Fr. Müller's Monographie.
( Fortsetzung. )
Die ersten Auswanderungen.
Alle Völker früherer Zeiten, welche Auswanderungen vor-
nahmen, vollendeten diese nur mit Feuer und Schwerdt, stürzten
die morschen Ruinen alter Reiche um, damit sie auf deren Trümmern
andere kräftigere Staaten in verschönerter Gestalt hervorsteigen
ließen; Schlachten und Siege, das Blut von Hunderttausenden
und die Verwüstung fruchtbarer Länderstriche gingen gewöhnlich
vorher, nur erst aus den rauchenden Schutthaufen niedergesengter
Städte, aus den blutgedrängten Siegesfeldern stieg ein neues,
ein heilsameres Völkerleben empor. Den größten Fortschritt er-
höhter Cultur trägt die spätere Geschichte dadurch als Diadem
auf ihrer reinen Stirn, daß bei den neueren Wanderungen die
neue Heimath friedlich erworben wird, nicht blutig erkämpft.
Voran geht der Spaten, die Art und der Pflug; es folgt das
Christenthum mit seiner Alles umfassenden Liebe, der neue Besitz
wird gegründet und wo sonst wilde Urwälder in gigantischer Pracht
ungeheurer Verästung ihr undurchdringliches Laubdunkel über die
Thäler breiteten, blühen die Fruchtfelder, grünen die Wiesen;
der Rinder und Schaafe weidende Heerden füllen dieselben Matten,
wo einstens der Bär, Wolf und Panther ihr blutiges Werk unter
dem Schutze der Nacht getrieben.
Attila überschwemmte mit seinen Horden aus den Steppen
Kurdistans Asien und das blühende Europa; an seine Ferse war
der Sieg, aber auch das Verderben, der Tod von Millionen
geknüpft. Die Welser von Augsburg sandten nach Vene-
zuela eine Menge von Kolonisten, begannen aber ihr Werk der
Cultur mit dem Ausrotten der Ureinwohner, bis die Eingewan-
derten alle selbst durch die Waffen umkamen. An der Spitze der
neueren Völkerwanderung stand kein Attila, Alarich, Theodo-
rich noch Genserich, welche vorher die Welt erschütterten; ein
einfacher Mann, der Sohn eines englischen Admirals, von edler
Geburt, Lord und Herr eines großen Vermögens, William
Penn, gründete am Delaware und der Susquehannah,
gestützt auf Christenthum, Milde und vernünftige, menschliche Be-
handlung der Eingeborenen die ersten Niederlassungen und veranlaßte
die ersten Wanderungen aus Deutschland. Er führte die Deutschen
in Nordamerika ein, er hatte ihre Ausdauer, ihren Fleiß im Be-
auen des Ackers, ihren festen, braven Sinn richtig zu würdigen ge-
wußt, und ward ihr Wohlthäter für mehr Jahrhunderte, als er
wohl selbst geahnt hatte. Seit jener fernen Zeit, wo Se-
bastian Cabot und Verazani Nordamerika den Blicken der
Europäer aufgeschlossen, haben Millionen des überfruchteten Mut-
terlandes Europa in der jenseitigen Hemisphäre Heimath und Glück
gefunden, -- und was wird die Folgezeit noch Alles entwickeln!
Der große Christoph Columbus hatte die neue Welt
1492 entdeckt, als er San Salvador auf der Jnsel Hispa-
niola in Westindien mit seinen Wipfeln und Segeln zuerst be-
grüßt; der Venetianer Johann Cabot, und sein zweiter Sohn
Sebastian Cabot, fanden für König Heinrich VII. von
England die Jnseln Neufundland und St. John und dann
die Küsten von den Gränzen Labradors bis Virginien, im
Jahre 1497. Von dem wärmsten Enthusiasmus, von kühner
Tapferkeit und richtigem Forscherblicke geleitet, suchte der edele
Sir Walter Raleighs im Jahre 1584 ein neues Reich
jenseits des Oceans zu gründen, das freilich späterhin nicht das
erwartete Gedeihen fand, jedoch Europa mit vielen Producten
jener seltenen Länder bereichert hatte und die Blicke Englands
auf Nordamerika richtete, wohin nachher 1606 die ersten Aus-
wanderer, 105 an der Zahl gingen. Neuengland ward kolo-
nisirt von tüchtigen Presbyterianern; Virginien von Bischöflich-
Gesinnten, die vor der Republik und vor den Puritanern flohen;
Maryland gründeten Katholiken, welche die Jntoleranz der
Protestanten vertrieben, und Carolina's erste Ansiedler waren
Hugonotten, und im Jahre 1683 folgten dem großen William
Penn die ersten deutschen Auswanderer in zwanzig Schiffen nach
dem von ihm genannten Lande Pennsylvanien.
Am 20. August des Jahres 1683 langten die ersten Deut-
schen in Philadelphia an; sie Alle waren Separatisten vom
Rhein und Neckar, geführt von Franz Daniel Pastorius,
Doctor der Rechte, geboren 1650 zu Gommershausen, wo
sein Vater Fürstlich Brandenburgischer Rath und Historiker war.
Besonders aber trieb das Ende des siebenzehnten Jahrhunderts
jährlich viele Tausende von Pfälzern fort, die vor den Ver-
wüstungen flohen, welche durch die Franzosen dort angerichtet
wurden. Meistens waren es zu Grunde gerichtete Protestanten,
die die schöne Pfalz mit Pennsylvaniens Wildnissen vertauschten.
Auf diese Weise darf es uns nicht befremden, daß in Nordamerika
so vielerlei Religionsparteien friedlich bei einander wohnen, indem
die ersten Einwanderer, als Abweichende von den Staatskirchen,
vor deren Drucke geflohen waren, um in dem neuen Welttheile
Duldung und Milde zu erleben, und in ihren Nachkommen nach
her selbst zu üben gegen Andersdenkende. Wie in vielen Sachen,
so leuchtet auch hierin Nordamerika dem Mutterlande vor, das
nach so manchen blutigen Religionsstürmen noch immer nicht den
Hafen der reinen Vernunft, der wahren Duldung und ächten
christlichen Liebe erreicht hat.
Ganze Gemeinden vom Rhein und aus der Pfalz verließen
1709 die Heimath, und im selbigen Jahre erschienen in London
32,468 Deutsche, um auszuwandern nach dem verheißenen Lande.
Trügerische Verheißungen hatten diese unerfahrenen Leute aus
Mitteldeutschland getrieben; lange hatten sie mit Mangel und
Elend zu kämpfen, bis die britische Großmuth sie vor dem Hun-
gertode schützte, sie nach Jrland, 4000 an der Zahl, schickte, 1600
nach den Klippen der Scilly-Jnseln brachte und viele Tausende
zurücksandte, nachdem mehre Tausend im Elende gestorben waren;
wenige nur erreichten im Jahre 1710 Newyork. Bald nach-
her, im Jahre 1716, begann die Kolonisirung Louisiana's
durch Deutsche aus dem Würtembergischen, welche ein schwe-
discher Officier, Namens von Aronsburg, dahin geführt und
sich mit ihnen sechs Meilen oberhalb Neworleans ansiedelte,
und gleich nachher wollte Law besonders in der Pfalz 9000
Deutsche zur Auswanderung werben. Mit dem Jahre 1717 beginnen die ersten großen Würtembergischen
Auswanderungen nach Nordamerika, als ein arges Hungerjahr die Menschen
ängstigte; die Verschwendungen, Schwelgereien, üppigen Hoffeste des Herzogs
Eberhard Ludwig, verbunden mit seinen ungeheuren Jagden das Land
drückten, das Fräulein Grävenitz, als erklärte Maitresse des Herzogs, und
der Jude Süß, welcher das Ruder führte, den Staat aussogen; seit dieser
Zeit haben sich besonders von Würtemberg her die Auswanderungen nach Ame-
rika oft erneuert.
Mit Ruhe darf die Germanische Nation hinüberblicken auf
ihre Brüder jenseits des atlantischen Weltmeers; sie zeichnen sich
auch dort aus durch Fleiß im Ackerbaue, durch Freiheitsliebe und
Achtung der Menschenrechte, selbst im geringsten Neger = Sclaven,
und durch die Anlage vieler Fabriken, besonders der Leinen=Ma-
nufactur haben sie Großes zu dem blühenden Wohlstande der
Union beigetragen. Dennoch mahnte England zu öfteren Malen
die Deutschen am Rheine von den Auswanderungen ab, indem
man durch deren zu große Anhäufungen in politischer Hinsicht
Befürchtungen hegte. Eine kurzsichtige Staatsweisheit; der arme,
fügsame Deutsche, zu Hause an so manchen Gehorsam gewöhnt,
hätte niemals Veranlassung zu Revolutionen gegeben, und selbst
als im Jahre 1776 der Abfallkrieg begann gegen England, be-
fanden sich unter den ersten Aufwieglern, unter den Jnsurgenten-
Häuptlingen keine dieses Volkes; hätte die britische Regierung
ihre Vortheile eingesehen, die deutsche Auswanderung befördert,
ein deutsches Princip in Nordamerika heimisch, vielleicht vorherr-
schend gemacht, es wäre möglich gewesen, daß die Revolution
nie ausgebrochen.
Trotz diesen stattgehabten Abmahnungen ließen die deutschen
Auswanderungen nicht nach, indem im Jahre 1729 allein nach
Pennsylvanien 6200 Ansiedler, meistens Deutsche, kamen, und
als 1742 der Graf von Zinzendorf nach Philadelphia
kam, um die dortigen Brüdergemeinden mit Rath und That zu
unterstützen, war die Zahl der seit 1683 eingewanderten Deutschen
bereits auf 100,000 Seelen gestiegen. Das berühmte Halle' sche
Waisenhaus, des großen Franke's Stiftung, sandte nun die
ersten Prediger Augsburger Confession hin.
Dann führte der Oberst Johann Peter Purg eine neue
Schaar Deutscher, auch Schweizer, im Jahre 1733 nach den Ufern
des Savannah, in Südcarolina. Die Amerikaner nahmen
diese Einwanderer gern auf, indem sie von ihrer Ansiedlung eine
Vormauer gegen die Einbrüche der Creeks hofften, und den
Bau des Weins eingeführt sahen. Eine noch größere Zahl folgte
unter der Leitung des Landhauptmanns Gobler und des Pre-
digers Zuberbühler nach Nordcarolina. Vertriebene Salz-
burger führte 1732 der Baron von Reck nach Georgien. Der Erzbischof Anton Leopold von Firmian wüthete im eigenen
Lande gegen seine andersdenkenden Salzburger Bauern, gegen die er 6000
Soldaten in die Gebirge sandte, welche solche unerhörte Grausamkeiten begingen,
unter andern alle Kinder raubten von den Pretestanten, daß diese in großer
Zahl auswanderten nach Nordamerika und Holland, und 16,300 Vertriebene
Schutz in Preußen fanden.
Jm Jahre 1749 kamen aber mit einem Male, unter schwellen-
den Segeln 25 Schiffe mit 7049 Deutschen in Philadelphia an,
die froh die neue Welt begrüßten. Jm Herbste des folgenden
Jahres wanderten eben so viele aus dem mittleren Deutschland
wieder und immer aufs Neue dorthin, wo die Gebirge Alleghany
mit unermeßlichen Wäldern die fruchtbarsten Ebenen begränzen. Jm Jahre 1749 gingen 7000 Deutsche fort; ebenso viele im folgenden.
Neue und größere Züge folgten bald; das neue Land war einmal
den deutschen Blicken aufgeschlossen, und mit dem Jahre 1754
wanderten aus dem Durlach'schen, aus Würtemberg und der Pfalz
22,000 Deutsche, bloß in Philadelphia landend, ein, geschweige
der vielen andern, die sich Newyork und Neuschottland zum Ziele
ihrer Meerfahrt gesteckt hatten. 1767 wanderten 6000 Schwaben nach Nordamerika aus.
Wer von den deutschen Auswanderern den glücklichen Ent-
schluß gefaßt hatte, dorthin seine Schritte zu lenken, wo auf
Amerikas Prärien der Boden mit jugendlicher Kraft Unterhalt
und Nahrung die Fülle verhieß, der ging zwar tausend Müh-
seligkeiten einer damals noch langen Seereise, tausend Gefahren
bei seinen Zügen zur Aufsuchung neuer Wohnsitze entgegen, aber
gewöhnlich auch einem sichern Lebensglücke; andere aber, verleitet
von Abenteurern nach den unwirthlichsten Gegenden, fanden sich
in ihren Hoffnungen, in ihren auch beschwerlichen Wanderungen
bitter getäuscht. Nicht allein nach Amerika's fruchtbaren Gestaden
zogen die Deutschen; verleitet von dem Schwindler Thürriegel
aus Bayern, gingen 6000 derselben nach Spanien, um die Sierra
Morena, eine 25 Meilen lange Wüste cultiviren zu helfen,
welches vergebliche Bemühen Paul Olavides unternommen
hatte. Es waren dieses meistens Schwaben und Rheinländer,
die dort kümmerlich ihr Leben fristeten, vom Könige zwar be-
günstigt und unterstützt, doch endlich den Seuchen und der heißen
Sonne Spaniens unterlagen.
So lange das Vaterland Lebensunterhalt bietet, erwacht der
Sinn zur Auswanderung nicht so leicht; wenn aber Unglücksjahre,
wie die 1770 und 1771 in Deutschland es waren, kommen, wo
Mißernten den Hunger und sein schreckliches Gefolge verheerend
einziehen lassen, da richtet sich mehr das Auge nach den Gegen-
den, wo der Vater Brod für sich und seine jammernden Kinder
findet. Die Kartoffeln, diese segensreiche Frucht, von der nun
die Gärten und Fluren angebaut sind, hatten zu jener Zeit erst eine
geringe Ausbreitung gefunden, und so wuchs die Noth in diesen
beiden Schreckensjahren zu einer solchen Höhe, daß allein in
Chursachsen 150,000 Menschen des Hungertodes starben und in
Böhmen die Zahl der Verhungerten auf 180,000 stieg. 20,000
Böhmen wanderten in die Staaten des großen Königs Fried-
rich II., der mit weiser Vorsicht den Anbau der Kartoffeln schon
hatte in seinem Lande befördern lassen. Dieß schreckte die Deutschen
auf und von dieser Zeit an, bis zum Ausbruche des Abfallkrieges
von England, steuerten alle Jahre 20 bis 24 Schiffe mit Deut-
schen nach Philadelphia's nahrungverheißendem Hafen.
Jetzt änderte sich aber die Scene; die Sonne einer jugend-
lichen Freiheit begann die Wälder und Fluren Nordamerika's zu
vergolden; trotz allen Niederhaltens von Seiten Englands, hatte
sich geräuschlos, im stillen Gedeihen von Geschlecht zu Geschlecht
das Land an Menschenzahl, Reichthum und Selbstgefühl erhoben;
Ackerbau, Künste, Fleiß und Geistesbildung gingen dort Hand
in Hand, nur der Handel seufzte unter harten Gesetzen; jenseits
des Oceans war man mündig geworden, ohne daß Europa dieses
geahnt hatte, und als man die Ballen des verhaßten Stempel-
papiers in die See geschleudert hatte, spritzte der Schaum des
Meeres hoch auf und gebar nicht die Venus, wohl aber die
von Sternen umstralte reine Jungfrau: die Freiheit!
Boston brach 1773 die Bahn und die übrigen Städte, das
ganze, weite Land folgte; bei Bunkershill krachten die ersten
Kanonen und Washington entrollte das Banner der Unab-
hängigkeit in mancher blutigen Schlacht. Was Großbritannien
nicht allein vermochte, sollten deutsche Fäuste vollenden; man er-
kaufte, um 30 Thaler für den Mann, ein Heer aus deutschen
Gauen: Hessen, Anspacher, Waldecker, Anhalter und Braun-
schweiger.
Jch muß die Feder fortlegen, um von diesem Nachtbilde
nicht den Schleier zu ziehen, den Zeit und Vergangenheit mildernd
darüber gewebt.
Es mußten 29,166 Krieger hinziehen, um Nordamerika be-
kämpfen zu helfen; von diesen blieben 11,835 Mann; aber nicht
alle fielen sie in den Schlachten und unter dem Tomahawk; bei
weitem die größte Zahl ging zu den Amerikanern, und sie wurden
die ersten Ansiedler aus den nördlichen Gegenden Deutschlands
in den freigefochtenen Staaten. Bisher hatte Deutschlands Nor-
den keinen Antheil gehabt an den Auswanderungen; jetzt 1846
hat sich dieses aber ganz anders gestaltet!
Mit jenem Kriege verlor sich auf geraume Zeit Nordamerika
aus den Blicken deutscher Auswanderer, und sein Strom nahm
eine durchaus andere Richtung, bis solcher 1783 beendigt war.
Es ist so häufig in der Geschichte der Völker der Fall, daß
rasch auf einander die fremdartigsten Principe sich die Hand bieten;
das Ersehnte verlassen, das Gehaßte gesucht wird. Nach Ame-
rika wanderte man, um alten Druck zu vergessen, in Slavi-
sche Länder zog nun der Deutsche, um neuen zu finden; seine
Wege gingen nun nach Rußland, Galizien und Ungarn und zwar
aus der Mitte Deutschlands so stark, daß 1787 sieben Dörfer
bei Fulda gänzlich verlassen wurden, deren Bewohner sich nach
dem Temeswarer Bannate gewandt hatten, und der Zudrang
nach diesen Gegenden war derartig, daß oft in Wien 12,000
Kolonisten lagerten, welche von der Pfalz und Würtemberg den
einladenden Strichen Ungarns und Galiziens zueilten. Jn dem
letzteren Lande zählte man 1811 schon 186 deutsche Kolonieen
mit 9143 Lutheranern, 5628 Katholiken, 1599 Reformirten und
1268 gemischter Religion. Nach Ungarn und Siebenbürgen
hatten sich besonders Sächsische Protestanten gewandt, deren Ge-
sammtzahl 1829 schon auf 480,000 Seelen angeschlagen ward.
Größer noch waren im Laufe des vorigen Jahrhunderts und im
Anfange des jetzigen die Auswanderungen nach Rußland, das
ebenso wie Oestreich seine uncultivirten Länder durch deutsche Acker-
bauer empor zu bringen suchte. Nach Petersburg zogen schon
bei der Stadtgründung die Deutschen, welche jetzt daselbst beinahe
die Hälfte aller Ausländer bilden. Schon im Jahre 1797 schätzte
man die Deutschen in Rußland auf 100,000 Seelen. Unter
heiterem Himmel bot man ihnen große Grünländer dort an, wo
Richelieu Odessa gegründet, und namentlich ist es die Schaaf-
zucht, womit die eingewanderten Deutschen sich im südlichen Ruß-
land beschäftigen. Die Zahl der Einwanderer wuchs von Jahr
zu Jahr und 1817 lebten schon 600,000 Deutsche im Reiche des
sarmatischen Fürsten; bloß in den Niederlassungen, die vom Jahr
1814 bis 1818 am Kopilnik in Bessarabien errichtet waren,
wohnten 1825 schon 2409 Preußen, 2633 Würtemberger und
viele Baiern und Sachsen.
Die bewegten Zeiten der Kriegsstürme im Anfange des gegen-
wärtigen Jahrhunderts waren den deutschen Auswanderungen
nicht günstig, die Häfen waren geschlossen und die Schlachten
fraßen die Menschen weg. Nur eine ansehnliche Uebersiedelung
fand zu Anfange statt, als der Bauer und Leinweber Johann
Georg Rapp von Jpptingen im Würtembergischen mit der
Harmonie = Gesellschaft, einer Separatisten = Gemeinde, nach dem
großen Conaquenessing in Pennsylvanien zog, wo 1805 eine
deutsche Niederlassung gebildet ward, die sich des besten Flors
noch immer erfreut, und bis Jndiana vorgedrungen ist, gegen-
wärtig aber am fruchtbaren Ohio wohnt.
Dann entrollte der Krieg mit Frankreichs Eroberer seine
Adler über die deutschen Gauen, lichtete die germanischen Stämme
in den mörderischen Schlachten von Marengo, Wagram, Austerlitz
Jena, rafften die junge Mannschaft zusammen zu dem Kampfe
auf Spaniens Halbinsel und streckte Hunderttausende nieder auf
den Schneegefilden Rußlands; Krieg der Befreiung ward die
Losung für ganz Deutschland und alles, was friedlich Aus-
wanderung hieß, drängte sichin den Hintergrund und in Ver-
gessenheit. Die Seewege waren gesperrt, und was in der französischen Zeit wan-
dern wollte aus der deutschen Heimath, nahm seinen Weg gen Osten auf
Landwegen. So zogen unendlich viele Deutsche nach Rußland, um die Steppen-
länder am schwarzen und caspischen Meere anzubauen, selbst an den
Gränzen zwischen Persien und Rußland erhoben sich schwäbische Dörfer, und
der Süden dieses unermeßlichen Kaiserstaats zählt Hunderttausende von Deutschen,
deren Geschichte uns bis jetzt unbekannt ist, die uns aber gerade jetzt 1847,
in diesem Nothjahre, über Odessa die reichen Kornvorräthe senden, zur Stillung
des Hungers im deutschen Vaterlande!