XVIII. Beobachtung eines Nordlichts in Berlin;
von Hrn. Alexander von Humboldt.
Heute, den 8. September, Abends um 8 Uhr 40 Minu-
ten, als ich eben beſchäfigtbeſchäftigt war, bei ſehr hellem Mond-
ſchein und gänzlich unbewölktem Himmel meine Ver-
ſuche über die Wärmeſtrahlung der oberen Sand-
ſchichten auf einem freien Platze zu machen, ſah
ich in Nordweſten weiße Lichtſäulen bis zur Höhe
des Arcturs aufſteigen. Mehrere Perſonen, die ne-
ben mir ſtanden, bemerkten ebenfalls die Erſcheinung
und hielten Sie für Wirkung einer entfernten Feu-
ersbrunſt. Dieſen erſten Lichtſäulen folgten noch drei
andere, minder hohe. Das Azimuth derſelben war
etwa 2° öſtlich vom Arctur. Die Lichtſäulen waren
weiß, wie Thierkreislicht. Ihre Breite ſchien mir etwas
über einen halben Grad. Der Horizont in NNW blieb
mir durch Gebäude verdeckt; aber gegen Norden war
der Horizont bis 3° oder 4° Höhe ſchwach und etwas
röthlich erleuchtet. Dort erfolgte keine bemerkbare
Lichtſtrahlung. Die ganze ſonderbare Erſcheinung
dauerte nur 4 bis 5 Minuten. Gewiß war es ein
Nordlicht, von dem ich, bei dem hellen Mondſcheine,
nur diejenigen Strahlen ſehen konnte, welche die
größte Lichtſtärke hatten. Das Zodiakallicht unter
den Tropen hat keine ſchönere Weiße. Um 9 Uhr
40 Minuten bewölkte ſich der Himmel.
Berlin 8. September 1827.
Vorſtehende Beobachtung iſt mir am Morgen des
9. September von Hrn. v. Humboldt mündlich mit-
getheilt worden, in der Erwartung, daß wohl bald ei-
ne Beſtätigung derſelben von nördlicher gelegenen Or-
ten bekannt werden würde. Dieſe iſt denn auch
ſeitdem wirklich eingetroffen. Zeitungsnachrichten
zufolge iſt am 8. September nicht bloß zu Soröe in
Seeland, ſondern auch an mehreren Orten in Fühnen
und Jütland, ſo wie zwiſchen Fahlun und Upſala,
bei hellem Mondſchein eins der ſchönſten Nord-
lichter beobachtet worden. Ob man es weiter ge-
gen Süden geſehen hat, und wie weit, iſt noch
nicht bekannt geworden. Wahrſcheinlich iſt indeß
Berlin nicht der ſüdlichſte Punkt geweſen, da die
Strahlen hier noch eine beträchtliche Höhe erreich-
ten. Ob wir übrigens wieder einer nordlichtreiche-
ren Periode entgegen gehen, und ob das ſeit 1819 be-
obachtete Zurückweichen der Magnetnadel von We-
ſtenNach den Beobachtungen des Oberſten Beaufoy zu Bushey
Heath, bei Stanmore (Lat. 51° 37′ 42″ N. B. und Long. 1′
20″,7 in Zeit weſtl. von Greenwich), war daſelbſt die weſtliche
Ablenkung der Magnetnadel im März 1819 am größten und
betrug im Mittel, Morgens um 8h 41′: 24° 33′ 18″ W., Mit-
tags 1h 22′: 24° 41′ 42″ W. und Abends um 6h 24° 35′ 17″ W.
Im März 1822 war ſie Morgens 8h 34′: 24° 27′ 38″ Mittags
1h 29′: 24° 36′ 36″ und Abends 6h 20′: 24° 28′ 45″. Die
Abnahme betrug alſo: Morgens 5′ 40″, Mittags 5′ 06″, Abends
6′ 32″, alſo im Mittel 5′ 46″, oder jährlich 1′ 55″. Später-
hin ſind leider vom Oberſten B. keine Beobachtungen wei-
ter bekannt gemacht. (Annal. of Phil. XIII. 396 etc. N. S. III.
396). Indeß ſagt Hr. Arago, im Annuaire für 1827 p. 207,
die Magnetnadel habe auch in den Jahren 1825 und 1826 ihre
rückgängige Bewegung fortgeſetzt, und er fügt noch die nicht
unrichtige Bemerkung hinzu, daß bis jetzt nur bei der Decli-
nation der Magnetnadel ein ſolcher Wendepunkt beobachtet
ſey; daß die Inclination derſelben hingegen; ſeit den älteſten
Beobachtungen bis zu dem heutigen Tage, in unſeren Gegen-
den, fortwährend abgenommen habe. P. damit in Zuſammenhange ſtehe, muß der Zu-
kunft überlaſſen bleiben. Jedenfalls iſt es für unſere
Gegenden rathſam, den nordweſtlichen Himmel ſo
oft zu beobachten, als es die Umſtände erlauben.Wirklich hat ſich hier ſeitdem, am 26. Septemb. ein zweites
Nordlicht gezeigt. Ich wurde es um 10½ Uhr Abends gewahr
und ſah es, obgleich es in der Zwiſchenzeit unmerklich ge-
worden, noch in der Nacht kurz vor 1 Uhr. Beidemal war
es ein weißer, flimmernder Schein, der bald in NNO, bald
in NNW und hier bis zur Höhe des großen Bären, die Zwi-
ſchenräume erhellte, welche mehrere ſchwarze Streifenwolken
von einander trennten. Eine dunkle Wolkenbank lag am nörd-
lichen Horizont und von dieſer ſchienen, von einem Punkt in
NW, die Streifen ſtrahlenartig auszulaufen. Muthmaßlich
hatte auch der Lichtſchein ſeinen Hauptſitz in NW; aber dieſe
Gegend war zu ſtark bezogen, um darüber mit Gewißheit zu
entſcheiden. Daſſelbe Nordlicht iſt auch in Stettin geſehen worden. P. P.