Erſte Abhandlung.
Ueber das Geſetz der Wärmeabnahme in
den höhern Regionen des Luft-
kreiſes.
Um die Erzeugung der Wärme auf unſerm Pla-
neten und das Geſetz der abnehmenden Wärme aus
einem allgemeinen Geſichtspunkte zu betrachten,
denke man ſich zuerſt ein Sphäroid gasförmiger,
und alſo elaſtiſcher Flüſſigkeiten, welche über ein-
ander geſchichtet ſind, ohne einen dichten Kern
einzuſchlieſsen. Man ſtelle ſich die Materie in ei-
nem Zuſtande vor, den La Place bei der er-
ſten Bildung der Planeten voraus ſetzt, oder wie
ihn Herſchel in den dunſtförmigen kernloſen
Maſſen annimmt, welche er planetariſche Nebel-
flecke nennt. Wäre der Halbmeſſer dieſes Sphä-
roids gasförmiger Flüſſigkeiten der Höhe unſrer At-
moſphäre gleich, ſo würden die Sonnenſtrahlen
keine andere Wärme darin erregen, als die, welche
von der Verminderung oder Verſchluckung des
Lichts (extinction de la lumière) herrührt. Das
Geſetz dieſer Lichtabnahme iſt in La Place's Ex-
poſition du Syſtème du Monde, t. 1, p. 157, ent-
wickelt, und in meinem Gemählde der Tropen-
welt, welches gegenwärtig zu Paris gedruckt wird,
befindet ſich eine Tafel, welche Herr Biot über
dieſes Phänomen berechnet hat. So wie die Licht-
abnahme in den dichtern, dem Centrum des frei
ſchwebenden Luftſphäroids nähern Schichten am
ſtärkſten iſt, ſo wird, nach eben den Hypotheſen,
auch dort eine etwas gröſsere Erwärmung, als in
den obern Regionen Statt finden. Da aber alle
Luftſchichten als rein-durchſichtig angenommen
werden, ſo kann dieſer Unterſchied der Erwärmung,
wie die Erwärmung ſelbſt, nur überaus geringe ſeyn.
Betrachtet man eine einzelne Luftſchicht beſonders,
z. B. eine, die dem Centrum nahe iſt, ſo wird zwar
in dieſer Schicht höherer und niedrigerer Sonnen-
ſtand klimatiſche Temperaturveränderungen her-
vor bringen, je nachdem die Sonnenſtrahlen dieſe
einzelne Luftſchicht ganz oder nur theilweiſe durch-
ſtreichen; dieſe Temperaturveränderungen ſind
aber bloſse Differentiale von der ohne dies ſchon ſo
unmerklichen abſoluten Wärme des Lichtverſchlu-
ckenden Luftraums. Wir werden in der Folge ſe-
hen, daſs eine ſolche Hypotheſe keinesweges ſpie-
lend erſonnen iſt, ſondern daſs die oberſten Regio-
nen unſrer Atmoſphäre ſich wirklich faſt in einem
ähnlichen Zuſtande befinden.
Denkt man ſich das in dem Himmelsraume frei
ſchwebende ſphäroidiſche Gasgemenge vergröſsert,
z. B. von gleichem Durchmeſſer als die Erde, ſo
wird ſich im InnenInnern derſelben, durch den Druck
der elaſtiſchen Schichten ſelbſt, eine reine Luft-
maſſe bilden, in welcher Metalle ſich ſchwim-
mend erhalten können. Ob Sauerſtoff und Stick-
ſtoff bei dieſer ungeheuern Compreſſion noch gas-
förmig bleiben, oder ob ſie, wie die atomiſtiſchen
Phyſiker ſagen, mit Auspreſſung eines Theils ihrer
ſpecifiſchen Wärme, zu einem tropfbaren, oder gar
zu einem feſten Gemiſche zuſammen treten würden,
das iſt eine Frage, welche wir hier nicht zu erör-
tern haben. Nach jeder dieſer Vorſtellungsarten
muſs man das Innere eines ſo groſsen Sphäroids ela-
ſtiſcher Flüſſigkeiten als einen durchſichtigen, aber
überaus dichten Kern betrachten; und da in dieſem
das Spiel ſtrahlender Wärme doch bemerkbar ſeyn
würde, ſo gehen wir lieber von einer nun nicht
mehr einfachen Hypotheſe, unmittelbar zur Wirk-
lichkeit über.
Auf unſerm Planeten ſind, nach ſeinem jetzigen
Zuſtande, Materien auf einander gelagert, welche
ſich in drei verſchiedenen Zuſtänden der Cohärenz
befinden. Gasförmige Schichten des Luftkreiſes
ruhen, (wenigſtens an dem gröſsten Theile der
Erdfläche,) auf tropfbar-flüſſigen Schichten der
Meere, und dieſe bedecken den feſten Erdkörper.
Aus dieſer Lagerung, aus dieſer ſcharfen und ge-
genſeitigen Begränzung ſo ungleich dichter und un-
gleich verſchiebbarer Materien, entſteht eine un-
gleiche Vertheilung der Temperatur; das ewige
Streben in ihnen nach Wiederherſtellung des Gleich-
gewichts erhält Bewegung und inneres regſames Le-
ben in der Natur.
Iſt, wie auf unſerm Planeten, ein feſter Kern
mit elaſtiſchen Gasgemengen bis zu einer unbekann-
ten Gränze umfloſſen, ſo giebt es in den obern Luft-
regionen drei, vielleicht ſelbſt vier Urſachen der
Erwärmung.
Die erſte iſt Folge der geringen Lichtverſchlu-
ckung, welche die Sonnenſtrahlen bei ihrem Durch-
gange durch die Luftſchichten leiden. Dieſe Urſa-
che wird um ſo wirkſamer ſeyn, je durchſichtiger
das Medium ſelbſt, und je reiner und gleichmäſsiger
das Waſſer in der Luft aufgelöſt iſt. Wer oft ho-
he Berggipfel beſtiegen hat, findet ein untrügliches
Merkmahl von der unbeſchreiblichen Durchſichtig-
keit der Bergluft, in der Nähe in welcher durch
dieſe Bergluft entfernte Gegenſtände erſcheinen.
Als ich am 26ſten Mai 1802 die zweite Reiſe nach
dem Krater des Pichincha, weſtlich von der Stadt
Quito, unternahm, war ich von mehrern Perſonen,
welche auf Maulthieren ritten, und von vielen india-
niſchen Fuſsboten, welche Inſtrumente trugen,
begleitet. Wir waren meiſt alle mit der Art wei-
ſser Mäntel, welche die Einwohner Ponchos nen-
nen, bedeckt. Der Vulkan iſt bei dem Dorfe Chillo
in der groſsen Ebene Cachapamba, welche ich 1285
Toiſen über der Meeresfläche erhaben gefunden
habe, in ſeiner ganzen zertrümmerten Geſtalt
ſichtbar. Das Wetter war ſo heiter, und die Berg-
luft ſo durchſichtig, daſs unſre Freunde in Chillo
mit bloſsen Augen jeden einzelnen Reiter erken-
nen konnten. Die weiſsen Ponchos leuchteten ge-
gen den ſchwarzen Baſaltporphyr des Vulkans.
Aus einer trigonometriſchen Meſſung, welche ich
in der Ebene Cachapamba angeſtellt hatte, kannte
ich die Entfernung der Felsklippen, auf denen wir
geſehen wurden; ſie betrug 14022 Toiſen, oder
faſt 4 geographiſche Meilen von Chillo. In dieſer
Entfernung erſcheint ein Menſch unter einem Win-
kel von 13″; ein Geſichtswinkel, der für ein nicht
brennendes und bei Tage geſehenes Objekt über-
aus geringe iſt. Auf dem Antiſana, einem der höch-
ſten Gipfel der Andeskette, öſtlich von der Stadt
Quito, in einer Höhe von 16638 Fuſs, unterſchied
ich bei heiterm Sonnenſcheine, und reiner Bergluft,
Kopf und Flügel des Kundurs, (Vultur gryphus,)
in einer Entfernung, bei welcher ſich der ganze Vo-
gel gewiſs unter einem noch kleinern Winkel als
13″; darſtellte. In der Ebene erlaubt die Schwä-
chung der Lichtſtrahlen beim Durchgange durch ein
dichteres Medium nie, kleine Gegenſtände in ſo be-
trächtlichen Entfernungen zu erkennen. Die un-
begreifliche, oft ſchreckende Nähe, mit der ſich
bei etwas feuchter, aber heiterer Luft, plötzlich ho-
he Gebirge, beſonders Schneealpen, dem Auge
zeigen, beweiſt ebenfalls, welcher Durchſichtigkeit
die obern Luftſchichten fähig ſind. Andere Beweiſe
könnte man von den cyanometriſchen Erſcheinun-
gen hernehmen. Die Schwärze der Himmelsbläue,
welche auf der hohen Andeskette 46° beträgt, wäh-
rend ich ſie an den Ufern der Südſee kaum 24°
ſchätzte, zeugt für die ungehinderte Leichtigkeit,
mit der die Sonnenſtrahlen durch die obern Luft-
regionen hindurch gehen. Bei einer ſo geringen
Abſorption von Licht kann demnach die Wärme,
welche die der Erde zuſtrömenden Sonnenſtrahlen
in 3000 bis 4000 Toiſen Höhe über der Meeresflä-
che erregen, nur äuſserſt geringe ſeyn; ſey es, daſs
man die Sonnenſtrahlen ſelbſt als warm, oder, mit
de Lüc, als Wärme aus der Luft entwickelnd, oder
mit Thomſon, nach Herſchel's neuerlichſt
ſehr zweifelhaft gemachten Verſuchen, als von
ſtrahlender Wärme begleitet, annehme.
Die zweite und ungleich wirkſamere Urſache der
Wärme in den obern Schichten des groſsen Luft-
meers iſt der Strom erwärmter Gasarten, (courant
aſcendant,) welcher immerfort von dem feſten,
dunkel gefärbten, und deshalb in ſeiner Oberfläche
erhitzten Erdkerne aufſteigt. Mit den Wirkungen
dieſes Luftſtroms hängen die wichtigſten meteorolo-
giſchen Erſcheinungen, z. B. das Auflöſen der Wol-
ken, ihr Steigen über erwärmten Ebenen, das
Nichtregnen in den pflanzenloſen Wüſten zwiſchen
den Wendekreiſen, und das Spiel der wechſelnden
See- und Landwinde zuſammen. Ohne dieſen auf-
ſteigenden Luftſtrom würden die Höhen des Mont-
blanc und des Chimboraço zu jeder Jahreszeit, we-
gen fürchterlicher Kälte, unzugänglich ſeyn; ohne
ihn würde das Verhältniſs von Sauerſtoff und Stick-
ſtoff in der obern Atmoſphäre ganz verſchieden von
dem ſeyn, welches man in den untern Luftſchichten
bemerkt. Dieſe vertikalen Winde haben bisweilen
einen nachtheiligen Einfluſs auf die Genauigkeit ba-
rometriſcher Höhenmeſſungen, wie Herr Ra-
mond in ſeinem Mémoire über die Coefficienten der
de la Place'ſchen Barometerformel ſchön entwickelt
hat. In der Höhe des Col du Géant, (1763t,)
wurde dieſer Einfluſs in Sauſſüre's Beobachtun-
gen noch ſehr bemerkbar.
Ob
Ob neben der Fortbewegung der Theile, oder
Strömung, welche in jeder erwärmten Flüſſigkeit
entſtehen muſs, noch eine Mittheilung oder Leitung
der Wärme Statt findet, und ob dieſe Leitung für
ſich allein die Temperatur der obern Regionen der
Atmoſphäre zu erhöhen im Stande wäre, iſt ſeit den
Verſuchen des Grafen von Rumford, Dal-
ton's und anderer engliſcher und deutſcher Phy-
ſiker über die wärmeleitende Kraft der Flüſſigkeiten,
zweifelhaft geworden. Auch iſt glücklicher Weiſe
dieſe Frage für die Meteorologie von minderer Wich-
tigkeit, da dieſe Mittheilung von den Wirkungen
der Strömung nur in den ſeltenen Fällen unterſchie-
den werden kann, wenn die wärmere Luftſchicht
über der kältern liegt und herabwärts wärmen ſoll.
Winde, welche in einer groſsen Höhe, aus den dem
Aequator nahen Gegenden in die nördlichern bla-
ſen, könnten allerdings eine ſolche faſt unnatürlich
ſcheinende Lage ungleich erwärmter Luftſchichten
verurſachen. Als ein Beiſpiel davon kann man die
warme Luftſtrömung betrachten, welche immer-
fort in den obern Regionen vom Aequator aus, ge-
gen die Pole hin gerichtet zu ſeyn ſcheint, und wel-
che in Verbindung mit der Rotation der Erde, nach
La Place's ſinnreicher Theorie, unten Oſt-
und oben Weſtwinde in den Tropenländern erregt.
Eine vierte Urſache der Wärme in den höhern
Regionen der Atmoſphäre iſt die ſtrahlende Wär-
me, welche der von Luft umfloſſene, und von der
Sonne erhitzte Erdball ſelbſt, nach allen Richtun-
Annal. d. Phyſik. B, 24. St. 1. J. 1806. St. 9. B
gen ausſendet. Nach der Natur und Farbe der Erd-
oberfläche iſt die Menge dieſer ſtrahlenden Wärme
verſchieden. Sie iſt anders in Thonſchiefer- und
in Grauwackenſchiefer-Gebirgen, anders auf Kalk-
ſtein und in Kreidehügeln. Man findet ſie gröſser
über dem feſten Lande, als über dem Meere, wel-
ches einen Theil des Sonnenlichtes, bis zu einer
gewiſſen Tiefe, frei durchläſst, und ſeiner Flüſſig-
keit und Verdampfbarkeit wegen, keiner beträcht-
lichen Erwärmung fähig iſt. Sie muſs ſtärker auf
vegetationsleeren, als auf waldigen und dabei feuch-
ten Ebenen ſeyn. Das plötzliche Steigen eines
Thermometers beim Durchgange eines Gewölks
durch das Zenith des Beobachters beweiſt, wie be-
trächtlich die Wirkung der von der Erde ausgehen-
den Wärmeſtrahlung, wenigſtens noch in 500 bis
600 Toiſen Höhe iſt. Deſswegen ſcheint auch die
Sommerhitze dann am drückendſten, wenn der Him-
mel mit Gewölk bedeckt iſt, und die ſtrahlende
Wärme des Erdkörpers auf denſelben zurück gewor-
fen wird. Schon in den Problemen des Ariſtote-
les, in der 25ſten Section,Ariſtot. Opera omnia, Ed. Caſaub., T. II, p. 458. wird eine ganz ähnli-
che Erklärung dieſer Naturerſcheinung gegeben.
Die Dunſthülle, heiſst es daſelbſt, hindert die Wär-
me, von der Erde zu entweichen. Wenn man dieſe
Stelle mit einer andern ſehr merkwürdigen im er-
ſten Buche der MeteorologicaMeteorologica, l, 1, c. 3; l, c., p. 327. zuſammen hält,
ſo erkennt man, daſs der alles ahndende Stagirite
neben ſeiner Auflöſungstheorie auch recht deutliche
Begriffe von der Zerſtreuung ſtrahlender Wärme,
und von dem Einfluſſe der letztern auf die Höhe der
Wolkenſchichten hatte.
Die Entwickelung der genannten vier Urſachen:
(der Abſorption des Lichtes in den dichtern oder
dünnern Luftſchichten, des Aufſteigens der erwärm-
ten gasförmigen Flüſſigkeiten, der Mittheilung
durch Leitung, und der vom feſten Erdkörper aus-
gehenden ſtrahlenden Wärme,) erklärt zugleich
von ſelbſt, warum die Temperatur der Luft abneh-
men muſs, ſo wie man ſich von dem feſten planeta-
riſchen Kerne entfernt. Die Wärme entbindende
Lichtverſchluckung, (extinction de la lumière) ab-
gerechnet, ſind die übrigen Urſachen von der Art,
daſs man den von der Sonne erleuchteten Erdball
gleichſam ſelbſt als die Quelle der Wärme betrach-
ten kann. Je mehr man ſich alſo der Oberfläche
des Luftoceans nähert, (falls er anders begrenzt und
eine Oberfläche deſſelben wellenſchlagend vorhanden
iſt;) deſto mehr entfernt man ſich von dem Wär-
me-ſtrahlenden und Luftſtröme-erregenden Kerne.
Wärme und Feuchtigkeit nehmen in den obern Re-
gionen ab, dagegen nimmt die Intenſität der electri-
ſchen Spannung daſelbſt zu.
Das Geſetz der Wärmeabnahme in der Atmoſphä-
re iſt eins der wichtigſten phyſikaliſchen Probleme,
welches Sauſſüre zuerſt praktiſch zu unterſu-
B2
chen angefangen hat, das aber noch weit von ſeiner
vollſtändigen Auflöſung entfernt iſt. Dieſes Pro-
blem hat den auffallendſten Einfluſs, nicht bloſs
auf alle Betrachtungen über klimatiſche Verhält-
niſſe, über Geographie der Pflanzen und Kultur der-
ſelben, ſondern auch auf die Formeln barometri-
ſcher Höhenmeſſungen, und auf die ſchwierige Be-
rechnung der aſtronomiſchen Refractionen, wenn
die beobachteten Höhenwinkel der Geſtirne kleiner
als 10° ſind. Die Wärmeabnahme der Atmoſphäre
kann entweder in einer gewiſſen Zeitepoche, z. B.
an einem heitern Tage, betrachtet werden, oder
man beſtimmt ihr Geſetz nach dem Zuſtande der
mittlern jährlichen Temperatur ungleich erhabener
Luftſchichten. Die zweite Methode könnte ihrer
Natur nach allerdings intereſſantere und ſicherere
Reſultate, als die erſte geben, wenn die Orte der
Beobachtung nicht gar zu entfernt von einander
liegen, und die Erhitzung der Gebirgsebenen nicht
dabei einwirkt. Da man ſich aber auf aeroſtati-
ſchen Reiſen höher, als die höchſten Gebirge der
Erde, erheben kann; da wir ferner die mittlere
Temperatur, aus vielen täglichen Thermometer-
beobachtungen gezogen, von keinem höhern Orte,
als von dem Hoſpital des St. Gotthards, alſo aus
1065 Toiſen Höhe beſitzen; und da endlich die
höchſten von Menſchen fortwährend bewohnten Ge-
genden auf unſerm Erdkörper in Europa, (das Klo-
ſter auf dem groſsen St. Bernhard,) nur 1246 Toi-
ſen, und in Amerika, (die Meierei Antiſana,) 2110
Toiſen hoch liegen: – ſo wird die erſte Beobach-
tungsmethode auch dann noch wichtig bleiben,
wenn die wiſſenſchaftliche Menſchenkultur auf ho-
hen Gebirgen in irgend einem Lande beträchtlich
zunehmen ſollte.
Der unſterbliche Lambert hat in ſeiner Py-
rometrie, und früher noch in den Schriften unſrer
Akademie für das Jahr 1772, das Problem der Wär-
meabnahme theoretiſch unterſucht. Er ſetzt feſt,
daſs bis zur Höhe des Brockens 1° R. Wärmeabnah-
me zu 52 Toiſen, vom Brocken bis zur Höhe des
Aetna zu 70 Toiſen, und höher hinauf zu 84 Toi-
ſen Höhenunterſchied gehöre. Diejenigen, wel-
che dieſe Annahme beſtritten haben, ſcheinen zu
vergeſſen, daſs dieſer tiefſinnige Mathematiker
bloſs die Wirkung der ſtrahlenden Wärme, die er
das Aufſteigen des ſpecifiſch leichtern Wärmeſtoffs
nennt, in Anſchlag bringen wollte.
Sauſſüre zieht aus ſeinemſeinen in den ſchweizer
und italiäniſchen Gebirgen angeſtellten Beobachtun-
gen den Schluſs, daſs die Wärmeabnahme eine arith-
metiſche Progreſſion befolge, und daſs in der mitt-
lern Breite von 44 bis 46°, ein Höhenunterſchied
von 100 Toiſen im Sommer, und von 150 Toiſen
im Winter, eine Temperaturveränderung von ei-
nem Grade des Reaumür'ſchen Thermometers be-
gründe. Bei Sauſſüre's Beſteigung des Aetna im
Jahre 1773 fanden ſich 114t, bei der Reiſe nach
dem Gipfel des Montblanc aber nur 90t,8 für 1° R.
Das Geſetz der Wärmeabnahme im Winter iſt,
bei dem Mangel an genauen Beobachtungen, unſiche-
rer, als das Geſetz für den Sommer; doch ſcheinen
mehrere Erfahrungen zu lehren, daſs die Winter-
kälte der obern Luftregionen geringer iſt, als man
es nach der im Sommer bemerkten ſchnellen Wär-
meabnahme vermuthen ſollte. Wäre dieſe Vermin-
derung der Temperatur in allen Jahreſzeiten dieſel-
be, ſo müſste z. B. auf dem Kloſter des St. Bern-
hards das Thermometer jedes Mahl auf −20° her-
ab ſinken, wenn es an der Ebene auf −5° ſteht;
und doch ſind dieſe ſehr tiefen Thermometerſtände
auf hohen Bergen nicht ſehr häufig. Nur im Früh-
jahre, wenn der Schnee in den tiefen Thälern be-
reits geſchmolzen iſt, und noch die hohen Alpen-
gipfel bedeckt, iſt der Wärmeunterſchied zwiſchen
der Ebene und dem Gebirge ſo auffallend groſs, daſs
man dann ſtatt 150 Toiſen, bisweilen nur 10 bis
27 Toiſen Höhenunterſchied auf 1° R. rechnen
kann. Als ich mich im Monat Mai des verfloſſenen
Jahres mit Herrn Gay-Luſſac 5 Tage in dem
Hoſpice des Mont-Cenis aufhielt, um daſelbſt ei-
nige Verſuche über die magnetiſchen Schwingungen
und die chemiſche Beſchaffenheit der Bergluft anzu-
ſtellen, ſahen wir das Thermometer ununterbro-
chen 12 bis 15° tiefer, als in Lanslebourg, ob-
gleich der Ho¨henunterſchied beider Orte kaum 324
Toiſen beträgt. Die Wärmeabnahme muſs daher
im Winter nur in Zeiten gemeſſen werden, wenn
die tiefern Regionen noch mit Schnee bedeckt ſind.
Und zu einer ſolchen Zeit iſt ſie langſamer als im
Sommer, nicht bloſs, weil vielleicht die hohen
Schichten der Aequatorialluft dann ſchneller gegen
die Pole hinſtrömen, und unſre obere Atmoſphäre
erwärmen, ſondern auch, (und das iſt wohl der vor-
züglichſte Grund,) weil die Erdoberfläche in unſern
Klimaten von den ſchiefern Sonnenſtrahlen getrof-
fen, im Winter wenig erwärmte Luft, und faſt gar
keine ſtrahlende Wärme in die höhern Regionen
ſchickt. Der Temperaturunterſchied zwiſchen die-
ſen und den untern Luftſchichten iſt dann, eben deſs-
halb, geringer als im Sommer, indem dann die ganze
Atmoſphäre ſich dem Zuſtande des oben betrachteten
kernloſen Luftſphäroides naht. Der Erdball kann,
wo er in Schnee gehüllt iſt, nur wenig auf die na-
hen Luftſchichten wirken. Wo ihn Waſſer bedeckt,
oder wo er den Winter über, (wie im ſüdlichen
Europa,) ſchneelos bleibt, da iſt ſein wärmender
Einfluſs kein anderer, als der, welcher durch die,
jedem Planeten eigenthümliche Temperatur begrün-
det wird. Die langſamere Wärmeabnahme im Win-
ter läſst ſich daher aus theoretiſchen Gründen
leicht einſehen. Daſs die aſtronomiſche Strahlen-
brechung, ſelbſt nach Correction von Luftelaſtici-
tät und Temperatur, bei heitern Wintertagen
ſtärker als bei heitern Sommertagen gefunden wird,
iſt auch Folge dieſer langſamern Wärmeabnahme im
Winter. Wie viel dieſe letztere aber betrage, ob
Sauſſüre's Vermuthung von 150 Toiſen für 1°
R. richtig ſey, das müſſen erſt vervielfältigte Beob-
achtungen, beſonders aeroſtatiſche Winterreiſen auf-
klären.
Meine eignen Beobachtungen in heiſsen Klima-
ten weichen etwas von den Sauſſüre'ſchen Angaben
der Wärmeabnahme im Sommer ab, ſtimmen aber,
für ſich betrachtet, ſehr ſchön mit einander über-
ein. Die vortheilhafteſten Fälle ſind die, wenn man
ſich auf einem iſolirt ſtehenden Berge erhebt, und
wenn die Höhe ſelbſt ſo beträchtlich iſt, daſs ein
kleiner Fehler in dem bemerkten Unterſchiede der
Temperatur zweier Stationen den Quotienten we-
nig verändert. Sind die Berge von geringer Höhe,
z. B. nur 400 bis 500 Toiſen über dem Meere er-
haben, ſind die Oerter der correſpondirenden Beob-
achtungen ſehr entfernt, hat das Gebirge eine be-
trächtliche Maſſe oder gar auf ſeiner Kuppe eine
weite Ebene, in der die ſtrahlende Wärme wirkſam
wird; ſo iſt dem Verſuche wenig zu trauen. Eben
wegen dieſer lokalen Schwierigkeit kann ich, trotz
meiner vielen Reiſen in der Andeskette und an-
dern hohen Gebirgen, doch nur eine geringe Zahl
von Beobachtungen auswählen, die zu ſichern Re-
ſultaten führen.
[Herr von Humboldt theilt dieſe Beobach-
tungen in allem dem Detail mit, welches zur Beur-
theilung des Reſultats in jedem einzelnen Falle zu
wiſſen nöthig iſt. Jeden ſtörenden Einfluſs, Wind,
Wärmeſtrahlung, Seeluft und andere, zieht er, ſo
weit ſie ſich beobachten lieſsen, ſorgfältig zu Rathe,
und hierdurch wird dieſer Auszug aus ſeinen Beob-
achtungsregiſtern nicht wenig belehrend. Als ein
Beiſpiel der Behandlung mag hier eine einzige ſei-
ner Beobachtungen ſtehen, nämlich die auf der ho-
hen Bergſpitze bei Caraccas an der Nordküſte des
ſüdlichen Amerika. G.]
Den 1ſten Januar 1800 beſtiegen wir, Herr
Bonpland und ich, den groſsen Sattelberg von
Caraccas, la Silla oder Cerro de Avila ge-
nannt; ein ungeheures Glimmerſchiefergebirge,
welches den Seefahrern in 30 bis 35 Seemeilen Ent-
fernung, die nördlichen Küſten von Südamerika,
und die Lage des Hafens von La Guayra kennt-
lich macht. Auſser der mit ewigem Schnee bedeck-
ten Sierra de Santa Martha, öſtlich von
Carthagena de Indias, giebt es an der ganzen Küſte
der Terra Firma kein höheres Gebirge als die Silla.
Das Thermometer, nahe an dem berufenen fürch-
terlichen Abſturze gegen Caravalleda, (einem faſt
ſenkrechten Abgrunde von 9800 Fuſs,) zeigte 11° R.
In der Guayra, am Meeresufer, war, nach der Be-
ſtimmung des Don Joſeph Herera, die gleichzeitige
Temperatur 22°. Höhe des Bergs nach meiner ba-
rometriſchen Meſſung, (die trigonometriſche habe
ich noch nicht Zeit gehabt zu berechnen,) wenig-
ſtens 1336 Toiſen. Alſo Wärmeabnahme 121t,4
auf 1° R. Wind, Nordoſt, vom nahen Meere her;
alſo ſehr erkältete Luftſchichten zuführend. Das
Reſultat ſcheint zu beſtätigen, was ſo eben von der
Wirkung des wenig Wärme-ſtrahlenden Oceans be-
merkt wurde. Die Wärmeabnahme muſs etwas be-
ſchleunigt ſcheinen, wenn man die tiefe oder un-
tere Landluft mit hoher Seeluft vergleicht. Doch
iſt das Reſultat nur um 3 Toiſen von meiner Beob-
achtung auf dem Pic von Teneriffa verſchieden.
Breite der Silla de Caraccas 10° 37′ nördlich. –
Mit dieſer Wärmeabnahme von 121 Toiſen auf 1° R.
ſtimmt ziemlich genau eine Beobachtung überein,
welche ich auf einer Fuſsreiſe von Caraccas nach
dem Hafen La Guayra gemacht habe. Ich erſtieg
das Fort de la Cuchilla, welches faſt in der
Höhe der ſchleſiſchen Schneekoppe, am Gebirge
Avila, zur Beſchützung der Stadt Caraccas ange-
legt iſt. Höhe 766 Toiſen. Abends, Thermome-
terſtand 15°,2; unten an der Küſte 22°. Seewind.
Wärmeabnahme 114,1 Toiſen. – Berechnet man
die Wärmeabnahme auf der Silla nicht nach Gegen-
beobachtungen in der Ebene, ſondern nach den in
dem Thale von Caraccas angeſtellten, (welches
ſchon 435 Toiſen über der Meeresfläche erhaben
iſt,) ſo erhält man ein gar zu kleines Reſultat. Wir
werden in der Folge ſehen, daſs auch in der Andes-
kette die Wärmeabnahme ſtets ſchneller erſcheint,
wenn man die Luftſchichten hoher Gebirgsebenen
mit denen der Berggipfel vergleicht. Dieſe Gebirgs-
ebenen oder engen Thäler, wie das von Caraccas,
erhitzen ſich nämlich um Mittag, und ihre Tem-
peratur iſt dann in einem Theile des Tages höher,
als ſie nach der ſenkrechten Höhe des Orts ſeyn
ſollte. In der Stadt Caraccas ſtand das Thermome-
ter auf 19°, während es auf der Silla 11° zeigte.
Hieraus folgt eine Wärmeabnahme von 112,6 Toi-
ſen auf 1° R. ſtatt 121 Toiſen, welche dieſelbe Be-
obachtung gab, wenn man ſie mit der in der Ebene
des Meeres bemerkten Temperatur verglich, und
ſtatt 118 Toiſen, welche meine Beobachtungen auf
dem Pic de Teyde gaben. – – –
[In der folgenden Tafel ſind alle Beobachtungen
des Herrn von Humboldt, [ſammt ein Paar
fremden,] welche er für zuverläſſig anerkennt,
und die Reſultate, auf die ſie führen, zuſammen
geſtellt. Ich habe in den Anmerkungen einige der
Hauptumſtände aus dem hier übergangenen Detail
der Beobachtungen, welches zum Verſtändniſſe
und zur Beurtheilung derſelben nöthig iſt, hinzu
gefügt. G.]
Name der Orte. | Geographiſche
Breite. | Höhe
über
dem
Meere. | Thermometerſt. | Wärme-
unterſchied. | Wärmeabnah-
me oder Hö-
henverände-
rung für 1° R.
Wärme. | Beobachter. |
oben. | im Niv.Niveau
des
Meers. |
Pic von Teneriffa | 28° 17′ n. | 1901t | 2°,2 R. | 18°,3 R. | 16°,1 R | 118t,3 | Ht. Jun. 22. 1799Vergl. Annalen, XVI, 394, und IV, 144) Der
Wind war weſtlich, führte alſo keine erhitzte Luft
der nahen afrikaniſchen Wüſten herbei, wie das
der Fall war, als Labillardiere den 17ten Oct.
1791 am Rande des Kraters bei Südſüdoſtwind,
das Thermometer auf 15° und kaum 7°,5 niedriger
als in Santa Cruz ſtehen ſah. Beobachtungen in Santa
Cruz geben die Wärmeabnahme um 21 Toiſen klei-
ner, weil hier das Thermometer wegen der Nähe
wärmeſtrahlender Felsmaſſen immer 3 bis 4° höher
als in der Orotava im Niveau des Meeres ſteht. G. |
9,3 | 24°,5 | 15,2 | 125,3 | Lamanon Aug. 24. 1785 |
Cofre de Perote | 19 29 n. | 2066 | 1,7 | 19,4 | 17,7 | 116,3 | Ht. Febr. 7. 1804Dieſe beiden mexikaniſchen Beobachtungen er-
klärt Hr. von Humboldt für vorzüglich ſicher,
da ſie auf ſchroffen thurmähnlichen Bergen ange-
ſtellt wurden, und die verglichenen Luftſchichten
faſt ſenkrecht über einander lagen. Ein heftiger
nördlicher Seewind erniedrigte bei der erſten die
Temperatur der obern Luftſchicht ein wenig. G. |
Nevada de Toluca | 19 6 n. | 2364 | 3,5 | 22 | 18,5 | 127,8 | Ht. Sept. 29. 1803 |
Silla de Caraccas | 10 37 n. | 1336 | 11 | 22 | 11 | 121,4 | Ht. Jan. 1. 1801 |
Fuerta de la Cuchilla | 10 33 n. | 776 | 15,2 | 22 | 6,8 | 114,1 | Ht. |
Guadaloupe | 4 36 n. | 1646 | 8,5 | 22 | 12 | 137* | Ht. Jul. 25. 1801Zwei berühmte Wallfahrtskapellen auf der ſteilen
Felswand der Andeskette, öſtlich von St. Fé de
Bogota. Die Thermometerſtände in der Ebene des
Meeres beruhen auf der Erfahrung, daſs ſie um die-
ſe Jahrszeit ſich dort um keine 2° ändern. G. |
Montſerrate | 4 36 n. | 1692 | 10 | 22 | 13,5 | 124,6 | Ht. Aug. 15. 1801 |
Gipfel des Pichincha | 0 14 ſ. | 2415 | 3 | 22 | 19 | 130,9 | Ht. Apr. 14. 1802Beide Gipfel ſtehen am weſtlichen Rande der An-
deskette, auf dem lang geſtreckten mit einzelnen
grotesken Klippen beſetzten Gebirgsrücken des Pi-
chincha, am ſchauderhaft jähen Abſturze nach den
Ebenen an der Südſee. Der höchſte Gipfel, (Ru-
cu-Pichincha,) enthält den Krater. Beide Tage
waren überaus heiter und ſchön. Bei der mit einem
* bezeichneten Beobachtung bemerkt Herr von
Humboldt, daſs in dieſer Zone damahls ein Irr-
thum von 6° F., (2⅔° R.,) in der [bloſs geſchloſ-
ſenen?] Temperatur an der Meeresküſte wohl mög-
lich geweſen ſey; ein ſolcher Irrthum würde aber
doch nur 16 Toiſen Unterſchied im Reſultate be-
wirkt haben. G. |
2488 | 4,1 | 22 | 17,9 | 139* | Ht. Mai 28. 1802 |
Chimboraço | 1 28 ſ. | 3012 | −1,3 | 23,3 | 23,3 | 129,3 | Ht. Jun. 23. 1802(Vergl. Annalen, XVI, 469.) Zu Calpi, einem in-
dianiſchen Dorfe in einer weiten Gebirgsebene am
Fuſse des Koloſſes, 1630t über dem Meere, ſtand
zu gleicher Zeit das Thermometer auf 12°; ein Be-
weis, daſs dieſe Ebene eine höhere Temperatur
annahm, als ihr nach ihrer Lage zukam. Der Tag
war neblig. G. |
[Über Paris | 48 50 n. | 3580 | −7,6 | 24,5 | 32,1 | 111,5 | Gay-Luſſac Sept. 16. 1804] |
üb. P. | [ | 22,2 | 29,8 | 120,1] |
i. P. |
[Aetna | 38 n. | 1713 | +3,5 | 18,5 | 15 | 114 | Sauſſure Jun. 5, 1773] |
[Das Mittel mit Ausſchluſs der beiden * iſt 121,1] |
– – Die Reſultate aller dieſer Beobachtun-
gen, welche ich, [ſagt Herr von Humboldt,]
zwiſchen den Wendekreiſen angeſtellt habe, ſchwan-
ken zwiſchen 114 und 130 Toiſen; und beweiſen
alſo, daſs man ſich dort um ungefähr 122 Toiſen
erheben muſs, um die Temperatur um einen Grad
des Reaumür'ſchen Thermometers verändert zu
ſehen. Da in den Tropenländern ein regelmäſsiger
Wind, der der Erdrotation, oder der Paſſatwind
herrſcht, und da alle Wetterveränderungen daſelbſt
innerhalb ſehr enger Gränzen eingeſchloſſen ſind,
ſo darf man ſich nicht über die groſse Uebereinſtim-
mung wundern, welche die Beobachtung bei ſo un-
gleich hohen Luftſäulen, von 800 bis 3000t giebt.
Den Text der Anmerkung 4) siehe S. 28/29.
Den Text der Anmerkung 5) siehe S. 28/29.
Im Sommer, beſonders 2 bis 3 Stunden nach
der Culmination der Sonne, wenn an heitern Ta-
gen die aufſteigende warme Luft die obern Schich-
ten der Atmoſphäre gleichmäſsig erwärmt hat,
ſcheint die Wärmeabnahme in unſrer gemäſsigten
Zone, in der mittlern Breite von 45 bis 50°, daſ-
ſelbe Geſetz als unter dem Aequator zu befolgen.
Die groſse aeroſtatiſche Reiſe meines Freundes,
Herrn Gay-Luſſac, welche über die magneti-
ſchen Phänomene und die chemiſche Beſchaffenheit
der hohen Luftregionen ſo vieles Licht verbreitet,
hat uns auch die wichtigſten Reſultate über die Ab-
nahme der Temperatur in der Atmoſphäre geliefert.
Als dieſer eben ſo erfahrne als genaue BeobachterAnnales de Chimie, t. 52, p. 75; und dieſe Anna-
len der Phyſik, B. XX, S. 19.
am 16ten Sept. 1804 ſich über Paris zu der unge-
heuern Höhe von 3580 Toiſen, (3600t über dem
Meere,) alſo faſt 2000 Fuſs höher als der Gipfel
des Chimboraço, erhob, traf er daſelbſt Luftſchich-
ten an, in welchen eine Winterkälte von 7°,6 R.
unter dem Gefrierpunkte herrſchte, während wir
zu Paris die übermäſsige Hitze von 24°,5 R. erlitten.
Der Wärmeunterſchied betrug hiernach 32°,1 R.,
und die Wärmeabnahme 111t,5 auf 1° R., alſo nur
6t,8 weniger als die, welche ich auf dem Pic von Te-
neriffa beobachtet habe. Betrachtet man aber die
Luftſäule, welche Herr Gay-Luſſac durchlief,
als aus zwei ungleichen Theilen beſtehend, ſo er-
giebt ſich, daſs von der Ebene an bis zu der Höhe
von 1900t, alſo bis zur Höhe des Pic von Tene-
riffa, die Wärmeabnahme volle 123t auf 1° R. be-
trug, daſs aber von dieſer Höhe bis über den Gipfel
des Chimboraço hinaus oder bis 3600t, die Wärme-
abnahme ſo ſchnell war, daſs 91t zu 1° veränderter
Temperatur gehörten.Als Herr Gay-Luſſac in ſeinem Aeroſtate die
Erde um 9U. 40′ Morgens verlieſs, ſtand das Cente-
ſimalthermometer auf 27¾°, (Annalen, XX, 23,
26,) und war, als er ſich um 3U. 11′ Nachmittags
in der gröſsten Höhe, 3580t über Paris befand, in
Paris bis 30¾° geſtiegen, (daſ., S. 27, wo man
Zeile 5 ſtatt nicht merklich, nicht bedeutend, und
Zeile 11 ſtatt 3½°, 3° leſe; und S. 28, wo man in
Zeile 15 die Worte: bei meiner Abfahrt, wegſtrei-
che.) In jener gröſsten Höhe ſtand es auf −9½°.
Nach der Reaumür'ſchen Scale betragen dieſe
Thermometerſtände 22°,2; 24°,5; −7°,6; aus den
beiden letzten folgt die obige Wärmeabnahme 111t,5
für 1° R. – In 1894t Höhe über Paris ſtand bei
dem Anſteigen das Thermometer auf 6°,8 R.; und
dieſem Sinken um 15°,4 R. entſpricht eine Höhe
von 123t für jeden Grad Reaum. Wärmeabnahme.
Die Urſachen, welche die Temperatur der Luft an
der Erdfläche von 10 bis 3 Uhr allmählig um 2°,3 R.
erhöhten, wirkten ſchwerlich in ſo kurzer Zeit bis
zu einer Höhe von 3580t merklich erwärmend in
der Atmoſphäre hinauf. Sollte daher die Tempera-
tur hier nicht auch um 10 Uhr wie um 3 Uhr nahe
−7°,6 R. betragen haben? und ſollte dieſe Vormit-
tagsſtunde, wo die Temperatur der mittlern des
Tageſ
Dieſe
Dieſe Beſchleunigung der Wärmeabnahme in
den hohen Luftſchichten iſt der von Lambert
in der Pyrometrie aufgeſtellten und ſchon von
Sauſſure angegriffenen, allerdings etwas ein-
ſeitigen Theorie entgegen. Sie erklärt ſich aber
keinesweges aus dem Einfluſſe der Wärme-ſtrahlen-
den und warme Luft aufwärts ſendenden Erdfläche.
Wo dieſer Einfluſs im Aufhören iſt, d. h., ein Un-
endlichkleines wird, wo die Wärme des Luftkrei-
ſes gröſsten Theils nur noch von der Lichtverſchlu-
ckung (extinction de la lumière) abzuhängen beginnt,
da ſcheint die Kälte der Luftſchichten langſamer
Tages näher kam, nicht ſchicklicher, als die Stun-
de der gröſsten Hitze, zur Beſtimmung der Wär-
meabnahme in der Atmoſphäre geweſen ſeyn? In
dieſem Falle würden die Beobachtungen des Herrn
Gay-Luſſac für die Region von 1893 bis 3580t die
Wärmeabnahme zu 117t auf 1° R., alſo nahe die-
ſelbe als für die untern 1900t gehen. Die Wär-
meabnahme in der ganzen Luftſäule von der Er-
de ab gerechnet, fände ſich dann zu 120t,1 auf
1° R., ganz übereinſtimmend mit dem, was Hr.
von Humboldt aus ſeinen Beobachtungen in
Amerika folgert, und daſs ſie um 3 Uhr Nachmit-
tags ſich etwas kleiner zeigte, würde für einen
Beweis mehr des Einfluſſes zu nehmen ſeyn,
welchen erwärmte Ebenen auf die Beſtimmung
der Wärmeabnahme haben. (Vergl. S. 35 unten,
und S. 44 unten.) Folgende Thermometerſtän-
de, welche Herr Gay-Luſſac heraus hebt,
4°,2, 0°,4 R. in 2566t, 2912t Höhe, und 0°,
−7°,6 R. in 2889t, 3580t Höhe, geben zwar eine
Annal. d. Phyſik. B. 24. St.1. J.1806. St.9 C
zuzunehmen, ja dieſe Zunahme der Luftdünne pro-
portional ſeyn zu müſſen. Ehe man eine Beſchleu-
nigung der Wärmeabnahme in den höchſten Re-
gionen der Atmoſphäre annehmen darf, muſs die-
ſelbe durch mehrere übereinſtimmende Beobach-
tungen begründet werden. Denn die Luftreiſen,
welche von genauen und gelehrten Beobachtern
angeſtellt worden ſind, die eines Charles, Guy-
ton, Biot und Gay-Luſſac, lehren, daſs bis
zur Höhe des Aetna die Temperatur der Luft-
ganz gleiche Wärmeabnahme für dieſe hohen
Luftregionen, erſtere von 91t,1, letztere von 91t
für 1° R.; allein dieſes Zuſammentreffen könnte
doch nur zufällig ſeyn. Hebt man andere Beob-
achtungen aus, ſo erhält man bedeutend ver-
ſchiedene Zahlen. Mit zunehmender Höhe beim
Auffluge ſtieg die Temperatur ein paar Mahl,
ſtatt zu ſinken, und nicht immer fand Herr
Gay-Luſſac in gleicher Höhe gleiche Ther-
mometerſtände. Er ſchreibt dieſes dem Zurück-
bleiben des Thermometers hinter der Tempera-
tur der Luft zu; da aber doch kalte oder warme
Luftſtröme eben ſo gut Antheil daran haben
könnten, wie dieſes weiterhin Herr von Hum-
boldt bemerkt, ſo müſste, dünkt mich, wenig-
ſtens die Richtung des Windes in den verſchiede-
nen Stationen genau beobachtet worden ſeyn,
ehe wir aus Thermometerſtänden in Höhen, die
vielleicht noch in den Regionen ſolcher Strö-
mungen ſind, und nur wenig von einander ab-
ſtehn, einiger Maſsen zuverläſſige Schlüſſe über
das Geſetz der Wärmeabnahme ziehen kön-
nen. Gilb.
ſchichten in unſerm europäiſchen Klima, (der Win-
de und anderer zufälligen Urſachen wegen,) ſehr
unregelmäſsig ſcheinenden Veränderungen ausge-
ſetzt iſt. Je höher man ſich aber hinauf ſchwingt,
deſto mehr hören die Urſachen dieſer Anomalieen
auf.
Wenn man übrigens aus meinen eignen Be-
obachtungen, die ich zwiſchen den Wendekreiſen
angeſtellt habe, auf eine analoge Beſchleunigung
der Wärmeabnahme in groſser Entfernung von der
Meeresfläche ſchlieſsen wollte, ſo würde man ſich
durch Nichtbeobachtung der Localverhältniſſe zu
einem Fehlſchluſſe verleiten laſſen. Allerdings
finde ich bei der Beſteigung des Chimboraço 119
Toiſen für 1° R., wenn ich die ganze Luftſäule von
18072 Fuſs als ein Ganzes betrachte. Theile ich
ſie hingegen in zwei Theile, ſo finde ich für die
erſten 9780 Fuſs von der Meeresfläche bis zum in-
dianiſchen Dorfe Calpi, 166 Toiſen, und von Cal-
pi bis zu unſerm höchſten Standpunkte am Bergrü-
cken, (alſo in den letzten 8292 Fuſs,) 103 Toiſen
für 1° R. Wärmeabnahme. Aehnliche Verſchie-
denheiten gaben die Beobachtungen auf der Silla
de Caraccas, in den Kapellen bei Santa Fé, und
auf dem Vulkan von Toluca, je nachdem man ſie
über der Meeresfläche, oder über den Thälern von
Caraccas, von S. Fé de Bogota und von Toluca
berechnet. In allen dieſen Fällen entſteht der
Schein einer Beſchleunigung der Wärmeabnahme
offenbar nur aus dem Umſtande, daſs die Thäler, in
C 2
denen Calpi, Caraccas, S. Fé und Toluca liegen,
weit gedehnte ſölige Ebenen ſind, welche ſich ſtär-
ker erhitzen, als der ſteile Abhang eines Gebirges,
oder als Luftſchichten, welche, ſtatt einen her-
vor ragenden Theil der Erdfläche unmittelbar zu
berühren, auf andern Luftſchichten ruhn. Da
die hohen amerikaniſchen Gebirgsketten der pe-
ruaniſchen und mexikaniſchen Andes bis zur Hö-
he des St. Gotthards eine ungeheure Maſſe haben,
da ſie bis zu dieſer Höhe Flächen von 120 geogr.
Quadratmeilen bilden, ſo iſt bis zu der bewohnten
Höhe der Andes die Wärmeabnahme langſam, dann
aber plötzlich ſchneller, in der 1800 bis 2000 Toi-
ſen hohen Bergſchicht, wo die Gebirgsmaſſe ab-
nimmt, und kegelförmige Gipfel ſich auf einer
breiten Grundfläche iſolirt erheben. Dieſer Um-
ſtand erklärt die mittlern Temperaturen, welche,
wie ſie aus wirklichen Beobachtungen gefolgert
werden, in meinem Naturgemählde der Tropenwelt
auf einer Thermometerſcale aufgezeichnet ſind.
Pflanzen heiſser Erdſtriche ſteigen da am höchſten
imin dem Gebirge aufwärts, wo die Maſſe der An-
deskette am gröſsten iſt. Villar hat längſt
ähnliche Bemerkungen über die Geographie der
Alpenpflanzen in der DauphinéSauſſure Voyage dans les Alpes, §. 936. gemacht.
In einer Abhandlung, welche ich zu Paris in
der Sitzung der erſten Klaſſe des Nationalinſtituts
am 26ſten Novbr. 1804 vorgeleſen, habe ich be-
reits entwickelt, wie über die Höhe des Montblanc
hinaus, alſo in einer Region, wo der Einfluſs der
ſtrahlenden Wärme ſehr geringe iſt, im Sommer in
49° nördlicher Breite, und unter dem Aequator,
gleich kalte Luftſchichten in einerlei Höhe lie-
gen. Die Vergleichung von Herrn Gay-Luſ-
ſac's Beobachtungen auf ſeiner groſsen Luftfahrt,
und den meinigen am Chimboraço, gaben dieſes
auffallende Reſultat:
Höhe | Temperaturen |
| am Chimboraço | über Paris |
2440t | +5°,2 R. | +5°,8 R. | +6°,6 R.Da die Höhen über Paris in Hrn. Gay-Luſ-
ſac's Tabelle (Ann., XX, 26,) um 20 Toiſen klei-
ner ſind, als die Höhen über dem Meere, ſo
finde ich durch Interpolation zwiſchen den Zah-
len dieſer Tabelle die Thermometerſtände über
Paris, welche zu den in der erſten Columne an-
gegebenen Höhen über dem Meere gehören, et-
was anders, als ſie in der dritten Columne ſtehn,
und zwar ſo, wie ich ſie in der eingeklammerten
Columne daneben geſetzt habe. Man ſieht, daſs
dieſe Temperaturen noch genauer, als jene, mit
denen am Chimboraço in den höhern Regionen
harmoniren. Sie ſind, die erſten aus Zeile 9; die
zweite aus Zeile 11 und 12; die dritte aus Zeile
14; die vierte aus Zeile 19 und 20 der Gay-
Luſſac'ſchen Tabelle abgeleitet. Gilb. |
| | | 5,6 |
2850 | 2,3 | 1,6 | 2,0 |
3012 | −1,3 | −2,0 | −1,2 |
Die Unterſchiede betragen nicht mehr als 0°,7.
Auch herrſchte damals in den Ebenen des nördli-
chen Frankreichs eine Hitze, welche der Tempera-
tur der Tropenländer gleich war.
Bis hierher haben wir zwei Mittel unterſucht,
das Geſetz der abnehmenden Wärme kennen zu
lernen. Bergreiſen und Luftfahrten geben Reſulta-
te, welche mehr überein ſtimmen, als man wegen
des Spiels der horizontalen und ſenkrechten Win-
de erwarten ſollte. Drei andere nicht gleich zu-
verläſſige Mittel ſind: die Jahre lang beobachtete
mittlere Lufttemperatur; die Wärme der Quellen;
und die Wärme der unterirdiſchen Höhlen, welche
letztere man etwas gewagt die Wärme des Erdkör-
pers zu nennen pflegt.
Herr von Humboldt bemerkt über das er-
ſte dieſer Mittel, daſs es immer nur von geringerm
Werthe für die Beſtimmung des Geſetzes der Wär-
meabnahme in der Atmoſphäre bleiben werde, es ſey
denn, es lieſsen ſich auf der Höhe des Montblanc,
des Pic von Teneriffa und des Aetna phyſikaliſche
Obſervatoria, und zwar, um ſtationären Luftbällen
zu gleichen, auf ſpitzen Kegelbergen oder an ſenk-
rechten Abſtürzen bauen, und in ihnen täglich cor-
reſpondirende Beobachtungen über Horizontal-Re-
fraction, Luftfeuchtigkeit, electriſche Tenſion,
Elaſticität und Temperatur der Atmoſphäre anſtel-
len. In Europa ſind indeſs die höchſten Punkte,
die fortwährend bewohnt werden, die Hoſpice am
St. Gotthards- und am St. Bernhards-Paſs, nur in
6390 und 7476 Fuſs Höhe. In Amerika haben
ſich zwar ſeit den älteſten Zeiten die Menſchen noch
bedeutend höher angeſiedelt; peruaniſche Städte,
wie Mincuipampa und Huancavelica, liegen in 1900t
Höhe, und Menſchenwohnungen erheben ſich
ſelbſt bis 12610 Fuſs, alſo vier Mahl höher als die
groſsen, aber lichten Wolken, welche im Sommer
über unſerm Scheitel hinziehen; auch werden im
ſpaniſchen Amerika, wo ſeit La Condamine's
Reiſe Liebe zu phyſikaliſchen Wiſſenſchaften mehr
verbreitet iſt, als man in Europa ſelbſtgefällig zu
glauben wünſcht, tägliche Thermometerbeobach-
tungen ziemlich regelmäſsig in 8 bis 9000 Fuſs Hö-
he angeſtellt. Allein die Orte, deren mittlere Tem-
peratur mit einander verglichen werden ſoll, lie-
gen zu weit von einander; iſt ihre Höhe über der
Meeresfläche unter 3000 Fuſs, ſo verurſacht die
zufällige Variation um 1° R. ſchon eine übermä-
ſsige Verſchiedenheit in dem Reſultate; und wie
ſoll man unter den verwickelten, die Temperatur
beſtimmenden localen Urſachen den Einfluſs der
Höhe erkennen, und was der ſenkrechten Höhe
über dem Meere allein zuzuſchreiben iſt, beſtim-
men? Faſt alle hoch gelegene Städte und Dörfer
in Amerika und Europa ſind in engen Gebirgsthä-
lern und auf unermeſslich weiten, durch ehemahli-
gen Waſſerſtand geebneten Gebirgskuppen ange-
baut, die ſich ſtark erhitzen, und je nachdem man
die mittlere Temperatur dieſer hohen Gebirgsebe-
nen mit der der Küſten, oder mit den noch hö-
hern Gebirgsſpitzen vergleicht, erhält man ſehr ver-
ſchiedene Beſtimmungen für die Wärmeabnahme.
Ich wähle, ſagt Hr. von Humboldt, um dieſen
Gegenſtand genauer zu unterſuchen, vier Städte,
deren mittlere Temperatur und Höhe über der
Meeresfläche bekannt ſind: Quito, Santa Fé de Bo-
gota, Popayan und Mexiko.
Es kömmt zuerſt darauf an, den mittlern Wär-
megehalt der Tropenregion in der Ebene des Mee-
res feſt zu ſetzen. Wenn ich meine eignen fünfjäh-
rigen Beobachtungen mit denen vergleiche, wel-
che Cotte in ſeinem klaſſiſchen Werke: Mémoires
de Meteorologie, vereinigt hat, ſo ſcheint es entſchie-
den, daſs vom Aequator bis 60° nördl. Breite das
Thermometer zu einer gleich groſsen Höhe ſteigt;
daſs die auſserordentlich hohen Thermometerſtän-
de in den gemäſsigten Klimaten häufiger als zwi-
ſchen den Tropen ſind; und daſs, (wenn man in der
Sonne, oder mit Licht-abſorbirenden, gleichſam
photoſkopiſchen Thermometern, oder von wenig
genauen Beobachtern angeſtellte Verſuche aus-
ſchlieſst,) das Tropenklima im Innern von Aſien,
Afrika und Amerika gleich heiſs iſt. Seitdem die
Reiſenden mit Queckſilberthermometern verſehen
ſind, und im Schatten, auſserhalb des Reflexes von
Gebäuden und Felswänden beobachten, verſchwin-
den nach und nach die Angaben von 33 bis 36° R.
Tropenwärme, ob man gleich noch Thermometer-
ſcalen ſieht, auf denen 50 und 60° ſyriſcherAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unter [http://pom.bbaw.de/avh/](http://pom.bbaw.de/avh/), abgerufen am 04.06.2015, war: content="Syrien" und ſene-
gal'ſcherAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unter [http://pom.bbaw.de/avh/](http://pom.bbaw.de/avh/), abgerufen am 04.06.2015, war: content="Senegal" Hitze angedeutet ſind. Nach Cotte fällt
die mittlere Temperatur der Länder zwiſchen den
Wendekreiſen zwiſchen 21° und 22°,7 R. La Con-
damine beſtimmt ſie für die Ufer der Südſee nur
auf 20°. Allerdings iſt die ſüdliche Hemiſphäre un-
ſers Erdballs etwas kühler, oder vielmehr gleich-
mäſsig milder, als die nördliche. Doch liegt die-
ſer Unterſchied mehr in den Extremen, als in der
mittlern Wärme. Die Länder ſüdlich vom Aequa-
tor, beſonders die der gemäſsigten ſüdlichen Zone,
ſind wegen der groſsen Waſſermenge der ſüdlichen
Halbkugel weder ſo übermäſsig kalt, noch ſo
übermäſsig warm, als die nördlichen Regionen der
Erde unter gleichen Breiten. Nach meinen Beob-
achtungen zu Guayaquil, einem Hafen an der Südſee,
ſcheint die mittlere Temperatur dieſer Küſtenlän-
der gegen 21°,3 zu betragen. Natürlich muſs hier-
von der Erdſtrich zwiſchen Amotape und Coquim-
bo ausgeſchloſſen werden, der weſtlichſte und ſan-
dige Theil von Peru, in dem es nie regnet und
donnert, und in welchem fünfmonatliche Verhül-
lung der Sonne durch dicke Nebel eine dort em-
pfindliche Kälte von 9 bis 10° R. erregt.Im Jahre 1801 ſank an den kälteſten Tagen in
Lima, den 28. Julius, den 30. Auguſt und den 27.
September, das Thermometer auf 11° herab.
Die wärmſten Tage waren der 25. Febr. und 25.
März zu 22° R. Die mittlere Temperatur von
Lima ſcheint gegen 17°, alſo 4° weniger zu ſeyn,
als an der Küſte gelegenen Orten dieſer geogr.
Breite zukömmt. In
Cumana, (10° 27′ 37″; ſ. Breite,) einem wegen ſeiner
übermäſsigen Hitze weit berufenen Orte, wo ich
theils ſelbſt beobachtete, theils mit meinen Inſtru-
menten während der Orinoco-Reiſe ſorgfältigſt be-
obachten lieſs, iſt die mittlere jährliche Wärme
22°,2. In Vera Cruz, wo ich ein Tableau von
21000 Beobachtungen des Don Bernardo de Ortavermutlich Bernardo Orta: um 1804 Hafenkapitän in Veracruz
durchſuchte, finde ich die mittlere Temperatur zu
20°,3. Die Breite des nahen amerikaniſchen Con-
tinents und Nordſtürme vermindern dort im Win-
ter die Wärme des Klima. Auch liegt dieſer Ha-
fen ſchon den Wendekreiſen nahe, unter 19° 12′
nördl. Breite. Dieſelben Urſachen bringen die
mittlere Wärme der Havanna, über die ich vierjäh-
rige Beobachtungen bekannt machen werde, auf
18° R. herab; ja man ſieht dort, unter 23° 9′ nördl.
Breite, an Orten, die nur 240 Fuſs über das Meer
erhaben ſind, das Thermometer manchmahl auf
dem Gefrierpunkte.
Ein vortreffliches Mittel, die mittlere Tem-
peratur der TropenregionAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unter [http://pom.bbaw.de/avh/](http://pom.bbaw.de/avh/), abgerufen am 04.06.2015, war: content="Tropenregion". Weitere Vorkommen von "Tropen" bzw. "Tropenregion" wurden im Text nicht ausgezeichnet. kennen zu lernen, bie-
tet die Oberfläche des Oceans dar, nämlich da, wo
ſeine Wärme weder durch Untiefen noch durch
Strömungen modificirt iſt. Ich arbeite an einer
Karte über die Temperatur der Meere, zu der
ich auſser meinen eignen Verſuchen eine Men-
ge von Beobachtungen benutze, welche ſpani-
ſcheAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unter [http://pom.bbaw.de/avh/](http://pom.bbaw.de/avh/), abgerufen am 04.06.2015, war: content="Spanien" Seeofficiere auf meine Bitte in der ſüdlichen
Halbkugel angeſtellt haben, und noch anſtellen.
Nicht bloſs der bekannte, von Franklin, Wil-
liams und Pownall unterſuchte Golf-Strom,
welcher die warmen Waſſer des mexikaniſchen
Meerbuſens über die Bank von Neufoundland führt,
ſondern auch ein Strom kalter Gewäſſer, den wir
in der Südſee gefunden haben, ſoll darauf verzeich-
net werden; ein Strom, welcher an der Küſte von
Chili und Peru hinflieſst, und ſich beim Cap Pariña
gegen Weſten wendet. Auſserhalb dieſer Strö-
mungen finde ich das Meer in der dem Aequator
nahen Zone zwiſchen 20°,6 und 22°,5.
Das Endreſultat aller dieſer Beobachtungen
iſt, daſs man die mittlere Wärme der Ebene des
Meeres zwiſchen den Parallelen 10° nördlich und
ſüdlich von der Linie, auf 21°,5 und zwiſchen
10° und den Wendekreiſen auf 20°,8 anſchlagen
kann. Kirwan's Annahme von 23° für den Ae-
quatorPhyſ. chem. Schriften, nach Crell's Ueberſetzung,
B. 3, S. 132. iſt demnach zu hoch.
Mit ihr vergleicht nun Hr. von Hum-
boldt die mittlern Temperaturen der oben ge-
nannten in groſsen und hohen Gebirgsebenen gele-
genen Städte. Die Höhe der Stadt Quito, (0°,13′
17″; ſ. Br.,) iſt nicht, wie ſie La Condamine und
Bouguer bei Berechnung der Berghöhen anneh-
men, 1462t, ſondern barometriſch gemeſſen und
nach La Place's Formel berechnet 1500t. Das
Thermometer ſah Hr. von Humboldt bei ſeinem
ſechsmonatlichen Aufenthalte daſelbſt oft den gan-
zen Morgen über zwiſchen 5° und 9° R. Beſon-
ders ſeit dem fürchterlichen landverheerenden Erd-
beben von 1797 iſt das ganze Klima der Gegend
merklich kälter geworden, als es zu La Conda-
mine's Zeiten war. Die mittlere Temperatur,
die er, doch, wie es ſcheint, nach keinem genau-
en Journal, auf 13°,7 ſetzte, ſcheint gegenwär-
tig nur auf 12°, alſo unter der von Rom zu ſte-
hen. Der Unterſchied mit den nahen Küſten-
ländern beträgt hiernach 9°,5 R., und die Wär-
meabnahme 157t auf 1° R. Auf ähnliche Weiſe
berechnet, erhält man ſie für St. Fè de Bogota 163t,
für Mexiko 160t, für Popayan 168t. St. Fé de Bo-
gota, die Hauptſtadt des Ko¨nigreichs Neu-Granada,
liegt 1356t über dem Meere; mittlere Temperatur
13°,2. Die Höhe von Mexiko nach meinen Beob-
achtungen iſt 1173t, die mittlere Temperatur 13°,5;
nördl. Breite 19° 26′ 2″. Popayan, der Sitz eines
Biſchofs, liegt in dem anmuthigen Thale des Cau-
cafluſſes, am Fuſse zweier Schneebedeckter Vulka-
ne, Sotara und Puracé; Höhe 840t; das Klima
überaus angenehm; mittlere Temperatur nach
Doctor Calda's Beobachtungen 16°,5; nördl.
Breite 2° 24′ 33″;. In allen dieſen Beobachtungen
zeigt ſich, wie man ſieht, eine bewundernswürdige
Harmonie. Alle geben die Wärmeabnahme von
157 bis 168t auf 1° R., und beweiſen dadurch
gleichmäſsig den Einfluſs der Erhitzung und der
ſtrahlenden Wärme groſser Gebirgsebenen. Dieſer
Einfluſs erklärt, warum man in der Andeskette
nahe am Aequator noch in 800t Höhe das Klima,
oder wenigſtens die mittlere Temperatur von Al-
gier, und in 1400t Höhe die mittlere Temperatur
von Rom und Florenz findet.
Was das zweite der oben erwähnten Mittel
betrifft, die mittlere Wärme einer Gegend auszu-
mitteln, nämlich die Temperatur der Quellen, ſo
hat, wie der Verfaſſer bemerkt, Herr von Buch,
der dieſes ſinnreiche Verfahren neuerlich in die-
ſen Annalen, B. XX, S. 343, wieder gründlich em-
pfahl, auf ſeinen Reiſen durch die Schweiz und
Italien mehrere Beobachtungen geſammelt, welche
in beträchtlichen Höhen angeſtellt ſind, und für die
Zuverläſſigkeit dieſes Mittels zu zeugen ſcheinen.
Allein in ſteilen und groſsen Höhen, wo ſich ent-
weder das Schneewaſſer raſch tiefern Quellen bei-
miſcht, oder wo dieſe Quellen ihrem Urſprunge in
höhern Regionen nahe ſind, wird es unzuverläſſig,
und ſolche Gebirgsquellen zeigen eine geringere
Temperatur, als der Gegend, wo ſie ausbrechen, im
Mittel zukömmt. John Hunter, den Caven-
diſhPhiloſophical Transact. of the Roy. Soc. of Lond. for
1788. veranlaſst hatte, auf dem blauen Gebirge von
Jamaika die Wärme der Quellen zu meſſen, fand ſie
vom Meere an bis zu einer Höhe von 1400 Yards,
(gleich 653t,) von 21°,3 allmählig bis 13°,3 abneh-
men. Nun iſt, nach Edward's Hiſtory of Jamai-
ca, Vol. I, p. 184, der Gipfel der blauen Berge nur
7431 engl. Fuſs (1161t) über die Meeresfläche er-
haben. Die Quelle bei Mr. Wallens Houſe ſcheint
alſo die groſse Kälte von 13° vom Gipfel ſelbſt zu
haben. In den Gebirgen von Cumana und Carac-
cas habe ich mehrere ähnliche Beobachtungen über
die Temperatur der Gebirgsquellen angeſtellt, und
ebenfalls dieſe Quellen ſtets kälter gefunden, als
man nach ihrer Höhe hätte vermuthen ſollen; ſo
z. B. eine Quelle in 680t Höhe von 13°,2, eine an-
dre in 505t Höhe von 13°,5, und eine dritte in 392t
Höhe von 16°,8 Wärme. Alle waren alſo wenig-
ſtens 3° kälter, als ſie es nach der mittlern Tem-
peratur der Gegend ſollten, wo ſie ausbrechen.
So wie die Quellen, da, wo ſie langſam in wei-
ten Gebirgsebenen flieſsen, die wahre mittlere
Wärme anzeigen, ſo erkennt man dieſe auch in der
Temperatur der Höhlen. Wie ſchwer es indeſs iſt,
dieſe ſo genannte innere Erdwärme auszumitteln,
und wie ſehr Localverhältniſſe darauf einwirken,
das habe ich bereits in meiner Schrift über die un-
terirdiſchen Gasarten durch Verſuche gezeigt. Da
dieſe Erdwärme gewöhnlich in Kellern oder in
Bergwerken auf Querbrüchen und abgeworfnen
zimmerungſloſen Stellen beobachtet wird, ſo hat
man bald mit äuſserm Luftwechſel, bald mit Ver-
dampfung des naſſen Geſteins, bald mit luftausbla-
ſenden trocknen Klüften, bald mit Wärmeentbin-
dung der ſich zerſetzenden Gang- und Gebirgsar-
ten zu kämpfen. Wenn ein Phyſiker mehrere Jah-
re lang auf dem Rücken der hohen Andeskette
lebte, ſo wäre es allerdings ein herrliches Unter-
nehmen, von 500 zu 500t am Gebirgshange Quer-
ſchläge in dürre Porphyrfelſen treiben zu laſſen,
um dort die Temperaturabnahme zu beobachten.
Leider aber ſind Unternehmungen dieſer Art für
Reiſende unmöglich; ſie ſehn ſich in ihren Beob-
achtungen auf Höhlen und Bergwerke einge-
ſchränkt, wie ſie ihnen die Natur und Kunſt zufäl-
lig darbietet. – – [Hier von denen, welche
Herr von Humboldt in ſeiner Abhandlung mit-
theilt, nur zwei Beobachtungen jeder Art:]
Höhlen. Thermometerſtand in den Kalkhöhlen
öſtlich von der Stadt Havana, kaum 10t über der
Meeresfläche, 18°,3 R.; die äuſsere Luft 21° R. –
Temperatur der Höhle Guacharo beim Kloſter Ca-
ripe in 505t Höhe, und 10° 12′ nördl. Breite, 15°
R.; des in ihr entſpringenden Flüſschens 13°,5;
der äuſsern Luft 13°.
Gruben. Temperatur der mexikaniſchenAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unter [http://pom.bbaw.de/avh/](http://pom.bbaw.de/avh/), abgerufen am 04.06.2015, war: content="Mexiko" Grube
S. Ygnacio bei Tehuilotapec, in 840t Höhe und
18° 38′ nördl. Breite, unter ſehr günſtigen Umſtän-
den, 19°,5; der Grubenwaſſer 16°; der äuſsern
Luft 17°. – Temperatur der peruaniſchenAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unter [http://pom.bbaw.de/avh/](http://pom.bbaw.de/avh/), abgerufen am 04.06.2015, war: content="Peru" Gru-
be la Guadaloupe bei der Stadt Micuipampa in 1840t
Höhe und 6° 45′ ſüdl. Breite, 11°5; der Gruben-
waſſer 9°; der äuſsern Luft 4°,5.
In allen dieſen Beobachtungen, bemerkt Herr
von Humboldt, über die ſo genannte innere
Wärme der Erde iſt zwar der Einfluſs der Höhe
nicht zu verkennen; im Ganzen ſind die Reſultate
aber doch zu ungleich, um ſie über das Geſetz der
Wärmeabnahme entſcheiden zu laſſen.
Wir haben jetzt alle Hülfsmittel unterſucht,
durch welche man zu der Kenntniſs dieſes Geſetzes
gelangen kann. – –
Das Reſultat, zu welchem ſie uns führen, iſt,
wie man aus der Tafel S. 28 erſieht, daſs man
ſich 121t,1 erheben muſs, um die Temperatur ei-
ner Luftſchicht um 1° R. vermindert zu ſehen.
Dieſes Geſetz ſcheint für die Tropenländer
und für unſer europäiſches Klima im Sommer faſt
gleichgültig zu ſeyn. Vielleicht iſt die Wärmeab-
nahme nahe am Aequator um ein Geringes langſa-
mer als in Europa, welches in der gröſsern Men-
ge ſtrahlender Aequatorialwärme gegründet ſeyn
kann.
Wie die Wärmeabnahme bei uns im Winter
ſey, welcher Unterſchied zwiſchen dem Tage und
der Nacht Statt findet, und ob man ſie, wie ich
ſelbſt bezweifle, als eine arithmetiſche Progreſſion
im ſtrengſten Sinne des Wortes betrachten könne;
das müſſen fernere Verſuche in der Zukunft leh-
ren.
Die Verſchiedenheit der Horizontalrefraction,
welche man ſeit Bouguer zwiſchen der heiſsen Zo-
ne und unſern Klimaten annimmt, könnte als Ein-
wendung gegen die Uebereinſtimmung gelten, die
wir zwiſchen meinen Beobachtungen unter dem
Aequator und den europäiſchen Sommerbeobach-
tungen gefunden haben. Aber man darf nicht ver-
geſſen, daſs Herr Delambre durch genaue Ver-
ſuche neuerlich erwieſen hat, die Horizontalre-
fraction im mittlern Europa ſey viel geringer, als
man bisher geglaubt hat. Dazu kömmt, daſs
Bouguer's Beobachtungen in Quito im Wider-
ſpruch mit denen ſtehn, welche Le Gentil in
faſt gleicher Breite in Aſien angeſtellt hat. So
lange die Aſtronomen ſelbſt noch nicht über die
Horizontalrefraction in verſchiedenen Breiten mit
einander einig ſind, iſt es vorſichtiger, bei dem
reinen Ausſpruche der phyſikaliſchen Verſuche ſte-
hen zu bleiben.