Traum! Die blutenden
Fittige ſind ja
Schon geneſen, verjuͤngt leben die Hoffnungen all!
Großes zu finden, iſt viel, iſt viel noch uͤbrig, und
wer ſo
Liebte, gehet, er muß, gehet zu Goͤttern die
Bahn.
Und geleitet ihr uns, ihr Weiheſtunden! ihr ernſten,
Jugendlichen! o bleibt, heilige Ahnungen, ihr,
Fromme Bitten, und ihr, Begeiſterungen, und
all ihr
Guten Genien, die gerne bei Liebenden ſind,
Bleibt ſo lange mit uns, bis wir mit gemeinſamem
Boden,
Dort, wo die Seligen all niederzukehren bereit,
Dort, wo die Adler ſind, die Geſtirne, die Boten
des Vaters,
Dort, wo die Muſen, woher Helden und Lie-
bende ſind,
Dort uns, oder auch hier, auf thauender Inſel
begegnen,
Wo die Unſrigen erſt, bluͤhend in Gaͤrten geſellt,
Wo die Geſaͤnge wahr, und laͤnger die Fruͤhlinge
ſchoͤn ſind,
Und von neuem ein Jahr unſerer Sele beginnt!
Die Nacht.
Fragment.
Rings um ruhet die Stadt, ſtill wird die erleuchtete
Gaſſe,
Und mit Fackeln geſchmuͤckt rauſchen die Wagen
hinweg.
Satt gehen heim, von Freuden des Tags zu ruhen,
die Menſchen,
Und Gewinn und Verluſt waͤget ein ſinniges Haupt
Wohl zufrieden zu Haus; leer ſteht von Trauben
und Blumen,
Und von Werken der Hand ruht der geſchaͤftige
Markt.
Aber das Saitenſpiel toͤnt fern aus Gaͤrten; viel-
leicht, daß
Dort ein Liebender ſpielt, oder ein einſamer Mann
Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und
die Brunnen,
Immerquillend und friſch, rauſchen an duftendem
Beet.
Still in daͤmmriger Luft ertoͤnen gelaͤutete Glocken,
Und der Stunden gedenk rufet ein Waͤchter die
Zahl.
Jetzt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel
des Hains auf,
Sieh! und das Ebenbild unſerer Erde, der Mond
Kommet geheim nun auch; die Schwaͤrmeriſche, die
Nacht kommt,
Voll mit Sternen und wohl wenig bekuͤmmert um
uns,
Glaͤnzt die Erſtaunende dort, die Fremdlingin unter
den Menſchen,
Ueber Gebirgeshoͤhn traurig und praͤchtig herauf.
Die Herbſtfeier.
An Siegfried Schmidt.
1.
Wieder ein Gluͤck erlebt! Die gefaͤhrliche Duͤrre
geneſet,
Und die Schaͤrfe des Lichts ſenget die Bluͤthe
nicht mehr,
Offen ſteht jetzt wieder ein Saal, und geſund iſt
der Garten,
Und von Regen erfriſcht rauſchet das glaͤnzende
Thal
Hoch von Gewaͤchſen, es ſchwellen die Baͤch', und
alle gebund'nen
Fittige wagen ſich wieder in's Reich des Geſangs.
Voll iſt die Luft von Froͤhlichen jetzt, und die Stadt
und der Hain iſt
Rings von zufriedenen Kindern des Himmels
erfuͤllt.
Gerne begegnen ſie ſich und irren unter einander,
Sorgenlos und es ſcheint keines zu wenig, zu
viel.
Denn ſo ordnet das Herz es an, und zu athmen
die Anmuth,
Sie, die geſchickliche, ſchenkt ihnen ein goͤttlicher
Geiſt.
Aber die Wanderer auch ſind wohl geleitet und
haben
Kraͤnze genug und Geſang, haben den heiligen Stab
Voll geſchmuͤckt mit Trauben und Laub, bei ſich,
und der Fichte
Schatten; von Dorfe zu Dorf jauchzt es, von
Tage zu Tag,
Und wie Wagen, beſpannt mit freiem Wilde, ſo
ziehn die
Berge voran, und ſo traͤget und eilet der Pfad.
2.
Aber meineſt du nun, es haben die Thore ver-
gebens
Aufgethan und den Weg freudig die Goͤtter
gemacht?
Und es ſchenken umſonſt zu des Gaſtmahls Fuͤlle
die Guten
Nebſt dem Weine noch auch Blumen und Honig
und Obſt?
Schenken das purpurne Licht zu Feſtgeſaͤngen, und
kuͤhl und
Ruhig zu tieferem Freundesgeſpraͤche die Nacht?
Haͤlt ein Ernſteres dich, ſo ſpar's dem Winter,
und willſt du
Freien, habe Geduld, Freier begluͤcket der Mai.
Jetzt iſt Anderes Noth, jetzt komm und feire des
Herbſtes
Alte Sitte, noch jetzt bluͤhet die edle mit uns.
Eins nur gilt fuͤr den Tag, das Vaterland, und
des Opfers
Feſtlicher Flamme wirft jeder ſein Eigenes zu.
Darum kraͤnzt der gemeinſame Gott umſaͤuſelnd
das Haar uns,
Und den eigenen Sinn ſchmelzet, wie Perlen,
der Wein.
Dieß bedeutet der Tiſch, der gelehrte, wenn, wie
die Bienen,
Rund um den Eichbaum, wir ſitzen und ſingen
um ihn.
Dieß der Pokale Klang und darum zwinget die wilden
Seelen der ſtreitenden Maͤnner zuſammen der
Chor.
3.
Aber damit uns nicht, gleich Allzuklugen, entfliehe
Dieſe neigende Zeit, komm' ich entgegen ſogleich,
Bis an die Grenze des Lands, wo mir den lieben
Geburtsort
Und die Inſel des Stroms blaues Gewaͤſſer
umfließt.
Heilig iſt mir der Ort, an beiden Ufern, der Fels
auch,
Der mit Garten und Hausgruͤn aus den Wellen
ſich hebt.
Dort begegnen wir uns, o guͤtiges Licht! wo zuerſt
mich,
Deiner gefuͤhlteren Stralen mich einer betraf.
Dort begann und beginnt das liebe Leben von
Neuem,
Aber des Vaters Grab ſeh' ich, und weine dir
ſchon?
Wein' und halt' und habe den Freund und hoͤre
das Wort, das
Einſt mir in himmliſcher Kunſt Leiden der Liebe
geheilt.
Andres erwacht! Ich muß die Landesheroen ihm
nennen!
Barbaroſſa! dich auch, guͤtiger Chriſtoph, und
dich
Konradin! wie du fielſt, ſo fallen Starke, der
Epheu
Gruͤnt am Fels, und die Burg deckt das bac-
chantiſche Laub,
Doch Vergangenes iſt, wie Kuͤnftiges, heilig den
Saͤngern,
Und in Tagen des Herbſts ſuͤhnen die Schatten
wir aus.
4.
So der Gewalt'gen gedenk und des herzerhebenden
Schickſals,
Thatlos ſelber und leicht, aber vom Aether doch
auch
Angeſchauet und fromm, wie die Alten, die goͤtt-
licherzognen
Freudigen Dichter, ziehn freudig das Land wir
hinauf.
Groß iſt das Werden umher. Dort von den aͤu-
ßerſten Bergen
Stammen der Juͤnglinge viel, ſteigen die Huͤgel
herab.
Quellen rauſchen von dort und hundert geſchaͤftige
Baͤche,
Kommen bei Tag und bei Nacht nieder und
bauen das Land.
Aber der Meiſter pfluͤgt in der Mitte des Landes
die Furchen
Ziehet der Neckarſtrom, ziehet der Segen herab.
Und es kommen mit ihm Italiens Luͤfte, die See
ſchickt
Ihre Wolken, ſie ſchickt praͤchtige Sonnen mit ihm;
Darum waͤchſet uns auch faſt uͤber das Haupt die
gewalt'ge
Fuͤlle, denn hieher ward hier in die Ebne das
Gute.
Reicher den Lieben gebracht, den Landsleuten,
doch neidet
Keiner an Bergen dort ihnen die Gaͤrten, den Wein,
Oder das uͤppige Gras und das Korn und die
gluͤhenden Baͤume,
Die am Wege gereiht uͤber den Wanderern ſtehn.
5.
Aber indeß wir ſchaun und die maͤchtige Freude
durchwandeln,
Fliehet der Weg und der Tag uns, wie den
Trunkenen, hin.
Denn mit heiligem Laub umkraͤnzt erhebet die
Stadt ſchon,
Die geprieſene, dort, leuchtend ihr prieſterlich
Haupt.
Herrlich ſteht ſie, und haͤlt den Rebenſtab und die
Tanne
Hoch in den ſeligen purpurnen Wolken empor.
Sey uns hold, dem Gaſt und dem Sohn, o Fuͤr-
ſtin der Heimath,
Gluͤckliches Stuttgart! nimm freundlich den
Fremdling mir auf!
Immer haſt du Geſang mit Floͤten und Saiten
gebilligt,
Wie ich glaub', und des Lieds kindlich Geſchwaͤtz,
und der Muͤhn
Suͤße Vergeſſenheit bei gegenwaͤrtigem Geiſte,
Drum erfreueſt du auch gerne den Saͤngern das
Herz.
Aber ihr, ihr Groͤßeren auch, ihr Frohen, die
allzeit
Leben und walten, erkannt, oder gewaltiger auch,
Wenn ihr wirket und ſchafft in heiliger Nacht und
alleinherrſcht,
Und allmaͤhlig emporziehet ein ahnendes Volk,
Bis die Juͤnglinge ſich der Vaͤter droben erinnern,
Muͤndig und hell vor euch ſteht der beſonnene
Menſch.
Engel des Vaterlands! o ihr, vor denen das Auge,
Sey's auch ſtark, und das Knie bricht dem
vereinzelten Mann,
Daß er halten ſich muß an die Freund' und bitten
die Theuern,
Daß ſie tragen mit ihm all die begluͤckende Laſt,
Habt, o Guͤtige, Dank fuͤr den und alle die Andern,
Die mein Leben, mein Gut unten den Sterb-
lichen ſind.
6.
Aber die Nacht kommt! Laß uns eilen, zu feyern
das Herbſtfeſt.
Heut noch! voll iſt das Herz, aber das Leben
iſt kurz,
Hoͤlderlin Gedichte. 10
Und was uns der himmliſche Tag zu ſagen geboten,
Das zu nennen, mein Schmidt, reichen wir
Beide nicht aus.
Trefliche bring' ich dir und das Freudenfeuer wird
hoch auf
Schlagen, und heiliger ſoll ſprechen das kuͤhnere
Wort.
Siehe! da iſt es rein! Und des Gottes freundliche
Gaben
Die wir theilen, ſie ſind zwiſchen den Liebenden
nur
Anderes nicht — o kommt, o macht es wahr!
denn allein ja
Bin ich und Niemand nimmt mir von der Stirne
den Traum?
Kommt und reicht, ihr Lieben, die Hand! das
moͤge genug ſeyn,
Aber die groͤßere Luft ſparen dem Enkel wir auf.
Der Wanderer.
Einſam ſtand ich und ſah in die afrikaniſchen duͤrren
Ebnen hinaus; vom Olymp regnete Feuer herab.
Fernhin ſchlich das hagre Gebirg, wie ein wandelnd
Gerippe,
Hohl und einſam und kahl blickt' aus der Hoͤhe
ſein Haupt.
Ach! nicht ſprang, mit erfriſchendem Gruͤn, der
ſchattende Wald hier
In die ſaͤuſelnde Luft uͤppig und herrlich empor,
Baͤche ſtuͤrzten hier nicht in melodiſchem Fall vom
Gebirge,
Durch das bluͤhende Thal ſchlingend den ſilbernen
Strom,
Keiner Heerde verging am plaͤtſchernden Brunnen
der Mittag,
Freundlich aus Baͤumen hervor blickte kein wirth-
liches Dach.
Unter dem Strauche ſaß ein ernſter Vogel ge-
ſanglos,
Aengſtig und eilend flohn wandernde Stoͤrche
vorbei.
Nicht um Waſſer rief ich dich an, Natur, in der
Wuͤſte,
Waſſers bewahrte mir traulich das fromme Kamel,
Um der Haine Geſang, um Geſtalten und Farben
des Lebens
Bat ich, vom lieblichen Glanz heimiſcher Fluren
verwoͤhnt.
Aber ich bat umſonſt; du erſchienſt mir feurig und
herrlich,
Aber ich hatte dich einſt goͤttlicher, ſchoͤner geſehn.
Auch den Eispol hab' ich beſucht; wie ein ſtarren-
des Chaos
Thuͤrmte das Meer ſich da ſchrecklich zum Him-
mel empor.
Todt in der Huͤlle von Schnee ſchlief hier das
gefeſſelte Leben,
Und der eiſerne Schlaf harrte des Tages umſonſt.
Ach! nicht ſchlang um die Erde den waͤrmenden
Arm der Olymp hier,
Wie Pygmalions Arm um die Geliebte ſich ſchlang.
Hier bewegt' er ihr nicht mit dem Sonnenblicke
den Buſen,
Und in Regen und Thau ſprach er nicht freundlich
zu ihr.
Mutter Erde! rief ich, du biſt zur Wittwe ge-
worden,
Duͤrftig und kinderlos lebſt du in langſamer Zeit.
Nichts zu erzeugen und nichts zu pflegen in ſor-
gender Liebe,
Alternd im Kinde ſich nicht wiederzuſehn, iſt
der Tod.
Aber vielleicht erwarmſt du dereinſt am Strale des
Himmels,
Aus dem duͤrftigen Schlaf ſchmeichelt ſein Odem
dich auf;
Und, wie ein Samenkorn, durchbrichſt du die
eherne Huͤlſe,
Und die knospende Welt windet ſich ſchuͤchtern
heraus.
Deine geſparte Kraft flammt auf in uͤppigem
Fruͤhling,
Roſen gluͤhen und Wein ſprudelt im kaͤrglichen
Nord.
Aber jetzt kehr' ich zuruͤck an den Rhein, in die
gluͤckliche Heimath,
Und es wehen, wie einſt, zaͤrtliche Luͤfte mich an.
Und das ſtrebende Herz beſaͤnftigen mir die ver-
trauten
Friedlichen Baͤume, die einſt mich in den Armen
gewiegt,
Und das heilige Gruͤn, der Zeuge des ewigen,
ſchoͤnen
Lebens der Welt, es erfriſcht, wandelt zum
Juͤngling mich um.
Alt bin ich geworden indeß, mich bleichte der
Eispol,
Und im Feuer des Suͤds fielen die Locken mir
aus.
Doch wie Aurora den Tithon, umfaͤngſt du in laͤcheln-
der Bluͤthe
Warm und froͤhlich, wie einſt, Vaterlandserde,
den Sohn.
Seliges Land! kein Huͤgel in dir waͤchſt ohne den
Weinſtock,
Nieder ins ſchwellende Gras regnet im Herbſte
das Obſt.
Froͤhlich baden im Strome den Fuß die gluͤhenden
Berge,
Kraͤnze von Zweigen und Moos kuͤhlen ihr ſon-
niges Haupt.
Und, wie die Kinder hinauf zur Schulter des
herrlichen Ahnherrn,
Steigen am dunkeln Gebirg Veſten und Huͤtten
hinauf.
Friedſam geht aus dem Walde der Hirſch an's
freundliche Tagslicht;
Hoch in heiterer Luft ſiehet der Falke ſich um.
Aber unten im Thal, wo die Blume ſich naͤhrt
von der Quelle,
Streckt das Doͤrfchen vergnuͤgt uͤber die Wieſe
ſich aus.
Still iſts hier; kaum rauſcht von fern die geſchaͤf-
tige Muͤhle,
Und vom Berge herab knarrt das gefeſſelte Rad.
Lieblich toͤnt die gehaͤmmerte Senf' und die Stimme
des Landmanns,
Der am Pfluge dem Stier, lenkend, die Schritte
gebeut,
Lieblich der Mutter Geſang, die im Graſe ſitzt
mit dem Soͤhnlein,
Das die Sonne des Mais ſchmeichelt in laͤcheln-
den Schlaf.
Aber druͤben am See, wo die Ulme das alternde
Hofthor
Uebergruͤnt und den Zaun wilder Holunder um-
bluͤht,
Da umfaͤngt mich das Haus und des Gartens
heimliches Dunkel,
Wo mit den Pflanzen mich einſt liebend mein
Vater erzog,
Wo ich froh, wie das Eichhorn, ſpielt' auf den
liſpelnden Aeſten,
Oder in's duftende Heu traͤumend die Stirne
verbarg.
Heimathliche Natur! wie biſt du treu mir ge-
blieben!
Zaͤrtlichpflegend, wie einſt, nimmſt du den Fluͤcht-
ling noch auf.
Noch gedeihn die Pfirſiche mir, noch wachſen gefaͤllig
Mir an's Fenſter, wie ſonſt, koͤſtliche Trauben
herauf.
Lockend roͤthen ſich noch die ſuͤßen Fruͤchte des
Kirſchbaums,
Und der pfluͤckenden Hand reichen die Zweige
ſich ſelbſt.
Schmeichelnd zieht mich, wie ſonſt, in des Walds
unendliche Laube
Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den
Bach,
Und die Pfade roͤtheſt du mir, es waͤrmt mich und
ſpielt mir
Um das Auge, wie ſonſt, Vaterlandsſonne!
dein Licht;
Feuer trink' ich und Geiſt aus deinem freudigen
Kelche,
Schlaͤfrig laͤſſeſt du nicht werden mein alterndes
Haupt.
Die du einſt mir die Bruſt erweckteſt vom Schlafe
der Kindheit,
Und mit ſanfter Gewalt hoͤher und weiter mich
triebſt,
Mildere Sonne! zu dir kehr' ich getreuer und weiſer,
Friedlich zu werden, und froh unter den Blumen
zu ruhn.
Die Eichbaͤume.
Aus den Gaͤrten komm' ich zu euch, ihr Soͤhne
des Berges!
Aus den Gaͤrten, da lebt die Natur, geduldig
und haͤuslich,
Pflegend und wieder gepflegt, mit dem fleißigen
Menſchen zuſammen.
Aber ihr, ihr Herrlichen! ſteht, wie ein Volk von
Titanen,
In der zahmeren Welt, und gehoͤrt nur euch und
dem Himmel,
Der euch naͤhrt' und erzog, und der Erde, die
euch geboren.
Keiner von euch iſt noch in der Menſchen Schule
gegangen,
Und ihr draͤngt euch, froͤhlich und frei, aus kraͤfti-
ger Wurzel
Unter einander herauf und ergreift, wie der Adler,
die Beute,
Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die
Wolken
Iſt euch heiter und groß die ſonnige Krone gerichtet.
Eine Welt iſt jeder von euch, wie die Sterne des
Himmels
Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zu-
ſammen.
Koͤnnt' ich die Knechtſchaft nur erdulden, ich nei-
dete nimmer
Dieſen Wald und ſchmiegte mich gern an's geſellige
Leben.
Feſſelte nur nicht mehr an's geſellige Leben das
Herz mich,
Das von Liebe nicht laͤßt, wie gern wuͤrd' ich unter
euch wohnen!
An den Aether.
Treu und freundlich, wie du, erzog der Goͤtter
und Menſchen
Keiner, o Vater Aether! mich auf; noch ehe die
Mutter
In die Arme mich nahm und ihre Bruͤſte mich
traͤnkten,
Faßteſt du zaͤrtlich mich an, und goſſeſt himmli-
ſchen Trank mir,
Mir den heiligen Odem zuerſt in den keimenden
Buſen.
Nicht von irdiſcher Koſt gedeihen einzig die Weſen,
Aber du naͤhreſt ſie all' mit deinem Nektar, o
Vater!
Und es draͤngt ſich und rinnt aus deiner ewigen
Fuͤlle
Die beſeelende Luft durch alle Roͤhren des Lebens.
Darum lieben die Weſen dich auch und ringen und
ſtreben
Unaufhoͤrlich hinauf nach dir in freudigem Wachs-
thum.
Himmliſcher! ſucht nicht dich mit ihren Augen die
Pflanze,
Streckt nach dir die ſchuͤchternen Arme der niedrige
Strauch nicht?
Daß er dich finde, zerbricht der gefangene Same
die Huͤlſe;
Daß er belebt von dir in deiner Welle ſich bade,
Schuͤttelt der Wald den Schnee, wie ein uͤberlaͤſtig
Gewand ab.
Auch die Fiſche kommen herauf und huͤpfen ver-
langend
Ueber die glaͤnzende Flaͤche des Stroms, als be-
gehrten auch dieſe
Aus der Wiege zu dir; auch den edeln Thieren
der Erde
Wird zum Fluge der Schritt, wenn oft das ge-
waltige Sehnen,
Die geheime Liebe zu dir ſie ergreift, ſie hinauf-
zieht.
Stolz verachtet den Boden das Roß, wie gebogener
Stahl ſtrebt
In die Hoͤhe ſein Hals, mit der Hufe beruͤhrt
es den Sand kaum.
Wie zum Scherze, beruͤhrt der Fuß der Hirſche
den Grashalm.
Huͤpft, wie ein Zephyr, uͤber den Bach der reißend
hinabſchaͤumt,
Hin und wieder ſchweift, kaum ſichtbar durch die
Gebuͤſche.
Aber des Aethers Lieblinge, ſie, die gluͤcklichen Voͤgel
Wohnen und ſpielen vergnuͤgt in der ewigen Halle
des Vaters!
Raums genug iſt fuͤr alle. Der Pfad iſt keinem
bezeichnet,
Und es regen ſich frei im Hauſe die Großen und
Kleinen.
Ueber dem Haupt frohlocken ſie mir und es ſehnt
ſich auch mein Herz
Wunderbar zu ihnen hinauf; wie die freundliche
Heimath
Winkt es von oben herab und auf die Gipfel der
Alpen
Moͤcht' ich wandern und rufen von da dem eilenden
Adler,
Daß er, wie einſt in die Arme des Zeus den ſe-
ligen Knaben,
Aus der Gefangenſchaft in des Aethers Halle mich
trage.
Thoͤricht treiben wir uns umher; wie die irrende
Rebe,
Wenn ihr der Stab gebricht, woran zum Himmel
ſie aufwaͤchst,
Breiten wir uͤber den Boden uns aus und ſuchen
und wandern
Durch die Zonen der Erd', o Vater Aether! ver-
gebens,
Denn es treibt uns die Luſt in deinen Gaͤrten zu
wohnen.
In die Meeresfluth werfen wir uns, in den freie-
ren Ebenen
Uns zu ſaͤttigen, und es umſpielt die unendliche
Woge
Unſern Kiel, es freut ſich das Herz an den Kraͤf-
ten des Meergotts.
Dennoch genuͤgt ihm nicht! denn der tiefere Ocean
reitzt uns,
Wo die leichtere Welle ſich regt — o wer dort an
jene
Goldnen Kuͤſten das wandernde Schiff zu treiben
vermoͤchte!
Aber indeß ich hinauf in die daͤmmernde Ferne
mich ſehne,
Wo du fremde Geſtad umfaͤngſt mit blaͤulicher Woge,
Koͤmmſt du ſaͤuſelnd herab von des Fruchtbaums
bluͤhenden Wipfeln,
Vater Aether! und ſaͤnftigeſt ſelbſt das ſtrebende
Herz mir,
Und ich lebe nun gern, wie zuvor, mit den Blu-
men der Erde.
Der Archipelagus.
Kehren die Kraniche wieder zu dir? und ſuchen
zu deinen
Ufern wieder die Schiffe den Lauf? umathmen er-
wuͤnſchte
Luͤfte dir die beruhigte Flut, und ſonnet der Delphin,
Aus der Tiefe gelockt, am neuen Lichte den Ruͤcken?
Bluͤht Jonien? iſt es die Zeit? denn immer im
Fruͤhling,
Wenn den Lebenden ſich das Herz erneut und die
erſte
Liebe den Menſchen erwacht, und goldner Zeiten
Erinnrung,
Komm' ich zu dir, und gruͤß' in deiner Stille dich,
Alter!
Immer, Gewaltiger! lebſt du noch und ruheſt im
Schatten
Deiner Berge, wie ſonſt; mit Juͤnglingsarmen
umfaͤngſt du
Noch dein liebliches Land, und deiner Toͤchter, o
Vater,
Deiner Inſeln iſt noch, der bluͤhenden, keine ver-
loren.
Kreta ſteht, und Salamis gruͤnt, umdaͤmmert von
Lorbeern,
Rings von Stralen umbluͤht, erhebt zur Stunde
des Aufgangs
Delos ihr begeiſtertes Haupt, und Cenos und
Chios
Haben der purpurnen Fruͤchte genug, von trun-
kenen Huͤgeln
Quillt der Cypriertrank, und von Kalauria fallen
Silberne Baͤche, wie einſt, in die alten Waſſer
des Vaters.
Alle leben ſie noch, die Heroenmuͤtter, die Inſeln,
Bluͤhend von Jahr zu Jahr, und wenn zu Zeiten,
vom Abgrund
Losgelaſſen, die Flamme der Nacht, das untre
Gewitter,
Eine der Holden ergriff und die Sterbende dir in
den Schooß ſank,
Goͤttlicher! du, du dauerteſt aus, denn uͤber den
dunkeln
Tiefen iſt Manches ſchon dir auf und unterge-
gangen.
Auch die Himmliſchen, ſie , die Kraͤfte der Hoͤhe
die ſtillen,
Die den heiteren Tag und ſuͤßen Schlummer und
Ahnung
Fernher bringen uͤber das Haupt der fuͤhlenden
Menſchen
Aus der Fuͤlle der Macht, auch ſie, die alten Ge-
ſpielen,
Wohnen, wie einſt, mit dir, und oft am daͤm-
mernden Abend,
Wenn von Aſiens Bergen herein das heilige
Mondlicht
Koͤmmt und die Sterne ſich in deiner Woge be-
gegnen,
Leuchteſt du von himmliſchem Glanz, und ſo, wie
ſie wandeln,
Wechſeln die Waſſer dir, es toͤnt die Weiſe der
Bruͤder
Droben, ihr Nachtgeſang im liebenden Buſen dir
wieder.
Wenn die allverklaͤrende dann, die Sonne des
Tages,
Sie, des Orients Kind, die Wunderthaͤtige, da iſt,
Dann die Lebenden all im goldenen Traume be-
ginnen,
Den die Dichtende ſtets des Morgens ihnen be-
reitet,
Dir, dem trauernden Gott, dir ſendet ſie froheren
Zauber,
Hoͤlderlin Gedichte. 11
Und ihr eigen freundliches Licht iſt ſelber ſo ſchoͤn
nicht,
Denn das Liebeszeichen, der Kranz, den immer,
wie vormals,
Deiner gedenk, doch ſie um die graue Locke dir
windet.
Und umfaͤngt der Aether dich nicht, und kehren
die Wolken,
Deine Boten, von ihm mit dem Goͤttergeſchenke,
dem Strale
Aus der Hoͤhe dir nicht? Dann ſendeſt du uͤber
das Land ſie,
Daß am heißen Geſtad die gewittertrunkenen Waͤlder
Rauſchen und wogen mit dir, daß bald, dem wan-
dernden Sohn gleich,
Wenn der Vater ihn ruft, mit den tauſend Baͤ-
chen Maͤander
Seinen Irren enteilt, und aus der Ebne Kayſter
Dir entgegen frohlockt, und der Erſtgeborne, der Alte,
Der zu lange ſich barg, dein majeſtaͤtiſcher Nil itzt
Hochherſchreitend aus fernem Gebirg, wie im
Klange der Waffen,
Siegreich koͤmmt und die offenen Arme der ſeh-
nende reichet.
Dennoch einſam duͤnkeſt du dir, in ſchweigender
Nacht hoͤrt
Deine Weheklage der Fels, und oͤfters entflieht dir
Zuͤrnend von Sterblichen weg die gefluͤgelte Woge
zum Himmel.
Denn es leben mit dir die edlen Lieblinge immer,
Die dich geehrt, die einſt mit den ſchoͤnen Tem-
peln und Staͤdten
Deine Geſtade bekraͤnzt, und immer ſuchen und
miſſen,
Immer beduͤrfen ja, wie Heroen den Kranz, die
geweihten
Elemente zum Ruhme das Herz der fuͤhlenden
Menſchen.
Sage, wo iſt Athen? iſt uͤber den Urnen der
Meiſter
Deine Stadt, die geliebteſte dir, an den heiligen
Ufern
Trauernder Gott, dir ganz in Aſche zuſammen
geſunken?
Oder iſt noch ein Zeichen von ihr, daß etwa der
Schiffer,
Wenn er voruͤber koͤmmt, ſie nenn' und ihrer ge-
denke?
Stiegen dort die Saͤulen empor und leuchteten
dort nicht
Sonſt vom Dache der Burg herab die Goͤtterge-
ſtalten?
Rauſchte dort die Stimme des Volks, die ſtuͤr-
miſchbewegte,
Aus der Agora nicht her, und eilt' es aus freu-
digen Pforten
Dort die Gaſſen dir nicht zu geſegnetem Hafen
herunter?
Siehe! da loͤste ſein Schiff der fernhinſinnende
Kaufmann,
Froh, denn es wehet' ihm auch die befluͤgelnde
Luft und die Goͤtter
Liebten ſo, wie den Dichter, auch ihn, dieweil er
die guten
Gaben der Erd' ausglich und Fernes Nahem vereinte.
Fern nach Eypros ziehet er hin und ferne nach
Tyros,
Strebt nach Kolchis hinauf und hinab zum alten
Aegyptos,
Daß er Purpur und Wein und Korn und Vlieſſe
gewinne
Fuͤr die eigene Stadt, und oͤfters uͤber des kuͤhnen
Herkules Saͤulen hinaus, zu neuen ſeligen Inſeln
Tragen die Hoffnungen ihn und des Schiffes Fluͤ-
gel, indeſſen,
Anders bewegt, am Geſtade der Stadt ein ein-
ſamer Juͤngling
Weilt, und die Woge belauſcht, und Großes ahnet
der Ernſte,
Wenn er zu Fuͤßen ſo des erderſchuͤtternden Meiſters
Lauſchet und ſitzt, und nicht umſonſt erzog ihn der
Meergott.
Denn des Genius Feind, der vielgebietende Perſe,
Jahrlang zaͤhlt' er ſie ſchon, der Waffen Menge,
der Knechte,
Spottend des griechiſchen Lands und ſeiner weni-
gen Inſeln,
Und ſie daͤuchten dem Herrſcher ein Spiel, und
noch wie ein Traum war
Ihm das innige Volk, vom Goͤttergeiſte geruͤſtet.
Leicht aus ſpricht er das Wort, und ſchnell, wie
der flammende Bergquell,
Wenn er, fruchtbar umher vom gaͤhrenden Aetna
gegoſſen,
Staͤdte begraͤbt in der purpurnen Flut und bluͤ-
hende Gaͤrten,
Bis der brennende Strom im heiligen Meere ſich
kuͤhlet,
So mit dem Koͤnige nun, verſengend, ſtaͤdtever-
wuͤſtend,
Stuͤrzt von Ekbatana daher ſein praͤchtig Getuͤmmel;
Weh! und Athene, die Herrliche, faͤllt; wohl
ſchauen und ringen
Vom Gebirg, wo das Wild ihr Geſchrei hoͤrt,
fliehende Greiſe
Nach den Wohnungen dort zuruͤck und den rau-
chenden Tempeln;
Aber es weckt der Soͤhne Gebet die heilige Aſche
Nun nicht mehr, im Thal iſt der Tod, und die
Wolke des Brandes
Schwindet am Himmel dahin, und weiter im Lande
zu ernten,
Zieht, vom Frevel erhitzt, mit der Beute der
Perſe voruͤber.
Aber an Salamis Ufern o Tag! an Salamis Ufern,
Harrend des Endes ſtehn die Athenerinnen, die
Jungfraun,
Stehn die Muͤtter, wiegend im Arm das gerettete
Soͤhnlein,
Aber den Horchenden ſchallt aus Tiefen die Stimme
des Meergotts
Heilweiſſagend herauf, es ſchaun die Goͤtter des
Himmels
Waͤgend und richtend herab, denn dort an den
bebenden Ufern
Wankt ſeit Tagesbeginn, wie langſam wandelnd
Gewitter,
Dort auf ſchaͤumenden Waſſern die Schlacht, und
es gluͤhet der Mittag
Unbemerket im Zorn, ſchon uͤber dem Haupte den
Kaͤmpfern.
Aber die Maͤnner des Volks, die Heroenenkel,
ſie walten
Helleren Auges jetzt, die Goͤtterlieblinge denken
Des beſchiedenen Gluͤcks, es zaͤhmen die Kinder
Athenes
Ihren Genius, ihn, den todverachtenden, jetzt
nicht.
Denn wie aus rauchendem Blut das Wild der
Wuͤſte noch einmal
Sich zuletzt verwandelt erhebt, der edleren Kraft
gleich,
Und den Jaͤger erſchreckt, kehrt jetzt im Glanze
der Waffen,
Bei der Herrſcher Gebot furchtbargeſammelt den
Wilden
Mitten im Untergang, die ermattete Seele noch
einmal.
Und entbrannter beginnt's; wie Paare ringender
Maͤnner,
Faſſen die Schiffe ſich an, in die Woge taumelt
das Steuer,
Unter den Streitern bricht der Boden und Schif-
fer und Schiff ſinkt.
Aber in ſchwindelnden Traum vom Liede des Ta-
ges geſungen,
Rollt der Koͤnig den Blick; irrlaͤchelnd uͤber den
Ausgang,
Droht er und fleht und frohlockt, und ſendet, wie
Blitze, die Boten;
Doch er ſendet umſonſt, es kehret keiner ihm
wieder.
Blutige Boten, Erſchlagne des Heers, und ber-
ſtende Schiffe,
Wirft die Raͤcherin ihm zahllos, die donnernde
Woge,
Vor den Thron, wo er ſitzt am bebenden Ufer,
der Arme,
Schauend die Flucht, und fort in die fliehende
Menge geriſſen,
Eilt er, ihn treibt der Gott, es treibt ſein irrend
Geſchwader
Ueber die Fluten der Gott, der ſpottend ſein eitel
Geſchmeid ihm
Endlich zerſchlug und den Schwachen erreicht' in
der drohenden Ruͤſtung.
Aber liebend zuruͤck zum einſam harrenden Strome
Kommt der Athener Volk, und von den Bergen
der Heimath
Wogen, freudig gemiſcht, die glaͤnzenden Schaa-
ren herunter
Ins verlaſſene Thal, ach! gleich der gealterten
Mutter,
Wenn nach Jahren das Kind, das verloren geach-
tete, wieder
Lebend ihr an den Buſen kehrt, ein erwachſener
Juͤngling.
Aber im Gram iſt ihr die Seele gewelkt, und die
Freude
Koͤmmt der Hoffnungsmuͤden zu ſpaͤt und muͤhſam
vernimmt ſie,
Was der liebende Sohn in ſeinem Danke geredet;
So erſcheint den Kommenden dort der Boden der
Heimath.
Denn es fragen umſonſt nach ihren Hainen die
Frommen,
Und die Sieger empfaͤngt die freundliche Pforte
nicht wieder,
Wie den Wanderer ſonſt ſie empfieng, wenn er
froh von den Inſeln
Wiederkehrt', und die ſelige Burg der Mutter
Athene
Ueber ſehnendem Haupt ihm fernherglaͤnzend her-
aufgieng.
Aber wohl ſind ihnen bekannt die veroͤdeten Gaſſen
Und die trauernden Gaͤrten umher und auf der Agora,
Wo des Portikus Saͤulen geſtuͤrzt, und die goͤtt-
lichen Bilder
Liegen, da reicht, in der Seele bewegt, und der
Treue ſich freuend,
Jetzt das liebende Volk zum Bunde die Haͤnde
ſich wieder.
Bald auch ſuchet und ſieht den Ort des eigenen
Hauſes
Unter dem Schutte der Mann; ihm weint am
Halſe, der trauten
Schlummerſtaͤtte gedenk, ſein Weib, es fragen
die Kindlein
Nach dem Tiſche, wo ſonſt in lieblicher Reihe ſie
ſaßen,
Von den Vaͤtern geſehn, den laͤchelnden Goͤttern
des Hauſes.
Aber Gezelte bauet das Volk, es ſchließen die alten
Nachbarn wieder ſich an, und nach des Herzens
Gewohnheit
Ordnen die luͤftigen Wohnungen ſich umher an
den Huͤgeln.
So indeſſen wohnen ſie nun, wie die Freien, die
Alten,
Die, der Staͤrke gewiß und dem kommenden Tage
vertrauend,
Wandernden Voͤgeln gleich, mit Geſange von Berge
zu Berg einſt,
Zogen, die Fuͤrſten des Forſts und des weitum-
irrenden Stromes.
Doch umfaͤngt noch, wie ſonſt, die Muttererde,
die treue,
Wieder ihr edel Volk, und unter heiligem Himmel
Ruhen ſie ſanft, wenn milde, wie ſonſt die Luͤfte
der Jugend
Um die Schlafenden wehn und aus Platanen
Iliſſus
Ihnen heruͤberrauſcht und, neue Tage verkuͤndend,
Lockend zu neuen Thaten, bei Nacht die Woge des
Meergotts
Fernher toͤnt und froͤhliche Traͤume den Lieblingen
ſendet.
Schon auch ſproſſen und bluͤhn die Blumen maͤhlig,
die goldnen,
Auf zertretenem Feld, von frommen Haͤnden ge-
wartet,
Gruͤnet der Oelbaum auf, und auf Kolonos Ge-
filden
Naͤhren friedlich, wie ſonſt, die atheniſchen Roſſe
ſich wieder.
Aber der Muttererd' und dem Gott der Woge zu
Ehren,
Bluͤhet die Stadt jetzt auf, ein herrlich Gebild,
dem Geſtirn gleich
Sicher gegruͤndet, des Genius Werk, denn Feſſeln
der Liebe
Schafft er gerne ſich ſo, ſo haͤlt in großen Geſtalten,
Die er ſelbſt ſich erbaut, der Immerrege ſich
bleibend.
Sieh! und dem Schaffenden dienet der Wald,
ihm reicht mit den andern
Bergen nahe zur Hand der Pentele Marmor und
Erze.
Aber lebend, wie er, und froh und herrlich ent-
quillt es
Seinen Haͤnden, und leicht, wie der Sonne, ge-
deiht das Geſchaͤft ihm.
Brunnen ſteigen empor, und uͤber die Huͤgel in
reinen
Bahnen gelenkt, ereilt der Quell das glaͤnzende
Becken;
Und umher an ihnen erglaͤnzt, gleich feſtlichen
Helden,
Am gemeinſamen Kelch, die Reihe der Wohnun-
gen, hoch ragt
Der Prytanen Gemach, es ſtehn Gymnaſien offen,
Goͤttertempel entſtehn, ein heiligkuͤhner Gedanke,
Steigt, Unſterblichen nah, das Olympion auf in
den Aether
Aus dem ſeligen Hain; noch manche der himmli-
ſchen Hallen!
Mutter Athene, dir auch, dir wuchs dein herrli-
cher Huͤgel
Stolzer aus der Trauer empor und bluͤhte noch
lange,
Gott der Wogen und dir, und deine Lieblinge ſangen
Frohverſammelt noch oft am Vorgebirge den Dank
dir.
O die Kinder des Gluͤcks, die frommen! wandeln
ſie fern nun
Bei den Vaͤtern daheim, und der Schickſalstage
vergeſſen,
Druͤben am Letheſtrom, und bringt kein Sehnen
ſie wieder?
Sieht mein Auge ſie nie? ach! findet uͤber den
tauſend
Pfaden der gruͤnenden Erd', ihr goͤttergleichen Ge-
ſtalten!
Euch das ſuchende nie, und vernahm ich darum
die Sprache,
Darum die Sage von euch, daß immertrauernd
die Seele
Vor der Zeit mir hinab zu euern Schatten ent-
fliehe?
Aber naͤher zu euch, wo eure Haine noch wachſen,
Wo ſein einſames Haupt in Wolken der heilige
Berg huͤllt,
Zum Parnaſſos will ich, und wenn im Dunkel
der Eiche
Schimmernd, mir Irrenden dort Kaſtalias Quelle
begegnet,
Will ich, mit Thraͤnen gemiſcht, aus bluͤtheum-
dufteter Schale
Dort auf keimendes Gruͤn das Waſſer gießen,
damit doch,
O ihr Schlafenden all' ein Todtenopfer euch werde.
Dort im ſchweigenden Thal, an Tempe's hangen-
den Felſen,
Will ich wohnen mit euch, dort oft, ihr herrlichen
Namen!
Her euch rufen bei Nacht, und wenn ihr zuͤrnend
erſcheinet,
Weil der Pflug die Graͤber entweiht, mit der
Stimme des Herzens
Will ich, mit frommem Geſang, euch ſuͤhnen, hei-
lige Schatten!
Bis, zu leben mit euch, ſich ganz die Seele ge-
woͤhnet.
Fragen wird der Geweihtere dann euch Manches,
ihr Todten!
Euch, ihr Lebenden, auch, ihr hohen Kraͤfte des
Himmels,
Wenn ihr uͤber dem Schutt mit euren Jahren
vorbeigeht,
Ihr in der ſicheren Bahn! denn oft ergreifet das
Irrſal
Unter den Sternen mir, wie ſchaurige Luͤfte, den
Buſen,
Daß ich ſpaͤhe nach Rath, und lang ſchon reden
ſie nimmer
Troſt den Beduͤrftigen zu, die prophetiſchen Haine
Dodona's,
Stumm iſt der delphiſche Gott, und einſam liegen
und oͤde
Laͤngſt die Pfade, wo einſt, von Hoffnungen leiſe
geleitet,
Fragend der Mann zur Stadt des redlichen Se-
hers heraufſtieg.
Aber droben das Licht, es ſpricht noch heute zu
Menſchen,
Schoͤner Deutungen voll, und des großen Don-
nerers Stimme,
Ruft es: Denket ihr mein? und die trauernde
Woge des Meergotts
Hallt es wieder: gedenkt ihr nimmer meiner, wie
vormals?
Denn es ruhn die Himmliſchen gern am fuͤhlen-
den Herzen,
Immer, wie ſonſt, geleiten ſie noch, die begei-
ſternden Kraͤfte,
Gerne den ſtrebenden Mann, und uͤber den Ber-
gen der Heimath
Ruht und waltet und lebt allgegenwaͤrtig der Aether,
Daß ein liebendes Volk, in des Vaters Armen
geſammelt,
Menſchlich freudig, wie ſonſt, und Ein Geiſt allen
gemein ſey.
Aber weh! es wandelt in Nacht, es wohnt, wie
im Orkus,
Ohne Goͤttliches unſer Geſchlecht. An's eigene
Treiben
Sind ſie geſchmiedet allein, und ſich in der to-
ſenden Werkſtatt
Hoͤret jeglicher nur und viel arbeiten die Wilden
Mit gewaltigem Arm, raſtlos, doch immer und immer
Unfruchtbar, wie die Furien, bleibt die Muͤhe der
Armen.
Bis, erwacht vom aͤngſtigen Traum, die Seele
den Menſchen
Aufgeht, jugendlich froh, und der Liebe ſegnender
Odem
Wieder, wie vormals oft, bei Hellas bluͤhenden
Kindern,
Wehet in neuer Zeit, und uͤber freierer Stirne
Uns der Geiſt der Natur, der fernherwandelnde,
wieder
Stilleweilend der Gott in goldnen Wolken er-
ſcheinet.
Ach und ſaͤumeſt du noch? und jene, die goͤttlich
gebornen,
Wohnen immer, o Tag! noch als in den Tiefen der
Erde
Einſam unten, indeß ein immerlebender Fruͤhling
Unbeſungen uͤber dem Haupt den Schlafenden
daͤmmert?
Aber laͤnger nicht mehr! ſchon hoͤr' ich ferne des
Feſttags
Chorgeſang auf gruͤnem Gebirg, und das Echo der
Haine,
Wo der Juͤnglinge Bruſt ſich hebt, wo die Seele
des Volks ſich
Still vereint in freierem Lied, zur Ehre des
Gottes,
Dem die Hoͤhe gebuͤhrt, doch auch die Thale ſind
heilig;
Denn, wo froͤhlich der Strom in wachſender Ju-
gend hinauseilt,
Unter Blumen des Lands, und wo auf ſonnigen
Ebnen
Edles Korn und der Obſtwald reift, da kraͤnzen
am Feſte
Gerne die Frommen ſich auch, und auf dem Huͤ-
gel der Stadt glaͤnzt,
Menſchlicher Wohnung gleich, die himmliſche Helle
der Freude.
Denn voll goͤttlichen Sinns iſt alles Leben ge-
worden,
Hoͤlderlins Gedichte. 12
Und vollendend, wie ſonſt, erſcheinſt du wieder
den Kindern
Ueberall, o Natur! und, wie vom Quellengebirg,
rinnt
Segen von da und dort in die keimende Seele
dem Volke.
Dann, dann, o ihr Freuden Athens! ihr Thaten
in Sparta!
Koͤſtliche Fruͤhlingszeit im Griechenlande! wenn
unſer
Herbſt koͤmmt, wenn ihr, gereift, ihr Geiſter alle
der Vorwelt!
Wiederkehret und ſiehe! des Jahrs Vollendung
iſt nahe!
Dann erhalte das Feſt auch euch, vergangene Tage!
Hin nach Hellas ſchaue das Volk, und weinend
und dankend
Saͤnftige ſich in Erinnerungen der ſtolze Triumph-
tag!
Aber bluͤhet indeß, bis unſre Fruͤchte beginnen,
Bluͤht, ihr Gaͤrten Joniens, nur, und die an
Athens Schutt
Gruͤnen, ihr Holden! verbergt dem ſchauenden
Tage die Trauer!
Kraͤnzt mit ewigem Laub, ihr Lorberwaͤlder! die
Huͤgel
Eurer Todten umher, bei Marathon dort, wo die
Knaben
Siegend ſtarben, ach! dort auf Chaͤroneas Gefilden,
Wo mit Waffen hinaus die letzten Athener enteilten,
Fliehend vor dem Tage der Schmach, dort, dort
von den Bergen
Klagt in's Schlachtthal taͤglich herab, dort ſinget
von Oetas
Gipfeln das Schickſalslied, ihr wandelnden Waſſer,
herunter!
Aber du, unſterblich, wenn auch der Griechenge-
ſang ſchon
Dich nicht feiert, wie ſonſt, aus deinen Wogen,
o Meergott!
Toͤne mir in die Seele noch oft, daß uͤber den
Waſſern
Furchtlos rage der Geiſt, dem Schwimmer gleich,
in der Starken
Friſchem Gluͤcke ſich uͤb', und die Goͤtterſprache
das Wechſeln
Und das Werden verſteh'; und wenn die reißende
Zeit mir
Zu gewaltig das Haupt ergreift, und die Noth
und das Irrſaal
Unter Sterblichen mir mein ſterblich Leben er-
ſchuͤttert,
Laß der Stille mich dann in deiner Tiefe gedenken!
Andenken.
Der Nordoſt weht,
Der liebſte unter den Winden
Mir, weil er feurigen Geiſt
Und gute Fahrt verheißet den Schiffern.
Geh' aber nun und gruͤße
Die ſchoͤne Garonne,
Und die Gaͤrten von Bourdeaux,
Dort wo am ſchroffen Ufer
Hingehet der Steg und in den Strom
Tief faͤllt der Bach, daruͤber aber
Hinſchauet ein edel Paar
Von Eichen und Silberpappeln!
Noch denket das mir wohl und wie
Die breiten Gipfel neiget
Der Ulmwald uͤber die Muͤhl',
Im Hofe aber waͤchſt ein Feigenbaum,
An Feiertagen gehn
Die braunen Frauen daſelbſt
Auf ſeidnen Boden,
Zur Maͤrzenzeit,
Wenn gleich iſt Nacht und Tag,
Und uͤber langſamen Stegen,
Von goldenen Traͤumen ſchwer,
Einwiegende Luͤfte ziehen.
Es reiche aber,
Des dunkeln Lichtes voll,
Mir Einer den duftenden Becher,
Damit ich ruhen moͤge; denn ſuͤß
Waͤr' unter Schatten der Schlummer.
Nicht iſt es gut,
Seellos vor ſterblichen
Gedanken zu ſeyn, doch gut
Iſt ein Geſpraͤch und zu ſagen
Des Herzens Meinung, zu hoͤren viel
Von Tagen der Lieb',
Und Thaten, welche geſchahen.
Wo aber ſind die Freunde? Bellarmin
Mit dem Gefaͤhrten? Mancher
Traͤgt Scheue, an die Quelle zu gehn;
Es beginnt nehmlich der Reichthum
Im Meere. Sie,
Wie Mahler, bringen zuſammen
Das Schoͤne der Erd' und verſchmaͤhn
Den gefluͤgelten Krieg nicht, und
Zu wohnen einſam, jahrlang, unter
Dem entlaubten Maſt, wo nicht die Nacht durch-
glaͤnzen
Die Feiertage der Stadt,
Und Saitenſpiel und eingeborner Tanz nicht.
Nun aber ſind zu Indiern
Die Maͤnner gegangen,
Dort an der luftigen Spitz'
An Traubenbergen, wo herab
Die Dordogne kommt
Und zuſammen mit der praͤcht'gen
Garonne meerbreit
Ausgehet der Strom. Es mehret aber
Und giebt Gedaͤchtniß die See
Und die Lieb' auch heftet fleißig die Augen,
Was bleibt aber, ſtiften die Dichter.
Die Wanderung.
Gluͤckſelig Sunvien, meine Mutter!
Auch du, der glaͤnzenderen, der Schweſter
Lombarda druͤben gleich,
Von hundert Baͤchen durchfloſſen!
Und Baͤume genug, weißbluͤhend und roͤthlich,
Und dunklere, wild, tief gruͤnendes Laub's voll —
Und Alpengebirg auch uͤberſchattet,
Uraltes, dich; denn nah dem Herde des Hauſes
Wohnſt du, und hoͤrſt, wie drinnen
Aus ſilbernen Opferſchalen
Der Quell rauſcht, ausgeſchuͤttet
Von reinen Haͤnden, wenn beruͤhrt
Von warmen Stralen
Kryſtallenes Eis, und umgeſtuͤrzt
Vom leichtanregenden Lichte
Der ſchneeige Gipfel uͤbergießt die Erde
Mit reineſtem Waſſer. Darum iſt
Dir angeboren die Treue. Schwer verlaͤßt
Was nahe dem Urſprung wohnet, den Ort.
Und deine Kinder, die Staͤdte
Am weithindaͤmmernden See,
An Neckars Weiden, am Rheine,
Sie alle meinen, es waͤre
Sonſt nirgend beſſer zu wohnen.
Ich aber will dem Kaukaſos zu!
Denn ſagen hoͤrt' ich
Noch heut in den Luͤften:
Frei ſey'n, wie Schwalben, die Dichter.
Auch hat in juͤngern Tagen
Sonſt Eines mir vertraut:
Es ſeyen vor alter Zeit
Die Unſrigen einſt, ein ſinnig Geſchlecht,
Still fortgezogen von Wellen der Donau,
Dort mit der Sonne Kindern
Am Sommertage, da dieſe
Sich Schatten ſuchten, zuſammen
Am ſchwarzen Meere gekommen,
Und nicht umſonſt ſey dieß
Das gaſtfreundliche genennet.
Denn als ihr Staunen voruͤber war,
Da nahten die Andern zuerſt; dann ſetzten auch
Die Unſeren ſich neugierig unter den Oelbaum.
Doch, als ſich ihre Gewande beruͤhrt,
Und Keiner vernehmen konnte
Die eigene Rede des Andern, waͤre wohl
Entſtanden ein Zwiſt, wenn nicht aus Zweigen
herunter
Gekommen waͤre die Kuͤhlung,
Die Laͤcheln uͤber das Angeſicht
Der Streitenden oͤfters breitet; und eine Weile
Sah'n ſtill ſie auf. Dann reichten ſie ſich
Die Haͤnde liebend einander. Und bald
Vertauſchten ſie Waffen und all'
Die lieben Guͤter des Hauſes,
Vertauſchten das Wort auch und es wuͤnſchten
Die freundlichen Vaͤter umſonſt nichts
Beim Hochzeitjubel den Kindern.
Denn aus den Heiligvermaͤhlten
Wuchs ſchoͤner, denn Alles,
Was vor und nach
Von Menſchen ſich nannt', ein Geſchlecht auf.
Wo aber wohnt ihr, liebe Verwandten,
Daß wir das Buͤndniß wiederbegehn,
Und der theuern Ahnen gedenken?
Dort an den Ufern, unter den Baͤumen
Ionias, in Ebenen des Kayſtros,
Wo Kraniche, des Aethers froh,
Umſchloſſen ſind von fernhindaͤmmernden Bergen,
Dort wart auch ihr, ihr Schoͤnſten! oder pflegtet
Der Inſeln, die, mit Wein bekraͤnzt,
Voll toͤnten von Geſang; noch Andere wohnten
Am Tayget, am vielgepriesnen Hymettos,
Und dieſe bluͤhten zuletzt. Doch von
Parnaſſos Quell bis zu des Tmolos
Goldglaͤnzenden Baͤchen erklang
Ein ewig Lied, So rauſchten
Die heiligen Waͤlder und all'
Die Saitenſpiele zuſammt,
Von himmliſcher Milde geruͤhret.
O Land des Homer!
Am purpurnen Kirſchbaum, oder wenn,
Von dir geſandt, im Weinberg mir
Die jungen Pfirſiche gruͤnen,
Und die Schwalbe fernher kommt und Vieles er-
zaͤhlend
An meinen Waͤnden ihr Haus baut, in
Den Tagen des Mais, auch unter den Sternen
Gedenk' ich, o Ionia! dein. Doch Menſchen
Iſt Gegenwaͤrtiges lieb. Drum bin ich
Gekommen, euch, ihr Inſeln, zu ſehn und euch,
Ihr Muͤndungen der Stroͤme, o ihr Hallen der
Thetis,
Ihr Waͤlder euch, und euch, ihr Wolken des Ida!
Doch nicht zu bleiben gedenk' ich,
Unfreundlich iſt und ſchwer zu gewinnen
Die Verſchloſſene, der ich entkommen, die Mutter.
Von ihren Soͤhnen einer, der Rhein,
Mit Gewalt wollt' er an's Herz ihr ſtuͤrzen und
ſchwand,
Der Zuruͤckgeſtoßene, niemand weiß, wohin in die
Ferne.
Doch ſo nicht wuͤnſcht' ich gegangen zu ſeyn
Von ihr, und nur euch einzuladen
Bin ich zu euch, ihr Grazien Griechenlands,
Ihr Himmelstoͤchter gewandert,
Daß wenn die Reiſe zu weit nicht iſt,
Zu uns ihr kommet, ihr Holden!
Wenn milder athmen die Luͤfte,
Und liebende Pfeile der Morgen
Uns Allzugeduldigen ſchickt,
Und leichte Gewoͤlke bluͤhn
Uns uͤber den ſchuͤchternen Augen,
Dann werden wir ſagen, wie kommt,
Ihr Charitinnen, zu Wilden?
Die Dienerinnen des Himmels
Sind aber wunderbar,
Wie alles Goͤttlichgeborne.
Zum Traume wird's ihm, will es Einer
Beſchleichen und ſtraft den, der
Ihm gleichen will mit Gewalt.
Oft uͤberraſcht es den,
Der eben kaum es gehofft hat.
Der Rhein.
Fragment.
Im dunkeln Epheu ſaß ich, an der Pforte
Des Waldes, eben, da der goldene Mittag
Den Quell beſuchend, herunterkam
Von Treppen des Alpengebir'gs,
Das mir die goͤttlichgebaute,
Die Burg der Himmliſchen heißt
Nach alter Meinung, wo aber
Geheim noch Manches entſchieden
Zu Menſchen gelanget; von da
Vernahm ich ohne Vermuthen
Ein Schickſal, denn noch kaum
War mir im warmen Schatten
Sich Manches beredend, die Seele
Italia zugeſchweift
Und an die Kuͤſten Morea's.
Jetzt aber, drinn im Gebirg,
Tief unter den ſilbernen Gipfeln,
Und unter froͤhlichem Gruͤn,
Wo die Waͤlder ſchauernd zu ihm
Und der Felſen Haͤupter uͤbereinander
Hinabſchaun, taglang, dort
Im kaͤlteſten Abgrund hoͤrt'
Ich um Erloͤſung jammern
Den Juͤngling, es hoͤrten ihn, wie er tobt',
Und die Mutter Erd' anklagt',
Und den Donnerer, der ihn gezeuget,
Erbarmend die Eltern, doch
Die Sterblichen flohn von dem Ort,
Denn furchtbar war, da lichtlos er
In den Feſſeln ſich waͤlzte,
Das Raſen des Halbgotts.
Die Stimme war's des edelſten der Stroͤme,
Des freigeborenen Rheins,
Und Anderes hoffte der, als droben von den
Bruͤdern,
Dem Teſſin und dem Rhodanus,
Er ſchied und wandern wollt', und ungeduldig ihn
Nach Aſia trieb die koͤnigliche Seele.
Doch unverſtaͤndig iſt
Das Wuͤnſchen vor dem Schickſal.
Die Blindeſten aber
Sind Goͤtterſoͤhne, denn es kennet der Menſch
Sein Haus und dem Thier ward, wo
Es bauen ſolle, doch jenen iſt
Der Fehl, daß ſie nicht wiſſen wohin?
In die unerfahrne Seele gegeben.
Ein Raͤthſel iſt Reinentſprungenes. Auch
Der Geſang kaum darf es enthuͤllen. Denn
Wie du anfiengſt, wirſt du bleiben,
So viel auch wirket die Noth
Und die Zucht, das Meiſte nemlich
Vermag die Geburt
Und der Lichtſtral, der
Dem Neugebornen begegnet.
Wo aber iſt Einer,
Um frei zu bleiben
Sein Leben lang und des Herzens Wunſch
Allein zu erfuͤllen, ſo
Aus himmliſchguͤnſtigen Hoͤh'n
Und ſo aus reineſtem Schooße
Gluͤcklich geboren, wie jener.
Drum iſt ein Jauchzen ſein Wort.
Nicht liebt er, wie andere Kinder
In Wickelbanden zu weinen;
Und wenn, wo die Ufer ſich ihm
An die Seite ſchleichen, die krummen,
Und durſtig umwindend ihn,
Den Unbedachten, zu ziehn
Und wohl zu behuͤten begehren
Im eignen Schlunde, lachend,
Zerreißt er die Schlangen und ſtuͤrzt
Mit der Beut', und wenn in der Eil'
Ein Groͤßerer ihn nicht zaͤhmt,
Ihn wachſen laͤßt, wie der Blitz muß er
Die Erde ſpalten, und wie Bezauberte fliehn
Die Waͤlder ihm nach und zuſammenſinkend die
Berge.
Ein Gott will aber ſparen den Soͤhnen
Das eilende Leben und laͤchelt,
Wenn unenthaltſam, aber gehemmt
Von heiligen Alpen, ihm
In der Tiefe, wie jener, zuͤrnen die Stroͤme.
In ſolcher Eſſe wird dann
Auch alles Lautre geſchmiedet
Und ſchoͤn iſt's, wie er drauf,
Nachdem er die Berge verlaſſen,
Stillwandelnd ſich im deutſchen Lande
Begnuͤget und das Sehnen ſtillt
Im guten Geſchaͤfte, wenn er das Land baut,
Der Vater Rhein, und liebe Kinder naͤhrt
In Staͤdten, die er gegruͤndet.
Doch nimmer, nimmer vergißt er's.
Denn eher muß die Wohnung vergehn
Und die Satzung und zum Unbild werden
Der Tag der Menſchen, ehe vergeſſen
Ein Solcher duͤrfte den Urſprung
Und die reine Stimme der Jugend.
Wer war es, der zuerſt
Die Liebesbande verderbt
Und Stricke von ihnen gemacht hat?
Dann haben des eigenen Rechts
Und gewiß des himmliſchen Feuers
Geſpottet die Trotzigen, dann erſt,
Die ſterblichen Pfade verachtend,
Verweg'nes erwaͤhlt,
Und den Goͤttern gleich zu werden getrachtet.
Es haben aber an eigner
Unſterblichkeit die Goͤtter genug, und beduͤrfen
Die Himmliſchen eines Dings,
So ſind's Heroen und Menſchen,
Und Sterbliche ſonſt. Denn weil
Die Seligſten nichts fuͤhlen von ſelbſt,
Muß wohl, wenn Solches zu ſagen
Erlaubt iſt, in der Goͤtter Namen
Theilnehmend fuͤhlen ein Andrer —
Den brauchen ſie; jedoch ihr Gericht
Iſt, daß ſein eigenes Haus
Zerbreche der, und das Liebſte
Wie den Feind ſchelt' und ſich Vater und Kind
Begrabe unter den Truͤmmern,
Wenn Einer, wie ſie, ſeyn will, und nicht
Ungleiches dulden, der Schwaͤrmer.
Drum wohl ihm, welcher fand
Ein wohlbeſchiedenes Schickſal,
Wo noch der Wanderungen
Und ſuͤß der Leiden Erinnerung
Aufrauſcht am ſichern Geſtade,
Daß da und dorthin gern
Er ſehn mag bis an die Graͤnzen,
Die bei der Geburt ihm Gott
Zum Aufenthalte gezeichnet.
Dann ruht er, ſelig beſcheiden,
Denn Alles, was er gewollt,
Das Himmliſche, von ſelber umfaͤngt
Es unbezwungen, laͤchelnd
Jetzt, da er ruhet, den Kuͤhnen.
Halbgoͤtter denk' ich jetzt,
Und kennen muß ich die Theuern,
Weil oft ihr Leben ſo
Die ſehnende Bruſt mir bewegt.
Wem aber, wie dir,
Unuͤberwindlich die Seele,
Die ſtark ausdauernde ward,
Und ſicherer Sinn
Und ſuͤße Gabe zu hoͤren,
Zu reden ſo, daß er aus heiliger Fuͤlle
Wie der Weingott thoͤrig, goͤttlich
Hoͤlderlin Gedichte. 13
Und geſetzlos ſie, die Sprache der Reineſten giebt,
Verſtaͤndlich den Guten, aber mit Recht
Die Achtungsloſen mit Blindheit ſchlaͤgt,
Die entweichenden Knechte, wie nenn' ich den
Fremden?
Die Soͤhne der Erde ſind, wie die Mutter,
Allliebend, ſo empfangen ſie auch
Muͤhlos, die Gluͤcklichen, Alles.
Drum uͤberraſchet es auch,
Und ſchreckt den ſterblichen Mann,
Wenn er den Himmel, den
Er mit den liebenden Armen
Sich auf die Schultern gehaͤuft,
Und die Laſt der Freude bedenket.
Dann ſcheint ihm oft das Beſte,
Faſt ganz vergeſſen da,
Wo der Stral nicht brennt,
Im Schatten des Wald's,
In friſcher Gruͤne zu ſeyn,
Und ſorglosarm an Toͤnen
Anfaͤngern gleich, bei Nachtigallen zu lernen.
Und herrlich iſt's aus heiligem Schlafe dann
Erſtehen und aus Waldeskuͤhle
Erwachend, Abends nun
Dem milderen Licht entgegenzugehen,
Wenn, der die Berge gebaut
Und den Pfad der Stroͤme gezeichnet,
Nachdem er laͤchelnd auch
Der Menſchen geſchaͤftiges Leben
Das odemarme, wie Segel,
Mit ſeinen Luͤften gelenkt hat,
Auch ruht und vor der Schuͤlerin jetzt,
Der Bildner vor der Braut,
Der herrliche Pygmalion,
Der Tagsgott vor der Erde ſich neiget.
Dann feiern das Brautfeſt Menſchen und
Goͤtter,
Es feiern die Lebenden all,
Und ausgeglichen
Iſt eine Weile das Schickſal.
Und die Fluͤchtlinge ſuchen die Herberg'
Und ſuͤßen Schlummer die Tapfern.
Die Liebenden aber
Sind, was ſie waren, ſie ſind
Zu Hauſe, wo die Blume ſich freuet
Unſchaͤdlicher Glut, und die finſteren Baͤume
Der Geiſt umſaͤuſelt, aber die Unverſoͤhnten
Sind umgewandelt und eilen,
Die Haͤnde ſich ehe zu reichen,
Bevor das freundliche Licht
Hinunter geht und die Nacht kommt.
Hyperions Schickſalslied.
Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, ſelige Genien!
Glaͤnzende Goͤtterluͤfte
Ruͤhren euch leicht,
Wie die Finger der Kuͤnſtlerin
Heilige Saiten.
Schickſallos, wie der ſchlafende
Saͤugling, athmen die Himmliſchen;
Keuſch bewahrt
In beſcheidener Knoſpe,
Bluͤhet ewig
Ihnen der Geiſt,
Und die ſeligen Augen
Blicken in ſtiller
Ewiger Klarheit.
Doch uns iſt gegeben,
Auf keiner Staͤtte zu ruh'n,
Es ſchwinden, es fallen
Die leidenden Menſchen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Waſſer von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrlang in's Ungewiſſe hinab.
Der Tod des Empedokles.
Fragmente eines Trauerſpiels.
Mekades. Hermokrates.
Mekades.
Hoͤrſt du das trunk'ne Volk?
Hermokrates.
Sie ſuchen ihn.
Mekades.
Der Geiſt des Manns
Iſt maͤchtig unter ihnen.
Hermokrates.
Ich weiß, wie duͤrres Gras
Entzuͤnden ſich die Menſchen.
Mekades.
Daß Einer ſo die Menge bewegt, mir iſt's,
Als wie wenn Jovis Blitz den Wald
Ergreift, und furchtbarer.
Hermokrates.
Drum binden wir den Menſchen auch
Das Band um's Auge, daß ſie nicht
Zu kraͤftig ſich am Lichte naͤhren.
Nicht gegenwaͤrtig werden
Darf Goͤttliches vor ihnen,
Es darf ihr Herz
Lebendiges nicht finden.
Kennſt du die Alten nicht,
Die Lieblinge des Himmels man nennt?
Sie naͤhrten die Bruſt
An Kraͤften der Welt
Und den Hellaufblickenden war
Unſterbliches nahe,
Drum beugten die Stolzen
Das Haupt auch nicht,
Und vor den Gewaltigen konnt'
Ein Anderes nicht beſtehn,
Es ward verwandelt vor ihnen.
Mekades.
Und er?
Hermokrates.
Das hat zu maͤchtig ihn
Gemacht, daß er vertraut
Mit Goͤttern worden iſt.
Es toͤnt ſein Wort dem Volk'
Als kaͤm es vom Olymp;
Sie danken's ihm,
Daß er vom Himmel raubet
Die Lebensflamm' und ſie
Verraͤth den Sterblichen.
Mekades.
Sie wiſſen nichts, denn ihn,
Er ſoll ihr Gott
Er ſoll ihr Koͤnig ſeyn.
Sie ſagen, es hab' Apoll
Die Stadt gebaut den Trojern,
Doch beſſer ſey, es helf'
Ein hoher Mann durch's Leben.
Noch ſprechen ſie viel Unverſtaͤndiges
Von ihm und achten kein Geſetz
Und keine Noth und keine Sitte.
Ein Irrgeſtirn iſt unſer Volk
Geworden und ich fuͤrcht',
Es deute dieſes Zeichen
Zukuͤnft'ges noch, das er
Im ſtillen Sinne bruͤtet.
Hermokrates.
Sey ruhig, Mekades!
Er wird nicht.
Mekades.
Biſt du denn maͤchtiger?
Hermokrates.
Der ſie verſteht,
Iſt ſtaͤrker, denn die Starken,
Und wohlbekannt iſt dieſer Seltne mir.
Zu gluͤcklich wuchs er auf;
Ihm iſt von Anbeginn
Der eigne Sinn verwoͤhnt, daß ihn
Geringes irrt; er wird es buͤßen,
Daß er zu ſehr geliebt die Sterblichen.
Mekades.
Mir ahndet ſelbſt,
Es wird mit ihm nicht lange dauern,
Doch iſt es lang genug,
So er erſt faͤllt, wenn ihm's gelungen iſt.
Hermokrates.
Und ſchon iſt er gefallen.
Mekades.
Was ſagſt du?
Hermokrates.
Siehſt du denn nicht? es haben
Den hohen Geiſt die Geiſtesarmen
Geirrt, die Blinden den Verfuͤhrer.
Die Seele warf er vor das Volk, verrieth
Der Goͤtter Gunſt gutmuͤthig den Gemeinen,
Doch raͤchend aͤffte leeren Wiederhall's
Genug denn auch aus todter Bruſt den Thoren.
Und eine Zeit ertrug er's, graͤmte ſich
Geduldig, wußte nicht,
Wo es gebrach; indeſſen wuchs
Die Trunkenheit dem Volke; ſchaudernd
Vernahmen ſie's, wenn ihm vom eignen Wort
Der Buſen bebt', und ſprachen:
So hoͤren wir nicht die Goͤtter!
Und Namen, ſo ich dir nicht nenne, gaben
Die Knechte dann dem ſtolzen Trauernden.
Und endlich nimmt der Durſtige das Gift,
Der Arme, der mit ſeinem Sinn nicht
Zu bleiben weiß und Aehnliches nicht findet,
Er troͤſtet mit der raſenden
Anbetung ſich, verblindet, wird wie ſie,
Die ſeelenloſen Aberglaubigen;
Die Kraft iſt ihm entwichen,
Er geht in einer Nacht, und weiß ſich nicht
Herauszuhelfen und wir helfen ihm.
Mekades.
Deß biſt du ſo gewiß?
Hermokrates.
Ich kenn' ihn.
Mekades.
Ein uͤbermuͤthiges Gerede faͤllt
Mir bei, das er gemacht, da er zuletzt
Auf der Agore war. Ich weiß es nicht,
Was ihm das Volk zuvor geſagt; ich kam
Nur eben, ſtand von fern; ihr ehret mich,
Antwortet' er, und thuet recht daran;
Denn ſtumm iſt die Natur,
Es leben Sonn' und Luft und Erd' und ihre Kinder
Fremd um einander,
Die Einſamen, als gehoͤrten ſie ſich nicht.
Wohl wandeln immer kraͤftig
Im Goͤttergeiſte die freien
Unſterblichen Maͤchte der Welt
Rings um der andern
Vergaͤnglich Leben,
Doch wilde Pflanzen
Auf wilden Grund
Sind in den Schooß der Goͤtter
Die Sterblichen alle geſaͤet,
Die Kaͤrglichgenaͤhrten, und todt
Erſchiene der Boden, wenn Einer nicht
Deß wartete, lebenerweckend,
Und mein iſt das Feld. Mir tauſchen
Die Kraft und Seele zu Einem
Die Sterblichen und die Goͤtter.
Und waͤrmer umfangen die ewigen Maͤchte
Das ſtrebende Herz und kraͤft'ger gedeihn
Vom Geiſte der Freien die fuͤhlenden Menſchen,
Und wach iſt's! denn ich
Geſelle das Fremde,
Das Unbekannte nennet mein Wort,
Und die Liebe der Lebenden trag'
Ich auf und nieder; was Einem gebricht,
Ich bring es vom andern, und binde
Beſeelend und wandle verjuͤngend die zoͤgernde
Welt
Und gleiche Keinem und Allen.
So ſprach der Uebermuͤthige.
Hermokrates.
Das iſt noch wenig. Aergers ſchlaͤft in ihm.
Ich kenn' ihn, kenne ſie, die uͤbergluͤcklichen
Verwoͤhnten Soͤhne des Himmels,
Die anders nicht, denn ihre Seele, fuͤhlen.
Stoͤrt einmal ſie der Augenblick heraus —
Und leicht zerſtoͤrbar ſind die Zaͤrtlichen —
Dann ſtillet nichts ſie wieder, brennend
Treibt eine Wunde ſie, unheilbar gaͤhrt
Die Bruſt. Auch er! ſo ſtill er ſcheint,
So gluͤht ihm doch, ſeit ihm das arme Volk
Den hohen Geiſt — —
Empedokles. Pauſanias.
Empedokles.
— — — — — — O jene Zeit!
Ihr Liebeswonnen, da die Seele mir
Von Goͤttern, wie Endymion, geweckt,
Die kindlich ſchlummernde, ſich oͤffnete,
Lebendig ſie, die Immerjugendlichen,
Des Lebens große Genien
Erkannte — ſchoͤne Sonne! Menſchen hatten mich
Es nicht gelehrt, mich trieb mein eigen Herz
Unſterblichliebend zu Unſterblichen,
Zu dir, zu dir, ich konnte Goͤttlichers
Nicht finden, ſtilles Licht! und ſo wie du
Das Leben nicht an deinem Tage ſparſt
Und ſorgenfrei der goldnen Fuͤlle dich
Entledigeſt, ſo goͤnnt' auch ich, der deine,
Den Sterblichen die beſte Seele gern
Und furchtlos offen gab
Mein Herz, wie du, der ernſten Erde ſich,
Der ſchickſalvollen, ihr in Juͤnglingsfreude
Das Leben ſo zu eignen bis zuletzt;
Ich ſagt' ihr's oft in trauter Stunde zu,
Band ſo den theuern Todesbund mit ihr.
Da rauſcht' es anders, denn zuvor, im Hain,
Und zaͤrtlich toͤnten ihrer Berge Quellen —
All' deine Freuden, Erde! wahr, wie ſie,
Und warm und voll, aus Muͤh' und Liebe reifen,
Sie alle gabſt du mir. Und wenn ich oft
Auf ſtiller Bergeshoͤhe ſaß und ſtaunend
Der Menſchen Irrſal uͤberſann,
Zu tief von deinen Wandlungen ergriffen,
Und nah mein eignes Welken ahnete,
Dann athmete der Aether, ſo wie dir,
Mir heilend um die liebeswunde Bruſt,
Und, wie Gewoͤlk der Flamme, loͤſeten
Im hohen Blau die Sorgen mir ſich auf.
Pauſanias.
O Sohn des Himmels!
(Auf dem Aetna.)
Empedokles, vom Schlaf erwachend; dann
Pauſanias.
Euch ruf' ich uͤber das Gefild herein
Vom langſamen Gewoͤlk, ihr heißen Stralen
Des Mittags, ihr gereifteſten, daß ich
An euch den neuen Lebenstag erkenne.
Denn anders iſts, wie ſonſt! vorbei, vorbei
Das menſchliche Bekuͤmmerniß! als wuͤchſen
Mir Schwingen an, ſo iſt mir wohl und leicht
Hier oben, hier, und reich genug und froh
Und herrlich wohn' ich, wo den Feuerkelch,
Mit Geiſt gefuͤllt bis an den Rand, bekraͤnzt
Mit Blumen, die er ſelber ſich erzog,
Gaſtfreundlich mir der Vater Aetna beut.
Und wenn das unterirdiſche Gewitter
Itzt feſtlich auferwacht, zum Wolkenſitz
Des nahverwandten Donners fliegt hinauf
Und zu den Sternen toͤnt, da waͤchst das Herz
mir auch.
Mit Adlern ſing' ich hier Naturgeſang.
Das dacht' er nicht, daß in der Fremde mir
Ein andres Leben bluͤhte, da er mich
Mit Schmach hinweg aus unſrer Stadt verwies,
Mein koͤniglicher Bruder. Ach! er weiß es nicht,
Der kluge, welchen Segen er bereitete,
Da er von Menſchenbande los, da er mich frei
Erklaͤrte, frei, wie Fittige des Himmels.
Drum galt es auch! drum waffnete das Volk,
Das mein war, gegen meine Seele ſich
Mit Hohn und Fluch.
Und ſtieß mich aus; und nicht vergebens gellt
Im Ohre mir das hundertſtimmige
Gelaͤchter, da der fromme Traͤumer,
Der naͤrriſche, des Weges weinend gieng.
Beim Todtenrichter! wohl hab' ich's verdient!
Und heilſam wars; die Kranken heilt das Gift,
Und eine Suͤnde ſtraft die anderen.
Denn viel geſuͤndiget von Jugend auf,
Geliebt hab' ich die Menſchen ohne Maaß,
Gedient, wie Waſſer nur dem Feuer dient.
Darum begegneten auch menſchlich ſie
Mir nicht, o darum ſchaͤndeten ſie mir
Mein Angeſicht, und hielten mich, wie dich,
Allduldende Natur! du haſt mich nun,
Du haſt mich, und es daͤmmert zwiſchen dir
Und mir die alte Liebe wieder auf.
Du rufſt, du ziehſt mich nah und naͤher an,
Und hier iſt kein Bedenken mehr. Es ruft
Der Gott —
(Da er den Pauſanias gewahr wird:)
und dieſen Allzutreuen muß
Ich auch befrein, mein Pfad iſt ſeiner nicht.
Pauſanias. Empedokles.
Pauſanias.
Du ſcheineſt freudig auferwacht, mein Wandrer!
Empedokles.
Schon hab' ich, Lieber, und vergebens nicht,
Mich in der neuen Heimath umgeſehn.
Die Wildniß iſt mir hold.
Pauſanias.
Sie haben uns verbannt, ſie haben dich,
Du Guͤtiger! verſchmaͤht, und glaub' es mir,
Unleidlich warſt du ihnen laͤngſt und innig.
In ihre Truͤmmer ſchien, in ihre Nacht,
Zu helle den Verzweifelten das Licht.
Empedokles.
Nun moͤgen ſie vollenden ungeſtoͤrt!
Vergeſſenheit! o wie ein gluͤcklich Segel,
Bin ich vom Ufer los, —
— — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — —
Pauſanias.
Nun! laſſ' ſie nur! ſie moͤgen ungeſtalt
Lichtſcheu am Boden taumeln, der ſie traͤgt,
Und allbegehrend, allgeaͤngſtiget,
Sich muͤde rennen. Brennen mag der Brand,
Bis er erliſcht; wir wohnen ruhig hier!
Empedokles.
Ja! ruhig wohnen wir! es oͤffnen groß
Sich hier vor uns die heil'gen Elemente.
Die Muͤheloſen regen immergleich
In ihrer Kraft ſich freudig hier um uns.
An ſeinen feſten Ufern wacht und ruft
Das alte Meer; und das Gebirge ſteigt
Mit ſeiner Stroͤme Klang; es wogt und rauſcht
Sein gruͤner Wald von Thal zu Thal hinunter
Und oben weilt das Licht, der Aether ſtillt
Den Tapfern das geheimere Verlangen.
Pauſanias.
So bleibſt du wohl und bleibſt in deiner Welt.
Doch hab' ich ſchon ein wenig vorgeſorgt,
Ich diene dir und ſehe, was uns noth iſt.
Empedokles.
Nur weniges iſt noth — — —
— — — — — — — — — — —
Pauſanias.
Indeß du gut auf kahler Erde hier
Hoͤlderlins Gedichte. 14
In heißer Sonne ſchliefſt, gedacht' ich doch
Ein weicher Boden und die kuͤhle Nacht
In einer ſichern Halle waͤre beſſer.
Auch ſind wir hier, die Allverdaͤchtigen,
Den Wohnungen der andern faſt zu nah,
Nicht lange wollt' ich ferne ſeyn von dir
Und eilt' hinauf und gluͤcklich fand ich bald,
Fuͤr dich und mich gebaut, ein ruhig Haus,
Ein tiefer Fels von Eichen dicht umſchirmt,
Dort in der dunkeln Seite des Gebirgs,
Und nah entſpringt ein Quell, es gruͤnt umher
Die Fuͤlle guter Pflanzen, und zum Bett
Iſt Ueberfluß von Laub und Gras bereitet.
Da laſſen ſie dich ungeſchmaͤht, und tief und ſtill
Iſts, wenn du ſinnſt, und wenn du ſchlaͤfſt, um dich.
Ein Heiligthum iſt mir mit dir die Grotte.
Komm, ſiehe ſelbſt, und ſage nicht, ich tauge
Dir kuͤnftig nicht, wem taugt' ich anders denn?
Empedokles.
Du taugſt zu gut.
Pauſanias.
Wie koͤnnt' ich dieß?
Empedokles.
Auch du
Biſt allzutreu, du biſt ein thoͤricht Kind.
Pauſanias.
Das ſagſt du wohl, doch kluͤgers weiß ich nicht,
Wie deß zu ſeyn, dem ich geboren bin.
Empedokles.
Wie biſt du ſicher?
Pauſanias.
Und ich ſollte nicht?
Wofuͤr denn haͤtteſt du mir einſt, da ich,
Der Waiſe gleich, am heldenarmen Ufer
Mir einen Schutzgott ſucht' und traurig irrte,
Du Guͤtiger, die Haͤnde mir gereicht?
Wofuͤr mit deinem Auge waͤreſt du
Auf deiner ſtillen Bahn, du edles Licht,
In meiner Daͤmmerung mir aufgegangen?
Seitdem bin ich ein anderer,
Und naͤher dir und einſamer mit dir,
Waͤchst fruͤher nur die Seele mir und freier.
Empedokles.
O ſtill davon!
Pauſanias.
Was iſts? Warum? Wie kann
Ein freundlich Wort dich irren, theurer Mann?
Empedokles.
Geh. Folge mir, und ſchweig' und ſchone mich,
Und rege du nicht auch das Herz mir auf,
Fuͤr mich iſt, was voruͤber iſt, nicht mehr.
Pauſanias.
Ich weiß es nicht, was dir voruͤber iſt,
Doch du und ich, wir ſind uns ja geblieben!
Empedokles.
Sprich lieber mir von anderem, mein Sohn!
Habt ihr zum Dolche die Erinnerung
Nicht mir gemacht? — Nun wundern ſie ſich noch,
Und treten vor das Auge mir und fragen —
Nein! du biſt ohne Schuld, — nur kann ich, Sohn!
Was mir zu nahe koͤmmt, nicht wohl ertragen.
Pauſanias.
Und mich, mich ſtoͤßeſt du von dir? — — — —
— — — — — — — — — — —
Empedokles.
Verſteheſt du mich auch? Hinweg. Ich hab'
Es dir geſagt: es iſt nicht ſchoͤn, daß du
So ungefragt mir an die Seele dringeſt,
An meine Seite ſtets, als wuͤßteſt du
Nichts andres mehr, mit armer Angſt dich haͤngſt,
Du mußt es wiſſen: dir gehoͤr' ich nicht,
Und du nicht mir, und deine Pfade ſind
Die meinen nicht; mir bluͤht es anderswo,
Und was ich mein' es iſt von heute nicht,
Da ich geboren wurde, war's beſchloſſen.
Sieh auf und wag's! was Eines iſt, zerbricht,
Die Liebe ſtirbt in ihrer Knoſpe nicht
Und uͤberall in freier Freude theilt
Des Lebens luft'ger Baum ſich auseinander.
Kein zeitlich Buͤndniß bleibet, wie es iſt;
Wir muͤſſen ſcheiden, Kind! und halte nur
Mein Schickſal mir nicht auf und zaudre nicht.
O ſieh! es glaͤnzt der Erde trunknes Bild,
Das Goͤttliche, dir gegenwaͤrtig, Juͤngling!
Es rauſcht und regt durch alle Lande ſich
Und wechſelt, jung und leicht, mit frommem Ernſt
Den luft'gen Reigentanz, womit den Geiſt
Die Sterblichen, den alten Vater, feyern.
Da gehe du und wandle taumellos
Und menſchlich mit und denk' am Abend mein.
Mir aber ziemt die ſtille Halle, mir
Die hochgelegene, geraͤumige,
Denn Ruhe brauch' ich wohl, zu traͤge ſind
Die Glieder mir geworden — —
— — — — und hab' ich ſonſt
Ein feiernd Lied in Jugendluſt geſungen,
Zerſprungen iſt das zarte Saitenſpiel.
— — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — —
Pauſanias.
Das hofft' ich nicht, wenn wir Geaͤchteten
Den Wohnungen der Menſchen — —
— — — — — — — — — — —
— — — wenn mit den Thraͤnen dir
Vom Angeſichte trof des Himmels Regen,
Wenn laͤchelnd du das rauhe Sklavenkleid
Mittags an heißer Sonne trockneteſt
Auf ſchattenloſem Sand, wenn du die Spuren
Wohl manche Stunde, wie ein wundes Wild,
Mit deinem Blute zeichneteſt, das auf
Den Felſenpfad von nackter Sohle rann.
Ach! darum ließ ich nicht mein Haus, und lud
Des Volkes und des Vaters Fluch mir auf:
Daß du mich, wo du wohnen willſt und ruhn,
Wie ein verbraucht Gefaͤß, bei Seite werfeſt! — —
Ich wandre mit; zwar ſteh' ich nicht, wie du
Mit Kraͤften der Natur im trauten Bunde,
Mir ſteht, wie dir, Zukuͤnftiges nicht offen.
Doch freudig in der Goͤtter Nacht hinaus
Schwingt ſeine Fittige mein Geiſt —
Ja, waͤr' ich auch ein Schwacher, dennoch waͤr'
Ich, weil ich ſo dich liebe, ſtark, wie du.
Beim goͤttlichen Herakles! ſtiegſt du auch
Um die Gewaltigen, die drunten ſind,
Verſoͤhnend, die Titanen heimzuſuchen,
Ins bodenloſe Thal, vom Gipfel dort
Und wagteſt dich ins Heiligthum des Abgrunds,
Wo duldend vor dem Tage ſich das Herz
Der Erde birgt und ihre Schmerzen dir
Die dunkle Mutter ſagt — o du der Nacht,
Des Aethers Sohn! ich folgte dir hinunter!
Empedokles.
So bleib!
Pauſanias.
Wie meinſt du dieß?
Empedokles.
Du giebſt
Dich mir; biſt mein: ſo frage nicht!
Pauſanias.
Es ſey!
Empedokles.
Und ſagſt du mirs noch einmal, Sohn? und giebſt
Dein Blut und deine Seele mir fuͤr immer?
Pauſanias.
Als haͤtt' ich ſo ein loſes Wort geſagt,
Und zwiſchen Schlaf und Wachen dir's verſprochen.
Unglaubiger! ich ſag's und wiederhol' es.
Auch dieß, auch dieß — es iſt von heute nicht:
Da ich geboren wurde, war's beſchloſſen.
Empedokles.
Ich bin nicht, der ich bin, Pauſanias
— — — — — — — — — — —
Ein Schimmer nur, der bald voruͤbergeht,
Im Saitenſpiel ein Ton —
Pauſanias.
So toͤnen ſie,
So ſchwinden ſie zuſammen in die Luft!
Und freundlich ſpricht der Wiederhall von ihnen.
Verſuche nun mich laͤnger nicht und laß'
Und goͤnne du die Ehre mir, die mein iſt.
Hab' ich nicht Leid genug, wie du, in mir?
Wie moͤchteſt du mich noch beleidigen?
Empedokles.
O alles opfernd Herz! und dieſer giebt
Schon mir zu lieb die goldne Jugend hin.
Noch biſt du nah, indeß die Stunde flieht,
Und bluͤheſt mir, du Freude meiner Augen!
Noch iſt's, wie ſonſt, ich halt' im Arme dich
Und mich bethaut der holde Traum noch einmal.
So Arm in Arm, ſtatt Eines Einſamen
Ein feſtlich Paar, am Tagesende —
Und gerne naͤhm' ich, was ich hier geliebt,
Wie ſeine Quellen all ein edler Strom.
— — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — —
Doch beſſer iſt's, es gehe ſeinen Pfad
Ein Jeder, wie der Gott es ihm beſchieden,
Und billig iſt's, und recht, daß uͤberall
Des Menſchen Sinn ſich eigen angehoͤre,
Und leichter traͤgt der Mann die eigne Buͤrde.
So wachſen ja des Waldes Eichen auch,
Und Keines kennt, ſo alt ſie ſind, das Andre.
Pauſanias.
Du ſagſt es mir, und wahr iſts wohl, und lieb
Iſt billig mir dieß letzte Wort von dir.
So geh' ich denn! ich ſtoͤre deine Ruhe
Dir kuͤnftig nicht, auch meineſt du es gut,
Daß meinem Sinne nicht die Stille tauge.
Empedokles.
Doch, Lieber! zuͤrnſt du nicht?
Pauſanias.
Mit dir? mit dir?
Empedokles.
Was iſt es denn? ja! weißſt du nun, wohin?
Pauſanias.
Gebiet' es mir!
Empedokles.
Es war mein letzt Gebot
Pauſanias! die Herrſchaft iſt zu Ende.
Pauſanias.
Mein Vater! rathe mir!
Empedokles.
Wohl manches ſollt'
Ich ſagen, doch verſchweig' ichs,
Es will zu ſterblichem Geſpraͤche mir
Und eitlem Wort die Zunge nimmer dienen.
Sieh! Liebſter! anders iſt mir ſchon, und leichter
Und freier athm' ich auf, und wie der Schnee
Des hohen Aetna, der am Sonnenlichte
Erwarmt und ſchimmert und vom Gipfel wogt,
Und uͤber den entſtuͤrzenden Gewaͤſſern
Sich bluͤhend Iris ſtiller Bogen ſchwingt:
So rinnt und reißt vom Herzen mir ſich los,
So rauſcht es weg, was mir die Zeit gehaͤuft,
Und freier bluͤht das Leben mir daruͤber.
Nun! wandre muthig, Sohn! ich geb' und kuͤſſe
Verheiſſungen dir auf die reine Stirn:
Es daͤmmert dort Italiens Gebirg;
Das Roͤmerland, das thatenreiche, winkt;
Dort wirſt du wohl gedeihn, dort, wo ſich froh
Die Maͤnner in der Kaͤmpferbahn begegnen.
O Heldenſtaͤdte dort, und du Tarent!
Ihr bruͤderlichen Hallen, wo ich oft
Frohſinnend einſt mit meinem Plato ging,
Und immer neu uns Juͤnglingen das Jahr
Und jeder Tag erſchien in heil'ger Schule.
Beſuch' ihn auch, o Sohn! und gruͤſſ' ihn mir,
Den alten Freund, an ſeiner Heimat Stroͤmen,
Am blumigen Iliſſus, wo er wohnt;
Und will die Seele dir nicht ruhn, ſo geh'
Zum andern Strande, — — —
Dort hoͤreſt du das ernſte Saitenſpiel,
Dort wird dir vieles heller ſeyn und offner
— — — — — — — — — — —
Empedokles. Der Greis. (Manes.)
Der Greis.
Willkommen hier! was ſuchſt du, Empedokles?
Empedokles.
Wer biſt du, Mann?
Greis.
Ein Sterblicher, wie du.
Zu rechter Zeit geſandt, dir, der du dich
Des Himmels Liebling duͤnkſt, des Himmels Zorn,
Des Gottes, der nicht muͤßig iſt, zu ſagen.
Empedokles.
Ha! kennſt du den?
Greis.
Ich habe manches dir
Am fernen Nil geſagt.
Empedokles.
Und du? du hier?
Kein Wunder iſt's! Seit ich den Lebenden
Geſtorben, ſtehen mir die Schatten auf!
Greis.
Die Schatten reden nicht, wo du ſie fragſt.
Doch, wenn du eines Worts bedarfſt, vernimm!
Empedokles.
Die Stimme, die mich ruft, vernehm' ich ſelbſt.
Greis.
So wird es mit dir? — ſprich!
Empedokles.
Was ſoll die Rede, Fremder?
Greis.
Ja! fremde bin ich hier, und unter Kindern!
Das ſeyd ihr Griechen all! Ich hab' es oft
Vormals geſagt. Doch wollteſt du mir nicht
Wie dirs ergieng bei deinem Volke, ſagen?
Empedokles.
Was mahnſt du mich, was rufſt mir noch einmal —
Mir ging es, wie es ſoll.
Greis.
Ich wußt' es auch
Schon laͤngſt voraus, ich hab' es dir geweiſſagt.
Empedokles.
Nun denn! was haͤltſt du es noch auf? was drohſt
Du mit der Flamme mir des Gottes, den
Ich kenne, dem ich gern zum Spiele diene;
Und richteſt mir mein heilig Recht, du Blinder!
Greis.
Was dir begegnen muß, ich aͤndr' es nicht.
Empedokles.
So kamſt du her, zu ſehen, wie es wird?
Greis.
O ſcherze nicht, und ehre doch dein Feſt,
Umkraͤnze dir dein Haupt, und ſchmuͤck' es aus,
Das Opferthier, das nicht vergebens faͤllt.
Der jaͤhe Tod, er iſt von Anbeginn,
Das weißt du wohl, den Unverſtaͤndigen
Die deinesgleichen ſind, zuvor beſchieden.
Du willſt es, und ſo ſey's, doch ſollſt du mir
Nicht unbeſonnen, wie du biſt, hinab,
Ich hab' ein Wort, und dieß bedenke, Trunkner!
Nur Einer darfs in dieſer Zeit, nur Einer,
Nur Einen adelt' ſie, die ſchwarze Stunde,
Ein Groͤßrer iſts, denn ich! denn wie die Rebe
Von Erd' und Himmel zeugt, wenn ſie getraͤnkt
Von hoher Sonn' aus dunklem Boden ſteigt,
So waͤchst er auf, aus Licht und Nacht geboren:
Es gaͤhrt um ihn die Welt, was irgend nur
Beweglich und verderbend iſt im Buſen
Der Sterblichen, iſt aufgeregt von Grund aus,
Der Herr der Zeit, um ſeine Herrſchaft bang,
Thront finſter blickend uͤber der Empoͤrung,
Sein Tag erliſcht, und ſeine Blitze rauchen.
Doch was von oben flammt, entzuͤndet nur,
Und was von unten ſtrebt, die wilde Zwietracht.
Der Eine doch, der neue Retter, faßt
Des Himmels Stralen ruhig auf, und liebend
Nimmt er, was ſterblich iſt, an ſeinen Buſen,
Hoͤlderlin Gedichte. 15
Und milde wird in ihm der Streit der Welt,
Die Menſchen und die Goͤtter ſoͤhnt er aus,
Und naͤher wieder leben ſie, wie vormals.
Und daß, wenn er erſchienen iſt, der Sohn
Nicht groͤßer, denn die Eltern ſey, und nicht
Der heil'ge Lebensgeiſt gefeſſelt bleibe,
Vergeſſen uͤber ihm, dem Einzigen,
So lenkt er aus, der Abgott ſeiner Zeit,
Zerbricht, er ſelbſt, damit durch ſeine Hand
Dem Reinen das Nothwendige geſchehe,
Sein eigen Gluͤck, das ihm zu gluͤcklich iſt,
Und giebt, was er beſaß, dem Element,
Das ihn verherrlichte, gelaͤutert wieder. —
Biſt du der Mann? derſelbe? biſt du der?
Empedokles.
Ich kenne dich im finſtern Wort, und du,
Du Alles Wiſſender! erkennſt mich auch.
O ſage, wer du biſt! und wer bin ich?
— — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — —
Ein Knabe war ich, wußte nicht, was mir
Ums Auge fremd am Tage ſich bewegt',
Und wunderbar umfiengen mir die großen
Geſtalten dieſer Welt, die freudigen,
Mein unerfahren ſchlummernd Herz im Buſen.
Und ſtaunend hoͤrt' ich oft die Waſſer gehn,
Und ſah die Sonne bluͤhn, und ſich an ihr
Den Jugendtag der ſtillen Erd' entzuͤnden.
Da ward in mir Geſang, und helle ward
Mein daͤmmernd Herz im dichtenden Gebet, —
Wenn ich die Fremdlinge, die gegenwaͤrt'gen,
Die Goͤtter der Natur, mit Namen nannte,
Und mir der Geiſt im Wort — — —
Im ſeligen, des Lebens Raͤthſel loͤſ'te.
So wuchs ich ſtill herauf und anderes
War ſchon bereitet. Denn gewaltſamer
Wie Waſſer, ſchlug die wilde Menſchenwelle
Mir an die Bruſt, und aus dem Irrſal kam
Des armen Volkes Stimme mir zum Ohre.
Und wenn, indeß ich in der Halle ſchwieg,
Um Mitternacht der Aufruhr weheklagt',
Und durchs Gefilde ſtuͤrzt', und lebensmuͤd
Mit eigner Hand ſein eignes Haus zerbrach — —
Wenn ſich die Bruͤder flohn, und ſich die Liebſten
Voruͤber eilten, und der Vater nicht
Den Sohn erkannt' und Menſchenwort nicht mehr
Verſtaͤndlich war und menſchliches Geſetz:
Da faßte mich die Deutung ſchaudernd an,
Es war der ſcheidende Gott meines Volks!
Den hoͤrt' ich, und zum ſchweigenden Geſtirn
Sah' ich hinauf, wo er herabgekommen.
Und ihn zu ſuͤhnen ging ich hin. Noch wurden uns
Der ſchoͤnen Tage viel. Noch ſchien es ſich
Am Ende zu verjuͤngen; und es wich, —
Der goldnen Zeit, der allvertrauenden,
Des hellen, kraͤft'gen Morgens eingedenk, —
Der Unmuth mir, der furchtbare, vom Volke,
Und freie, feſte Bande knuͤpften wir.
Doch oft, wenn mich des Volkes Dank bekraͤnzte,
Wenn naͤher immer mir, und mir allein,
Des Volkes Seele kam, befiel es mich.
Denn wo ein Land erſterben ſoll, da waͤhlt
Der Geiſt noch Einen ſich am End', durch den
Sein Schwanenſang, das letzte Leben toͤnet.
Wohl ahndet' ich's; doch dient' ich willig ihm.
Es iſt geſchehn, den Sterblichen gehoͤr' ich
Nun nimmer an.
O Ende meiner Zeit!
O Geiſt, der uns erzog, der du geheim
Am hellen Tag und in der Wolke walteſt,
Und du, o Luft! und du, o Mutter Erde!
Hier bin ich ruhig, denn es wartet mein
Die laͤngſtbereitete, die neue Stunde,
Nun nicht im Bilde mehr, und nicht, wie ſonſt,
Bei Sterblichen, im kurzen Gluͤck, — ich find',
Im Tode find' ich den Lebendigen,
Und heute noch begegn' ich ihm; denn heute
Bereitet er, der Herr der Zeit, zur Feier,
Zum Zeichen ein Gewitter mir und ſich.
Kennſt du die Stille rings? kennſt du das Schweigen
Des ſchlummerloſen Gotts? erwart' ihn hier!
Um Mitternacht wird er es uns vollenden.
Und wenn du, wie du ſagſt, des Donnerers
Vertrauter biſt, und, Eines Sinns mit ihm,
Dein Geiſt mit ihm, der Pfade kundig, wandelt,
So komm mit mir, wenn jetzt zu einſam ſich
Das Herz der Erde klagt und eingedenk
Der alten Einigkeit die dunkle Mutter
Zum Aether aus die Feuerarme breitet,
Und ißt der Herrſcher koͤmmt in ſeinem Stral,
Dann folgen wir, zum Zeichen, daß wir ihm
Verwandte ſind, hinab in heil'ge Flammen.
Doch wenn du lieber ferne bleibſt, fuͤr dich:
Was goͤnnſt du mir es nicht? wenn dir es nicht
Beſchieden iſt zum Eigenthum, was nimmſt,
Und ſtoͤrſt du mir's! O euch, ihr Genien!
Die ihr, da ich begann, mir nahe waret,
Ihr waltenden! euch dank' ich, daß ihr mir's
Gegeben habt, die lange Zahl der Leiden
Zu enden hier, befreit von andrer Pflicht,
In freiem Tod, nach goͤttlichem Geſetze!
Dir iſts verbotne Frucht! drum laß und geh,
Und kannſt du mir nicht nach, ſo richte nicht!
Manes.
Dir hat der Schmerz den Geiſt entzuͤndet, Armer!
Empedokles.
Was heilſt du denn, Unmaͤchtiger, ihn nicht?
Manes.
Wie iſt's mit uns? ſiehſt du es ſo gewiß?
Empedokles.
Das ſage du mir, der du Alles ſiehſt!
Manes.
Laß ſtill uns ſeyn, o Sohn! und immer lernen.
Empedokles.
Du lehrteſt mich; heut lerne du von mir.
Manes.
Haſt du nicht alles mir geſagt?
Empedokles.
O nein!
Manes.
So gehſt du nun?
Empedokles.
Noch geh' ich nicht, o Alter!
Von dieſer gruͤnen, guten Erde ſoll
Mein Auge mir nicht ohne Freude ſcheiden.
Und denken moͤcht ich noch vergangner Zeit,
Der Freunde meiner Jugend noch, der theuern,
Die fern in Hellas frohen Staͤdten ſind,
Des Bruders auch, der mir geflucht — ſo mußt'
Es werden. — Laß mich izt; wenn dort der Tag
Hinunter iſt, ſo ſieheſt du mich wieder.
Verbeſſerungen.
Seite 1 | Zeile 2 | lies: σοφοι |
- 10 | - 4 | v. u. l. ſchreckt' |
- 21 | - 9 | l. beſiegt, |
- 22 | - 10 | l. ſtill |
- 27 | - 2 | l. eigenen |
- 28 | - 3 | v. u. l. der Sehende! |
- 29 | - 11 | l. Denn |
- ebd. | - 2 | v. u. l. Jedem trauend, |
- 31 | - 10 | l. jammre |
- 40 | - 2 | l. ſchöneren |
- 43 | - 3 | l. ſchweigt |
- ebd. | - 6 | l. des Walds |
- 46 | - 5 | v. u. l. Wandrer |
- ebd. | - 3 | v. u. l. denn |
- 47 | - 3 | l. raucht |
- ebd. | - 4 | v. u. l. blühet |
- 50 | - 4 | v. u. l. unſern Zaun |
- 55 | - 2 | l. jüngern |
- 59 | - 3 | l. kenneſt |
- 60 | - 4 | v. u. l. eurer |
- 62 | - 2 | v. u. l. goldenen |
- 70 | - 6 | l. Wo ſie des |
- 71 | - 4 | v. u. l. Haus (ohne ;) |
- 73 | - 12, 13, 14 | ſtatt der . ſind , zu ſetzen. |
- 78 | - 2 | l. verſtehn |
- 85 | - 11 | l. Da auf der Inſeln ſchönſter |
- 86 | - 11 | l. Und glänzt' auch, |
- 89 | - 3 | v. u. l. Ein andres! |
- 92 | - 12 | l. Bergeshöh'n |
- 134 | - 7 | l. Wo du |
- 134 | - 9 | l. ſanftmuthathmende |
- 137 | - 7 | l. Satt gehn |
- 141 | - 14 | l. der geehrte, |
- 142 | - 3 | l. Haus gruͤn |
- 143 | - 18 | l. Landes, |
- ebd. | - 2 | v. u. l. hieher ward, hier in die Ebne,
das Gut |
- 144 | - 1 | l. Landesleuten |
Seite 145 | Zeile 9 | lies: empor ziehet |
- ebd. | - 12 | l. Menſch, |
- ebd. | - 20 | l. unter |
- 146 | - 11 | l. nur |
- 148 | - 3 | l. treulich |
- 156 | - 14 | l. Aus der Woge |
- 158 | - 6 | l. Meeresfluth — Ebnen |
- 160 | - 8 | l. Ceos |
- 163 | - 4 | l. nimmer |
- 177 | - 2 | v. u. l. Halle |
- 183 | - 2 | l. Suevin, |