69) Hr. v. Humboldt hat durch ſehr zahlreiche Verſuche ge-
funden, daſs nicht allein die vegetabiliſche Erde, ſon-
dern auch der Thon, den man aus einer beträchtlichen
Tiefe der Erde heraufholt, und vor allen die einfachen
Erden, die man bisher für unzerlegbare Subſtanzen
anſah, die Eigenſchaft haben, der atmosphäriſchen Luft
allen ihren Sauerſtoff bey der bloſſen Berührung mit ihr
zu entziehen. Die Thon-, die Schwer- und die Kalk-
erde laſſen, wenn ſie befeuchtet ſind, das Stikſtoffgas
ganz rein zurük. Im troknen Zuſtande ſchienen die
die Erden nicht auf die Luft zu wirken. So haben auch
die Talk- und die Kieſelerde angefeuchtet, bis izt noch
nicht die nämlichen Erſcheinungen dargebothen, wie
die Thonerde. 3000 Tieile einer Luſt, welche nach ei-
ner
ner genauen Analyſe enthielten 852 Sauerſtoff, 2103
Stikſtoff, 45 Kohlenſtoffſäure, zuſammen 3000, blieben
(bey einer Temperatur von 12°) 15 Tage lang mit ei-
nem aus Steinſalzgruben gezogenen Thon in Berührung.
Der Rükſtand betrug nicht mehr, als 2460 Theile,
welche aus 81 Sauerſtoff, 2207 Stikſtoff und Waſſer-
Soffſtoff, 172 Kohlenſtoffſäure, zuſammen 2460, beſtanden.
Es waren alſo nur 127 Theile Kohlenſtoffſäure gebildet
worden, und von 0,28 Theilen Sauerſtoff hatten 0,24
ihren gasartigen Zuſtand verloren.
70) Derſelbe hat durch genaue Verſuche über die Zerlegung der
Atmosphäre gefunden, daſs 1) weder der Phosphor,
noch das Schwefel - Kali (troken oder im Waſſer auf-
gelöst) den Sauerſtoff gänzlich aus ihr wegnehmen;
daſs aber das Salpetergas dazu diene, um beſtändig bis
auf fünf Hunderttheile in dem Rükſtande der zerlegten
Luftarten den Sauerſtoff zu entdeken; 2) daſs während
der Verbrennung des Phosphors in der atmosphäriſchen
Luſt ſich eine dreyfache Verbindung aus Stikſtoff, Phos-
phor, und Sauerſtoff (azoture de phosphore oxidée)
bildet (ein neues Gemiſch, Welches durch einfache
Verwandtſchaft nicht zerlegt werden kann, und in dem
der Phosphor nicht leuchtet): 3) daſs das Salpetergas
von der Auflöſung des ſchwefelſäuren Eiſens gänzlich
verſchlukt werde (ob durch eine Desoxydation, oder
mittels einer Waſſerzerſezung, darüber fönen weitere Ver-
ſuche Vauquelin’s und Humboldt’s im Laboratorium der
Ecole des mines entſcheiden; 4) daſs, wenn man Sal-
Peterſäure auf Kupferdrat gieſst, ein Antheil der Säure
gänz-
gänzlich zerlegt werde, und daſs man aus dieſer Urſa-
che das Salpetergas mit Stikſtoffgemiſcht finde; 5) daſs
die Abweichungen und Irrthümer bey Fontana’s Eudio-
meter in nichts anderm ihren Grund haben, als in der
Menge von Stikſtoff, die das Salpetergas enthält; 6)
daſs die Auflöſung des ſchwefelſauren Eiſens diene, die-
ſe Menge Stikkoff zu beſtimmen, welche von 0,07 bis
0,67, und ſelbſt darüber ſteige; 7) daſs, wenn man
die Menge Salpetergas, die erforderlich ſey, einen Theil
Sauerſtoff n zu ſättigen, m nenne, das Verhältniſs m :
n nicht gleich ſey dem 1, 7 : 1, ſondern, daſs es, nach
dem Grad der Stikſtoffung (azotation) des Salpeterga-
ſes, von 3,2 bis zu 0,5 wechsle; 8) daſs, wenn man
die Räume des in dem Salpetergas enthaltenen Stik-
ſtoffs für die Abſciſſen, und den Werth von n ſür die
Ordinaten nehme, die Verbindungen mit dem Sauer-
ſtoffe ſich darſtellen unter der Figur einer Curve, wel-
che anfangs in einer beynahe gleichen Entfernuug von
den Abſciſſen bleibe, und hernach ſich ihnen mit groſ-
ſer Schnelligkeit nähere; 9) daſs die Geſtalt der Ge-
fäſſe, in welchen die Miſchung des Salpetergaſes in der
atmosphäriſchen Luft geſchieht, viel Einfluſs auf die
Grade der Verminderungen habe. (Von 300 Theilen
Salpetergas, und 100 Theilen Sauerſtoffgas ſah Lavoiſier
in einer eudiometriſchen Röhre 74 Theile ſchwinden;
Humboldt, der den nämlichen Verſuch ſiebenmal in ei-
nem Cylinder von 11 Centimetern im Durchmeſſer Wie-
derholte, beobachtete eine Verminderung von 147 Thei-
len); 10) daſs der mit dem Salpetergas gemiſchte Stik-
ſtoff durch eine geringe Verwandtſchaft die Verbindung
des
des Sauerſtoffs mit dem Salpetergaſe zu begünſtigen
ſcheine (Humboldt bereitete ein ſehr reines Stikſtoffgas,
in welchem der Phosphor nicht leuchtete; dieſes Gas
mit einem ſehr reinen Sauerſtoſſgaſe gemiſcht, verän-
derte ſeine Natur ſo ſehr, daſs jezt, ſtatt 2,6, ſchon
1,4, oder 1,8 Salpetergas hinlänglich waren, um einen
Theil Sauerſtoff zu ſättigen; es bilde ſich in der Folge
in jedem dieſer beyden Fälle eine ſehr verſchiedene Sal-
peterſäure, eine Säure, welche mehr, und eine, die
weniger Sauerſtoff enthalte). Alle dieſe Erfahrungen,
deren Humboldt bisher 160 in Form einer Tabelle be-
kannt gemacht hat, erleichtern den eudiometriſchen
Calcul. So unrein auch das Salpetergas, welches man
bereitet, ſey, ſo könne man ſich deſſen dem ungeach-
tet zur Zerlegung der atmosphäriſchen Luft bedienen,
wenn man nur vermittelſt des ſchwefelſauren Eiſens den
Grad der Stikſtoffung erforſche. v. H. miſchte z. B.
100 Theile atmosphäriſcher Luft zu 100 Theilen Salpe-
tergas. Der Rükſtand betrug 103. Dieſer wurde mit
der Eiſenauflöſung geſchüttelt, um 0,19 vermindert; da
aber 0,02 davon das Waſſer vorher in ſeine Zwiſchen-
räume aufnahm (wie andere Verſuche beweiſen), ſo
müſſe man für den Rükſtand 103−21=82 nehmen. Aber
das angewandte Salpetergas enthielt (gleichfalls nach
den VerſushenVerſuchen mit ſchwefelſaurem Eiſen ) 0,09 Stik-
ſtoff. Die unterſuchte Luft enthielt daher 0,82−0,09,
oder 0,73 atmosphäriſchen Stikſtoff und 0,27 Sauerſtoff,
Die nämliche Luft wurde durch ein ſehr unreines Sal-
petergas, was 0,52 Stikſtoff enthielt, zerlegt. Der
Rükſtand in der eudiometriſchen Röhre betrug 133 Thei-
le,
le, welche mit ſchwefelſaurem Eiſen gewaſchen, nur
127, oder, (indem man die 0,52 im angewandten Sal-
petergas vorher vorhandenen Stikſtoff abrechnet), 0,73
Stikſtoffgaben. In dem 1ten Verſuche war m : n = 2,5 :
1; in dem 2ten = 1,4 : 1. Das Salpetergas, deſſen ſich
Ingenhouß, Jacquin, Scherer, Landriani, Volta, und al-
le andere Phyſiker bedienten, enthielt beſtändig nur 0,07
bis 0,09 Stikſtoff. Humboldt hat übrigens gefunden, daſs
der Sauerſtoffgehalt der atmosphäriſchen Luſt keines-
wegs immer 0,27, oder 0,28 ſey, ſondern zwiſchen 0,23,
und 0,29, wechsle.