Dritter Auftritt.
Feldmarſchall Dörfling (tritt auf.) — Die Vorigen.
Feldmarſchall.
Rebellion, mein Kurfürſt!
Der Kurfürſt (noch im Ankleiden beſchäftigt.)
Ruhig, ruhig! —
Es iſt verhaßt mir, wie Dir wohl bekannt,
In mein Gemach zu treten, ungemeldet!
— Was willſt Du?
Feldmarſchall.
Herr, ein Vorfall — Du vergiebſt!
Führt von beſonderem Gewicht mich her.
Der Obriſt Kottwitz rückte, unbeordert,
Hier in die Stadt; an hundert Officiere
Sind auf dem Ritterſaal um ihn verſammelt;
Es geht ein Blatt in ihrem Kreis herum,
Beſtimmt in Deine Rechte einzugreifen.
Der Kurfürſt.
Es iſt mir ſchon bekannt! — Was wird es ſeyn,
Als eine Regung zu des Prinzen Gunſten,
Dem das Geſetz die Kugel zuerkannte.
Feldmarſchall.
So iſt’s! Beim höchſten Gott! Du haſt’s getroffen!
Der Kurfürſt.
Nun gut! — So iſt mein Herz in ihrer Mitte.
Feldmarſchall.
Man ſagt, ſie wollten heut, die Raſenden!
Die Bittſchrift noch im Schloß Dir überreichen,
Und falls, mit unverſöhntem Grimm, Du auf
Den Spruch beharrſt — kaum wag’ ich’s Dir zu melden? —
Aus ſeiner Haft ihn mit Gewalt befreien!
Der Kurfürſt (finſter.)
Wer hat Dir das geſagt?
Feldmarſchall.
Wer mir das ſagte?
Die Dame Retzow, der Du trauen kannſt,
Die Baſe meiner Frau! Sie war heut Abend,
In ihres Ohms, des Droſt von Retzow, Haus,
Wo Officiere, die vom Lager kamen,
Laut dieſen dreiſten Anſchlag äußerten.
Der Kurfürſt.
Das muß ein Mann mir ſagen, eh’ ich’s glaube.
Mit meinem Stiefel, vor ſein Haus geſetzt,
Schütz’ ich vor dieſen jungen Helden ihn!
Feldmarſchall.
Herr, ich beſchwöre Dich, wenn’s überall
Dein Wille iſt, den Prinzen zu begnadigen:
Thu’s eh ein höchſtverhaßter Schritt geſchehn!
Jedwedes Heer liebt, weißt Du, ſeinen Helden;
Laß dieſen Funken nicht, der es durchglüht,
Ein heillos freſſend Feuer um ſich greifen.
Kottwitz weiß und die Schaar, die er verſammelt,
Noch nicht, daß Dich mein treues Wort gewarnt;
Schick’, eh er noch erſcheint, das Schwert dem Prinzen,
Schick’s ihm, wie er’s zuletzt verdient, zurück:
Du giebſt der Zeitung eine Großthat mehr,
Und eine Unthat weniger zu melden.
Der Kurfürſt.
Da müßt’ ich noch den Prinzen erſt befragen,
Den Willkühr nicht, wie Dir bekannt ſeyn wird,
Gefangen nahm und nicht befreien kann. —
Ich will die Herren, wenn ſie kommen, ſprechen.
Feldmarſchall (für ſich.)
Verwünſcht! — Er iſt jedweden Pfeil gepanzert.
Fünfter Auftritt.
Obriſt Kottwitz und Obriſt Hennings, Graf Truchß,
Graf Heinrich und Sparren, Graf Stein, Ritt-
meiſter von Golz und Stranz, und andre Obriſten
und Officiere (treten auf.) — Die Vorigen.
Obriſt Kottwitz (mit der Bittſchrift.)
Vergönne, mein erhabner Kurfürſt, mir,
Daß ich, im Namen des geſammten Heers,
In Demuth dies Papier Dir überreiche!
Der Kurfürſt.
Kottwitz, bevor ich’s nehme, ſag’ mir an,
Wer hat Dich her nach dieſer Stadt gerufen?
Kottwitz (ſieht ihn an.)
Mit den Dragonern?
Der Kurfürſt.
Mit dem Regiment! —
Arnſtein hatt’ ich zum Sitz Dir angewieſen.
Kottwitz.
Herr! Deine Ordre hat mich hergerufen.
Der Kurfürſt.
Wie? — Zeig’ die Ordre mir.
Kottwitz.
Hier, mein Gebieter.
Der Kurfürſt (lieſ’t.)
»Natalie, gegeben Fehrbellin;
In Auftrag meines höchſten Oheims Friedrich.« —
Kottwitz.
Bei Gott, mein Fürſt und Herr, ich will nicht hoffen,
Daß Dir die Ordre fremd?
Der Kurfürſt.
Nicht, nicht! Verſteh mich —
Wer iſt’s, der Dir die Ordre überbracht?
Kottwitz.
Graf Stein!
Der Kurfürſt (nach einer augenblicklichen Pauſe.)
Vielmehr, ich heiße Dich willkommen! —
Dem Prinzen Arthur, dem das Recht geſprochen,
Biſt Du beſtimmt, mit Deinen zwölf Schwadronen,
Die letzten Ehren morgen zu erweiſen.
Kottwitz (erſchrocken.)
Wie, mein erlauchter Herr?!
Der Kurfürſt (indem er ihm die Ordre wieder giebt.)
Das Regiment
Steht noch, in Nacht und Nebel, vor dem Schloß?
Kottwitz.
Die Nacht, vergieb —
Der Kurfürſt.
Warum rückt es nicht ein?
Kottwitz.
Mein Fürſt, es rückte ein; es hat Quartiere,
Wie Du befahlſt, in dieſer Stadt bezogen.
Der Kurfürſt (mit einer Wendung gegen das Fenſter.)
Wie? Vor zwei Augenblicken — —? Nun, beim Himmel!
So haſt Du Ställe raſch Dir ausgemittelt! —
Um ſo viel beſſer denn! Gegrüßt noch einmal!
Was führt Dich her, ſag’ an? Was bringſt Du Neues?
Kottwitz.
Herr, dieſe Bittſchrift Deines treuen Heers.
Der Kurfürſt.
Gieb!
Kottwitz.
Doch das Wort, das Deiner Lipp’ entfiel,
Schlägt alle meine Hoffnungen zu Boden.
Der Kurfürſt.
So hebt ein Wort auch wiederum ſie auf,
(er lieſ’t.)
»Bittſchrift, die allerhöchſte Gnad’ erflehend,
Für unſern Führer, peinlich angeklagt,
Den General, Prinz Friedrich Arthur.«
(zu den Officieren.)
Ein edler Nam’, ihr Herrn! unwürdig nicht,
Daß ihr, in ſolcher Zahl, euch ihm verwendet!
(er ſieht wieder in das Blatt.)
Die Bittſchrift iſt verfaßt von wem?
Kottwitz.
Von mir.
Der Kurfürſt.
Der Prinz iſt von dem Inhalt unterrichtet?
Kottwitz.
Nicht auf die fernſte Weiſ’! In unſrer Mitte
Iſt ſie empfangen und vollendet worden.
Der Kurfürſt.
Gebt mir auf einen Augenblick Geduld.
(er tritt an den Tiſch und durchſieht die Schrift. — Lange Pauſe.)
Hm! Sonderbar! — Du nimmſt, Du alter Krieger,
Des Prinzen That in Schutz? Rechtfertigſt ihn,
Daß er auf Wrangel ſtürzte, unbeordert?
Kottwitz.
Ja, mein erlauchter Herr; das thut der Kottwitz!
Der Kurfürſt.
Der Meinung auf dem Schlachtfeld warſt Du nicht.
Kottwitz.
Das hatt’ ich ſchlecht erwogen, mein Gebieter!
Dem Prinzen, der den Krieg gar wohl verſteht,
Hätt ich mich ruhig unterwerfen ſollen.
Die Schweden wankten, auf dem linken Flügel,
Und auf dem rechten wirkten ſie Succurs;
Hätt’ er auf Deine Ordre warten wollen,
Sie faßten Poſten wieder, in den Schluchten,
Und nimmermehr hätt’ſt Du den Sieg erkämpft.
Der Kurfürſt.
So! — Das beliebt Dir ſo vorauszuſetzen!
Den Obriſt Hennings hatt’ ich abgeſchickt,
Wie Dir bekannt, den ſchwed’ſchen Brückenkopf,
Der Wrangels Rücken deckt, hinwegzunehmen.
Wenn ihr die Ordre nicht gebrochen hättet,
Dem Hennings wäre dieſer Schlag geglückt;
Die Brücken hätt’ er, in zwei Stunden Friſt,
In Brand geſteckt, am Rhyn ſich aufgepflanzt,
Und Wrangel wäre ganz, mit Stumpf und Stiel,
In Gräben und Moraſt, vernichtet worden.
Kottwitz.
Es iſt der Stümper Sache, nicht die Deine,
Des Schickſals höchſten Kranz erringen wollen;
Du nahmſt, bis heut, noch ſtets, was es Dir bot.
Der Drache ward, der Dir die Marken trotzig
Verwüſtete, mit blut’gem Hirn verjagt:
Was konnte mehr, an einem Tag, geſchehn?
Was liegt Dir dran, ob er zwei Wochen noch
Erſchöpft im Sand liegt, und die Wunden heilt?
Die Kunſt jetzt lernten wir, ihn zu beſiegen,
Und ſind voll Luſt, ſie fürder noch zu üben:
Laß uns den Wrangel rüſtig, Bruſt an Bruſt,
Noch einmal treffen, ſo vollendet ſich’s,
Und in die Oſtſee ganz fliegt er hinab!
Rom ward an einem Tage nicht erbaut.
Der Kurfürſt.
Mit welchem Recht, Du Thor, erhoffſt Du das,
Wenn auf dem Schlachtenwagen, eigenmächtig,
Mir in die Zügel jeder greifen darf?
Meinſt Du, das Glück werd’ immerdar, wie jüngſt,
Mit einem Kranz den Ungehorſam lohnen?
Den Sieg nicht mag ich, der, ein Kind des Zufalls,
Mir von der Bank fällt; das Geſetz will ich,
Die Mutter meiner Krone, aufrecht halten,
Die ein Geſchlecht von Siegen mir erzeugt.
Kottwitz.
Herr, das Geſetz, das höchſte, oberſte,
Das wirken ſoll, in Deiner Feldherrn Bruſt,
Das iſt der Buchſtab Deines Willens nicht;
Das iſt das Vaterland, das iſt die Krone
Das biſt Du ſelber, deſſen Haupt ſie trägt.
Was kümmert Dich, ich bitte Dich, die Regel,
Nach der der Feind ſich ſchlägt: wenn er nur nieder
Vor Dir, mit allen ſeinen Fahnen, ſinkt?
Die Regel, die ihn ſchlägt, das iſt die höchſte!
Schütt’ -ich mein Blut Dir, an dem Tag der Schlacht,
Für Sold, ſey’s Geld, ſey’s Ehre, in den Staub?
Was! Meine Luſt hab’ meine Freude ich,
An Deiner Trefflichkeit und Herrlichkeit,
Am Ruhm und Wachsthum Deines großen Namens!
Das iſt der Lohn, dem ſich mein Herz verkauft!
Geſetzt, um dieſes unberufnen Siegs,
Brächſt Du dem Prinzen jetzt den Stab; und ich,
Ich träfe morgen, gleichfalls unberufen,
Den Sieg wo irgend zwiſchen Wald und Felſen
Mit den Schwadronen, wie ein Schäfer, an:
Bei Gott ein Schelm müßt’ ich doch ſeyn, wenn ich
Des Prinzen That nicht munter wiederholte.
Und ſprächſt Du, das Geſetzbuch in der Hand:
»Kottwitz, Du haſt den Kopf verwirkt!« ſo ſagt ich:
Das wußt’ ich, Herr; da nimm ihn hin, hier iſt er:
Als mich ein Eid an Deine Krone band,
Mit Haut und Haar, nahm ich den Kopf nicht aus,
Und nichts Dir gäb’ ich, was nicht Dein gehörte!
Der Kurfürſt.
Mit Dir, Du alter, wunderlicher Herr,
Werd’ ich nicht fertig! Es beſticht dein Wort
Mich, mit argliſt’ger Rednerkunſt geſetzt,
Mich, den Du weißt Dir zugethan, und einen
Sachwalter ruf’ ich mir, den Streit zu enden,
Der meine Sache führt!
(er klingelt, ein Bedienter tritt auf.)
Prinz Friedrich Arthur —
Man führ’ aus dem Gefängniß ihn hieher!
(Der Bediente ab.)
Der wird Dich lehren, das verſichr’ ich Dich,
Was Kriegszucht und Gehorſam ſey! Ein Schreiben
Schickt’ er mir mindſtens zu, das anders lautet,
Als der ſpitzfünd’ge Lehrbegriff der Freiheit,
Den Du hier, wie ein Knabe mir entfaltet.
(er ſtellt ſich wieder an den Tiſch und lieſ’t.)
Kottwitz
(erſtaunt.)
Wen holt? — Wen ruft? —
Oberſt Hennings.
Ihn ſelber?
Graf Truchß.
Nein, unmöglich!
(die Officiere treten unruhig zuſammen und ſprechen mit einander.)
Der Kurfürſt.
Von wem iſt dieſe zweite Zuſchrift hier?
Graf Heinrich.
Von mir, mein Fürſt!
Der Kurfürſt
(lieſ’t)
»Beweis, das Kurfürſt Friedrich
Des Prinzen That ſelbſt« — — — Nun, beim Himmel!
Das nenn’ ich keck!
Was! Die Veranlaſſung, Du wälzeſt ſie des Frevels,
Den er ſich in der Schlacht erlaubt, auf mich?
Graf Heinrich.
Auf Dich, mein Kurfürſt; ja, ich, Vetter Heinrich!
Der Kurfürſt.
Nun denn, bei Gott, das überſteigt die Fabel!
Der Eine zeigt mir, daß nicht ſchuldig er,
Der Andre gar mir, daß der Schuld’ge ich! —
Womit wirſt ſolchen Satz Du mir beweiſen?
Graf Heinrich.
Du wirſt Dich jener Nacht, o Herr, erinnern,
Da wir den Prinzen, tief verſenkt im Schlaf,
Im Garten unter den Platanen fanden:
Vom Sieg des nächſten Tages mocht’ er träumen,
Und einen Lorbeer hielt er in der Hand.
Du, gleichſam um ſein tiefes Herz zu prüfen,
Nahmſt ihm den Kranz hinweg, die Kette ſchlugſt Du,
Die Dir vom Hals hängt, lächelnd um das Laub;
Und reichteſt Kranz und Kette, ſo verſchlungen,
Dem Fräulein, Deiner edlen Nichte, hin.
Der Prinz ſteht, bei ſo wunderbarem Anblick,
Erröthend auf, ſo ſüße Dinge will er,
Und von ſo lieber Hand gereicht, ergreifen:
Du aber, die Prinzeſſin rückwärts führend,
Entziehſt Dich eilig ihm; die Thür empfängt Dich,
Jungfrau und Kett’ und Lorbeerkranz verſchwinden,
Und einſam — einen Handſchuh in der Hand,
Den er, nicht weiß er ſelber, wem? entriſſen —
Im Schooß der Mitternacht, bleibt er zurück.
Der Kurfürſt.
Welch’ einen Handſchuh?
Graf Heinrich.
Herr, laß mich vollenden! —
Die Sache war ein Scherz; jedoch von welcher
Bedeutung ihm, das lernt’ ich bald erkennen;
Denn, da ich, durch des Gartens hintre Pforte,
Jetzt zu ihm ſchleich’, als wär’s von ungefähr,
Und ihn erweck’, und er die Sinne ſammelt:
Gießt die Erinnrung Freude über ihn,
Nichts Rührenders fürwahr, kannſt Du Dir denken!
Den ganzen Vorfall, gleich, als wär’s ein Traum,
Trägt er, bis auf den kleinſten Zug, mir vor;
So lebhaft, meint’ er, hab er nie geträumt —:
Und feſter Glaube baut ſich in ihm auf,
Der Himmel hab’ ein Zeichen ihm gegeben:
Es werde Alles, was ſein Geiſt geſehn,
Jungfrau und Lorbeerkranz und Ehrenſchmuck,
Gott, an dem Tag der nächſten Schlacht, ihm ſchenken.
Der Kurfürſt.
Hm! Sonderbar! — Und jener Handſchuh? —
Graf Heinrich.
Ja!
Dieß Stück des Traums, das ihm verkörpert ward,
Zerſtört zugleich und kräftigt ſeinen Glauben.
Zuerſt, mit großem Aug’ ſieht er ihn an: —
Weiß iſt die Farb’, er ſcheint, nach Art und Bildung,
Von einer Dame Hand: — doch weil er keine
Zu Nacht, der er entnommen könnte ſeyn,
Im Garten ſprach, — durchkreuzt, in ſeinem Dichten,
Von mir, der zur Parol auf’s Schloß ihn ruft,
Vergißt er, was er nicht begreifen kann,
Und ſteckt zerſtreut den Handſchuh in’s Collet.
Der Kurfürſt.
Nun? Drauf?
Graf Heinrich.
Drauf tritt er nun, mit Stift und Tafel,
In’s Schloß, aus des Feldmarſchalls Mund, in frommer
Aufmerkſamkeit den Schlachtbefehl zu hören;
Die Fürſtin und Prinzeſſin, reiſefertig
Befinden grad’ im Herrenſaal ſich auch.
Doch wer ermißt das ungeheure Staunen,
Das ihn ergreift, da die Prinzeſſ’ den Handſchuh,
Den er ſich ins Collet geſteckt, vermißt!
Der Marſchall ruft, zu wiederholten Malen:
Prinz Friedrich Arthur! Was befiehlt mein Marſchall?
Entgegnet er, und will die Sinne ſammeln;
Doch er, von Wundern ganz umringt — —: der Donner
Des Himmels hätte niederfallen können — —!
(er hält inne.)
Der Kurfürſt.
War’s der Prinzeſſin Handſchuh?
Graf Heinrich.
Allerdings!
(der Kurfürſt fällt in Gedanken.)
Graf Heinrich (fährt fort.)
Ein Stein iſt er; den Bleiſtift in der Hand,
Steht er zwar da und ſcheint ein Lebender;
Doch die Empfindung, wie durch Zauberſchläge,
In ihm verlöſcht; und erſt am andern Morgen,
Da das Geſchütz ſchon in den Reihen donnert,
Kehrt er in’s Daſeyn wieder und befragt mich:
Liebſter, was hat ſchon Dörfling, ſag’ mir’s, geſtern
Beim Schlachtbefehl, mich treffend, vorgebracht?
Feldmarſchall.
Herr die Erzählung, wahrlich, unterſchreib ich!
Der Prinz, erinn’r ich mich, von meiner Rede
Vernahm kein Wort; zerſtreut ſah ich ihn oft,
Jedoch in ſolchem Grad abweſend ganz
Aus ſeiner Bruſt, noch nie, als dieſen Tag.
Der Kurfürſt.
Und nun, wenn ich Dich anders recht verſtehe,
Thürmſt Du, wie folgt, das Schlußgebäu mir auf:
Hätt’ ich, mit dieſes jungen Träumers Zuſtand,
Zweideutig nicht geſcherzt, ſo blieb er ſchuldlos:
Bei der Parole wär’ er nicht zerſtreut,
Nicht widerſpänſtig in der Schlacht geweſen.
Nicht? Nicht? Das iſt die Meinung?
Graf Heinrich.
Mein Gebieter,
Das überlaſſ’ ich jetzt Dir, zu ergänzen.
Der Kurfürſt.
Thor, der Du biſt, Blödſinniger! Hätteſt Du
Nicht in den Garten mich hinabgerufen,
So hätt’ ich, einem Trieb der Neugier folgend,
Mit dieſem Träumer harmlos nicht geſcherzt.
Mithin behaupt’ ich, ganz mit gleichem Recht,
Der ſein Verſehn veranlaßt hat, warſt Du! —
Die delphſche Weisheit meiner Officiere!
Graf Heinrich.
Es iſt genug, mein Kurfürſt! Ich bin ſicher,
Mein Wort fiel, ein Gewicht, in Deine Bruſt.
Siebenter Auftritt.
Prinz Arthur (tritt auf.) Ein Officier mit Wache.
Die Vorigen.
Der Kurfürſt.
Mein junger Prinz, euch ruf’ ich mir zu Hülfe!
Der Obriſt Kottwitz bringt, zu Gunſten eurer,
Mir dieſes Blatt hier, ſchaut, in langer Reihe
Von hundert Edelleuten unterzeichnet;
Das Heer begehre, heißt es, eure Freiheit,
Und billige den Spruch des Kriegsrechts nicht. —
Leſ’t, bitt’ ich, ſelbſt, und unterrichtet euch!
(er giebt ihm das Blatt.)
Prinz Arthur
(nach dem er einen Blick hineingethan, wendet er ſich und ſieht ſich
im Kreis der Officiere um.)
Kottwitz, gieb Deine Hand mir, alter Freund!
Du thuſt mir mehr, als ich, am Tag der Schlacht
Um Dich verdient! Doch jetzt geſchwind geh hin
Nach Arnſtein wiederum, von wo Du kamſt,
Und rühr’ Dich nicht; ich hab’s mir überlegt;
Ich will den Tod, der mir erkannt, erdulden!
(er übergiebt ihm die Schrift.)
G
Kottwitz (betroffen.)
Nein, nimmermehr, mein Prinz! Was ſprichſt Du da?
Graf Heinrich.
Er will den Tod —?
Graf Truchß.
Er ſoll und darf nicht ſterben!
Mehrere Officiere (vordringend.)
Mein Herr und Kurfürſt! Mein Gebieter! Hör’ uns!
Prinz Arthur.
Ruhig! Es iſt mein unbeugſamer Wille!
Ich will das heilige Geſetz des Kriegs,
Das ich verletzt’ im Angeſicht des Heers,
Durch einen freien Tod verherrlichen!
Was kann der Sieg euch, meine Brüder, gelten,
Der eine, dürftige, den ich vielleicht
Dem Wrangel noch entreiße, dem Triumph
Verglichen, über den verderblichſten
Der Feind’ in uns, dem Trotz, dem Uebermuth,
Errungen glorreich morgen? Es erliege
Der Fremdling, der uns unterjochen will,
Und frei, auf mütterlichem Grund, behaupte
Der Brandenburger ſich, denn ſein iſt er,
Und ſeiner Fluren Pracht nur ihm erbaut!
Kottwitz (gerührt.)
Mein Sohn! Mein liebſter Freund! Wie nenn’ ich Dich?
Graf Truchß.
O Gott der Welt!
Kottwitz.
Laß Deine Hand mich küſſen!
(Sie drängen ſich um ihn.)
Prinz Arthur (wendet ſich zum Kurfürſten.)
Doch Dir, mein Fürſt, der einen ſüßern Namen
Dereinſt mir führte, leider jetzt verſcherzt;
Dir leg’ ich, tiefbewegt, zu Füßen mich!
Vergieb, wenn ich, am Tage der Entſcheidung,
Mit übereiltem Eifer Dir gedient:
Der Tod wäſcht jetzt von jeder Schuld mich rein.
Laß meinem Herzen, das verſöhnt und heiter
Sich Deinem Rechtsſpruch unterwirft, den Troſt,
Daß Deine Bruſt auch jedem Groll entſagt:
Und in der Abſchiedsſtunde, deſſ’ zum Zeichen,
Bewill’ge huldreich eine Gnade mir!
Der Kurfürſt.
Sprich, junger Held! Was iſt’s, das Du begehrſt?
Mein Wort verpfänd’ ich Dir und Ritterehre!
Was es auch ſey, es iſt Dir zugeſtanden!
Prinz Arthur.
Erkauf’, o Herr, mit Deiner Nichte Hand,
Von Guſtav Karl den Frieden nicht! Hinweg
Mit dieſem Unterhändler aus dem Lager,
Der ſolchen Antrag ehrlos Dir gemacht:
Mit Kettenkugeln ſchreib’ die Antwort ihm!
Der Kurfürſt (küßt ſeine Stirn.)
Sey’s, wie Du ſagſt, mit dieſem Kuß, mein Sohn,
Bewilligt ſey die letzte Bitte Dir!
Was auch bedarf es dieſes Opfers noch,
Vom Mißglück nur des Kriegs mir abgerungen;
Blüht doch aus jedem Wort, das Du geſprochen,
Jetzt mir ein Sieg auf, der zu Staub ihn malmt!
Prinz Arthur’s Braut ſey ſie, werd’ ich ihm ſchreiben,
Der Fehrbellins halb dem Geſetz verfiel,
Und ſeinem Geiſt, todt vor den Fahnen ſchreitend,
Kämpf er auf dem Gefild der Schlacht, ſie ab!
(er küßt ihn noch einmal und erhebt ihn.)
Prinz Arthur.
Nun ſieh, jetzt ſchenkteſt Du das Leben mir!
Nun fleh’ ich jeden Segen Dir herab
Den von dem Thron der Wolken Seraphin
Auf Heldenhäupter jauchzend niederſchütten;
Geh und bekrieg’, o Herr, und überwinde
Den Weltkreis, der Dir trotzt — denn Du biſt’s werth!
Der Kurfürſt.
Wache! Führt ihn zurück in ſein Gefängniß!