Unpolitiſche Lieder.
Bei Hoffmann und Campe iſt erſchienen:
Buchner, Fr., Friedrich Stapß. Geſchichtliche Er¬
zählungen aus den Zeiten Napoleons. In fünf
Geſängen. 8. — 12 Ggr.
Bürger, J., Helgoland. Lieder aus der Nordſee.
2te Aufl. — " 8 "
Cruſius, G. P. E., der Beſuch in Hainthal. Ein
Idyll, mit 6 Stahlſtichen, nach Zeichnungen von
Geisler 1 " — "
Gelbcke, F. A., Octavianus Magnus. Ein ſatyri¬
ſches Gedicht in vier Geſängen. Allen wahren
Freunden der Tonkunſt gewidmet — " 12 "
Heine, H., Buch der Lieder. 4te Aufl. 1 " 12 "
Hoffmann v. Fallersleben, Unpolitiſche Lieder.
1r Theil. 2te Aufl. 1 " — "
— —Breslauer Schillerfeſt. 1840. gr. 8. — " 4 "
Immermann, K., Tulifäntchen. Ein Heldengedicht
in drei Geſängen. 8. — " 20 "
Lieder eines Cosmopolitiſchen Nachtwächters 8. 1841. 1 " — "
Maltitz, G. A. von, Polonia. 8. — " 6 "
Moore, T., das Paradies und die Peri und die
Feueranbeter, nach dem Engliſchen von Minna
Witte, 8. — " 16 "
Ortlepp, Frankreich, Deutſchland und Polen, oder
Stimmen der Gegenwart. Ein Kranz politiſcher
Gedichte — " 8 "
Polenlieder. Ein Todtenopfer. 8. — " 6 "
Sang des fremden Sängers. Eine Phantaſie. gr. 8. — " 6 "
Sloman, E., Dichtungen 1 " — "
Spaziergänge eines Wiener Poeten — " 20 "
Tſcherkeſſenlieder. 8. — " 16 "
Bärmann, G. N., dat grote Höög- un Häwel-Book.
Dat ſinnd Dichtels, Rymels un Burenſpillen in
hamborger plattdütſcher Mundart, 8. 1 " 12 "
Unpolitiſche Lieder
von
Hoffmann von Fallersleben.
Zweiter Theil.
Wir können es ja nicht laſſen, daß wir nicht
reden ſollten, was wir geſehen und gehöret
haben.
Apoſtelgeſchichte 4, 20.
Hamburg.
Bei Hoffmann und Campe.
1841.
Zum Glück der Wahrheit und unſers Vaterlands fehlt es aber
nicht an einer bis auf unſre Zeiten reichenden Zeugenwolke, die
mit Muth, Kraft, Weisheit und Einſicht ſich der guten Sache
deutſcher Menſchheit angenommen, die Regenten mit Nachdruck
ihrer Pflicht erinnert, durch Lehre und Beiſpiel den Lügen- und
Verführungskräften des Despotismus entgegen geſtanden und
gearbeitet, und dieſen ihren Glauben und Ueberzeugung mit wil¬
liger Aufopferung ihres zeitlichen ſogenannten Glücks verſiegelt
haben.
Friedr. Karl Freih. von Moſer,
Politiſche Wahrheiten 1796. I, 126.
Inhalt.
Sonntag.
Seite
An die die deutſchen Frauen 1
Eins und — Alles 3
Frühlingslied 1840 4
Zu fernerem Bedenken 5
Altfränkiſch 6
Das Wort 7
Wir wollen es nicht haben 8
Vetter Michel 9
Entwickelung auf hiſtoriſchem Wege 10
Bauernglaube 12
Rococo's Glaubensbekenntniß 13
Eliaswagen 15
Titelkram und Ordenbettel 16
Siegeslied nach endlichem Sturze der Mandarinen 17
Wie iſt doch die Zeitung intereſſant! 19
Café national 20
Fleckſeife 21
Der König weiß es nicht 22
Vaterländiſcher Roſenkranz 23
Ständiſches 24
Leoniniſcher Vertrag 24
Numquam retrorsum 25
Montag.
Seite
Die Intereſſen 26
Wegebeſſerung 27
Vier Elemente 27
Polizei, Geld und Wetter 28
Eine Frage an ein Hochgeb. Publikum 29
Al pari 30
Unterſchied des Bedingten und Unbedingten 31
Guter Rath 32
Hannoverſches Zwangbier 33
Verwöhnung 34
Salvator-Bier 36
Waſſer und Wein 37
Die Waſſerſucht 38
Die Waſſerfrage 39
Officielle Volksſouveränität 40
Der Hausorden 41
Mißheirath 43
Allerhöchſte Cultur 44
Partus monstrosus vulgaris Lin. 45
Porc à la mode 46
Unmenſchliche Liebhaberei 47
Seehandlung 48
Dinstag.
Seite
An die Gegenwartvergötterer 50
Die hiſtoriſche Schule 51
Das Glück der Vergeßlichkeit 52
Ehrlich 53
Die Wahrheitsbill 54
Vieh- und Virilſtimmen 55
Unfruchtbar 55
Heraldiſches 56
Was iſt denn zollfrei? 57
Bienenloos 57
Kuhſchnappelſche Thorſperre 58
Kuhſchnappelſche Volksrepräſentation 58
Schnaderhüpfel 59
Langweilig und ſchlecht 60
Landtagsabſchied 61
Stiftungslied der adel. Reſſource ꝛc. 62
Auch ein Mädchen aus der Fremde 63
Krebsgang 64
Petitionsrecht 65
Serenate unter den Fenſtergittern ꝛc. 66
Die ſieben Sachen 67
Beſſerwerden 68
Mittwoch.
Seite
Wächterlied 69
Auch ich bin in Arkadien geboren! 70
Höfiſche Poeſie 72
Criminaliſtiſcher Bilderdienſt 73
Anaſtaſius Grün 74
Dichtung und Wahrheit 75
Der neue Stern 76
Autoren-Litanei 77
Creationstheorien 79
Unter des durchl. deutſchen Bundes ſchütz. Privil. 80
Die freien Künſte 81
Singfreiheit 82
Der Dichter ein Seher 82
Phantaſien eines kunſtl. Kloſterbruders 83
Claſſiſches Stilleben 84
Eine himmliſche Etymologie 85
Hundertjähriger Kalender 86
Philiſter über dir, Simſon! 87
Aria 88
Declamierübung 89
Schacher 92
Der gute Wille 93
Donnerstag
Seite
Die alte Leier 94
Abendlied eines lahmen Invaliden von 1813. 96
Das neue Jeruſalem 97
Merinos 99
Fromme Fürſorge 100
Wiegenlied 101
Guter Rath 102
Faſtenmährlein 103
Türkiſche Liturgie 104
Neueſte Beſchreibung des Wiener Congreſſes 105
Häutiges 106
Militäriſch 107
Tragiſche Geſchichte 108
Ideen zur europ. Völkergeſchichte 109
Anzügliches 110
Die trauernden Eſel nach Morillo 111
Chineſiſches Loblied 113
Vice versa 114
Jüngſter Tag 115
Die Sonne im Zeichen des Krebſes 116
Frühling alten Stils 117
Unterſuchung und Gnade ohne Ende 118
Freitag.
Seite
Die Bauern in der Schenke 119
Bundſcheckig 120
Auf der Bierbank 121
Rheinlied und Rheinleid 123
Eine Singſtimme 124
Die Julirevolution 125
Die befeſtigte Freiheit 127
Aria eines deutſchen Ariſtokraten 128
Napoleons Aſche 129
Die deutſchen Fahnen zu Paris 130
Napoleon 131
Notre Dame 132
„Fort mit Schaden!“ 133
Löwenpomade 134
Der Augenblick 135
Patriotismus 136
Rinderzucht 137
Nos frontières du Rhin 138
Jacob Grimm 139
Die deutſche Preſſe 140
Reime 141
Armenrecht 142
Samstag.
Seite
Stille Meſſe 143
Herbſtlied eines Chineſen 144
St. Bonifacius 145
Freie Nacht 146
Salziges 147
Großhandel 148
Nadoweſſiſche Klage 149
Soldaten 150
Kriegslied 151
Pfaffen 153
Die Gründonnerstags-Meſſe 154
Emancipation 155
Von Gottes Gnaden 156
Syracusaise 157
Das allgemeine Beſte 159
Brackſchafe 160
Aus Ovids Metamorphoſen 161
-
Suum cniquecinque 163
Deutſcher Nationalreichthum 165
Geheime Fonds 168
Natur und Kunſt 169
Die Illuminanten 170
Anhang.
Stimmen aus der Vergangenheit.
Seite
Deutſchlands Ehre von Walther von der Vogelweide 172
An die Fürſten, von demſelben 176
Gefährdetes Geleite, von demſelben 178
Nahen des jüngſten Tages, von demſelben 182
Der 46. Pſalm von Martin Luther 184
Ein Kinderlied, von demſelben 186
An Deutſchland von G. R. Weckherlin 187
Wie die Soldaten man vor Zeiten ꝛc., von demſ. 188
An Deutſchland von Martin Opitz 190
Aus Schleſien, zur Zeit des 30j. Krieges von v. Logau 193
Aus Germaniens Klagelied von Joh. Riſt 196
Troſtlied von Andreas Gryphius 197
Vergänglichkeit des Erdenlebens 198
Eiſenhütel von H. Aßmann v. Abſchatz 201
Sonntag.
An die deutſchen Frauen.
Seid mir gegrüßt, ihr deutſchen Frauen,
Der ſchönern Zukunft Morgenroth!
Wem ſoll vertrau'n, auf wen ſoll bauen
Das Vaterland in ſeiner Noth?
Ihr kennt noch frohe deutſche Weiſe,
Noch deutſche Zucht und Sittſamkeit;
Euch blieb in eurem ſtillen Kreiſe
Noch Frohſinn und Zufriedenheit.
Ihr tragt noch nicht die bunten Bänder,
Die man dem Staatsverdienſte weiht;
Euch ſind noch eure Hausgewänder
Mehr werth als ein Beamtenkleid.
Ihr ſeid noch nicht verlocket worden
Durch Titel oder andern Tand;
Euch kann noch ſein der ſchönſte Orden:
Die Liebe für das Vaterland.
1
Wohlan! ihr ſollt im Kind' erwecken
Den Sinn für Vaterland und Recht,
Ihr ſollt erziehn zum Feindesſchrecken
Ein freies biederes Geſchlecht.
Euch muß vertrau'n, auf euch muß bauen
Das Vaterland in ſeiner Noth!
Seid mir gegrüßt, ihr deutſchen Frauen,
Der ſchönern Zukunft Morgenroth!
Eins und Alles.
O Deutſchland erwache, gedenke deiner ſelbſt, erſtehe von
dieſem tödtlichen Kampfe! Das Reich kann nur durch
das Reich, Deutſchland durch Deutſchland wiedergeboren
werden, und durch die Sonne der göttlichen Gnade wie
ein Phönix aus der Aſche ſeines eigenen Leibes hervor¬
gehn. Nicht Katholiken oder Unkatholiken, nicht Römi¬
ſche oder Lutheriſche (Namen, den argliſtigen Feinden will¬
kommen) ſollen uns davon abhalten, ſondern als Glieder
eines Leibes, eines Staats, als Brüder müſſen ſich alle
Deutſche in Liebe umfaſſen, und mit allen Kräften und
Tugenden heldenmüthig jenem großen Ziele nachſtreben.
Das Vaterland ſchützen, vertheidigen, erhalten, dazu iſt
Jeder, dazu ſind alle verbunden.
Paranesis ad Germanos 1647.
Deutſchland erſt in ſich vereint!
Auf! wir wollen uns verbinden,
Und wir können jeden Feind
Treuverbunden überwinden.
Deutſchland erſt in ſich vereint!
Laſſet Alles, Alles ſchwinden
Was ihr wünſchet, hofft und meint!
Alles andre wird ſich finden.
Deutſchland erſt in ſich vereint!
Danach ſtrebet, danach ringet!
Daß der ſchöne Tag erſcheint,
Der uns Einheit wiederbringet.
1 *
Deutſchland erſt in ſich vereint!
Wenn uns das einmal gelinget,
Hat die Welt noch einen Feind,
Der uns wiederum bezwinget?
Frühlingslied 1840.
O des Maies ſchöne Tage!
Wann die Erd' iſt wieder grün,
Wann im Felde, Wald und Hage
Alle Bäum' und Blumen blühn —
O des Maies ſchöne Tage!
Wann der Hoffnung volle Blüthe
Dann aus jeder Knospe bricht —
Deutſchland, daß dich Gott behüte!
Deine Hoffnung blüht noch nicht.
Steht die Welt im Hoffnungskleide
Doch ſchon fünfundzwanzigmal,
Hoffnung ſpringet auf der Heide,
Wandelt über Berg und Thal —
O die Welt im Hoffnungskleide!
Wird die Knospe nie erſcheinen,
Draus auch deine Hoffnung bricht?
Laßt mich ſchweigen, laßt mich weinen!
Deine Hoffnung blüht noch nicht.
Zu fernerem Bedenken.
„Zu fernerem Bedenken!“
Du altes Reichstagswort!
Der Reichstag iſt vergangen,
Der Bund hat angefangen,
Du aber lebſt noch fort.
Im ferneren Bedenken
Schlief ein das deutſche Reich:
Und weil ſo ſüß ſein Schlummer,
Ganz ohne Sorg' und Kummer,
So thut's der Bund ihm gleich.
Von fernerem Bedenken
Erwach', o deutſcher Bund!
Gieb etwas von Erhebniß,
Ein freudiges Ergebniß
Den armen Deutſchen kund!
Altfränkiſch.
Singt, daß die Bächlein wieder fließen,
Singt, daß die Kräuter wieder ſprießen,
Singt, daß die Blumen ſich entſchließen
Und des Lebens auch genießen.
Singt, daß die Vögel immer ſingen,
Singt, daß die Heerdenglocken klingen,
Singt, daß die Schaf' und Lämmer ſpringen,
Jung und Alt im Tanz ſich ſchwingen.
Singt, daß die Lüfte wehn und weben,
Singt, daß erblühn die Bäum' und Reben,
Singt, daß die Schmetterlinge ſchweben,
Daß auch ſie in Freuden leben.
Singt, daß die Vögel Neſter bauen,
Singt, daß die Mädchen, daß die Frauen
Wieder wie Blümlein auf den Auen
Freundlich aus den Fenſtern ſchauen.
Singet des Frühlings neue Wunder!
Singet den Freud- und Liebeszunder!
Singet — und euer alter Plunder,
Sagt doch, paßt er noch jetzunder?
Euer Singen, euer Sagen,
Euer Girren, euer Klagen
Paſſet nicht zu unſern Tagen,
Wo die Männer ſchier verzagen.
Das Wort.
Im Anfang war das Wort.
Evang. Joh. 1, 1.
Uns blieb nur Eine Waffe noch:
Friſch auf! ſie iſt uns gut genug!
Mit ihr zerhau'n wir jedes Joch,
Und jeden Lug und jeden Trug.
Das Wort iſt unſer Schild und Helm,
Das Wort iſt unſer Schwert und Speer.
Trotz jedem Schurken, jedem Schelm!
Dem Satan Trotz und ſeinem Heer!
Uns blieb nur eine Waffe noch:
Friſch auf! ſie iſt uns gut genug!
Mit ihr zerhau'n wir jedes Joch,
Und jeden Lug und jeden Trug.
Und wenn die Welt voll Teufel wär',
Wir ziehn hinaus und kämpfen doch:
Das Kämpfen fällt uns nicht ſo ſchwer,
Uns blieb ja Eine Waffe noch.
Wir wollen es nicht haben.
Wir ſollen hübſch im Paradieſe bleiben
Und uns wie's Adam that die Zeit vertreiben,
Und keine Bücher leſen, keine ſchreiben —
Wir ſollen hübſch im Paradieſe bleiben.
Wir ſollen vom Erkenntnißbaum nicht eſſen,
Uns freu'n an Allem was uns zugemeſſen,
Und des Gebotes nimmermehr vergeſſen:
Wir ſollen vom Erkenntnißbaum nicht eſſen.
Das Paradies hat uns nur ſtets verdroſſen,
Wie gerne ſind wir davon ausgeſchloſſen!
Drum haben wir von dieſem Baum genoſſen —
Das Paradies hat uns nur ſtets verdroſſen.
Du Paradies der Diener und Soldaten,
Lebwohl, du Jagdrevier der Potentaten,
Wir wollen dein auf ewig nun entrathen,
Du Paradies der Diener und Soldaten!
Vetter Michel.
Verſpottet nur den Vetter Michel!
Er pflügt und ſät:
Einſt ſprießt die Saat, die keine Sichel
Der löblichen Cenſur ihm mäht.
Sie leben noch die etwas wollen
Mit Herz und Hand,
Die Gut und Blut noch freudig zollen
Für Gott und für das Vaterland.
Entwickelung auf hiſtoriſchem Wege.
Mel. Wer wollte ſich mit Grillen plagen.
O laſſet doch den Geiſt der Zeiten!
Ihn hemmt kein Wehr, kein Damm, kein Band;
Er wird tagtäglich vorwärts ſchreiten
Frei wie der Fluß durch's ganze Land.
Er ſtrömet nicht aus Einer Quelle,
Aus Einer Lebensader nur;
Ihn nährt und ſpeiſt an jeder Stelle
Die ganze lebende Natur.
Ihr ſeht nur Eine Quelle ſpringen,
Und dieſe ſtopft ihr zu im Nu
Und denkt, es wird uns jetzt gelingen,
Wir ſtopften ja die Quelle zu.
Ihr hohen Herrn und Herrendiener!
So wollt ihr ſchützen Kirch' und Staat?
Ihr macht's ja grade wie der Wiener,
Der auf die Donauquelle trat.
Er ſprach mit ſtillem Wohlbehagen:
Die Quelle hab' ich nun bekleibt!
Was werden wohl die Wiener ſagen,
Wenn jetzt die Donau außen bleibt? —
Drum laſſet doch den Geiſt der Zeiten!
Ihn hemmt kein Wehr, kein Damm, kein Band;
Er wird tagtäglich vorwärts ſchreiten
Frei wie der Fluß durch's ganze Land.
Bauernglaube.
Mel. Hans war des alten Hanſen Sohn.
Ihr gönnt uns wohl das Himmelsheil,
Gönnt jedem daran gleichen Theil:
Das Heil der Erde ward Regal,
Uns blieb allein der Erde Qual.
Was baut ihr neue Kirchen doch!
Wir finden unſern Herrgott noch.
O baut ein einzig Haus einmal,
Drin wir vergeſſen unſre Qual.
Rococo's Glaubensbekenntniß.
Swer lobt des snecken springen,
unt des ohsen singen,
der quam nie dâ der lebarte spranc
unt dâ diu nahtegrale sane.
Vrîdanc.
Mel. Ich war erſt ſechszehn Sommer alt,
Unſchuldig und nichts weiter.
Ich ſtimme für die Monarchie,
Da giebt's noch Räng' und Stände;
Mit Republik geht Poeſie
Und alles Glück zu Ende.
Ich ſtimme für die Monarchie;
Wenn wir darin nicht wären,
Wie könnten wir doch ohne ſie
So viele Leut' ernähren.
Ich ſtimme für die Monarchie,
Für Würden, Titel, Orden;
In Republiken ſind noch nie
Verdienſte was geworden.
Ich ſtimme für die Monarchie,
Wo die Cenſur noch waltet,
Wo nicht der Preſſe Despotie
Nach Herzenslüſten ſchaltet.
Ich ſtimme für die Monarchie,
Wo weiſe wird regieret,
Weil Grundbeſitz mit Hab' und Vieh
Nur iſt repräſentieret.
Ich ſtimme für die Monarchie,
Die giebt noch gute Rente;
Es gab die Republik doch nie
Vier oder fünf Procente.
Drum laß ich mir die Monarchie
Auch nun und nimmer rauben:
Wir haben Eine Liturgie,
Und Einen Gott und Glauben.
Eliaswagen.
Denn gewiſſe Dinge laſſen
Sich nicht ſagen als durch Denken.
Calderon, „Das Leben ein Traum.“
Mel. In des Waldes düſtern Gründen.
Soll es erſt die Nachwelt ſagen,
Was die Mitwelt hat gedacht?
Soll kein Herz zu ſagen wagen
Was ihm Leid und Freude macht?
Nein, ihr wagt nicht mal zu ſagen
Und ihr habt's doch oft gedacht:
Daß das fünfte Rad am Wagen
Iſt Europas fünfte Macht.
Fünftes Rad, fürwahr, du ſollteſt
Ein Eliaswagen ſein!
Fünfte Macht, wenn du es wollteſt —
Und Europa wäre dein!
Was ich weiter könnte ſagen,
Darauf laß ich mich nicht ein;
Läßt man doch in unſern Tagen
Nur zu gern fünf grade ſein.
Titelkram und Ordenbettel.
Etizm capillus unus habet umbram suam
Publius Syrus.
Ein kurzer Titel und ein dünnes Band
Genüget für ein lang und ſchwer Verdienſt:
Wie lernte ſonſt dein gutes Vaterland,
Daß du was biſt was du ihm niemals ſchienſt?
Du gehſt, und jeder ſieht dein Bändchen an,
Und iſt von deiner Ehre hoch entzückt:
Geziemend grüßt dich jetzo jedermann,
Und iſt von deinem Titel mitbeglückt.
Fürwahr, es iſt nur purer blaſſer Neid,
Wenn man dir weder Band noch Titel gönnt.
Drum ſag' ich auch zu allen jederzeit:
Seid ſtill! er that gewiß was ihr nicht könnt.
Siegeslied.
nach endlichem Sturze der Mandarinen mit der
Pfaufeder vom wirklichen geheimen Obercenſur-
Collegium im 20. Jahre Tao-Kuangs und im 37.
des 75. Cyklus unſers himmliſchen Reiches.
Mel. Süße liebliche Vertraute,
Meines Kummers Tröſterin.
Fürchtet nicht die Bajonnette,
Nicht den Uniformentand,
Hof und Adel, Etiquette,
Titel, Orden, Rang und Stand!
Tſching tſching. Ein Jubelſpottwort der Chineſen, wobei ſie mit dem Daumen und Zeige¬
finger die Naſe faſſen, mit den übrigen Fingern eine zitternde Bewegung
machen und zugleich die Zunge ausrecken.
Der von Schellmuffsky.
He, juchhe! ſie ſind gefallen,
Und zertrümmert iſt ihr Sitz!
Endlich iſt erlaubt uns allen
Wieder doch einmal ein Witz.
Tſching tſching.
Welche Zukunft! o ihr Lieben,
Ihr Beamten, ſingt und lacht!
Denn ihr habt gar viel geſchrieben,
Doch nie einen Witz gemacht.
Tſching tſching.
2
Die Conduitenliſten geben
Nun anjetzt Bericht ſogar,
Wenn in ſeinem magern Leben
Ein Beamter witzig war.
Tſching tſching.
Laßt uns feiern in den Schenken
Jährlich ein Erinnrungsfeſt,
Denn wir dürfen wieder denken
Alles was ſich drucken läßt.
Tſching tſching.
Wie iſt doch die Zeitung intereſſant!
Man kann unſtreitig zu unſern Tagen Vieles ſagen, was man
noch zu den Zeiten unſrer Väter kaum leiſe denken durfte. Viel¬
leicht kommt noch in dem folgenden Jahrhundert die Zeit, wo
man Alles, was man denkt und glaubt, laut ſagen darf.
Fridr. Karl Freih. v. Moſer, „Politiſche Wahrheiten“
I. 1796. S. XV.
Wie iſt doch die Zeitung intereſſant
Für unſer liebes Vaterland!
Was haben wir heute nicht Alles vernommen!
Die Fürſtin iſt geſtern niedergekommen,
Und morgen wird der Herzog kommen,
Hier iſt der König heimgekommen,
Dort iſt der Kaiſer durchgekommen,
Bald werden ſie alle zuſammenkommen —
Wie intereſſant! wie intereſſant!
Gott ſegne das liebe Vaterland!
Wie iſt doch die Zeitung intereſſant
Für unſer liebes Vaterland!
Was iſt uns nicht Alles berichtet worden!
Ein Portepéefähnrich iſt Leutnant geworden,
Ein Oberhofprediger erhielt einen Orden,
Die Lakaien erhielten ſilberne Borden,
Die höchſten Herrſchaften gehen nach Norden
Und zeitig iſt es Frühling geworden —
Wie intereſſant, wie intereſſant!
Gott ſegne das liebe Vaterland!
2 *
Café national.
Mel. Wilhelm, komm an meine Seite.
Welch ein Flüſtern, welch ein Summen!
Welch ein ſtiller Leſefleiß!
Nur Marqueure ſchrei'n und brummen:
Taſſe ſchwarz! und Taſſe weiß!
Und die Zeitungsblätter rauſchen,
Und man lieſt und lieſt ſich ſatt,
Um Ideen einzutauſchen,
Weil man ſelbſt gar wenig hat.
Und ſie plaudern, blättern, ſuchen,
Endlich kommt ein Reſultat:
Noch ein Stückchen Aepfelkuchen!
Zwar der Cours ſteht deſolat.
Und ſie ſitzen, grübeln, denken,
Und ſie werden heiß und ſtumm,
Und mit kühlenden Getränken
Stärken ſie ſich wiederum.
So vertreibt man ſich die Zeiten
Nach des Tages Hitz' und Laſt,
Bis erfüllt mit Neuigkeiten
Geht nach Haus der letzte Gaſt.
Doch am Morgen ſieht ſich wieder
Hier der alte Leſekreis,
Und man läßt ſich häuslich nieder:
Taſſe ſchwarz! und Taſſe weiß!
Fleckſeife.
Mel. Kommt ein ſchlanker Burſch gegangen.
Ja, die Welt gelangt zur Reife,
Immer klarer wird ihr Zweck:
Jetzt erfand man eine Seife,
Die vertilget jeden Fleck.
Alt' und neuer Unrath ſchwindet
Vor der Seife wie ein Traum,
Daß ihr niemals wiederfindet
Eines Fleckes Spur noch Saum.
Kauft die Seife, Diplomaten,
Waſcht uns die Geſchichte rein,
Denn ſie iſt von euren Thaten
Schwärzer als von Höllenſtein.
Der König weiß es nicht.
Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen
Erde, nach ſeiner Verheißung, in welchen Gerechtigkeit
wohnet.
Petri Epiſel 2, 3, 13.
Mel. Helft, Leutchen, mir vom Wagen doch.
Wie iſt des Elends in der Welt
So viel und mancherlei!
Und dennoch giebt man ſoviel Geld,
Das; jeder glücklich ſei.
Ach! wer das Elend einmal ſah,
Ich weiß, das Herz ihm bricht.
Was hilft's? ihr ſaget immer: ja,
Der König weiß es nicht.
Wie geht das Unrecht allezeit
So ſicher doch umher!
Wie iſt doch die Gerechtigkeit
So theuer und ſo ſchwer!
Warum giebt's ſoviel Unrecht noch?
So manchen Böſewicht?
Ich weiß, ihr wißt es alle, doch
Der König weiß es nicht.
Wie das Verdienſt ſo wenig gilt
Und doch Geburt ſo viel!
Iſt das nach Chriſti Ebenbild?
Das unſrer Liebe Ziel?
Iſt Adel denn ein Vorzug noch?
So gebt mir doch Bericht!
Ich weiß, ihr wißt es alle, doch
Der König weiß es nicht.
Vaterländiſcher Roſenkranz.
Malo mori quam foedari
Hymnus S. Augustini.
Lieber todt als ein Verräther!
Lieber todt als ſchlechtgeſinnt!
Stehet feſt, ihr Volksvertreter,
Weil der Tag des Kampfs beginnt!
Schaar der Guten, auf! erwache!
Stelle dich in unſre Reih'n!
Denn des Volkes gute Sache
Muß der Guten Sache ſein.
Stehet feſt, ihr Volksvertreter,
Daß der Tag des Lohns beginnt!
Lieber todt als ein Verräther!
Lieber todt als ſchlechtgeſinnt!
Ständiſches.
„Ein jeder bleib' in ſeinem Stande,
Ein jeder denke nur an ſich;
Das iſt ein Segen unſerm Lande,
Das paßt ſich gut für dich und mich.“
O weh, o weh, du ſchnöde Schande!
Du teufliſche Simplicitas!
Bleibt jeder nur bei ſeinem Stande,
So kommt zu Stande niemals was.
Leoniniſcher Vertrag.
Mel. Es ſteht ein Baum im Odenwald.
Weh dir! weh dir, mein Vaterland!
Der Bund, dein eigner Saul,
Hat dir gebunden jede Hand,
Geknebelt dir das Maul.
Den Knebel weg, den Strick entzwei!
Frei ſollſt und mußt du ſein!
Und machſt du dich nicht endlich frei,
So ſchlag der Teufel drein!
Nunquam retrorsum.
Mel. Nur fröhliche Leute
Laßt, Freunde, mir heute.
Nicht betteln, nicht bitten!
Nur muthig geſtritten!
Nie kämpft es ſich ſchlecht
Für Freiheit und Recht.
Und nimmer verzaget!
Von Neuem gewaget!
Und muthig voran!
So zeigt ſich der Mann.
Wir wollen belachen
Die Feigen und Schwachen:
Wer ſteht wie ein Held,
Dem bleibet das Feld.
Einſt wird es ſich wenden,
Einſt muß es ſich enden
Zu unſerem Glück:
Drum nimmer zurück!
Montag.
Die Intereſſen.
Mit jedem neuen Anlehn mehret
Der Staat nun ſeine Schulden zwar,
Doch wird er immer mehr geehret
Und mehr geliebt von Jahr zu Jahr.
Das laſſen wir uns gern gefallen —
Der Staat iſt ja ein gutes Haus,
So lang' er immerfort uns allen
Die Zinſen zahlet richtig aus.
Doch ſollte ſich dies Haus nicht halten
Und macht es auch einmal Bankrott,
Dann wird die Liebe ſchnell erkalten,
Ade, o Staat, dir gnade Gott!
Verſprich das Weltall in Decreten,
Du fängſt kein Unterthanenherz;
Haſt du nicht Taſchen voll Moneten,
So dreht dir jeder zu den Sterz.
Wegebeſſerung.
Laßt uns Gottes Güte preiſen,
Die uns gab den Fürſtenſtand:
Nur wenn unſre Fürſten reiſen,
Beſſert ſich der Weg durch's Land.
Sind auch ſolche Reiſen theuer,
Sind ſie uns doch lieb und werth;
Gern bezahlt man jede Steuer,
Wenn man noch erträglich fährt.
Vier Elemente.
Wollt ihr uns repräſentieren,
Haltet feſt an dieſen vieren:
Geiſt und Arbeit, Gut und Geld
Sind die Stände dieſer Welt.
Gönnet jedem auszuſprechen
Seine Leiden und Gebrechen!
Lernt, daß zu vertreten iſt
Mehr als Adel nur und Miſt.
Polizei, Geld und Wetter.
Freier Menſch mit göttlichen Entwürfen,
Voll von hohen himmliſchen Ideen,
Aus dem Born der Schöpfung kannſt du ſchlürfen,
Und ins Angeſicht der Gottheit ſehn.
Aber ohne Paß, da biſt du kaum ein Thier,
Freier Menſch, es tauſcht kein Hund mit dir.
Freier Menſch voll hoher Gottesgaben,
Kannſt du alles hören, alles ſehn,
Kannſt genießen alles, alles haben,
Darfſt nicht unbefriedigt weiter gehn.
Aber ohne Geld, du giebſt es ſelber zu,
Freier Menſch, ein Schaf iſt mehr als du.
Freier Menſch, ſetz auf die Pudelmütze,
Daß dich Kopfweh nicht und Zahnſchmerz plagt;
Nimm den Schirm, er iſt dir heute nütze,
Weil das Wetter doch nach dir nicht fragt;
Denn das Wetter iſt wie Geld und Polizei,
Freier Menſch, leb wohl! und werd' erſt — frei!
Eine Frage
an ein Hoch-, Hochwohl- und Wohlgebornes
Publicum.
Denn des Menſchen größte Sünde
Iſt, daß er geboren ward.
Calderon, „Das Leben ein Traum.“
Wir ſind geboren, hochgeboren,
Hochwohl- und wohlgeboren wir:
Das iſt der Weiſen und der Thoren,
Des Bürgers und des Adels Zier.
Geboren ſein iſt Titel, Ehr' und Ruhm,
Ein altes treu bewahrtes Heiligthum.
Und wirſt du nie, mein Volk, auf Erden
Von den Geburtswehn dich befrei'n?
Und wirſt du niemals etwas werden,
Und niemals hoch und wohler ſein?
Biſt du ein Volk das nur geboren iſt
Und alles Sein und Werden ganz vergißt?
Al pari.
Mel. Sie ging zum Sonntagstanze.
Auf Eiſenbahnen fahren
Zwar gern die großen Herrn,
Doch daß auch wir es können,
Das haben ſie nicht gern.
Sie können auch nicht ſchneller
Bei allem Gut und Geld,
Nicht ſchneller als wir andern
Fortkommen durch die Welt.
Und nebenbei verdrießt es
Die großen Herrn gar ſehr:
Da iſt ja von Vorfahren
Die Rede gar nicht mehr.
Unterſchied des Bedingten und Unbedingten.
Göthe präſentierte mich dem gnädigſten Herrn, zu
dem ich mich auf den Sopha, — ich glaube ſogar,
ich ſaß ihm zur Rechten, — ſetzte.
Hegel's Werke 17, 621.
Mel. So hab' ich wirklich dich verloren.
Das Abſolute zu ergründen,
Hatt' er ſich ſelbſt der Welt entrückt;
Das Abſolute zu verkünden,
Hat ihn nur auf der Welt beglückt.
Und wenn er ſaß auf dem Katheder
Und ſprach vom abſoluten Sein —
Fürwahr, da glaubt' und dachte Jeder:
Hier ſpricht nur Gott durch ſich allein.
Und dennoch konnt' er's nicht vergeſſen,
Daß er bei einem Herzog ſaß,
Er der doch höher nie geſeſſen
Als wenn er ſein Collegium las.
Guter Rath.
Mel. Das Grab iſt tief und ſtille.
Die Fröſche mit den Unken,
Wie ſie ſo ſchrecklich ſchrei'n!
Ich kann vor den Hallunken
Nicht ruhig ſchlafen ein.
Sollt' ihnen Freiheit fehlen?
Ach nein, das kann nicht ſein:
Wer wird darum ſich quälen?
Danach ſo ſchrecklich ſchrei'n?
Macht's doch, ihr Fröſch' und Unken,
Wie wir, und trinket Wein!
Denn habt ihr erſt getrunken,
So laßt ihr auch das Schrei'n.
Ihr werdet Lieder ſingen
Vom freien deutſchen Rhein,
Und dann vor allen Dingen
Auch ruhig ſchlafen ein.
Hannoverſches Zwangbier.
Ferners auch unter andern Beſchwer-Articuln nicht der we¬
nigſt iſt, daß Ew. Liebden auf Deroſelben Amthäuſern zu
feilem Kauf Bier brauen läßt.
Kaiſer Rudolf II. de dato Prag 4. Aug. 1579.
an Herzog Julius zu Braunſchweig.
Ihr müßt Jahr aus Jahr ein das Bier
Vom Landesvater kaufen,
Doch leider! mehr noch müſſet ihr,
Ihr müßt das Bier auch ſaufen.
Glück zu! trinkt aus, ſchenkt wacker ein!
Ich halt' es mit dem Weine:
Ernſt Rex mag euer König ſein,
Scherz Rex das iſt der meine.
3
Verwöhnung.
Die Fallersleber waren früher nicht ſo verwöhnt. Noch
in der Fehde Herzogs Heinrich d. ä, mit Braunſchweig
ſang man von ihnen:
De von Fallersleben repen: wolan!
Wi willen de Grepen laten ſtan
Und willen Bronswik delgen;
So kriege wi der ſulvren Schauer veel,
Dar wille wi Mummen ut ſwelgen.
Den Teufel ſah man eines Tags
Mit einer Seel' entſchweben,
Das war ein ungerathner Sohn
Vom Flecken Fallersleben.
Die Sonne brannte fürchterlich,
Schwül war es aller Orten,
Als wären plötzlich aufgethan
Die weiten Höllenpforten.
Da ſchrie das arme Unglückskind:
„Ach, hätt' ich Trank und Speiſe!“
Doch ſchneller, immer ſchneller ging
Dahin die luft'ge Reiſe.
Bei jedem Wirthshaus das es ſah,
Da fleht' es um Erbarmen:
„O gönne doch ein Tröpfchen Bier,
Ein Tröpfchen nur mir Armen!“
Vorüber ging es pfeilgeſchwind
An Dörfern und an Krügen:
Dem Teufel machte nun einmal
Einkehren kein Vergnügen.
Vorüber ging es pfeilgeſchwind
An Quellen und an Teichen:
Es ließ ſich nicht das harte Herz
Des Teufels mehr erweichen.
„O gnäd'ger Herr von Satanas,
O hab' mit mir Erbarmen,
Und gieb doch, ich verſchmachte ſchier,
Ein Tröpfchen Thau mir Armen.“
Da ließ der Teufel endlich ſich
Zum Mitleid noch bewegen,
Und flog zu einer Pfütz' herab
Voll Jauche, Schlamm und Regen.
Er tauchte ſeinen Schwanz hinein,
Und ließ ihn dann geſchwinde
Hingleiten durch das trockne Maul
Dem armen Menſchenkinde.
„Ha!“ rief es himmelhoch entzückt
Zum Teufel augenblicklich,
„Wie ſchmeckt das Fallersleber Bier
So wunderbar erquicklich!“
3 *
Salvator-Bier.
Mel. Laßt die Politiker nur ſprechen.
Was kümmert uns die zweite Kammer?
Und was die Conſtitution?
Nie lindert ſich der Steuerjammer,
Nie ſteigert ſich der Arbeitslohn.
Wir kommen niemals doch in Flor,
Und müſſen zahlen nach wie vor.
Was kümmern uns die Dankadreſſen?
Wer ſchaut in unſern Topf hinein?
Wer fragt, ob wir uns ſatt noch eſſen?
Wie wir uns plagen und kaſtei'n?
Sie ſind für unſre Leiden ſtumm
Und ſcheren ſich den Teufel drum.
Doch davon wollen wir nicht ſprechen!
Zwei Kreuzer koſtet nur der Krug.
So lange wir noch billig zechen,
Iſt auch die Zeit noch gut genug.
Wir ſind noch immer wohlgemuth,
Das Bier iſt gut und bleibet gut.
Gott ſegn' uns unſre Berg' und Saaten!
Das bitten wir, das beten wir.
Iſt Gerſt' und Hopfen gut gerathen,
Bleibt gut und billig auch das Bier.
Gott ſegne ſtets das Baierland,
Drin man das beſte Bier erfand!
Waſſer und Wein.
Wer ſchuf das Waſſer? wer den Wein?
Waſſer her! ſchenket ein!
Das Waſſer ſchuf nur Gott allein,
Das Waſſer iſt göttlich, und menſchlich der Wein.
Mehr iſt das Waſſer als der Wein,
Waſſer her! ſchenket ein!
Ich aber will beſcheiden ſein:
Ich lobe das Waſſer und — trinke den Wein.
Die Waſſerſucht.
Ja, ich bin bei allem ſchüchtern,
Was da irgend Waſſer heißt,
Denn es macht doch gar zu nüchtern
Jedes Menſchen Herz und Geiſt.
Kann Philiſtern auch nicht ſchaden
Eine gute Waſſerkur,
Immer wird ſich drin verbaden
Die poetiſche Natur.
Freilich, wer die Dichtkunſt ſetzet
Nur ins Versmaaß und den Reim,
Nun, der kommt wohl unverletzet
Auch aus jedem Waſſer heim.
Die Waſſerfrage.
Nun kommt auch noch die Waſſerkur
Zu unſern vielen Tagesfragen,
Als könnten uns die Aerzte nicht
Genug auf andre Weiſe plagen.
Wär' eine Schwimmhaut mir beſchert
Und hätt' ich einen Haifiſchmagen,
Da würde mir die Waſſerkur
Vielleicht tagtäglich auch behagen.
Doch mißlich iſt's auch ſonſt damit,
Wie mit den diplomat'ſchen Fragen:
Von ihrem Anfang kann man wohl,
Von ihrem Ende niemals ſagen.
Officielle Volksſouveränität.
Er denkt zu viel: die Leute ſind gefährlich.
Shakspeare im Jul. Cäſar.
Polizeilich iſt erlaubt,
Alles zu verſchnapſen;
Keinem wehrt man überhaupt,
Durch die Welt zu tapſen.
Lieber hat man doch, daß ſie
Wie das Vieh verdummen,
Denn es kann das liebe Vieh
Höchſtens etwas brummen.
Legten Ochs und Eſel ſich
Auf das Räſonnieren,
Ließe man gelegentlich
Sie auch arretieren.
Der Hausorden.
Ach, gar zu beſcheiden
Sind doch ihre Freuden
Und kaum von Leiden
Zu unterſcheiden.
Tieck im Zerbino.
Mel. Kleine Blumen, kleine Blätter.
Dem Verdienſte ſeine Kronen!
Alſo denket mancher Mann,
Und er will ſich ſelbſt belohnen,
Denn kein andrer denkt daran.
Und wie große Potentaten
Heckt er einen Orden aus
Zur Belohnung ſeiner Thaten
Nur für ſich und für ſein Haus.
Und er theilet dann in Klaſſen
Dieſen Orden ſeiner Wahl,
Und er will damit umfaſſen
Der Verdienſte große Zahl.
Ehekreuz das iſt die erſte,
Hauskreuz muß die zweite ſein,
Und dann kommt die ſchönſt' und hehrſte,
Todtenkreuz noch hinterdrein.
Seit die Orden ſind geworden
Jedem Stand' ein Liebespfand,
Nun, ſo haſcht man auch nach Orden
In dem heil'gen Eheſtand.
Wenn dich drum der Staat nicht ehret,
Werde gleich ein Ehemann,
Und dir wird ein Kreuz beſcheret,
Daß du denkſt zeitlebens dran.
Mißheirath.
Le bourgeois, par une varité ridieule, font de leurs
filles un fumier pour les gens de qualité.
Chanfort, Pensées.
Haltet rein das edle Blut!
Hat mein Vater oft geſagt.
Ach! was nun mein Enkel thut!
Ach! dem Himmel ſei's geklagt!
Eine Bürgerliche frei'n!
Nein, das iſt fürwahr zu arg!
Ach! das wird ein Nagel ſein
Ganz gewiß zu meinem Sarg!
Alſo ſprach der Großpapa,
Und die Ahnen an der Wand
Nickten gleichſam alle: ja!
Als ob's jeder mitempfand.
Und der gute Junker nahm
Doch zur Frau das Bürgerblut,
Und der arme Junker kam
So zu großem Geld und Gut.
Und erfüllt von Lieb' und Dank
Fand der Alte ſich darein;
Er der ſonſt nur Waſſer trank,
Trank anjetzo nur noch Wein.
Eine Bürgerliche frei'n,
Fand er jetzt nicht mehr ſo arg,
Doch der gute Bürgerwein
Ward ein Nagel ihm zum Sarg.
Allerhöchſte Cultur.
Mel. So hab' ich nun die Stadt verlaſſen.
Zwar immer tragen wir noch Kleider
Und gehn in Stiefeln und in Schuh'n,
Wo aber ſind anjetzt die Schneider?
Wo aber ſind die Schuſter nun?
Ein Schuſter einſt von Gottes Gnaden
Heißt jetzt ein Stiefelfabrikant,
Und eines Schneiders Höll' und Laden
Wird jetzt ein Magazin genannt.
So werden wir denn noch erleben
Ein Kleideranpaſſungs-Bureau
Und ganz gewiß auch noch daneben
Ein Fußbedeckungsſtück-Depot.
Partus monstrosus vulgaris Lin.
Geburten ohne menſchliche Form und Bildung haben
auf Familien- und bürgerliche Rechte keinen Anſpruch.
Preuß. Landrecht 1. Th. Tit. 1, §. 17.
Mel. Auf Brüder, laßt uns luſtig leben.
Es giebt im menſchlichen Geſchlechte
Für Mißgeburten keine Rechte,
Und dennoch hat der Frack ein Recht:
Wer wäre nicht des Frackes Knecht?
Wie könnt ihr je von Freiheit träumen,
Wollt ihr dem Frack ein Recht einräumen!
Erfahrt's, wenn ihr's noch nicht erfuhrt:
Der Frack iſt eine Mißgeburt.
Porc à la mode.
Mel. Auf grünen Bergen ward geboten.
Ihr geht nach neueſtem Geſchmacke,
Fürwahr, es ſteht euch alles gut:
Wie prunkt der Leib im engen Fracke,
Wie zierlich ſitzt der runde Hut!
Die Weſte ſchillert, die moderne,
Das Vorhemd iſt ſo hell und klar,
Die Knöpfe blitzen wie die Sterne,
Und glatt geſtrählt iſt Bart und Haar.
Wohl ſauber ſind die lieben Blümchen
Die drüben auf der Heide ſtehn,
Doch iſt an euch kein Fleck, kein Krümchen,
Kein Staub, kein Federchen zu ſehn.
Man kann euch in den Glasſchrank ſtellen,
So hübſch ſeid ihr, ſo nett und rein!
Und ach! ihr ſauberen Geſellen,
Ihr ſprecht das Deutſche wie ein Schwein.
Unmenſchliche Liebhaberei.
Hängt nicht an Hund' und Katzen eure Herzen,
An Blumen, Pferd' und Pagagei'n —
O lernt doch erſt der Menſchheit Freud' und Schmerzen
Und unter Menſchen Menſch zu ſein!
Iſt euch der Menſch nicht mehr als Hund' und Kätzchen,
Als Blumen, Pferd' und Papagei'n,
So hol' der Teufel jedes eurer Schätzchen,
Und euch, euch hol' er hinterdrein!
Seehandlung.
Nocere posse et nolle, laus amplissima est.
Publius Syrus.
Seht, wir wechſeln, leihen, borgen;
Seht, wir ſchaffen, mühn und ſorgen,
Daß des Volkes Kraft erwache,
Kunſt und Fleiß ſich geltend mache,
Daß die Armuth werde kleiner
Und die Wohlfahrt allgemeiner.
Juchhe! juchhe!
So treiben wir Handlung auf der See.
Seht, wir trachten nur und dichten,
Muſterwerke zu errichten,
Zu beſeelen alle Hände
Zum Gedeihen aller Stände,
Kunſt und Induſtrie zu heben
Und den Marktplatz zu beleben.
Juchhe! juchhe!
So treiben wir Handlung auf der See.
Nicht wie ſich im Haus die Schnecke
Haben wir uns nur zum Zwecke:
Ei, wie könnten wir euch hindern!
Wir, die wir den Nothſtand lindern,
Und bereit ſind alle Zeiten
Euch nur Wohlſtand zu bereiten?
Juchhe! juchhe!
So treiben wir Handlung auf der See.
Laßt das Kleinliche verderben!
Ward nicht Freiheit den Gewerben?
Kann nicht jeder ſeine Sachen,
Fleiß und Waare geltend machen?
Sä't wie wir die Saat der Mühe,
Daß auch euch das Heil erblühe!
Juchhe! juchhe!
So treibet auch Handlung auf der See!
Alles könnt auch ihr beginnen:
Malen, weben, hecheln, ſpinnen.
Weg mit Flotten, weg mit Schiffen!
Wer die Zeiten hat begriffen,
Bringet auch auf trocknem Sande
Eine Seefahrt noch zu Stande.
Juchhe! juchhe!
Hoch lebe die Handlung auf der See!
4
Dinstag.
An die Gegenwartvergötterer.
Ach, wir ſind zu ſehr befangen
In der eignen Schlechtigkeit,
Daß wir immer noch verlangen
Immer nach der beſſern Zeit.
Doch wir wollen uns beſtreben,
Wollen thun wie ihr es thut,
Und ſo ganz dem Guten leben
Ohne allen Zweifelsmuth.
Und wir wollen nicht mehr ſtreiten,
Wollen ſehn wie ihr es ſeht:
O wie gut ſind unſre Zeiten,
Und wie gut doch Alles geht!
Gut iſt Alles was beſtehet,
Und wie gut daß ihr noch bleibt,
Und für uns noch hört und ſehet,
Und für uns noch denkt und ſchreibt!
Die hiſtoriſche Schule.
Niemals kann ereignen ſich das Wunder,
Das auf's Neu, was abgelebt, zu ſehn.
König Ludwig, Ged. 3, 80.
Ihr ſtützt euch auf Geſchichte,
Und ſucht nicht was ihr ſuchen ſollt,
Und findet was ihr finden wollt —
Das nennet ihr Geſchichte!
Und das Alte gehet doch zu Nichte.
O leſet die Geſchichte!
Und ſehet wie der ew'ge Geiſt
Zum Neubau Altes niederreißt —
O leſt — nie die Geſchichte!
Und das Alte gehet doch zu Nichte.
4*
Das Glück der Vergeßlichkeit.
Ein Dompfaff in dem Bauer ſaß
Und ſeinen Buſch und Wald vergaß,
Hub fröhlich an zu ſpringen,
Zu pfeifen und zu ſingen
Gar hübſch und fein nach Kunſtmanier:
„Ein freies Leben führen wir.“
Ihr Menſchen ſeid doch ebenſo,
Ihr thut ſo frei, ſo friſch und froh —
Ihr müßt im Käfich ſpringen
Und hebt doch an zu ſingen
Wie dieſes unvernünft'ge Thier:
„Ein freies Leben führen wir.“
Ehrlich.
Ja, Herr, ehrlich ſein, heißt, wie es in dieſer Welt
hergeht, Ein Auserwählter unter Zehntauſenden ſein.
Hamlet.
Mel. Geſtern, Brüder, könnt ihr's glauben?
Lernet beten, leſen, ſchreiben,
Lernet alle Künſte treiben,
Lernet was der Welt gefällt,
Lernt euch ſchicken in die Welt;
Lernet aller Weisheit Sätze,
Lernet alles Wiſſens Schätze,
Lernet Griechiſch und Latein —
Ehrlich braucht ihr nicht zu ſein.
Die Wahrheitsbill.
Es geſchah in alten Tagen,
Daß der liebe Gott befahl:
„Wer nicht will die Wahrheit ſagen,
Wird ein Stottrer allzumal.“
Wie bei Greiſen, Männern, Buben
Da die Stotterei begann!
Auch die Officianten huben
Alle gleich zu ſtottern an.
Als nun Gott der Herr geſehen,
Daß der Menſch zur Wahrheit will
Schlechterdings ſich nicht verſtehen,
Hob er auf die ſtrenge Bill.
Und ſo ſtottern auch noch lange
Unſre Officianten nicht,
Doch weil ihnen davor bange,
Geben ſchriftlich ſie Bericht.
Vieh- und Virilſtimmen.
In ſolcher Zeit wie dieſe ziemt es nicht,
Daß jeder kleine Fehl bekrittelt werde.
Shakspeare, Jul. Cäſar.
Der Ochſe brüllet, es grunzt das Schwein,
Die Schafe bläken, die Fröſche ſchrei'n —
Ob ſchön das lautet? wird wohl keiner fragen;
Was läßt ſich auch von Beſtienſprache ſagen?
Doch brüllt kein Ochſ' und es grunzt kein Schwein,
Noch Schafe bläken und Fröſche ſchrei'n
So unterthänigſt, jämmerlichſt wehmüthigſt
Als deutſche Unterthanen tiefſt demüthigſt.
Unfruchtbar.
Du möchteſt Allen Alles ſein,
Conſervativ und liberal,
Ariſtokratiſch, radical,
Und demagogiſch auch einmal.
Du möchteſt Allen Alles ſein!
Wärſt du ein Eſel oder Pferd,
So wärſt du überall begehrt —
Mauleſel ſind zur Zucht nichts werth.
Heraldiſches.
Die Fürſten voller Güt' und Milde,
Was führen ſie in ihrem Schilde?
Gemeiniglich ein wildes Thier,
Ein Thier voll Raub- und Mordbegier,
Wovon gottlob nichts weiß die Welt,
Als daß man es im Käfich hält.
Doch dieſe Thiere könnten leben,
Lebendig jeden Thron umgeben —
Uns brächte weniger Gefahr
Bär, Geier, Löwe, Greif und Aar,
Als jenes ſaubre Hofgeſchmeiß,
Wovon die Welt zu viel nur weiß.
Was iſt denn zollfrei?
Beſteuert iſt die ganze Welt
Und alles drum und dran:
Gewerbe, Handel, Gut und Geld,
Weg, Waſſer, Weib und Mann.
Wem wäre nicht das Leben theuer,
Wofür man zahlt ſo manche Steuer?
Beſteuert iſt der Biſſen Brot,
Den man im Schweiß gewinnt!
Beſteuert iſt ſogar der Tod,
Weil wir am Ziele ſind.
Nur zu erzeugen unſers Gleichen
Iſt frei den Armen und den Reichen.
Bienenloos.
Wir geben und der König nimmt,
Wird ſind zum Geben nur beſtimmt,
Wir ſind nichts weiter als die Bienen,
Arbeiten müſſen wir und dienen.
Und ſtatt des Stachels gab Natur
Uns eine ſtumpfe Zunge nur,
Die dürfen wir nie unſertwegen
Und nur im Dienſt des Königs regen.
Kuhſchnappelſche Thorſperre.
Einen Leibzoll zu entrichten
Für das Vieh, mag menſchlich ſein:
Ochſen dürfen doch mit Nichten
Ungeſtraft zur Stadt hinein!
Doch daß man den Ochſen gleich gilt,
Ochſig zahlen muß und ſoll,
Wenn man kommt zu ſpät ins Weichbild —
Beſtialiſch iſt der Zoll.
Kuhſchnappelſche Volksrepräſentation.
Ei, was ſoll noch Kunſt und Witz?
Hier gilt nur der Grundbeſitz.
Für den Landbau, für's Gewerbe
Schweigt kein Volksrepräſentant;
Doch des Geiſtes Gut und Erbe
Legen ſie in Gottes Hand.
Wie verlaſſen und verwaiſt,
Armer, armer Menſchengeiſt!
Wie der Vogel auf dem Dache
Haſt auch du kein Vaterland,
Und der Menſchheit heil'ge Sache
Gab dir Gott in deine Hand.
Schnaderhüpfel.
Mel. Mein Schatz iſt a Reiter, a Reiter muß ſein.
Der Fürſt und der Adel ſtehn immer im Bund,
Der Fürſt iſt der Jäger, der Adel der Hund.
Der Fürſt iſt der Jäger, das Volk iſt das Wild,
Weil mehr das Regal als das Menſchenrecht gilt.
Und gehet der Jäger auf die Haſenjagd,
Hat noch immer der Hund den Vermittler gemacht.
Und wenn es ſich handelt um Conſtitution,
Vermittelt der Adel zwiſchen Fürſt und Nation.
Bläſt Jäger und Hund und Haſ' in Ein Horn,
Sind wir alle vergnügt von hinten und vorn.
Langweilig und ſchlecht.
Mel. Mein Lebenslauf iſt Lieb' und Luſt.
Wie iſt die Willkür und Gewalt
Doch in der Welt gemein!
Die Welt iſt ſchon ſo klug und alt
Und muß noch dienſtbar ſein!
Wann bricht der Freiheit goldner Strahl
In unſre Nacht hinein?
Wann endet unſer Joch einmal,
Wann unſre Noth und Pein?
O weh! o weh!
Wann unſre Noth und Pein?
Geduld iſt unſre Fröhlichkeit,
Gehorſam unſer Glück,
Und niemals kommt Zufriedenheit
In unſre Welt zurück.
Wohl anders wird es jeden Tag,
Doch beſſer wird es nie.
Wer das ein Glück noch nennen mag,
Iſt dumm wie's liebe Vieh,
O weh! o weh!
Iſt dumm wie's liebe Vieh.
Landtagsabſchied.
Mel. Jetzt ſchwingen wir den Hut.
Jetzt gehen wir nach Haus,
Der Landtag iſt nun aus.
Wir waren einig allezeit,
Und thaten unſre Schuldigkeit,
Sogar bei jedem Schmauſe, ja Schmauſe.
Wir haben Tag und Nacht
Geſeſſen und gedacht,
Und ſahen feſt und unverwandt
Auf unſer theures Vaterland,
Sogar bei jedem Schmauſe, ja Schmauſe.
Die Zeitung giebt Bericht:
Wir thaten unſre Pflicht;
Wir hielten nicht umſonſt Diät,
(Das weiß auch Seine Majeſtät,)
Sogar bei jedem Schmauſe, ja Schmauſe.
Stiftungslied
der adelichen Reſſource zu Kuhſchnappel.
Mel. Es kann ja nicht immer ſo bleiben.
Nie ſoll es doch ihnen gelingen,
Wir halten vom Ziele ſie fern:
Sie bleiben das Lumpengeſindel,
Wir bleiben die gnädigen Herrn.
Und haben wir Manches verloren,
So kehret auch Manches zurück;
Stets gehet die Zeit noch im Kreiſe,
Sie bringet zurück uns das Glück.
Hervor mit den alten Geſetzen,
Und weg mit der Conſtitution!
Da kommen die beſſeren Zeiten
Von ſelber für uns und den Thron.
Drum laſſet uns hoffen und harren,
Weil Adel und Tugend nicht ſtirbt,
Daß endlich der Adel Europas
Sein Recht auch noch wieder erwirbt.
Auch ein Mädchen aus der Fremde.
Mel. Das ganze Dorf verſammelt ſich
Zu Kirmestanz und Reihen.
Ein Mädchen aus der Fremde kam
Und wollte ſich vermählen,
Doch wollte ſie den Bräutigam
Sich ſelber nur erwählen.
Willkommen, junge fremde Fee
Voll Anmuth, Mild' und Güte,
So rein wie friſch gefallner Schnee,
So ſchön wie Maienblüthe!
Wohin ſie kam, da ſchien ſogleich
Sich Alles froh zu regen,
Und wo ſie weilte, ſtand das Reich
In Kraft und Macht und Segen.
Willkommen! ſchollen hell und laut
Des Volkes frohe Lieder:
O ließe ſich die holde Braut
Bei uns doch heimiſch nieder!
Sie aber bot ihr Händelein
Nur einem Königsſohne:
Ich will mit ihm vermählet ſein,
Mit ihm und ſeinem Throne!
Er nähme ſie auch gern zur Eh',
Wenn's ginge morganatiſch,
Das aber war der lieben Fee
Doch gar zu problematiſch.
Sogleich war ohne alle Spur
Die Fee wie weggetrieben,
Uns aber iſt ihr Name nur:
Conſtitution, geblieben.
Krebsgang.
Mel. Seht ihr drei Roſſe vor dem Wogen.
Ruſſ. Volksl.
Ihr paſſet recht zu unſern Zeiten,
Und wiſſet was uns nützt und frommt!
Ihr werdet immer rückwärts ſchreiten,
Bis ihr zur Schlacht von Jena kommt.
Doch, lieben Leute, laßt euch ſagen:
Erreicht ihr wieder euren Zweck,
Ihr werdet wiederum geſchlagen,
Und Staat und Kirche liegt im Dreck.
Petitionsrecht.
Das Beten und das Bitten iſt erlaubt,
Ja, und erlaubt iſt Alles überhaupt,
Was niemals nützt den armen Unterthanen.
Wenn wie an ein Verſprechen etwa mahnen,
Geſetzlich bitten, was wir fordern können,
Da will man uns das Bitten auch nicht gönnen,
Man weiſt uns ab mit kaltem Hohn zuletzt:
Ihr habt die Form verletzt.
Der Herr der Welten höret unſer Flehn,
Er naht und iſt bereit uns beizuſtehn,
Er fordert was wir bitten kaum noch wollten,
Erfüllt was wir nach Recht verlangen ſollten.
Zu jenen, die ihr heiligſtes Verſprechen
Gebrochen haben und noch heute brechen,
Spricht er ein allerhöchſtes Wort zuletzt:
Ihr habt das Recht verletzt.
5
Serenate
unter den Fenſtergittern des Kuhſchnappelſchen
Landtags.
Aber ich begreife, wie alles impertinent gelehrt, und doch ſo
dumm iſt, daß man Mauern und Thore damit einrennen
könnte.
Arndt, Geiſt der Zeit l, 43.
Mel. So mancher ſteigt herum.
Aus dem Bauer als Millionär.
So mancher macht ſich breit,
Will Sprech- und Preßfreiheit,
Und thut dann auf einmal
Entſetzlich liberal.
Gebt ihm ein Bändelein
Und Titel obendrein,
Da iſt der Kerl gleich ſtumm
Und ganz entſetzlich dumm —
O Stockfiſch! o Stockfiſch!
So mancher denkt und ſpricht:
Wir brauchen ſie ja nicht
Die Conſtitution,
Wir ſind ja glücklich ſchon.
Er denkt an ſich allein,
Uns fällt dabei nur ein:
Freund, ſieh dich beſſer um!
Du biſt entſetzlich dumm —
O Stockfiſch! o Stockfiſch!
Die ſieben Sachen.
Wie heißen doch die ſieben Sachen,
Die einen Mann von Stande machen?
Nichts lernen früh von Kindesbeinen
Und Alles doch zu wiſſen meinen,
Die ganze Nacht beim Spiel durchwachen,
Den ganzen Tag brav Schulden machen,
Das Deutſch ſo ſchlecht als möglich ſprechen,
Franzöſiſch trefflich radebrechen,
Champagner trinken obendrein
Und überall hoffähig ſein.
Das ſind, das ſind die ſieben Sachen,
Die einen Mann von Stande machen.
Wie heißen doch die ſieben Sachen,
Die keinen Mann von Stande machen?
Nicht ſich allein auf Erden leben,
Für Andre ſtill zu wirken ſtreben,
Sich nie um Schulden mahnen laſſen
Und nie auf Andrer Koſten praſſen,
Der Knechtſchaft Sprache radebrechen,
Gut Deutſch für Recht und Freiheit ſprechen,
Und lieber leiden Noth und Pein
Als irgendwo hoffähig ſein.
Das ſind, das ſind die ſieben Sachen,
Die keinen Mann von Stande machen.
5 *
Beſſerwerden.
Wir haben ſchöne Inſtitute
Für jedes Alter, jeden Stand;
Wir haben Feſſel, Peitſch' und Ruthe,
Wir haben Kett' und Ordensband.
Das Laſter findet ſeine Wohnung
Zu jeder Zeit, an jedem Ort,
Und für die Tugend ſprießt Belohnung
Aus Gut und Geld, aus Schrift und Wort.
Ein Schul- und Zuchthaus ward das Leben
Voll Religion und Unterricht;
Auf's Beſſre geht des Staates Streben,
Doch beſſert er ſich ſelber nicht.
Mittwoch.
Wächterlied.
Die Hähne krähten durch das Land:
Und wer in Schlafes Banden ruht,
Sei munter jetzt und wohlgemuth!
Der Tag beginnt, die Nacht verſchwand.
Der Wächter auf der Zinne ſtand
Und rief: ihr ſollet munter ſein,
Ich ſehe ſchon des Tages Schein;
Wacht auf! wacht auf! die Nacht verſchwand.
Da ſtand man auf wohl hie und dort,
Die Hähne that man in den Topf,
Dem Wächter hieb man ab den Kopf,
Dann aber ſchlief man weiter fort.
Wer will noch Hahn und Wächter ſein?
Wer wecket uns aus Schlafes Noth
Bald zu der Freiheit Morgenroth?
Wir ſchlafen in den Tag hinein.
Auch ich bin in Arkadien geboren!
Mel. Brüder lagert euch im Kreiſe.
Nur Europa hat Geſchichte,
Hat noch Sagen und Gedichte.
Sprecht, in welchem Erdenwinkel
Giebt es ſoviel Poeſie?
Von Geſchlechte zu Geſchlechte
Erben fort die Völkerrechte,
Und die Völker und die Rechte,
Alles iſt nur Poeſie!
Alle Föderationen,
Friedensſchlüſſ' und Conventionen —
Fragt die ganze Weltgeſchichte,
Iſt nicht Alles Poeſie?
Und die herrlichſten Congreſſe
Nur aus reinem Volksintereſſe —
Ward nicht dieſe nackte Proſa
Längſt zur ſchmucken Poeſie?
Und die Proclamationen
Und die Conſtitutionen —
War nicht Alles von dem Anfang
Bis zum Ende Poeſie?
Und die fürſtlichen Verſprechen,
Abzuthun die Staatsgebrechen —
Kannten je die alten Heiden
Eine ſolche Poeſie?
Unſer Adel ohne Ende,
Unſre Räng' und unſre Stände —
Hatten wohl die Patriarchen
Kindlichere Poeſie?
Unſer ganzes Sein und Leben,
Unſer Hoffen, unſer Streben —
Ward nicht Alles, iſt nicht Alles,
Alles, Alles Poeſie?
Höfiſche Poeſie.
Ich waere ungerne dâ pfærit, dâ man daz beste vuoter den
ohsen und eseln gît.
Reinmar von Zweter.
Wenn man euren Glanz will ſchauen,
Wirft man euch ein Körnlein vor,
Und man lockt euch wie die Pfauen
Draußen vor des Schloßhofs Thor.
Türkſche Enten, Hähn' und Hennen
Sind hoffähig nur allein,
Dürfen nicht nach Futter rennen,
Dürfen nicht nach Futter ſchrei'n.
Merkt es euch, ihr Königsdichter!
Wenn ihr ſchlagt das ſchönſte Rad,
Frißt ſich andres Hofgelichter
Ganz bequem im Schloßhof ſatt.
Criminaliſtiſcher Bilderdienſt.
Nicht an Hellas dürft ihr denken,
Sucht ihr, Künſtler, Ruhm und Preis:
Auch bei uns in Flachſenfingen
Sprießt der Kunſt ein Lorbeerreis.
Seht! vor eurem ſchlechtſten Machwerk
Müſſen Ehrenmänner knie'n —
Hat wohl Hellas einem Künſtler
Soviel Ehre je verliehn?
Anaſtaſius Grün.
Es ſtand ein Baum in Oeſterreich,
Der grünt' und blühte manches Jahr
Fürwahr ſo ſchön und wunderbar.
Manch Vogel ſaß darin und ſang,
Daß weithin Berg und Thal erklang.
Es hatte jeder deutſche Mann
Recht ſeine Luſt und Freude dran.
Ein Doppeladler flog einmal
Zu dieſem Wunderbaum' hinan,
Band einen güldnen Schlüſſel dran:
Da wurden ſeine Blüthen taub
Und falbe ward ſein grünes Laub;
Die Schaar der lieben Vöglein ſchied,
Für immer ſchwieg ihr Sang und Lied.
Dichtung und Wahrheit.
Mel. Saß einſt in einem Lehnſtuhl ſtill
Ein gar gelehrter Mann.
Ihr ſangt der Welt von Freiheit vor
Manch herrliches Gedicht;
Die Freiheit drang der Welt ins Ohr,
Die Welt verſtand es nicht.
Die Freiheit war nur ein Gedicht,
Was iſt ſie jetzt zur Friſt?
Jetzt ſänget ihr von Freiheit nicht,
Weil Freiheit Wahrheit iſt.
Der neue Stern.
Es war ein neuer Stern erſchienen,
Der wies uns wieder auf den Herrn,
Auf ihn, dem alle Völker dienen,
Wies uns der neue Morgenſtern.
Das Wort des Herren ſchien verloren
Durch Lug und Trug in finſtre Nacht —
Es ward zum zweitenmal geboren
Durch das was Guttenberg erdacht.
Des Geiſtes letzte Feſſeln ſchwanden:
Heil ihm, Heil ihm, der das erfand!
Und Jubel ward in allen Landen:
Geſegnet ſei ſein Vaterland!
Herodesherzen, Diplomaten,
Ihr ſcheut noch heute dieſen Stern,
Und unſers Volkes ſchönſten Thaten
Steht ihr mit Leib und Seele fern!
Autoren-Litanei.
Mathematiſche Figuren,
Wahre ſympathetiſche Curen,
Logarithmen, Rechenknechte,
Ueber Infanterie-Gefechte,
Anatomiſche Tabellen,
Die entdeckten Oderquellen,
Pater Cochems Fegefeuer,
Nützlichkeit der Hundeſteuer.
O du himmliſcher Vater, erbarme dich der Autoren
Vor den Rötheln, Stiften und Federn der Cenſoren,
Daß nicht unſre große Müh' und Arbeit gehe verloren!
Kyrie eleiſon!
Die entlarvte Waſſerhoſe,
Sammlung aller Lebermoſe,
Ueber Palm- und andre Seifen,
Ein Verſuch von Meerſchaumpfeifen,
Neue Kunſt mit Glück zu freien,
Ueber Branntweinbrennereien,
Bibliographie der Fibeln,
Lehrgedicht: die Tulpenzwiebeln.
O du himmliſcher Vater, erbarme dich der Autoren
Vor den Rötheln, Stiften und Federn der Cenſoren,
Daß nicht unſre große Müh' und Arbeit gehe verloren!
Kyrie eleiſon!
Räthſel- und Charadenbüchlein,
Hannchen mitſamt ihren Küchlein,
Abbildung der meiſten Orden,
Wie die neuſte Zeit geworden,
Die Anatomie der Stinte,
Echte ſympathet'ſche Dinte,
Andacht eines frommen Herzen,
Stearin- und Wallrathkerzen.
O du himmliſcher Vater, erbarme dich der Autoren
Vor den Rötheln, Stiften und Federn der Cenſoren,
Daß nicht unſre große Müh' und Arbeit gehe verloren!
Kyrie eleiſon!
Beſte Art von Dampfmaſchinen,
Die Entſtehung der Lawinen,
Von dem Paſcha von Janina,
Erſter Druck der Carolina,
Neuerfundne Taucherglocken,
Einführung der Artiſchocken,
Von der Conſtruction des Kantſchu,
Kleines Wörterbuch des Mandſchu.
O du himmliſcher Vater, erbarme dich der Autoren
Vor den Rötheln, Stiften und Federn der Cenſoren,
Daß nicht unſre große Müh' und Arbeit gehe verloren!
Kyrie eleiſon!
Creationstheorien.
1.
Der Teufel ſchuf die Preßfreiheit,
Ein Engel die Cenſur:
Gottlob, es iſt doch noch zur Zeit
Von jener wenig Spur.
Denn wer ein bös Gewiſſen hat,
Dem ſtehn die Engel bei;
Auch hindert es noch Kirch und Staat,
Da man des Teufels ſei.
2.
Ein Engel ſchuf die Preßfreiheit,
Ein Teufel die Cenſur:
Und leider iſt drum auch zur Zeit
Von jener wenig Spur.
Denn wer ein bös Gewiſſen hat,
Dem ſteht der Teufel bei;
Der Teufel will in Kirch' und Staat,
Daß man des Teufels ſei.
Unter des durchl. deutſchen Bundes ſchützenden
Privilegien.
Siehe: 33. Sitz. von 1838., 6. und 23. von 1840. und
3. von 1841.
Wo kann der Dichter froher ſein
Und ſingen ſo von allerhand,
Von Tugend, Freundſchaft, Lieb' und Wein,
Von König, Gott und Vaterland,
Als uns das Glück vergönnet,
Als ich und ihr es könnet
Unter des deutſchen Bundes ſchützenden Privilegien?
Wo iſt ein Land doch weit und breit,
Das ſo den Dichter liebt und ehrt,
Das ſo aus tiefer Dankbarkeit
Ihm Hab' und Gut und Ruhm vermehrt,
Als wir es ſehn, o Wunder!
Als wir es ſehn jetzunder
Unter des deutſchen Bundes ſchützenden Privilegien?
In Luft und Waſſer, Wald und Feld
Iſt nirgend freier doch ein Thier,
Auch ſingt kein Vogel in der Welt
Doch jemals freier noch als wir!
Wie bin ich guter Dinge!
Ich trinke, ſpring' und ſinge
Unter des deutſchen Bundes ſchützenden Privilegien.
Die freien Künſte.
Unſere Maler malen
Vieles und mancherlei,
Aber zu tauſendmalen
Sind die Maler nicht frei.
Immer wird zur Schablone
Ihnen die Fürſtengunſt,
Immer in alter Frohne
Regt ſich die freie Kunſt.
Immer Traditionen,
Bibel und Mythologie,
Fremdes aus allen Zonen,
Selbſtempfundenes nie.
Iſt es da denn ein Wunder,
Wenn ſich erhebt ein Geſchrei:
Laßt doch den alten Plunder,
Maler, und werdet doch frei!
6
Singfreiheit.
Siehe: Verordnung der kön. preuß. Regierung für Pom¬
mern vom 11. Febr. 1813. und zu Arensberg vom
16. April 1821.
Der Vogel hat das Singen frei,
Kann ſingen wie's um's Herz ihm iſt,
Ihn ſchützt ſogar die Polizei
Vor böſer Buben Tück' und Liſt.
Und ſingſt du wie's um's Herz dir iſt,
Von Vaterlandes Leid und Laſt,
Und ob du wohl kein Vogel biſt,
Beim Flügel wirſt du doch gefaßt.
Der Dichter ein Seher
Mel. Es war ein König in Thule.
Der Dichter iſt ein Seher,
Er ſieht gar gut und weit;
Wer ſieht ſo gut und eher
Das große Spiel der Zeit?
Doch will man nur den Seher
Der nach dem Munde ſpricht;
Zum andern ſagt man: geh' er!
Zu uns hier paßt er nicht.
Phantaſien.
eines kunſtliebenden Kloſterbruders.
Mel. Ach, Gott und Herr, wie groß und ſchwer
Sind mein' begangne Sünden.
Die freie Kunſt, ſie iſt nicht frei:
Wo Freiheit nicht vorhanden,
Da iſt es mit der Kunſt vorbei
In allen, allen Landen.
Und buhlt ſie auch um Fürſtengunſt,
Das kann ihr wenig frommen!
Durch Fürſten iſt herab die Kunſt,
Doch nie emporgekommen.
Wer nicht in Freiheit wirkt und ſchafft,
Kann Fürſten wohl genügen,
Doch wird er ſtets um Geiſt und Kraft
Sich und die Welt betrügen.
Nur aus dem Volk, ins Volk zurück
Muß ſtets der Künſtler ſteigen,
Dann wird im Volke Ruhm und Glück
Dem Künſtler auch zu eigen.
6 *
Claſſiſches Stillleben.
Mel. Singend, und vom Saft der Reben
Glühend und vom Mädchenkuß.
Stört doch nicht die alten Jungen!
Denn ſie leſen eben jetzt
Was Homeros hat geſungen
Und wie's Voß hat überſetzt.
Beſſer läßt es ſich doch ſitzen
Oben in dem Götterrath,
Als dereinſt die Zeit verſchwitzen
Actenmatt im Magiſtrat.
Beſſer klingen doch die Sagen
Von der Götter Haß und Groll,
Als der Bürger ew'ge Klagen
Ueber Steuern, Mauth und Zoll.
Beſſer klingt das Schiffregiſter
Und ſo mancher Schlachtbericht,
Als wenn uns ein Stockphiliſter
Von dem letzten Budget ſpricht.
Beſſer, wenn Therſites grimmig
Ueber ſeinen König ſchreit,
Als wenn unſer Land einſtimmig
Schweiget von der Preßfreiheit.
Beſſer klinget Priams Jammer,
Daß ſein Sohn im Kampf erlag,
Als wenn unſre zweite Kammer
Schreibet an den Bundestag.
Beſſer klingt's, wenn nun im Feuer
Endlich Trojas Feſte ſteht,
Als wenn unſer Landtag heuer
Ruhig auseinander geht.
Eine himmliſche Etymologie.
Mel. Ich bin der Doctor Eiſenbart.
„Ein großer Teufel iſt ſchon Gog,
Ma-Gog iſt ein viel größrer noch.
Was aber iſt der De-Ma-Gog,
Das iſt der allergrößte doch.“
So ſprach dereinſt der Engel Mund,
Und das vernahm der deutſche Bund,
Der machte ſchnell den Engelsfund
Uns armen, armen Teufeln kund.
Hundertjähriger Kalender.
Willſt du was werden,
Mußt du ſchweigen,
Mußt dich zur Erden
Tief verneigen.
Daß Du ein Knecht biſt,
Hat man gerne.
Allem was recht iſt,
Halt dich ferne!
Lerne den Willen
Unſrer Lenker!
Und auch im Stillen
Sei kein Denker!
Philiſter über dir, Simſon!
Ich missevalle manegem man,
der mir ouch niht wol gefallen kan.
Vridanc 124, 7.
Mel. Wer wollte ſich mit Grillen plagen.
Die einſt mich froh willkommen hießen,
Die ſehn mich ernſt und ſchweigend an:
Was mag ſie wohl an mir verdrießen?
Bin ich nicht mehr derſelbe Mann?
Bin ich im Haſſen und im Lieben,
Bin ich dem Vaterlande nicht,
Bin ich nicht Allem treu geblieben,
Was nur für Recht und Freiheit ſpricht?
Still, ſtill! ich kenne mein Verbrechen:
Hätt' ich behalten nur für mich
Was ich gewagt frei auszuſprechen —
Sie grüßten auch noch heute mich.
Aria.
Am Ende werden wir es Ihnen doch wohl gnädigſt be¬
fehlen müſſen, daß ſie frei ſein ſollen — dann geht's.
Georg Forſter, 8 Dec. 1792.
Nimmt man den Pferden und Ochſen
Auch ab ihr Joch,
So denken ſie doch immer,
Sie haben es noch.
Und läßt man ſie auch laufen
Frei überall,
So kehren ſie doch immer
Zurück in den Stall.
Ach! ging' es unſern Pferden
Und Ochſen nur ſo,
So wär' ich als ein Deutſcher
Noch mal ſo froh!
Declamierübung.
In einem ſchönen Land' ein Völkchen war,
Das lebt' in tiefem Frieden manches Jahr.
An einem König hatten ſie genug,
Gemein war allen was der Boden trug,
Nur daß ſich jeder zweimal ſcheren ließ,
Sonſt war's ein Leben wie im Paradies.
Ihr König hieß Leithammel nur ſchlecht weg,
Er kannt' im Lande jeden Weg und Steg,
War ſtets auf ſeines Volkes Heil bedacht
Und führte ſie gar gut bei Tag und Nacht.
Nie hörte man von Unzufriedenheit,
Umtrieben, Meuterei und Zwiſt und Streit.
Doch ſchlichen eines Tags ſich Böck' herein.
Wo Böcke ſind, wird immer Zwietracht ſein.
Die Böck' erhoben bald ein groß Geſchrei:
Ihr Schafe, wißt nur nicht — ihr ſeid nicht frei.
Das wahre Glück liegt in der Freiheit nur,
Und ſchuf uns nicht zur Freiheit die Natur?
Da ward es erſt den armen Schafen klar,
Daß frei doch eigentlich kein einzig war.
Ihr Böcke, ſprachen ſie, ihr habt ganz Recht!
Nicht frei iſt, ſcheint es, unſer brav Geſchlecht:
Thut Alles was ihr wollt, euch ſei's vergönnt,
Wenn ihr nur Freiheit uns gewinnen könnt.
Doch war es ſchon vor Anbeginn der Nacht
Dem edlen König Alles hinterbracht.
Er ſprach darauf: wohlan, ich danke ab,
Ich lege heut ſchon nieder meinen Stab;
Sobald ihr über das nur einig ſeid
Was dann geſchehen ſoll, bin ich's bereit.
Da fing im Volke Streit und Hader an,
Daß eiligſt jeder nach dem Stalle rann.
So war die Revolution vollbracht
Und keiner hat an Freiheit mehr gedacht.
Leithammel thut auch allen Schafen noth,
Drum blieb er König bis an ſeinen Tod.
Am andern Morgen las man überall:
Schafhauſen hatte geſtern auch Cravall;
Dank unſrer umſichtsvollen Polizei,
Es blieb beim Alten, Alles iſt vorbei.
Die Meutrer gingen zeitig heim nach Haus
Und ruhen noch auf ihren Lorbeern aus.
Als Alles längſt nun ſchon vergeſſen war,
Da ging nach einem vollen halben Jahr
Die Allgemeine Zeitung in das Land
Und legte dann den ganzen Thatbeſtand
So recht loyal und kurz und bündig aus,
Für alle Schöpf' ein wahrer Ohrenſchmaus.
Von Hand in Hand ging da das Zeitungsblatt,
Und Jubel war darob in Land und Stadt
Bei Schöpſen, Schafen, Lämmern überall
In jeder Pferch' und Hürde, jedem Stall:
Wir ſehn es ein, es iſt uns allen lieb
Daß Alles doch ſo recht beim Alten blieb.
Es ward dies Blatt ſogar ein Freudenkeim
Für's alte Hammelburg und Bockenheim.
Schafhauſen aber war ganz freudenvoll,
Man ſang und ſprang, man tanzt' und ſchrie wie toll,
Und Dankadreſſen ſandte man zum Lohn
Der Allgemeinen Zeitungsredaction.
Doch aus den Böcken, nun, was ward denn draus?
Sie flohen alle wohl zum Land hinaus,
Und kämpften anderswo mit That und Wort
Den Kampf für Freiheit muthig weiter fort? —
Ach nein, ſie wollten nur noch Hammel ſein
Und ließen ſich beſchneiden insgemein.
Schacher.
Jeder ſolcher Lumpenhunde
Wird vom zweiten abgethan.
Sei nur brav zu jeder Stunde,
Niemand hat dir etwas an.
Göthe.
Man ſieht, ihr wollt nur Honorare,
Man ſieht's aus allem was ihr ſchreibt;
Die Freiheit iſt euch eine Waare,
Womit ihr nur Geſchäfte treibt.
Ihr laßt um euer lumpig Ichlein
Die Welt ſich drehn bei Tag und Nacht;
Für Freiheit macht ihr nicht ein Strichlein,
Wenn ihr's zugleich für euch nicht macht.
Und liegt die Freiheit auf der Bahre,
Dann lebet ihr noch fort und ſchreibt,
Dann habt ihr eine andre Waare,
Womit ihr noch Geſchäfte treibt.
Der gute Wille.
Mel. Genießt den Reiz des Lebens,
Man lebt ja nur einmal.
Gern will ich ſein ein Rather,
Verlangt nur keine That —
Ich bin Familienvater
Und auch Geheimerrath.
Ja freilich, beides bin ich,
Das macht mir viele Pein —
Ich bin gewiß freiſinnig,
Wie's einer nur kann ſein.
Hätt' ich nicht Frau und Kinder,
Da wär's mir einerlei,
Vorſichtig wär' ich minder,
Spräch auch noch mal ſo frei.
Doch ein Familienvater —
Der Punkt iſt delicat,
Und noch viel delicater
Iſt ein Geheimerrath.
Donnerstag.
Die alte Leier.
So tröſtet euch nun mit dieſen Worten unter einander.
1. Theſſalon. 4, 18.
Der Edelmann, er ſchenkt ſich fleißig ein:
Ich kenne nur noch dieſen Gänſewein.
Mein Vater weiland zahlte keine Steuer;
Das Korn iſt wohlfeil jetzt, das Leben theuer.
Doch liegt ein Troſt in einer alten Sage,
Die hat ſich fortgepflanzt in unſre Tage
Bei allen Armen, Müden, Altersſchwachen:
Der König wird uns glücklich machen.
Der Spielmann hängt die Zitter an die Wand:
Wie glücklich könnte ſein der Muſikant!
Ich nahm doch nächten hübſches Geldchen ein,
Und 's langt mir noch nicht zum Gewerbeſchein.
Doch liegt ein Troſt in einer alten Sage,
Die hat ſich fortgepflanzt in unſre Tage
Bei allen Armen, Müden, Altersſchwachen:
Der König wird uns glücklich machen.
Der Bauer ſtürzt ſpät Abends ſeinen Pflug:
So hab' ich heute mich gequält genug!
Froh wär' ich, wüßt' ich nur, wovon ich heuer
Bezahlte meine Grund- und Claſſenſteuer.
Doch liegt ein Troſt in einer alten Sage,
Die hat ſich fortgepflanzt in unſre Tage
Bei allen Armen, Müden, Altersſchwachen:
Der König wird uns glücklich machen.
Der Dorfſchulmeiſter macht die Schulthür zu:
Heut ſind es funfzig Jahr, gern hätt' ich Ruh —
Wie aber wenn ich nun entlaſſen werde?
Dann fängt erſt an die Sorg' und die Beſchwerde.
Doch liegt ein Troſt in einer alten Sage,
Die hat ſich fortgepflanzt in unſre Tage
Bei allen Armen, Müden, Altersſchwachen:
Der König wird uns glücklich machen.
So tröſtet euch nun mit dieſen Worten unter einander.
I. Theſſalon. 4, 18.
Abendlied
eines lahmen Invaliden vom J. 1813.
Mel. So mancher ſteigt herum.
Aus dem Bauer als Millionär.
Wie viel man auch verſpricht,
O traut den Worten nicht!
Ein Wort iſt Schall und Wind —
Seid doch nicht taub und blind!
O ſeht euch vor und um,
Seid doch nicht gar zu dumm!
Iſt's immer noch nicht Zeit,
Zu werden mal geſcheit?
O Deutſchland! o Deutſchland!
Wann kommt denn wohl die Zeit?
Wann wird die Welt geſcheit?
Viel Gutes wird gedacht,
Mehr Schlechtes wird gemacht.
Doch fällt mir gar nicht ein,
Ein Schuft und Lump zu ſein.
Wie oft ſie auch erliegt,
Die gute Sache ſiegt —
Hoch Deutſchland! hoch Deutſchland!
Das neue Jeruſalem.
Welch ein kindlich frommes Streben!
Welch ein inniger Verein!
An dem Theetiſch —
Welch ein heilig reines Leben!
Welch ein Gottverſunkenſein!
An dem Theetiſch.
Wenn ſie ein Tractätchen leſen,
Nimmt die Seele höhern Schwung,
An dem Theetiſch —
Und es ſchwelgt ihr ganzes Weſen
In der Gottvereinigung
An dem Theetiſch.
Ihres Glaubens ſüße Blüthe
Duftet wie die Roſenflur
An dem Theetiſch —
Lauter Milde, Lieb' und Güte
Träuft von ihren Lippen nur
An dem Theetiſch.
Wie ſie ihren Bräut'gam preiſen,
O die Gottesbräutlein fein!
An dem Theetiſch —
Ihn und ſich mit Andacht ſpeiſen
Und mit heil'gen Melodei'n!
An dem Theetiſch.
7
Alles was den Körper nähret
Und erquicket, wird verſchmäht
An dem Theetiſch —
Ihre Augen ſind verkläret,
Jeder Blick iſt ein Gebet
An dem Theetiſch.
Ach, kein Mund vermag zu ſprechen
Was entzückt die Seele ſchaut
An dem Theetiſch —
Und das Herzlein möchte brechen
Jeder frommen Gottesbraut
An dem Theetiſch.
O daß meine Seele wüßte,
Wie ſie würd' auch ihnen gleich
An dem Theetiſch —
Aus dem Sodom ihrer Lüſte
Käm' ins liebe Himmelreich
An dem Theetiſch!
Merinos.
Mel. Das Jahr iſt gut, Braunbier iſt gerathen.
Und führt' ich von Lieb' und von Demuth ein Fuder,
Und wollt' ich nicht ſein ſo ein Lämmelbruder,
Ei ſo taugt' ich nicht halb mal ſo viel doch wie ſie,
Und ich wär nichts nütz' in der Monarchie.
Und hätt' ich auch Alles den Armen gegeben
Und müßt' ich nun ſelber von Almoſen leben,
Und wollt' ich kein Lämmelbruder nicht ſein,
So hielten ſie Alles für Trug und für Schein.
Und ſollt' ich auch gar mit den engliſchen Schaaren
Leibhaftig vor ihnen gen Himmel auffahren,
So glaubten ſie alle, ſie alle daran nie,
Wenn ich wäre kein Lämmelbruder wie ſie.
7*
Fromme Fürſorge.
Dem Lämmlein hängt man niedliche Glöcklein an,
Auf daß es lieblich läuten kann:
So behängt man mit Titeln und Orden
Wer ein Lämmelbruder geworden.
Das Lämmlein ſchickt man ins beſte Gras hinein,
Auf daß es möge gut gedeihn:
So ſchickt man auch in die beſten Stellen
Den Lämmelbruder mit ſeinen Geſellen.
Wiegenlied.
Vaterland, Fürſten, Verfaſſung u. dgl, ſcheinen nicht
die Hebel zu ſein, das deutſche Volk emporzubringen;
es iſt die Frage, was erfolgte, wenn die Religion
berührt würde.
Hegel, Werke 17, 628.
Mel. Ringe recht, wenn Gottes Gnade
Dich nun ziehet und bekehrt.
Schlafe, ſchlafe, ſchlafe, ſchlafe!
Wozu willſt du wach noch ſein?
Denn die Welt iſt voller Schafe,
Böcke, Schöpſ' und Lämmelein.
Schlafe, ſchlafe! bleib doch länger
Noch in deiner Ruh' und Raſt!
Schafe ſind die beſten Sänger
In der Hütt' und im Palaſt.
Wenn die frommen Schafe ſingen
Ihre ſüßen Melodein,
O ſo hüpfen, tanzen, ſpringen
Alle lieben Lämmelein.
Schlafe! denn du kannſt nicht werden
So ein gutes frommes Vieh;
Schlafe! denn es gilt auf Erden
Nur die Lämmelpoeſie.
Guter Rath.
Mel. Schön iſt's unter freiem Himmel.
Willſt du frei ſein von Beſchwerden,
Arme Seele, hier auf Erden,
Auf! nach München mußt du ziehn:
Dort ſteht jede Kunſt in Blüthe,
Dort wird jeglichem Gemüthe
Irgend noch ein Heil verliehn.
Bei des Herrn demüth'gen Dienern,
Bei den frommen Capuzinern,
Arme Seele, nimm Quartier!
Ihnen kann man ganz vertrauen,
Denn die heil'gen Väter brauen
Doch das allerbeſte Bier.
Faſtenmährlein.
Der Sabbath iſt um des Menſchen willen gemacht
und nicht der Menſch um des Sabbaths willen.
Evangel. Marci 2, 27
Ein Herr am grünen Donnerstag
Aß Fleiſch, denn Fiſch bekam ihm ſchlecht:
Das iſt ein Eſſen, wie ich's mag!
Sprach er: nun iß auch du, mein guter Knecht!
Da ſprach zum Herrn der gute Knecht:
O Herr, fürwahr, das thu' ich nicht!
O Herr, es iſt fürwahr nicht recht,
Daß man die ſtrenge Faſten alſo bricht.
Iß! ſprach der Herr, that's Chriſtus nicht?
Und was er that, das iſt doch recht.
Ja, Herr, er that's, doch wißt ihr nicht —
Es ging ihm auch des andern Tags recht ſchlecht.
Türkiſche Liturgie.
Mel. Wenn Tage, Wochen, Jahre ſchwinden,
Wir kein Glück im Wechſel finden.
Wir müſſen beten für den Einen,
Und nur für Ihn und für die Seinen.
Wir thaten's gern und thun es gern
Und ſiehn für Ihn zu Gott dem Herrn.
Es ſteht ja in der Schrift geſchrieben:
Wir ſollen unſre Feinde lieben.
Drum laßt uns beten das Gebet
Für unſers Sultans Majeſtät!
Neueſte Beſchreibung des Wiener Congreſſes.
Was ſie jeden Tag vollbrachten,
Ob ſie ſcherzten, ob ſie lachten,
Wird genau erzählt;
Wie ſie ſtanden, wie ſie ſaßen,
Daß ſie tranken, daß ſie aßen,
Wird auch nicht verhehlt.
Wann ſie hin zu Balle gingen,
Wann ſie an zu tanzen fingen,
Wird genau erzählt;
Ob das Schauſpiel ſie zerſtreute,
Ob ſie das Ballett erfreute,
Wird auch nicht verhehlt.
Wie ſie glänzend bankettierten,
Wie ſie ritterlich turnierten,
Wird genau erzählt;
Ob ſie große Heerſchau hielten,
Oder Schach und Dame ſpielten,
Wird auch nicht verhehlt.
Ob ſie ritten, ob ſie fuhren,
Ob im Frack, ob in Monturen,
Wird genau erzählt;
Wie ſie ſich der Menge zeigten,
Wie ſie gnädigſt ſich verneigten,
Wird auch nicht verhehlt.
Doch ihr ſonſtig Thun und Rathen —
Was ſie für die Völker thaten,
Wird genau verhehlt;
Ob ſie ſonſt was Gutes dachten,
Ueberhaupt was Gutes machten,
Wird auch nie erzählt.
Häutiges.
Ihr habt gehoffet und vertraut:
Im Wechſel ſprießt ein Heil empor!
Ihr habt den Wechſel nun geſchaut,
Sagt an, was ſproß daraus hervor?
Perſonen wechſeln Jahr für Jahr,
Wie ihr's in jedem Staate ſeht;
Er ſelber bleibt unwandelbar,
So lange ſein Prinzip beſteht.
Wer auf das Drum und Dran nur baut,
Der iſt fürwahr ein rechter Thor:
Die Schlange wechſelt ihre Haut
Und bleibet Schlange nach wie vor.
Militäriſch.
„Ha! was eilt die Straß entlang?
Wie's da blitzt im Sonnenglanz!
Trommelwirbel, Pfeifenklang!
Luſtig, heißa! wie zum Tanz.“
Sind Soldaten, ziehn herein,
Kommen vom Begräbniß her,
Müſſen jetzo luſtig ſein,
Als wenn nichts paſſieret wär.
Sind Soldaten, liebes Kind,
Die nicht Tod und Teufel ſcheu'n,
Auf Commando traurig ſind
Und ſich auf Commando freu'n.
Tragiſche Geſchichte.
Mel. Nun ſich der Tag geendet hat
Und keine Sonn' mehr ſcheint.
Jüngſt iſt ein General erwacht,
Ein tapfrer General,
Dem hat ein Traum um Mitternacht
Gemacht viel Angſt und Qual.
Er war im Leben noch erſchreckt
Durch keinerlei Gefahr,
Doch hat ein Traum ihn aufgeweckt,
Ein Traum gar wunderbar.
Was träumte denn dem General
In ſpäter Mitternacht?
Was hat ihm denn ſo große Qual
Und ſoviel Angſt gemacht?
Ihn der gebebt in keiner Schlacht,
Den nichts noch hatt' erſchreckt,
Was hat ihn denn um Mitternacht
Aus ſeinem Schlaf geweckt?
War's Krieg und Peſt, war's Hungersnoth?
War's Hülf- und Feuerſchrei?
War's Hochverrath, und Mord und Tod?
War's blut'ge Meuterei?
Ihm träumte — nun, es war enorm! —
Daß durch das ganze Heer
Erhielte jede Uniform
Hinfort zwei Knöpfe mehr.
Ideen zur europäiſchen Völkergeſchichte.
Sind nur darum Europas Staaten,
Daß die Soldaten grünen und blühn?
Müſſen für drei Millionen Soldaten
Unſre zweihundert Millionen ſich mühn?
Freilich, das iſt das Glück das moderne!
Das uns gelehrt hat Soldaten erziehn:
Ganz Europa iſt eine Kaſerne,
Alles Dreſſur und Disciplin.
Anzügliches.
Mel. Es war einmal ein König,
Der hatt' einen großen Floh.
Se. Excellenz der wirkl. Geh. Rath. v. Göthe.
Einſt machte mir mein Schneider
Ein neues Hoſenpaar:
Gut, rief ich, iſt's, doch leider!
Es iſt zu eng fürwahr.
„Sie wünſchen fortzuſchreiten
Doch mit dem Geiſt der Zeit —
Das iſt zu dieſen Zeiten
Die Mode weit und breit.“
Ihr Schneider unſrer Zeiten,
Wie ihr ſo pfiffig ſeid!
Damit wir vorwärts ſchreiten,
Macht ihr zu eng das Kleid.
Die trauernden Eſel
nach Morillo.
Nach glaubwürdigen Reiſeberichten giebt es noch bis auf den
heutigen Tag in einem Dorfe der Pyrenäen eine Familie
Eſel, die in gerader Linie von dem Eſel abſtammen, auf
welchem der Heiland ſeinen Einzug in Jeruſalem hielt.
Mel. Es waren zwei Königeskinder.
Deutſches Volksl.
Die Eſel gingen im Leide,
Drob ſtaunte die ganze Welt,
Weil grün noch war die Heide,
Und Diſteln noch trug das Feld.
Sie gingen tief gebücket
Und ließen hangen das Ohr,
Und hatten den Schwanz geſchmücket
Mit einem langen Flor.
Was hat ſich denn zugetragen?
Wir ſtaunen und ſchweigen ſtill,
Und niemand weiß zu ſagen,
Was dieſe Trauer will.
Wer meldet uns jetzunder,
Was dieſe Trauer ſoll?
Wer deutet uns das Wunder?
Hört zu, ich weiß es wol.
Es ſtarb im ſpaniſchen Lande,
Noch eh' ein Jahr verfloß,
Vom Heilandseſelſtande
Schon wieder ein echter Sproß.
Drum gehn die Eſel im Leide,
Als ob verdorben das Feld,
Als ob verſenget die Heide
Und geſtorben wäre die Welt.
Chineſiſches Loblied.
Stehende Heere müſſen wir haben,
Stehende Heer' im himmliſchen Reich.
Wär' es nicht wahrlich Jammer und Schade,
Wenn wir nicht hätten manchmal Parade,
Wenn wir nicht hörten den Zapfenſtreich?
Stehende Heere müſſen wir haben,
Stehende Heer' im himmliſchen Reich.
Stehende Heere müſſen wir haben,
Weil ſie in Umlauf bringen das Geld:
Wo die Soldaten zechen und zehren
Muß ſich der Handel und Wandel vermehren,
Und es verdienet dann alle Welt.
Stehende Heere müſſen wir haben,
Weil ſie in Umlauf bringen das Geld.
Stehende Heere müſſen wir haben;
Wo ſie beſtehen, beſtehen auch wir.
Wenn wir die ſtehenden Heere nicht wollten,
Wüßten die Junker nicht was ſie ſollten,
Ach! und die meiſten verſchmachteten ſchier.
Stehende Heere müſſen wir haben;
Wo ſie beſtehen, beſtehen auch wir.
8
Vice versa.
Mel. An einem Fluß, der rauſchend ſchoß,
Ein armes Mädchen ſaß.
Hochedel nennt der Adel nun
Die Widder insgemein;
Warum ſoll's nicht der Adel thun?
Soll er nicht dankbar ſein?
Der Adel will nur dankbar ſein
Und niemals mehr als jetzt:
Die Schafe halten ja allein
Den Adel noch zuletzt,
Jüngſter Tag.
Mel. Hebe, ſieh in ſanfter Feier.
Monde ſind die Nationen,
Und die Fürſten ſind das Licht.
Finſter wird's bei Millionen,
Wenn's an dieſem Licht gebricht.
Froh laßt uns der Tage genießen,
Der Tage des himmliſchen Lichts!
Wer weiß denn, wie bald ſie verfließen,
Wie bald in ein trauriges Nichts!
Denn wenn einſt die Fürſten ſterben,
Und ſie ſterben doch gewiß,
Ach! dann müſſen wir verderben
All' in Nacht und Finſterniß.
Die Sterne ſie ſind ja erblichen,
Die Schimmer und Glanz uns verliehn;
Die Sonne ſie iſt ja gewichen,
Die gnädig die Völker beſchien.
8 *
Die Sonne im Zeichen des Krebſes.
Auf Europa ſchien voll Wonne
Einſt der Freiheit lichte Sonne.
Ein Planet ward manches Land,
Aber, ach! die Sonne ſchwand.
Als ſie ſchwand, da ſchwand für immer
Der Planeten lichter Schimmer,
Großbritanien allein
Blieb der Freiheit Widerſchein.
Denn an ihren ſprühenden Funken
Hatt' es ſich ſo ſatt getrunken,
Daß es jetzt noch hell und hehr
Leuchtet übers ferne Meer.
Freiheitsſonne, kehre wieder!
Blick auf alle Lande nieder!
Bringſt du Frühling nicht herab,
Wird Europa bald ein Grab.
Frühling alten Stils.
Mel. Haſt du nicht Liebe zugemeſſen
Dem Leben jeder Creatur?
Wen könnte nicht der Frühling freuen?
Wem wird das alte Herz nicht jung?
Wer wollte ſich nicht gern erneuen
In Freuden der Erinnerung?
Und dennoch ſtimmt es mich ſo eigen —
Der ganzen Welt ward Frühlingsglück:
Den Polen will kein Lenz ſich zeigen,
Der weiße Zar hält ihn zurück.
Unterſuchung und Gnade ohne Ende.
Mel. Im Felde ſchleich' ich ſtill und wild,
Lauſch' mit dem Feuerrohr.
Die Demagogenfängerei
Sei wieder allgemein!
Man denkt und ſpricht doch gar zu frei:
Das ſoll und darf nicht ſein!
Laßt dem Geſetze freien Lauf!
Ihr habt genug verziehn.
Macht eure Kerker wieder auf
Für künft'ge Amneſtien!
Es iſt die höchſte Poeſie,
Es iſt ein wahres Feſt,
Wenn ſich der Gnadenborn doch nie
Und nie erſchöpfen läßt.
Samstag.
Stille Meſſe.
Denn ſie ſuchen alle das Ihre, nicht das
Chriſti Jeſu iſt.
Paulus an die Philipper 2, 21.
Ein Pfaffe bin ich nie geweſen,
Ihr aber ſollt mich doch verſtehn:
Ich will euch heute Meſſe leſen,
Für euch zu Gott dem Herren flehn.
Und ſteh' ich hier aus ſteilem Pfade,
So ſteh' ich doch in Gottes Hand:
Mein Meßgewand iſt Gottes Gnade
Und die Monſtranz mein Vaterland.
Wir ſind der Leib des Herren heute,
Wir leiden ſeine Qual und Pein,
Wir ſind der frechen Willkür Beute —
O Herr vom Himmel ſie darein!
Verwandl' uns, Herr, uns deine Knechte
Durch dieſes heil'ge Sacrament!
Gieb du uns deines Sohnes Rechte,
Der uns ja deine Kinder nennt!
Mach den Bedrückern die Bedrückten,
Mach all' an Recht und Freiheit gleich!
Gieb den Bedrängten und Gebückten
Hienieden ſchon dein Himmelreich!
Herbſtlied eines Chineſen.
Wir ſind nicht reif!
Das iſt das Lied, das ſie geſungen haben
Jahrhunderte lang uns armen Waiſenknaben,
Womit ſie uns noch immer beſchwichten,
Des Volkes Hoffen immer vernichten,
Den Sinn der Beſſern immer bethören
Und unſre Zukunft immer zerſtören.
Wir ſind nicht reif?
Reif ſind wir immer, reif zum Glück auf Erden,
Wir ſollen glücklicher und beſſer werden.
Reif ſind wir, unſre Leiden zu klagen,
Reif ſind wir, unſre Wünſche zu ſagen,
Reif ſind wir, euch nicht mehr zu ertragen,
Reif, für die Freiheit Alles zu wagen.
St. Bonifacius.
Sprach der heilige Bonifacius:
Eines, Eines erſt vor allen!
Eure Götzen müſſen fallen,
Fallen muß des Teufels Spott! —
Unter ſeines Beiles Streiche
Sank des Volkes heil'ge Eiche,
Stieg empor der Glaub' an Gott.
So der heilige Bonifacius:
Eines, Eins auch uns vor allen!
Unſre Götzen müſſen fallen,
Fallen muß ihr Prieſterchor!
Unter welches Beiles Streiche
Fällt der Knechtſchaft heil'ge Leiche,
Steigt der Freiheit Geiſt empor?
10
Freie Nacht.
Brüder, heut' iſt freie Nacht!
Heißa, wie das Herz mir lacht!
Laßt es euch nur nicht verdrießen:
Was man hat, ſoll man genießen.
Ihr Geſellen insgemein,
Kommt mit mir ins Wirthshaus 'nein!
Denn es wird ja doch auf Erden
Freier Tag ſo bald nicht werden.
Darum ſei der freien Nacht
Auch ein Vivathoch gebracht!
Laßt uns tanzen, laßt uns trinken!
Laßt die freie Nacht nicht ſinken!
Salziges.
Wäre des Salz durchaus eine Waare des freien Handels,
ſo würde die Tonne gewiß nicht mehr als 4 — 5 — 6 Thlr.
koſten; was nun jetzt an den Staat mehr dafür bezahlt
werden muß, iſt demnach als Steuer anzuſehen, der ſich
Niemand entziehen kann, da das Salz unentbehrlich iſt.
Friedr. Bened. Weber, Handb. der ſtaatswirthſch.
Statiſtik der pr. Mon. S. 670.
Das Salz iſt theuer, billig ſind die Zähren!
O wenn doch unſre Zähren Salz nur wären!
Dann hätten wir in unſrer Noth
Auch Salz auf unſer bischen Brot.
Warum doch machen ſie das Salz ſo theuer?
O ging' es ihnen allen doch noch heuer,
Wie Loth's Gemahlin dazumal!
Dann brauchten wir kein Salzregal.
10 *
Großhandel.
Mel. Fuchs, du haſt die Gans geſtohlen,
Gieb ſie wieder her.
Sklavenhandel! weh, ich zittre
Bei dem Worte ſchon;
Alles Grauenvoll' und Bittre
Liegt in dieſem Ton.
Nun, den Frevel hat gerochen
Endlich unſre Zeit,
Endlich ward der Stab gebrochen
Dieſer Grauſamkeit.
Aber ach! es ſchwand im Kleinen
Nur der Menſchenkauf,
Denn im Großen, will es ſcheinen,
Hört er niemals auf.
Hat man doch auf den Congreſſen
Seelen gnug verkauft,
Hat zur Wohlthat die Fineſſen
Gnädigſt umgetauft.
Und man wird noch wiederholen
Dieſe Wohlthat oft,
Denn es giebt noch manches Polen,
Wo man Theilung hofft.
Nadoweſſiſche Klage.
Mel. Wie i bi verwicha.
Ach, wir armen Narren
Hoffen ſtets und harren,
Daß der Freiheit Morgenroth beginnt;
Dürfen doch kaum klagen,
Leiſe, leiſe ſagen,
Daß wir alle arg betrogen ſind.
Kommt denn gar kein Tag,
Der uns tröſten mag?
Iſt denn Alles, Alles nun vorbei?
Iſt denn gar kein Weg,
Iſt denn gar kein Steg,
Der uns führt aus dieſer Sklaverei?
All ihr hoch Geloben
Iſt wie Staub zerſtoben,
Und die Täuſchung ward nur unſer Theil.
Doch im blut'gen Kampfe,
Und im Pulverdampfe
Sprachen ſie von unſerm künft'gen Heil.
Kommt denn gar kein Tag,
Der uns tröſten mag?
Iſt denn Alles, Alles nun vorbei?
Iſt denn gar kein Weg,
Iſt denn gar kein Steg,
Der uns führt aus dieſer Sklaverei?
Soldaten.
Wie ſchrecklich ſind die Meinungskriege!
Weh ihm wer dafür kämpft und ficht!
Zwar Niederlagen oder Siege
Entehren ihren Kämpfer nicht.
Doch ſeine Haut zu Markte tragen
Für eine Handvoll Lohn und Sold —
Das kann ein Lumpenhund nur wagen,
Und hätt' es ſelber Gott gewollt.
Kriegslied.
Alle.
Hört wie die Trommel ſchlägt!
Seht wie das Volk ſich regt!
Die Fahne voran!
Wir folgen Mann für Mann.
Hinaus, hinaus
Von Hof und Haus!
Ihr Weiber und Kinder, gute Nacht!
Wir ziehen hinaus, hinaus in die Schlacht
Mit Gott für König und Vaterland.
Ein Nachtwächter von 1813.
O Gott! wofür? wofür?
Für Fürſten-Willkür, Ruhm und Macht
Zur Schlacht?
Für Hofgeſchmeiß und Junker hinaus
Zum Strauß?
Für unſers Volks Unmündigkeit
Zum Streit?
Für Moſt-, Schlacht-, Mahl- und Klaſſenſteuer
Ins Feuer?
Und für Regal und für Cenſur
Nur
Ganz unterthänigſt zum Gefechte?
Ich dächte, dächte —
Alle.
Hört wie die Trommel ſchlägt!
Seht wie das Volk ſich regt!
Die Fahne voran!
Wir folgen Mann für Mann.
Im Kampf und Streit
Iſt keine Zeit
Zu fragen warum? warum? warum?
Die Trommel die ruft wiederum pum pum pum pum
Mit Gott für König und Vaterland.
Pfaffen.
Ihr ſeid nicht Chriſten, ſeid nur Pfaffen,
Seid nicht des Heilands Ebenbild;
Ihr führet nicht der Liebe Waffen,
Und traget nicht der Demuth Schild.
Der Heiland hat der Welt den Frieden,
Und nur der Sünde Krieg gebracht:
Ihr aber habt zum Krieg hienieden
Die ganze Menſchheit angefacht.
Ihr kreuzigt täglich noch den Heiland,
Erſchien' er wie er einſt erſchien,
Ihr riefet wie die Juden weiland
Und lauter nur: ha, kreuzigt ihn!
Die Gründonnerstags-Meſſe.
Nos igitur vetustum et solemnem hunc morem se¬
quentes, Excommunicamus et anathematizamus ex
parte Dei Omnipotentis Patris et Filii et Spiritus
Sancti, auctoritate quoque Beatorum Apostolorum
Petri et Pauli ac nostra, omnes haereticos, necnon
per Leonem P P. praedecessorem nostrum superio¬
rihus annis damnatam, impiam et abominabilem
Martini Lutheri haeresin sequentes.
Bulla in Coena Domini 1536
v. Magnum Bullarium Roman.
T. I. (Luxemb. 1727) p. 718.
Ihr Fürſten, die von Ketzern ſtammen,
Ihr wollt nicht hören, wollt nicht ſehn —
Ihr laßt euch von dem Mann verdammen,
Mit dem ihr wollt in Freundſchaft ſtehn?
Und kennt ihr die verfluchten Worte
Vom grünen Donnerstage nicht,
So ſtellt euch an St. Peters Pforte,
Hört, was der heil'ge Vater ſpricht!
„Wir thun nach altem Kirchenamte
In Bann die Ketzer aller Welt,
Und Luthers Lehre die verdammte,
Und Alles was ſich zu ihr hält.“
So bannt euch an St. Peters Pforte
Der Papſt in ſeiner Heiligkeit,
Ihr aber gebt ihm gute Worte,
Daß er gemiſchte Eh'n verzeiht.
Emancipation.
Wollte mein Volk mir gehorſam ſein, und Israel
auf meinem Wege gehen, ſo wollte ich ihre Feinde
bald dämpfen, und meine Hand über ihre Widerwär¬
tigen wenden.
Pſalm 81, 14. 15.
Du raubeſt unter unſern Füßen
Uns unſer deutſches Vaterland:
Iſt das dein Leiden? das dein Büßen?
Das deines offnen Grabes Rand?
O Israel, von Gott gekehret,
Haſt du dich ſelbſt zum Gott gemacht,
Und biſt, durch dieſen Gott belehret,
Auf Wucher, Lug und Trug bedacht.
Willſt du von dieſem Gott nicht laſſen,
Nie öffne Deutſchland dir ſein Ohr!
Willſt du nicht deine Knechtſchaft haſſen,
Nie ziehſt du durch der Freiheit Thor.
Von Gottes Gnaden.
Si du père eternel ils ont leur diadème,
le père éternel les pent solder lui-même.
Sie haben ſich von Gottes Gnaden
Zu Herren dieſer Welt gemacht —
Das könnt' uns weiter gar nicht ſchaden,
Wär's wahr, was ſie ſich ausgedacht.
Denn wären ſie die Gottesholden,
So ſorgte Gott für ſie allein,
Gar herrlich würd' er ſie beſolden,
Uns aber würde wohler ſein.
Wir würden dann die Erde haben,
Den Himmel aber hätten ſie;
Wir können uns hienieden laben
Doch an dem Himmelreiche nie.
Syracusaise.
— et, quid ita hoc, aut quo suo merito faceret, interrogavit.
Tum illa, certa est, inquit, ratio propositi mei. puella enim;
cum gravem tyrannum haberemus, carere eo cupiebam. quo
interfecto aliquanto tetrior arcem occupavit. eius quoque
tiniri dominationem magni aestimabam. tertium te superiori¬
bus importuniorem habere coepimus rectorem. Itaque ne, si
tu fueris absumtus, deterior in locum tnumtuum succedat, caput
meum pro tua salute devoveo.
Valerius Maximus 6, 2.
In ihrer eigenen Melodie.
Gott erhalte den Tyrannen,
Den Tyrannen Dionys!
Wenn er uns des Heils auch wenig,
Und des Unheils viel erwies,
Wünſch' ich doch, er lebe lange,
Flehe brünſtig überdies:
Gott erhalte den Tyrannen,
Den Tyrannen Dionys!
Eine Alte ſprach im Tempel
Eines Tages dies Gebet.
Der Tyrann kam juſt vorüber,
Wüßte gerne, was ſie thät':
„Sag mir doch, du liebe Alte,
Sag was war denn dein Gebet?
Ach, ich habe nur gebetet,
Nur für Euer Majeſtät.
Als ich war ein junges Mädchen,
Fleht' ich oftmals himmelan:
Lieber Gott, gieb einen beſſern!
Und ein ſchlechtrer kam heran;
Und ſo kam ein zweiter, dritter
Immer ſchlechterer Tyrann;
Darum fleh' ich heute nur noch:
Gott erhalt' uns dich fortan!
Das allgemeine Beſte.
Ihr Völker, laßt doch euer Klagen!
Laßt euer Zweifeln, euer Zagen!
Daß ſich für euch die Fürſten plagen,
Das ſoll euch allen wohlbehagen.
Die Fürſten ſind bei Tag und Nacht
Auf euer Beſtes nur bedacht.
Ihr ſollt nicht ſchmähen, ſollt nicht ſchmollen,
Ihr ſollt nicht euren Fürſten grollen!
Sollt ihnen Dank und Ehrfurcht zollen,
Weil ſie nur euer Beſtes wollen!
Zwar iſt das Beſte von der Welt
Vorläufig immer noch das Geld.
Brackſchafe.
O zeig's nicht erſt durch's Band im Knopfloch,
Die ganze Welt weiß was du biſt:
Warum denn zeigſt du armer Tropf noch,
Wie billig deine Seele iſt?
Doch gut! ſo zeichnet man was Brack iſt
In allen großen Heerden aus;
So lernen wir was Schranzenpack iſt
Und reif zum großen Völkerſchmaus.
Aus Ovids Metamorphoſen.
Veut-on avoir la prenve de la parfaite inutilité de tous les
livres de Morale, de Sermons etc., il n'y a qu'a jetter les
yeux sur le préjuge de la Noblesse héreditaire. Y a-t-il un
travers contre lequel les Philosophes, les Oratenrs les Poétes
ayent lancé plus de traits satyriques qul ait plus exercé les
esprits de toute espéce? qui ait fait naître plus de sar¬
casmes?
Chamfort, Pensées (Paris 1803) p. 171.
Es flickt ein Schneider ein Gewand
Für eine Majeſtät,
Und wie er's hält in ſeiner Hand
Und in den Falten ſpäht:
O Wunder, Wunder! was ſchaut heraus?
Eine Laus, eine Laus, eine königliche Laus.
Der Schneider hüpft vor Freud' empor,
Sieht ſie mit Wolluſt an,
Und holt ſein Meſſer flugs hervor,
Und ach! was macht er dann?
O Wunder, Wunder! er ſpaltet ſie,
Spaltet ſie, ſpaltet ſie, dieſes königliche Vieh.
„Die eine Hälfte bleibet mir
Von dieſer Königslaus,
Es ſtecket ſoviel Blut in ihr,
Ein Fürſt wohl wird noch draus.“
O Wunder, Wunder! er ſpeiſt ſie geſchwind,
Und er wird, und er wird, wird ein fürnehm
Fürſtenkind.
11
Da fragen die Geſellen ihn:
„Was aber kriegen wir?“
„Die andre Hälft' iſt euch verliehn,
Das iſt genug für vier.
O Wunder, Wunder! aus der halben Laus
Kommen noch, kommen noch fünfthalb Grafen wohl
heraus.“
Der Lehrjung ſah ſich Alles an:
„Herr Meiſter, ſagt mir jetzt,
Hier ſeh' ich kriegt ja jedermann,
Was krieg ich denn zuletzt?“
„O lecke, lecke das Meſſer rein,
Und du wirſt, und du wirſt 'n ſchlechter Edelmann
noch ſein!“
Suum cuique.
Wir haben's wahrlich trefflich weit gebracht:
Zur Strafe ward der Bürgerſtand gemacht.
Verwirkt ſein Adelthum ein Edelmann,
So wird und iſt er bürgerlich fortan.
Wie kommt zu ſolchem Eingriff doch der Staat?
Der Adel ſoll behalten was er hat;
Und wie er ſeine Tugend trägt allein,
Soll er auch ſeines Laſters Träger ſein.
Hat man den Pranger nur für uns erdacht?
Das Zuchthaus nur für unſer eins gemacht?
I nun, Herr Graf kann auch am Pranger ſteh'n,
Und Herr Baron kann auch in's Zuchthaus geh'n.
Wir ſind doch in Sibirien noch nicht,
Wo der Verbrecher eine Nummer kriegt!
Das Individuell' iſt noch zur Zeit
Die ſchönſte deutſche Eigenthümlichkeit.
11 *
Es klingt auch hübſch, hiſtoriſch obendrein,
Wenn man im Zuchthaus aufruft Groß und Klein:
Mandube! Schinderhans! Lips Tullian!
Baron von Habenix! Graf Tummerjan!
Deutſcher Nationalreichthum.
Hallelujah! Hallelujah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand:
Viele Bundestages-Protokolle,
Manch Budget und manche Steuerrolle,
Eine ganze Ladung von Schablonen
Zu Regierungsproclamationen —
Weil es in der neuen Welt
Sonſt dem Deutſchen nicht gefällt.
Hallelujah! Hallelujah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand:
Corporal- und andre ſchöne Stöcke,
Hunderttauſend Schock Bedientenröcke,
Nationalcocarden, bunte Kappen,
Zehnmalhunderttauſend Knöpfe mit Wappen —
Weil es in der neuen Welt
Sonſt dem Deutſchen nicht gefällt.
Hallelujah! Hallelujah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand:
Kammerherrenſchlüſſel viele Säckel,
Stamm- und Vollblutbäume dicke Päckel,
Hund- und Degenkoppeln tauſend Laſten,
Ordensbänder hunderttauſend Kaſten —
Weil es in der neuen Welt
Sonſt dem Deutſchen nicht gefällt.
Hallelujah! Hallelujah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand!
Schlendrian, Bocksbeutel und Perrücken,
Privilegien, Sorgenstühl' und Krücken,
Hofrathstitel und Conduitenliſten
Neunundneunzighunderttauſend Kiſten —
Weil es in der neuen Welt
Sonſt dem Deutſchen nicht gefällt.
Hallelujah! Hallelujah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand:
Steuer-, Zoll-, Tauf-, Trau- und Todtenſcheine,
Päſſ' und Wanderbücher groß' und kleine,
Viele hundert Cenſorinſtructionen,
Polizeimandate drei Millionen —
Weil es in der neuen Welt
Sonſt dem Deutſchen nicht gefällt.
Geheime Fonds.
Mel. Laßt die verdammten Manichäer klopfen.
Wozu dienen die geheimen Summen?
Für die Maul- und Herzenſperr' allein:
Schweigen ſoll das Volk, es ſoll verſtummen,
Niemals denken, nur gehorſam ſein.
Schweigt dann das Volk, ſo ſagt man gleich warum:
Alles wahre Erdenglück iſt immer ſtumm.
Millionen gute brave Chriſten
Schweigen, weil es Einem ſo gefällt,
Ihm allein und ſeinen Poliziſten,
Die er nur um ſeinetwillen hält.
Millionen, wagt's und ſprechet frei!
Ihr verdienet Millionen noch dabei.
Natur und Kunſt.
O große herrliche Natur!
Du kommſt mit Donner und Blitz und Sturmesgebrauſe,
Erfüllſt mit Bangen Wald und Flur,
Mit Schrecken und Angſt Palaſt und Klauſe.
O große herrliche Natur!
Dein Wort demüthigt die Welt und alles Leben:
Es ſchweiget jede Creatur,
Es ſtaunet Tiger und Leu, und Könige beben.
O große herrliche Natur!
Du bringſt zum Schweigen die Welt mit Donnergetoſe,
Und — mehr vermag noch die Cenſur,
Die thut's gelaſſen mit einer Federpoſe.
Die Illuminanten.
Spät kommt ihr, doch — ihr kommt.
Wallenſtein.
Erfindungsreichſte Zeit von allen Zeiten!
Wir ſchreiten fort um weiter fortzuſchreiten.
Benutzt wird alles was uns Gott verliehn,
Der ganze Menſch, ſein Koth und ſein Urin,
Sogar ſein Leichnam — Lichter draus zu ziehn.
Freut euch, ihr dummen finſtern Schafsgeſichter!
Nach eurem Tode werdet ihr noch Lichter,
Und jenen Schatten, den ihr habt gemacht,
Bezahlt ihr einſt mit Lichtes Glanz und Pracht —
Ihr Schafsgeſichter, habt ihr das gedacht?
Anhang.
Stimmen aus der Vergangenheit.
Die Aſche will nicht laſſen ab,
Sie ſtäubt in allen Landen.
Hie hilft kein Bach, Loch, Grub noch Grab,
Sie macht den Feind zu Schanden.
Die er im Leben durch den Mord
Zu ſchweigen hat gedrungen,
Die muß er todt an allem Ort
Mit aller Stimm und Zungen
Gar fröhlich laſſen ſingen.
Dr. Martin Luther.
Deutſchlands Ehre.
Um's Jahr 1200.
Ir sult sprechen willekomen!
der iu mære bringet, daz bin ich.
allez daz ir habt vernomen.
daz ist gar ein wint: nû vrâget mich.
ich wil aber miete:
wirt mîn lôn iht guot,
ich sage iu vil lîhte daz iu sanfte tuot.
seht waz man mir êren biete.
Ich wil tiutschen vrouwen sagen
solhiu mære, daz si deste baz
al der werlte suln behagen:
âne grôze miete tuon ich daz.
waz wold ich ze lône?
si sint mir ze hêr:
sô bin ich gevüege und bite si nihtes mêr,
wan daz si mich grüezen schône.
Deutſchlands Ehre.
K. Simrock's Ueberſetzung.
Heißt mich froh willkommen ſein,
Der euch Neues bringet, das bin ich;
Eitle Worte ſind's allein,
Die ihr noch vernahmt: jetzt fraget mich.
Wenn ihr Lohn gewähret
Und den Sold nicht ſcheut,
Will ich Manches ſagen, was die Herzen freut:
Seht, wie ihr mich würdig ehret.
Ich verkünde deutſchen Frau'n
Solche Dinge, das ſie alle Welt
Noch begier'ger wird zu ſchau'n:
Dafür nehm' ich weder Gut noch Geld.
Was wollt' ich von den Süßen?
Sie ſind mir zu hehr:
Drum beſcheid' ich mich und bitte ſie nichts mehr,
Als daß ſie mich freundlich grüßen.
Ich hân lande vil gesehen
unde nam der besten gerne war:
übel müeze mir geschehen,
künde ich ie mîn herze bringen dar,
daz im wol gevallen
wolde vremeder site.
nû waz hulfe mich, ob ich unrehte strite?
tiutschiu zuht gât vor in allen.
Von der Elbe unz an den Rîn
und her wider unz an Ungerlant
sô mugen wol die besten sîn,
die ich in der werlte hân erkant.
kan ich rehte schouwen
guot gelâz unt lîp,
sem mir got, sô swüere ich wol daz hie diu wîp
bezzer sint danne ander vrouwen.
Tiutsche man sint wol gezogen,
rehte als eugel sint diu wîp getân.
swer si schildet, derst betrogen:
ich enkan sîn anders niht verstân.
tugent und reine minne,
swer die suochen wil,
der sol komen in unser lant: da iſt wünne vil.
lange müeze ich leben dar inne!
Walther von der Vogelweide,
† um 1228.
Lande hab' ich viel geſehen,
Nach den Beſten blickt' ich allerwärts:
Uebel möge mir geſchehn,
Wenn ſich je bereden ließ mein Herz,
Daß ihm wohlgefalle
Fremder Lande Brauch:
Wenn ich lügen wollte, lohnte mir es auch?
Deutſche Zucht geht über Alle.
Von der Elbe bis zum Rhein
Und zurück bis an der Ungern Land,
Da mögen wohl die Beſten ſein,
Die ich irgend auf der Erden fand.
Weiß ich recht zu ſchauen
Schönheit, Huld und Zier,
Hilf mir Gott, ſo ſchwör' ich, ſie ſind beſſer hier
Als der andern Länder Frauen.
Züchtig iſt der deutſche Mann,
Deutſche Frau'n ſind engelſchön und rein;
Thöricht, wer ſie ſchelten kann,
Anders wahrlich mag es nimmer ſein:
Zucht und reine Minne,
Wer die ſucht und liebt,
Komm in unſer Land, wo es noch beide giebt;
Lebt' ich lange nur darinne!
An die Fürſten.
Ir vürsten, tugent iwer sinne mit reiner güete,
sît gegen vriunden senfte, tragt gein vînden hôhgemüete,
sterket reht und danket gote der grôzen êren,
daz manic mensch sîn lîp sîn guot muoz iu ze dienste kêren;
sît milte, vridebære, lât in wirde iuch schouwen,
sô lobent iuch die reinen süezen vrouwen.
schame, triuwe, erbermde, zuht, die sult ir gerne tragen,
minnet got, und rihtet swaz die armen klagen,
gloubt niht daz iu die lugenære sagen,
und volget guotem râte: so mugt ir in himelrîche bouwen.
Walther von der Vogelweide.
An die Fürſten.
K. Simrock's Ueberſetzung.
Ihr Fürſten, adelt euer Herz durch reine Güte,
Seid gegen Freunde ſanft, vor Feinden traget Hochgemüthe,
Stärkt das Recht und danket Gott der großen Ehren,
Daß Gut und Blut ſo Mancher muß zu euren Dienſten kehren;
Seid mild, friedfertig, laßt euch ſtets in Würde ſchauen,
So loben euch die reinen, ſüßen Frauen;
Scham, Treue, Milde, Zucht ſollt ihr mit Freuden tragen,
Minnet Gott und ſchaffet Recht, wenn Arme klagen,
Glaubt nicht was euch die Lügenbolde ſagen,
Folgt gutem Rath, ſo dürft ihr auf das Himmelreich vertrauen.
12
Gefährdetes Geleite.
In den J. 1215–20.
Ich saz ûf einem steine:
dô dahte ich bein mit beine,
dar ûf sazt ich den ellenbogen;
ich hete in mîne Hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange.
dô dâhte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben;
déheinen rât konde ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keines niht verdurbe.
diu zwei sint êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot,
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde:
die wolte ich gerne in einen schrîn.
jâ leider desn mac niht gesîn,
daz guot und weltlich êre
Gefährdetes Geleite.
K. Simrock's Ueberſetzung.
Ich ſaß auf einem Steine:
Da deckt' ich Bein mit Beine,
Darauf der Ellenbogen ſtand;
Es ſchmiegte ſich in meine Hand
Das Kinn und eine Wange.
Da dacht' ich ſorglich lange
Dem Weltlauf nach und irdſchem Heil;
Doch wurde mir kein Rath zu Theil,
Wie man drei Ding' erwürbe,
Daß ihrer keins verdürbe.
Die zwei ſind Ehr' und weltlich Gut,
Das oft einander Schaden thut,
Das dritte Gottes Segen,
An dem iſt mehr gelegen:
Die hätt' ich gern in einen Schrein.
Ja leider mag es nimmer ſein,
Daß Gottes Gnade kehre
12*
und gotes hulde mêre
zesamene in ein herze komen.
stîg unde wege sint in benomen,
untriuwe ist in der sâze,
gewalt vert ûf der straze,
vride unde reht sint sêre wunt:
diu driu enhabent geleites niht, diu zwei enwer¬
den ê gesunt.
Walther von der Vogelweide.
Mit Reichthum und mit Ehre
Je wieder in daſſelbe Herz;
Sie finden Hemmung allerwärts:
Untreu hält Hof und Leute,
Gewalt fährt aus auf Beute;
So Fried' als Recht ſind todeswund:
Die dreie haben kein Geleit, die zwei denn werden
erſt geſund.
Nahen des jüngſten Tages.
Um's J. 1225.
Nû wachet! uns gêt zuo der tac,
gein dem wol angest haben mac
ein ieglich kristen, juden unde heiden.
wir hân der zeichen vil gesehen,
dar an wir sîne kunft wol spehen,
als uns diu schrift mit wârheit hât bescheiden.
diu sunne hât ir schîn verkêret,
untriuwe ir sâmen ûz gerêret
allenthalben zuo den wegen,
der vater bî dem kinde untriuwe vindet,
der bruoder sînem bruoder liuget,
geistlich orden in kappen triuget,
die uns ze himel solten stegen:
gewalt gêt ûf, reht vor gerihte swindet.
wol ûf! hie ist ze vil gelegen.
Walther von der Vogelweide.
Nahen des jüngſten Tages.
K. Simrock's Ueberſetzung.
Nun wachet All'! Es naht der Tag,
Vor dem die Welt erzittern mag,
Die Chriſtenheit, die Juden und die Heiden.
Viel Zeichen wurden ausgeſandt,
Daran wir ſeine Näh' erkannt,
Wie uns die Schrift untrüglich kann beſcheiden.
Die Sonne hat den Schein verkehret,
Untreu' den Samen ausgeleeret
Allwärts über Feld und Rain.
Der Vater bei dem Kind Untreue findet,
Der Bruder ſeinem Bruder lüget,
Die Geiſtlichkeit in Kutten trüget,
Statt Gott der Menſchen Herz zu weihn.
Gewalt ſiegt ob, des Rechtes Anſehn ſchwindet:
Wohlauf! hier frommt nicht müſſig ſein.
Der XLVI . Pſalm.
Vom J. 1530.
Ein feſte Burg iſt unſer Gott,
Ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Noth,
Die uns itzt hat betroffen.
Der alt böſe Feind,
Mit Ernſt er's itzt meint.
Groß Macht und viel Liſt
Sein grauſam Rüſtung iſt,
Auf Erd' iſt nicht ſeins Gleichen.
Mit unſer Macht iſt nichts gethan:
Wir ſind gar bald verloren,
Es ſtreit für uns der rechte Mann,
Den Gott hat ſelbs erkoren.
Fragſt du, wer der iſt?
Er heißt Jeſus Chriſt,
Der Herr Zebaoth,
Und iſt kein ander Gott:
Das Feld muß er behalten.
Und wenn die Welt voll Teufel wär
Und wollt uns gar verſchlingen,
So fürchten wir uns nicht ſo ſehr,
Es ſoll uns doch gelingen.
Der Fürſt dieſer Welt,
Wie ſaur er ſich ſtellt,
Thut er uns doch nicht.
Das macht, er iſt gericht;
Ein Wörtlein kann ihn fällen.
Das Wort ſie ſollen laſſen ſtahn
Und kein Dank dazu haben.
Er iſt bei uns wohl auf dem Plan
Mit ſeinem Geiſt und Gaben.
Nehmen ſie den Leib,
Gut, Ehr, Kind und Weib:
Laß fahren dahin!
Sie habens kein Gewinn:
Das Reich muß uns doch bleiben.
Dr. Martin Luther.
Ein Kinderlied,
zu ſingen wider die zween Erzfeinde Chriſti und
ſeiner heiligen Kirchen, den Papſt und Türken.
Vom J. 1541.
Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort
Und ſteur des Papſts und Türken Mord,
Die Jeſum Chriſtum deinen Sohn
Wollen ſtürzen von deinem Thron.
Beweis dein Macht, Herr Jeſu Chriſt,
Daß du Herr aller Herren biſt!
Beſchirm dein arme Chriſtenheit,
Daß ſie dich lob in Ewigkeit!
Gott heilger Geiſt, du Tröſter werth,
Gieb deim Volk einrlei Sinn auf Erd!
Steh bei uns in der letzten Noth,
G'leit uns ins Leben aus dem Tod!
Dr. Martin Luther.
An Deutſchland.
Zerbrich das ſchwere Joch, darunter du gebunden!
O Deutſchland, wach doch auf, faß wieder einen Muth!
Gebrauch dein altes Herz und widerſteh der Wuth,
Die dich und die Freiheit durch dich ſelbſt überwunden!
Straf nu die Tyrannei, die dich ſchier gar geſchunden,
Und löſch doch endlich aus die dich verzehrend Glut!
Nicht mit deim eignen Schweiß, ſondern dem böſen Blut
Fließend aus deiner Feind und falſchen Brüder Wunden.
Verlaſſend dich auf Gott, folg denen Fürſten nach,
Die ſein gerechte Hand will, ſo du willſt, bewahren
Zu der Getreuen Troſt, zu der Treuloſen Rach.
So laß nu alle Furcht und nicht die Zeit hinfahren,
Und Gott wird aller Welt, daß nichts dann Schand und
Schmach
Des Feinds Meineid und Stolz gezeuget, offenbaren.
Georg Rudolf Weckherlin,
† wahrſch. 1651.
Wie die Soldaten man vor Zeiten
Laut mit dem Mund:
So ſie jetzund
Ermahnet der Poet zu ſtreiten.
Friſch auf, ihr tapfere Soldaten!
Ihr, die ihr noch mit deutſchem Blut,
Ihr die ihr noch mit friſchem Muth
Belebet, ſuchet große Thaten!
Ihr Landſleut, ihr Landsknecht, friſch auf!
Das Land, die Freiheit ſich verlieret,
Wann ihr nicht muthig ſchlaget drauf
Und überwindend triumphieret.
Der iſt ein Deutſcher wohlgeboren,
Der, von Betrug und Falſchheit frei,
Hat weder Redlichkeit noch Treu
Noch Glauben noch Freiheit verloren;
Der iſt ein Deutſcher ehrenwerth,
Der wacker, herzhaft, unverzaget
Für die Freiheit mit ſeinem Schwert
In einige Gefahr ſich waget.
Wohlan derhalb, ihr wahre Deutſchen,
Mit deutſcher Fauſt, mit deutſchem Muth
Dämpfet nu der Tyrannen Wuth!
Zerbrechet ihr Joch, Band und Beutſchen!
Unüberwindlich rühmet ſie
Ihr Titul, Thorheit und Stolzieren;
Aber ihr Heer mit ſchlechter Müh
Mag (überwindlich) bald verlieren.
Ha! fallet in ſie! ihre Fahnen
Zittern aus Furcht: ſie trennen ſich,
Ihr böſe Sach hält nicht den Stich,
Drum zu der Flucht ſie ſich ſchon mahnen;
Groß iſt ihr Heer, klein iſt ihr Glaub;
Gut iſt ihr Zeug, bös ihr Gewiſſen;
Friſch auf! ſie zittern wie das Laub
Und wären ſchon gern ausgeriſſen.
Ha! ſchlaget auf ſie, liebe Brüder!
Iſt die Müh groß, ſo iſt nicht ſchlecht
Der Sieg und Beut; und wohl und recht
Zu thun ſeind ſie, dann ihr, viel müder.
So ſtraf, o deutſches Herz und Hand,
Nu die Tyrannen und die Böſen:
Die Freiheit und das Vaterland
Mußt du auf dieſe Weis erlöſen.
Georg Rudolf Weckherlin.
An Deutſchland.
Wahrſcheinlich vom J. 1636 Ward 1637 für die Oeffentlichkeit beſtimmt, erſchien aber erſt nach des
Dichters Tode 1644.
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Auf, auf, wer deutſche Freiheit liebet,
Wer Luſt für Gott zu fechten hat!
Der Schein, den Mancher von ſich giebet,
Verbringet keine Ritterthat.
Wann Fug und Urſach iſt, zu brechen,
Wann Feind nicht Freund mehr bleiben kann,
Da muß man nur vom Sehen ſprechen,
Da zeigt das Herze ſeinen Mann.
Laß die von ihren Kräften ſagen,
Die ſchwach und bloß von Tugend ſind:
Mit Trotzen wird man Bienen jagen,
Ein Sinn von Ehren der gewinnt.
Wie groß und ſtark der Feind ſich mache,
Wie hoch er ſchwinge Muth und Schwert,
So glaube doch, die gute Sache
Iſt hundert tauſend Köpfe werth.
Der muß nicht eben allzeit ſiegen,
Bei dem der Köpfe Menge ſteht;
Der pfleget mehr den Preis zu kriegen,
Dem Billigkeit zu Herzen geht,
Und der mit redlichem Gewiſſen
Für Gott und für das Vaterland,
Für Gott, der ihn es läßt genießen,
Zu fechten geht mit ſtrenger Hand.
So vieler Städte ſchwache Sinnen,
So vieler Herzen Wankelmuth
Die Liſt, der Abfall, das Beginnen
Sind freilich wohl nicht allzugut.
Doch Obſt, ſo bald von Bäumen gehet,
Das taug gemeiniglich nicht viel;
Ich denke was im Liede ſtehet,
Laß fahren was nicht bleiben will!
Was kann der ſtolze Feind dir rauben?
Dein Hab' und Gut bleibt doch allhier;
Geh aber du ihm auf die Hauben
Und brich ihm ſeinen Hals darfür!
Auf, auf, ihr Brüder! in Quartieren
Bekriegt man mehrmals nur den Wein:
Des Feindes Blut im Siege führen,
Dies wird die beſte Beute ſein.
Martin Opitz von Boberfelde,
† 1639.
Aus Schleſien,
zur Zeit des dreißigjährigen Krieges.
Aus der Vollſtändigen Kirchen- und Haus-Muſic,
7. Aufl. Breßl. S. 650.
Im Ton: Geliebten Freund, was thut ihr ſo verzagen.
Gott, der du biſt ein Freund der Menſchenkinder,
Und ein Erbarmer der zerſchlagnen Sünder,
Schau uns doch an, wie wir gedrucket werden
Durch viel Beſchwerden.
Wir haben bisher bei viel langen Jahren
Auf unſerm Rücken deine Streich' erfahren,
Und deine Hand war uns zur harten Plage
Bei Nacht und Tage.
Krieg hat dies ſchöne Land ganz umgekehret,
Und unſer Fleiſch und Mark rein ausgezehret;
Peſt hat auch unſre Brüder weggenommen
Mit großen Summen.
In Hungersnoth ſind ihrer viel vergangen;
Wir, die wir übrig, ſind zurings umfangen
Mit Nattern, die uns ohne Maß und Zählen
Martern und quälen.
13
O Herr, wie haſt du dich uns doch verwandelt
In einen, der ſehr ſtreng and grauſam handelt?
Ach, wo iſt doch dein väterlich Gemüthe
Und milde Güte?
Wir müſſen zwar für unſrer Noth erblaſſen,
Daß wir ſo ſchändlich dein Gebot verlaſſen;
Aber wir kehren um und ſind befliſſen
Herzlich zu büßen.
So kehr auch du zu uns nun mit Genaden,
Wend' unſern Jammer und heil' unſern Schaden!
Sei unſer Gott, wie du vor biſt geweſen,
Daß wir geneſen!
Die hier auf Erden deine Stelle halten,
Die wollen höher, als ſie ſollen, walten;
Die Seele, die dir Gott nur will gebüren,
Woll'n ſie regieren.
Drum nimm dich deſſen an, das dir gehöret!
Erhalt' uns das, was dein Mund uns gelehret!
Laß uns von dir durch Zwang, Gewalt und Leiden
Keinmal abſcheiden!
Sondern tritt freundlich uns zu unſer Seiten,
Hilf wider dein' und unſre Feinde ſtreiten,
Die ſich zuſammenrotten und ſtark kämpfen,
Dein Wort zu dämpfen.
Wir wollen hier nach deinem Willen dulden,
Was du uns zuerkennſt für unſre Schulden,
Nur daß uns der Kampf, der uns zu dir bringet,
Selig gelinget.
Friedrich von Logau, † 1655.
13 *
Aus Germaniens Klagelied.
Was ſoll ich armes Reich, was ſoll ich endlich machen,
Nun mir genommen iſt mein Freuen, Luſt und Lachen?
Kaum bin ich mehr bei Sinnen
In dieſer langen Noth.
Was ſoll ich doch beginnen?
Nur wünſch' ich mir den Tod.
Die Kinder ſo ich ſelbſt erzeuget ſind die Schlangen,
Die ihre Mutter, mich, zu würgen unterfangen;
Die haben mich zerbiſſen,
Daß faſt mein ganzer Leib
In Stücklein iſt zerriſſen:
O weh, ich armes Weib!
Ach, Lieb' und Treu iſt hin, die Gottesfurcht erkaltet;
Der Glaub' iſt abgethan, Beſtändigkeit veraltet.
Das deutſche Blut bedünget
So manches ſchöne Land;
Mein eignes Volk bezwinget
Sich ſelbſt mit eigner Hand.
Johann Riſt, † 1667.
Troſtlied.
Bedrängtes Deutſchland, ſchöpfe Muth!
Der Himmel wird nicht immer wittern
Und dieſer Länder Grund erſchüttern;
Er ſchlägt dich jetzt zwar bis aufs Blut,
Doch ſchöpfe du nur wieder Muth.
Es wird nicht immer dunkel ſein,
Die Wolken werden bald verſchwinden,
Die Sonne wird ſich wiederfinden
Und Finſterniß und Nacht zerſtreu'n;
Es wird nicht immer dunkel ſein.
Bedrängtes Deutſchland, nur Geduld!
Wirf, wenn es ſonſt an Tröſtern fehlet,
Die Sorge, die dich kränkt und quälet,
Auf Gottes Lieb' und Vaterhuld!
Betrübtes Deutſchland, nur Geduld!
Andreas Gryphius, † 1664.
Vergänglichkeit des Erdenlebens.
Aus der Chriſtlichen Andachts-Flamme.
Nürnb. 1680. S. 308.
Menſch, ſag' an, was iſt dein Leben?
Eine Blum' und dürres Laub,
Das am Zweige kaum mag kleben
Und verkreucht ſich in den Staub.
Dies bedenk', o Menſchenkind,
Weil wir alle ſterblich ſind.
Was iſt Adel, hoch Geſchlechte?
Was iſt hochgeboren ſein?
Muß der Herr doch mit dem Knechte
Leiden bittre Todespein;
Kaiſer, König, Edelmann,
Alle müſſen ſie daran.
Was iſt Weisheit? was ſind Gaben?
Was iſt hochgelahrte Kunſt?
Was hilft Ehr' und Anſehn haben?
Und bei Herren große Gunſt?
Dringt ſich doch der Tod herein,
Nichts hilft klug und weiſe ſein.
Was iſt Reichthum? was ſind Schätze?
Nur ein glänzend gelber Koth,
Menſch, darauf dein Herz nicht ſetze!
Sieh die Zeit an und den Tod!
Dieſer nimmt das Leben hin,
Jene frißt Gut und Gewinn.
Was iſt Jugend, friſche Jahre,
In der beſten Blüthe ſtehn?
Junger Muth und graue Haare
Müſſen mit dem Tode gehn;
Iſt doch hie kein Unterſcheid
Unter jung' und alte Leut'.
Menſchentöchter, Menſchenſöhne,
Laßt euch dies geſaget ſein!
Seid ihr hoch, weis', reich und ſchöne,
Ihr ſeid doch nur Todtenbein;
Hier ein wohlgeſchmückter Bau,
Nach dem Tod der Würmer Au.
Staub und Aſch, was willt du prangen
Mit dem Wiſſen und Verſtand,
Mit der Röthe deiner Wangen,
Mit dem Gold an deiner Hand?
Kann es doch nicht helfen dir,
Wenn der Tod klopft an die Thür.
Menſchenkind, nimm dies zu Herzen!
Hier iſt Leben, hier iſt Tod;
Hier iſt Freude, hier ſind Schmerzen.
Willt du meiden ewig Noth,
Denke daß du ſterben mußt;
So erſtirbt der Sünden Luſt.
Leg ab Mißgunſt, Neid und Haſſen!
Demuth lieb', laß Hoffarth ſein!
Alles mußt du Andern laſſen,
Nackt zur Gruben kriechen ein.
Heute biſt du Herr im Haus;
Morgen trägt man dich hinaus.
Ach Herr Jeſu, wollſt uns lehren,
Wie, woher, wann kommt der Tod,
Daß wir uns bei Zeit bekehren
Und entgehn der Seelennoth,
Weislich und mit klugem Sinn
Denken an das Ende hin.
Eiſenhütel.
Nun iſt es Zeit zu wachen,
Eh' Deutſchlands Freiheit ſtirbt
Und in dem weiten Rachen
Des Krokodils verdirbt.
Herbei, daß man die Kröten
Die unſern Rhein betreten
Mit aller Macht zurücke
Zur Son' und Seine ſchicke!
Der Feind braucht Stahl und Eiſen,
Wendt Stahl und Silber an,
Der deutſchen Welt zu weiſen
Was Liſt und Hochmuth kann.
Laßt euch das Gold in Händen
Die Augen nicht verblenden,
Damit euch hinterm Rücken
Die Feſſel nicht beſtricken.
Laßt Lerch' und Falken fliegen,
Setzt alle Kräfte bei,
Mit ihnen zu beſiegen
Des Hahnes Prahlerei!
Er prangt mit euren Federn:
Drum müßt ihr ihn entädern,
Und Jeder ſich bemühen
Das Seine wegzuziehen.
Wollt ihr euch unterwinden
Zu thun was ſich gebührt,
Ein Hermann wird ſich finden,
Der euch an Reihen führt.
Laßt euch verſtellten Frieden
Zum Schlafe nicht ermüden:
Mit Wachen und mit Wagen
Muß man die Ruh erjagen.
Hans Aßmann Freih. von Abſchatz,
† 1699.