Deutschland.
München, 1. April. ( Fortsetzung. ) III. Ver-
fahren bei Feststellung der Kapital=Ren-
ten und Einkommensteuer. Art. 13. Die
Aufstellung der Steuerlisten für die Kapitalrenten-
und für die Einkommensteuer hat gleichzeitig zu
geschehen. Das Verfahren für die Anlage beider
Steuergattungen ist ein gemeinschaftliches nach
Maßgabe der folgenden näheren Bestimmungen.
Art. 14. Jeder Steuerpflichtige oder dessen ge-
setzlicher Stellvertreter hat nach ergangener Auf-
forderung entweder schriftlich oder mündlich seine
Erklärung abzugeben 1 ) ob er im Besitze steuer-
barer Kapitalien sich befindet, und wie hoch sich
der Jahresbetrag der Kapitalrente zur Besteuerung
beläuft? 2 ) welche Einkommensquellen er besitzt
und wie hoch sich sein jährliches reines Einkom-
men hieraus berechnet? 3 ) was er sonst zur Er-
läuterung seiner Fassung beizufügen für nothwen-
dig hält? Die Erklärung oder Selbstschätzung hat
innerhalb der Aufforderung vorgesteckten Frist,
oder an dem hierzu anberaumten Tage bei der
Gemeindebehörde, welche die Aufforderung erlassen
hat, zu geschehen, und wird sogleich an das Rent-
amt übersendet, welches sämmtliche Angaben in
die Steuerliste zusammenträgt. Werden schriftliche
Erklärungen verschlossen überreicht, in welchem
Falle dieselben mit der Bezeichnung des Namens
und Wohnortes, des Fatenten versehen sein müs-
sen, so sind sie von der Gemeindebehörde uner-
öffnet an das Rentamt zu übergeben. Art. 15.
Zum Zwecke der zu erlassenden Aufforderung ( Art.
14 ) hat die Gemeindebehörde ein vollständiges
Verzeichniß sämmtlicher Fassionspflichtigen, welche
in der Gemeinde ihren Wohnsitz oder gewöhnli-
chen Aufenthalt haben, herzustellen. Wer seine
Erklärung nicht rechtzeitig abgibt, wird durch
Mahnboten auf seine Kosten unter Vorsteckung
einer bemessenen Frist und unter dem Präjudize
der im Art. 23, Absatz 3 gegenwärtigen Gesetzes
bestimmten Strafe -- gegen Ladungsnachweis er-
innert. Erfolgt demungeachtet keine Erklärung,
so gibt die Gemeindebehörde hiervon durch das
Rentamt dem Steuerausschusse Kenntniß, welcher
sodann die Größe der Kapitalrente und des jähr-
lichen reinen Einkommens des Säumigen von
Amtswegen feststellt. Art. 16. Jst die Steuer-
liste angelegt, so tritt in jedem Rentamtsbezirke
ein Ausschuß zur Prüfung der abgelegten Selbst-
schätzungen, welche in größern Städten nach den
bereits vorhandenen oder noch zu bildenden Distrik-
ten oder Bezirken, auf dem Lande aber nach Ge-
meinden vorgenommen wird, in Thätigkeit. Der
Steuerprüfungsausschuß besteht aus vier für den
ganzen Amtsbezirk gemeinschaftlichen Mitgliedern,
welche diesmal durch drei weitere Mitglieder aus
dem Bezirke oder der Gemeinde, deren Fassion
geprüft werden sollen, verstärkt werden. Der bei-
zuziehende Aktuar ist von dem Rentamte zu stel-
len. Die ständigen Ausschußmitglieder bestimmen
den Vorsitzenden aus ihrer Mitte nach freier
Uebereinkunft; kommt eine solche nicht zu Stande,
so übernimmt der dem Lebensalter nach Aelteste
unter ihnen den Vorsitz. Art. 17. Zur Wahl
der gemeinschaftlichen vier Ausschußmitglieder und
weiterer vier Ersatzmänner werden für jede zum
Rentamtsbezirke gehörige Stadtgemeinde I. und
II. Klasse die Mitglieder des Magistrats und die
Gemeindebevollmächtigten, dann für jede eingehö-
rige Stadt= und Marktgemeinde III. Klasse ein
Mitglied des Magistrats und ein Gemeindebevoll-
mächtigter, endlich für jede Landgemeinde der Ge-
meindevorsteher oder an dessen Statt ein Ge-
meindebevollmächtigter berufen. Bei der Wahl
genügt relative Stimmenmehrheit. Die Leitung
derselben übernimmt ein von der Kreisregierung,
Kammer des Jnnern, für jeden Rentamtsbezirk
zu bestimmenden Distriktspolizeibeamter, welcher
nach geschlossenem Wahlakte den Ausschußmitglie-
dern und deren Ersatzmännern nachstehenden Eid
abzunehmen hat: „Jch schwöre, daß ich als Mit-
glied des Steuerausschusses mein Urtheil über die
zu prüfenden Fassionen auf Ehre und Gewissen
nach freier Ueberzeugung abgeben werde, so wahr
mir Gott helfe.“ Die Bestimmung der ( nach
Art. 16 ) weiter für jede Gemeinde oder jedem
Bezirk beizuziehenden drei Ausschußmitglieder ist
der einschlägigen Gemeindebehörde überlassen. Die-
selben werden gleichfalls von dem einschlägigen
Distriktspilizeibeamten nach obiger Formel in eid-
liche Pflicht genommen. Wählbar in den Steuer-
ausschuß sind nur unbescholtene Staatsbürger,
welche in dem betreffenden Rentamtsbezirke, be-
ziehungsweise der betreffenden Gemeinde, ansässig
sind. Der Prüfungsausschuß ist zur strengsten
Amtsverschwiegenheit verpflichtet. ( Schluß folgt. )
München, 3. April. Die „Neue Münchener
Ztg.“ enthält folgenden Gesetzentwurf über einen
Credit für Bedürfnisse der Armee, der
der Kammer vorgelegt werden wird: „Seine
Majestät der König haben nach Vernehmung ih-
res Staatsraths, mit Beirath und Zustimmung
der Kammern der Reichsräthe und der Kammer
der Abgeordneten, mit Rücksicht auf die gestei-
gerten Bedürfnisse der Armee beschlossen und ver-
ordnen was folgt: Art. 1. Für den Zweck der
alsbaldigen Anschaffung solcher Gegenstände, die
schon im Frieden bei dem erhöhten Stand der
Armee und zu deren gehörigen Wehrfähigkeit vor-
handen sein sollen, werden dem Kriegsminister
2,800,000 fl. zur Verfügung gestellt. Art. 2.
Um für den Fall eines Krieges oder bei einer
erfolgenden Mobilisirung der Armee die weitern
nöthigen Anschaffungen und Leistungen bestreiten
zu können, wird weiter ein Credit von 700,000
fl. eröffnet; welche Summe dem Kriegsminister
in dem Falle, daß Kriegsausbruch wahrscheinlich
oder die Mobilisirung der Armee nöthig ist, je
nach Umständen theilweise oder im Ganzen zu
überweisen ist. Art. 3. Der Staatsminister der
Finanzen wird ermächtigt, im Wege des Anle-
hens die zu den beiden Postulaten erforderlichen
Mittel aufzubringen, und für die Flüssigmachung
nach Bedarf zu sorgen. Art. 4. Die Staats-
minister der Finanzen und des Kriegs sind mit
dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt. Ge-
geben München, den.... Für den Entwurf
( L. S. ) Dr. Aschenbrenner. Lüder.
München, 4. April. Wie ich aus sicherer
Quelle vernehme, ist am letzten Samstag im
Ministerrathe beschlossen worden, daß der Kriegs-
zustand in der Pfalz noch nicht aufgehoben wer-
den soll. Jn Folge dieses Beschlusses wird die
Berathung der Beschwerde mehrerer Abgeordne-
ten der Pfalz wegen des fortgesetzten Kriegszu-
standes nicht -- wie beabsichtigt war -- unter-
bleiben, sondern allernächst in der zweiten Kam-
mer stattfinden. Der deßfallsige Ausschußbericht
wird noch heute oder morgen vertheilt werden;
daß der Ausschuß die Beschwerde für begründet
erklärt hat, habe ich Jhnen schon mitgetheilt.
Jngolstadt, 4. April. Nachdem vorgestern die
Besatzung der Festung Wülzburg, welche ferner
wieder das 15. Jnfant.=Reg. zu geben hat, hier-
her zurückgekehrt war, wurden gestern sämmtliche
Fronten unserer Festung mit Posten besetzt, so wie
auch vor einigen Tagen die einzelnen Artillerie-
Kommandanten ihre Fronten übernommen haben.
△ Frankfurt, 5. April. Die Commission,
welche zur Begutachtung der Herstellung einer
Telegraphenlinie von hier nach Basel von den
betreffenden Regierungen ernannt wurde, ist zu-
sammengetreten und hat ihre Berathungen be-
gonnen.
Karlsruhe, 30. März. Nachdem nun auch
die erste Kammer in ihrer geheimen Abendsitzung
der Vertagung der Adresse der zweiten Kam-
mer beigetreten ist, liegt ein an die Regierung
zu Stande gebrachter Gesammtbeschluß bei-
der vor. Dieser geht sonach dahin, daß 1 ) dem
Abmarsch der badischen Truppen nach Preußen
beigestimmt wird, jedoch unter der Bedingung
sofortiger Kompensation der Kosten und der Kopf-
zahl, d. i. dem Verlangen Preußens zuwider soll
die Abrechnung der badischen Truppenzahl von
der in Baden verbleibenden preußischen nicht erst
in einem halben Jahre, sondern schon jetzt statt-
finden; 2 ) Baden gänzlich von der Last der Stel-
lung eines Kontingents zur Besatzung der Bun-
desfestung Rastatt entbunden, diese vielmehr aus-
schließlich durch andere deutsche Bundestruppen
besetzt werden solle; 3 ) legten die Kammern Ver-
wahrung ein gegen die zu Lasten Badens der
von Preußen in Anspruch genommenen 2,096,000
Thaler als Kostenbetrag der Mobilisirung der
preußischen Truppen. Die Kosten sollen nach der
Ansicht der badischen Kammern vielmehr von ganz
Deutschland gedeckt werden durch zu erhebende
Matrikularbeiträge von den einzelnen Staaten,
wobei dann Baden nur seinen Antheil zu zahlen
hätte. Endlich soll 4 ) die mit Preußen abzu-
schließende Uebereinkunft über diese verschiedenen
Punkte zuvor den Kammern zur Zustimmung vor-
gelegt werden.
Karlsruhe, 3. April. Wie ich aus guter
Quelle vernehme, ist gestern dem Minister des
Auswärtigen von der Protestation Oesterreichs
gegen die zwischen Preußen und Braunschweig
abgeschlossene Militär=Convention Mittheilung ge-
macht worden. Diese Protestation hat um des-
willen directe Bedeutung für Baden, weil darin
zugleich auch gegen eine eventuell zwischen Preußen
und Baden abzuschließende, oder etwa gar schon
abgeschlossene ähnliche Convention Verwahrung ein-
gelegt werden soll. Der Abschluß einer solchen ist
indessen -- wie ich vernehme -- bis jetzt noch nicht
erfolgt, und dürfte wohl mit bedeutenden Schwie-
rigkeiten verknüpft sein, da hier die Zerreißung des
achten deutschen Armee=Corps in das Spiel kommt,
gegen welche von allen betheiligten Staaten Ein-
sprache bereits erhoben worden sein soll. Wie es
scheint, nimmt auch die Bundes=Central=Commis-
sion die Sache bereits in die Hand, da die badi-
sche Regierung dieser Tage die Cinladung von
derselben erhalten hat, die badischen Militär=Con-
ventionen zur Vorlage zu bringen. Ob dies schon
geschehen, oder welche Antwort von hier aus er-
folgt ist, vermag ich nicht anzugeben.
== Wiesbaden, 5. April. Am 12. d. M.
beginnen unsere Assisen. Eine große Anzahl be-
deutender Kriminalverbrechen werden zur Verhand-
lung kommen.
Köln, 28. März. Auf dem hiesigen Stadt-
hause liegt seit einigen Tagen zu Jedermanns
Einsicht die prachtvolle illustrirte Dankadresse of-
fen, welche die Bürgerschaft Kölns Sr. Maj. dem
König Ludwig von Bayern für das so großmü-
thige und prachtvolle Geschenk der kostbaren vier
Glasgemälde=Fenster widmet, die jetzt die südliche
Nebenhalle des Langhauses in unserem herrlichen
Dome zieren. Diese Adresse ist ein wahres Mei-
sterwerk der Kunst, das -- ganz in mittelalter-
lich=deutschem Style von Kölner Künstlern aus-
geführt -- Zeugniß gibt, wie auch heute noch
ganz im Geiste und Geschmack unserer kunstge-
übten Altvorderen Vortreffliches und Ausgezeich-
netes geleistet werden kann. Sie ist ein wahr-
hafter Codex argenteus aureo poly chro-
maticus , wie ihn der Fleiß und die Geduld
jener Zeiten kaum besser herzustellen im Stande
gewesen wären. Der Einband besteht aus zwei
starken, mit dunkelrothem Sammt überzogenen
Deckeln, mit Vorsätzen von gewässerter weißer
Seide und Goldschnitt. Jn der Mitte des De-
ckels auf der Vorderseite befindet sich das baye-
rische Wappen in Emaille, getragen von einer
Agraffe von gothisch = architectonischer Form, in
starken Dimensionen sich vom dunkeln Grunde
erhebend. Die Rückseite zeigt das kölnische Wap-
pen in derselben Art, wie das vorige, nur in ei-
ner varirenden architectonischen Form Die Ecken
und Krampen tragen entsprechende Verzierungen,
Alles von massivem Silber und kräftiger Vergol-
dung. Das Jnnere besteht aus mehreren Perga-
mentblättern in Folio, auf deren erstem sich in
gothischen, reichverzierten Lettern die Aufschrift
befindet: „An Seine Majestät, den König Lud-
wig I., König von Baiern.“ Die Jnitiale dieser
Aufschrift stellt Ludwig den Heiligen als Kreuz-
fahrer dar, und unter der Aufschrift folgen fünf
der heil. Schrift und dem Leben der Heiligen
entlehnte symbolische Darstellungen der Künste:
die Malerei durch den heil. Lucas, die Poesie
durch König David, die Baukunst durch König
Salomon, die Bildhauerkunst durch Hiram und
die Musik durch die heil. Cäcilia. Auf dem zwei-
ten Blatte steht die Dankadresse selbst. Das dritte
enthält die innere Ansicht der südlichen Nebenhalle
des Langhauses im Kölner Dome mit den herrli-
chen Glasgemälde=Fenstern. Auf dem vierten sieht
man neben dem obern Theile des Glasgemälde-
Fensters in dem kleinen Chore der heiligen
drei Könige rechts und unten die Wappen der
15 Patricier=Familien Kölns. Die Darstellung
des fünften Blattes bringt einen Theil der Glas-
gemälde aus der nördlichen Nebenhalle des Lang-
hauses. Hierauf folgen mehrere Pergamentblät-
ter für die Namen der Unterzeichner der Adresse,
und dann als Schluß des Ganzen ein durch Wech-
sel und wunderbare Harmonie der Farben ausge-
zeichnetes Blatt mit dem königl. bayer. Wappen
und der Devise: Justus et perseverans. Hier
sieht man die Schutzpatronin des Landes -- die
heil. Jungfrau -- die Wappen des Domkapitels
und der Stadt Köln, umgeben von den Wappen
und Zeichen der ehemal. 22 Zünfte.
* Kassel, 4. April. Heute ist die Eisenbahn-
strecke von hier nach Marburg feierlich eröffnet
worden.
Von der Pleisse, 3. April. Die Gerüchte
über einen Fürsten=Congreß in Dresden
wiederholen sich nicht nur, sondern gewinnen be-
reits eine festere Gestalt. Man meint, derselbe
werde jedoch erst nach der Krönung des Kaisers
von Oesterreich Statt finden; es würde sich, will
man weiter wissen, an diese Feierlichkeit ein um-
fassender Gnaden=Act knüpfen, mit dem gleich-
seitig ähnliche Gnaden=Acte im übrigen Deutsch-
land erlassen werden würden. Einige spre-
chen auch die Hoffnung aus, dem Congresse
werde eine Verständigung der deutschen Fürsten
überhaupt, also eine Verschmelzung der sich jetzt
gegenüberstehenden Bündnisse vorausgehen, um so-
wohl hierdurch, wie durch eine allgemeine Am-
nestie die Völker Deutschlands zu versöhnen und
das Mißtrauen zu beseitigen, mit dem man der-
gleichen Fürsten=Versammlungen betrachtet.
Berlin, 2. April. Jn Kolmsee, Thorner Krei-
ses, hat am 26. März eine arge Störung der öf-
fentlichen Ruhe stattgefunden. Den Anlaß dazu
gab die Verhaftung eines Trunkenen, in deren
Folge die zahlreich versammelte Menge -- es war
gerade Jahrmarkt -- das Haus des Bürgermei-
sters stürmte, Möbel und Hausgeräth, so wie
Akten und Bücher zerstörte und alles Geld, so-
wohl das dem Bürgermeister gehörige, als das in
der Post=, Salz= und Steuerkasse befindliche, zu-
sammen gegen 600 Rthlr., raubte. Auch mehrere
Marktbuden wurden zerstört und die Verkäufer ih-
rer Waaren beraubt. Die Regierung in Marien-
werder hat sogleich einen Kommissarius an Ort
und Stelle gesandt, um den Thatbestand zu un-
tersuchen und die Ruhe nöthigenfalls durch Requi-
sition des Militärs zu sichern. Kolmsee ist übri-
gens ein Hauptsitz der Liga polska.
* Wien, 30. März. Die Zeitungen brachten
kürzlich die Kunde von einer scharfen, ja drohen-
den Note, welche Rußland durch seinen Gesandten
zu Berlin der preußischen Regierung habe zustel-
len lassen. Wenn der Auszug, welchen nord-
deutsche Blätter davon gaben, der Genauigkeit
nicht gänzlich entbehrt, so müssen wir allerdings
gestehen, daß diese Note ein politisches Ereigniß
von unberechenbarer Tragweite genannt zu werden
verdient. Wir können nicht in Abrede stellen, daß
die Energie, womit sich das russische Cabinet ge-
gen die immerhin revolutionäre Lösung der deut-
schen Frage erklärt, uns der Verbote jener Hal-
tung zu sein scheint, welche dasselbe Deutschland
gegenüber im Großen und Ganzen anzunehmen,
gesonnen ist. Nicht darauf, daß das meerum-
schlungene Ländchen zur Krone Dänemark gehöre,
sondern auf die Traktate des Jahres 1815 als
die unverbrüchlichen Grundlagen der europäischen
Ordnung der Dinge wird darin der entsprechende
Accent gelegt. Damit ist aber die deutsche Frage
aus dem wirren Stadium der zweck= und ziellos
kreisenden Bewegung, worin sie sich bis jetzt be-
fand, herausgetreten und ist im eigentlichen Sinne
des Wortes eine europäische Frage geworden.
Wir können dies nur aufrichtig beklagen. Die
Handlungsweise Derjenigen, welche fremde Ein-
mischung provociren, ist in jeder Beziehung un-
verantwortlich, und, wir scheuen uns nicht, es
auszusprechen, ein Verbrechen an der Nation.
Wäre die gegenwärtige preußische Regierung je-
derzeit von dem Grundsatze ausgegangen, daß nur
die solidarische Einigung der deutschen Staaten
ein dauerndes Verfassungswerk zu begründen im
Stande sei, hätte sie sich jederzeit die Maxime,
welche Oesterreich unverbrüchlich verfolgt, vor
Augen gehalten, so wäre ihr der Eindruck erspart
geblieben, der ungeachtet aller Redomontaden der
dünkelvollen, preußischen Blätter diese Note un-
fehlbar machen wird und muß. Die Frage ist
in Ganzen genommen so einfach, als möglich.
Erfolgt die Einigung der einzelnen deutschen Staa-
ten in der That, so geben ihnen die Traktate des
Jahres 1815 das unverkennbare Recht, Deutsch-
land nach gemeinsamem Einverständniß zu kon-
stituiren. Erfolgt diese Einigung nicht, und sollte
irgend ein deutscher Staat fortfahren die Verle-
genheiten Deutschlands auszubeuten, und die Trüm-
mer des ehemaligen Bundes als Material für
den Bau eigener Größe zu benutzen, so ist die
Störung des allgemeinen Gleichgewichtes unläug-
bar, Sinn und Wortlaut der Verträge vom Jahr
1815 verletzt und den auswärtigen Mächten das
Recht zur Hand gegeben, ihr Wort in Deutsch-
lands Angelegenheiten mitzusprechen.
+ Wien, 2. April. Heute Vormittag fand
die feierliche Dekorirung der jüngst ernannten
Mar.=Theres.=Ordensmitglieder durch den Kaiser
Statt. Unter Kommando des Armeekommandan-
ten, Gen. der Kavallerie, Grafen Wratislaw, war
die gesammte Garnison aus Wien und der Um-
gegend ausgerückt, und zwar: 4 Grenadier=,
4 Füsilier=, 3 Jäger= und ein Bataillon Pio-
niere, die beiden Kürassier=Regimenter Sunstenau
und Preußen, dann 8 Batterien. Der Moment
der Dekorirung ward durch Geschützsalven ver-
kündigt. Nebst den hier anwesenden neuernannten
Mitgliedern waren zu diesem feierlichen Akte der
F.=M. Windischgrätz, F.=Z.=M. Haynau aus Pesth,
G. d. K. Schlick aus Brünn und G.=M. Graf
Montennovo aus Preßburg hier eingetroffen. --
Die Berathungen der unter Vorsitz des Ban Jel-
lachich in Betreff der Militärgrenze zusammenge-
tretenen Commission schreiten vor, und bereits hat
sich dieselbe hinsichtlich der Verfassung über fol-
gende Vorschläge geeinigt, welche der Sanction
des Kaisers unterbreitet werden. Die einzelnen
Militärgrenz=Provinzen bleiben in dem Verbande
mit ihren Stammländern, und bilden vereint ein
Territorialgebiet mit gesonderten Provinzial= und
Militärverwaltungen. Die Sprache des Militär-
dienstes und im Truppen = Kommando bleibt die
deutsche als die Sprache des Reichsheeres. Jn
allen öffentlichen, innern und äußern Geschäften
bei den Gerichten gilt die Nationalsprache und
wird in den niedern und höhern Schulen einge-
führt. Jede Verleihung eines öffentlichen Amtes
in der Militärgrenze wird von nun an durch die
vollständige Kenntniß der Nationalsprache bedingt.
Nichteinrollirte Grenzer stehen unter den Landes-
gesetzen, die einrollirten hingegen unter den Kriegs-
gesetzen. Jedes Regiment stellt zwei Feldbatail-
lone mit 12 Compagnien und ein Reserveba-
taillon mit vier Compagnien, dann jedes der
4 Karlstädter und 2 Banal=Reg. 2 Compagnien
Seressaner und jedes der Warasdiner, slavoni-
schen und banatischen Grenzregimenter eine Di-
vision leichte Reiterei. Das Tschaikisten=Batail-
lon stellt ein actives Bataillon mit 4 Compag-
nien. Feldbataillone, Seressaner und Reiterei
werden in und außer Landes verwendet. Am
Cordon, bei dem Exercieren, im Winter, Früh-
jahr und Herbst und in jedem innern und äußern
Dienste gebührt dem Soldaten die Löhnung und
das Brodrelutum nach dem jeweilig bestehenden
Ausmaße. Dagegen ist der Grenzsoldat im ei-
genen Compagniebezirken zu der innern Polizei= u.
Disciplinar=Dienstleistung unentgeldlich verbunden.
Der einrollirte Soldat erhält vom Staat die com-
plete Montur, Armatur, Rüstung und Munition.
Wegen Entschädigung der Seressaner und der Rei-
terei erfolgen nähere Bestimmungen. Das Dienst-
constitutivum hört auf, dagegen findet Jnvaliden-
versorgung der verdienten und erwerblosen lang-
dienenden Soldaten Statt. -- Der Kriegsmini-
ster, F.=M.=L. Graf Gyulai wird am 11. d. hier
von seiner Reise nach Jtalien zurückerwartet. --
Bis Ende Juni müssen die Telegraphen = Linien
von Junsbruck über Kufstein nach Lofer, dann
nach Bregenz und nach Botzen vollendet sein, und
da gleichzeitig die Arbeiten von Botzen nach Ve-
rona und Mailand in Angriff genommen werden,
so dürfte die telegraphische Verbindung zwischen
Wien und Mailand schon Anfangs Juli einge-
leitet sein. -- Dem Vernehmen nach hat das
Ministerium wegen Herrichtung der Appartements
für Abhaltung der Landtage in den verschiedenen
Kronländern bereits Einleitungen getroffen. --
Nach Mailand und der Umgegend sollen noch
20,000 M. verlegt werden. -- Nach glaub-
würdigen Nachrichten steht eine Beschlußnahme
in Betreff des längst projectirten Anlehens im
lombardisch = venetianischen Königreich in nächster
Aussicht. Dasselbe soll 40 Mill. Gulden be-
tragen, wovon die eine Hälfte in Schatzscheinen,
die andere in Silber gegen 5procentige Metalli-
ques eingezahlt werden soll. Diese Obligationen
sollen auf den Monte versichert und innerhalb
25 Jahren verlost werden. Die Aufforderung
soll vorerst zu einer freiwilligen Anleihe erfolgen,
bei deren Erfolglosigkeit man zu einer Zwangs-
Anleihe schreiten wird. Ein Theil der Gelder ist
zum Ankauf der Mailand = Venetianer Bahn be-
stimmt. -- Dem „Constitutionellen Blatt aus Böh-
men “ wird aus der Lombardei geschrieben, daß
die öffentliche Sicherheit im ganzen Lande in der
beklagenswerthesten Lage ist. Kein Tag vergeht,
an dem nicht aus den Provinzen Nachrichten über
die kecksten Raubanfälle, Plünderungen, Mord-
und Todtschläge aller Art einlaufen. Selbst in
Mailand finden fast täglich sogar in den besuch-
testen Straßen Raubanfälle Statt, die man un-
geachtet aller Strenge gegen Einzelne nicht ver-
hindern kann.
Frankreich.
Paris, 30. März. Eine liberalc englische
Zeitschrift bemerkt über die dermalen französischen
Zustände: „Die im Februar 1848 entstandene
Regierungsform von Frankreich ist so weit
entfernt von einer republikanischen Verfassung,
wie irgend eine Regierungsform nur sein kann.
Frankreich trat vielmehr unter eine vielköpfige
Dictatur, unter eine despotische Oligarchie. Elf
Männer, von denen einige von einer Zeitungs-
expedition, andere von einer Pöbelrotte, die in
die Deputirtenkammer einbrach, ausgesucht und
angestellt worden waren, haben Frankreich wäh-
rend der Monate März, April und Mai 1848
mit einem Grade des Absolutismus regiert, von
dem die Geschichte sonst kein Beispiel aufzuweisen
hat. Die tyrannischsten Asiatischen oder Af-
rikanischen Herrscher, der Kaiser von China
der König von Dahrmi oder der Aschan-
ti 's dürfen nicht den zehnten Theil der despoti-
schen Willkür sich erlauben, welche die Elfe in
ihre hundert Tage zusammengedrängt haben. Sie
lösten die Deputirtenkammer auf. Sie verboten
den Pairs sich zu versammeln. Sie vermehrten
das stehende Heer um 200,000 Mann und er-
richteten eine neue Armee für Paris von 20,000
Mann mit doppeltem Solde. Zur Bestreitung
dieser Ausgaben erhöhten sie die direkten Steuern
um 41 Procent. Sie entbanden die Bank von
den Baarzahlungen, gaben den Banknoten einen
Zwangscours, und forderten dann der Bank ein
Darlehen von 50 Millionen ab. Sie thaten
kühne Griffe in die Sparkassen. Sie schafften
alte Abgaben ab und führten neue ein. Sie er-
klärten die Staatsverträge, auf welchen das Eu-
ropäische Völkerrecht beruht, für erloschen. Sie
setzten Richter ab, die nach der Verfassung unab-
setzbar waren. Sie sandten Commissarien in das
Land, welche sie mit eben der absoluten Gewalt
bekleideten, welche sie sich selbst angemaßt hatten.
Kurz, sie thaten, was keine Regierung thun kann,
der noch irgend ein beschränkender oder mäßigen-
der Einfluß gegenübersteht. Sie verboten endlich
und verhinderten, so gut sie konnten, die Rückkehr
Frankreichs zu der Verfassung, unter welcher
es seit Cäsärs Zeit immer gelebt hat, die sie-
ben jammervollsten Jahre seiner Existenz ( 1792--
1799 ) allein ausgenommen. Wenn dies repu-
blikanische Regierung ist, so finden wir mehr
Freiheit in Venetianischer Aristokratie oder
im Türkischen Despotismus. Aber so groß die
Macht dieser Tyrannen war, die Rückkehr zur
Monarchie konnten sie nicht hindern. Nach noch
nicht ganz vier Monaten wurde die Monarchie
-- eine wirkliche, wenn gleich eine temporäre Mo-
narchie -- in der Person des General Cavaignac
hergestellt. Und jetzt ist das monarische Element
in Frankreich vielleicht stärker als in irgend
einem europäischen Lande. Louis Napo-
leon hat mehr wirkliche Macht als irgend ein
gleichzeitiger Herrscher, den Russischen Kaiser
allein ausgenommen. Die Franzosen sind gegen-
wärtig mehr Unterthanen eines Einzelwillens,
eines unbeschränkten und auf mehrere Jahre hin
gesetzlich unbeschränkten Einzelwillens, -- als sie
unter irgend einem Könige seit dem Tode Lud-
wigs des Vierzehnten gewesen sind, -- mehr
Unterthanen eines Einzelwillens, als sin nament-
lich während der letzten Regierungsjasre des sehr
selbstregierenden Louis Philipp waren.
C Paris, 2. April. Der Constitutionnel ent-
hält Folgendes: Die Preßgesetzkommission hat
sich heute versammelt. Folgendes sind die Punkte,
über welche, wie man versichert, sie einig ist:
Beibehaltung des jetzigen Cautionsbe-
trages und Verpflichtung der Journale, im Ver-
urtheilungsfalle binnen drei Tagen ihre Caution
zu ergänzen. Dieser Tage wird sie die Abgeord-
neten der Departementalpresse besonders verneh-
men. Diese werden morgen eine Sitzung haben,
um sich über die zu machenden Vorstellungen zu
einigen. -- Am 29. November 1849 wurde Cabet
vom Zuchtpolizeigerichte wegen Mißbrauch des
Vertrauens und Betrügerei zu zwei Jahren Ge-
fängniß, 50 Fr. Geldbuße und fünfjährigem Ver-
lust der bürgerlichen Rechte in contumatam ver-
urtheilt. Cabet legte dagegen Verwahrung ein.
Gestern 2. April war der anberaumte Termin.
Der Vertheidiger Cabets, Henry Celliez, verlangte
einen abermaligen Aufschub von 3 Monaten, wo
sein bis jetzt verhinderter Client mit seinem Eh-
renworte sich verpflichte, sich zu stellen. Der An-
waltssubstitut Oscaro de la Vallie ( von Girar-
din im Versailler Prozeß des Mißbrauchs der
Amtsgewalt beschuldigt ) , spricht in einer längeren
Rede dagegen. Dies Tribunal verwirft die Ein-
rede Cabets und bestätigt das Urtheil vom 29.
September. -- Wenn wir einer sonst sehr ver-
läßlichen Quelle glauben dürfen, hat die Groß-
herzogin Stephania von Baden ihren Aufenthalt
dazu benützt, die Grundlagen einer französisch-
russischen Allianz anzubahnen. Wie sie die Ver-
mittlerin von französischer Seite ist, vertritt der
mit ihr verwandte Herzog von Leuchtenberg, den
man nächstens hier erwartet, Rußland. Die Un-
terhandlungen sind weit genug vorgerückt, um Lord
Normanby so sehr zu beunruhigen, daß er mit
dem Elysée schmollt. Die gegenwärtige Stellung
Englands und Rußlands hat viel dazu beigetra-
gen. Ein geistreicher Legitimist bemerkte auf die
Nachricht von dieser Neuigkeit, daß die Februar-
revolution nur wenige Tage vor dem Abschluß
einer Allianz zwischen Louis Philipp und Nikolaus
ausgebrochen sei. -- Die Regierung wollte, wie
wir neulich berichtet haben, alle arbeitslosen, nicht
hier gebürtigten Arbeiter und erwerblose Fremde
sammt Vagabunden plötzlich aus Paris entfernen.
Bestimmte Befehle waren gegeben, die Divisions-
generale wie die Polizeiagenten bereit, als im
Augenblick der Ausführung Gegenbefehl anlangte.
Aus dem mittägigen Frankreich, Ende März.
Jmmer mehr wohlhabende Familien verlassen un-
ser Land, um sich auswärts vor der Hand oder
auch für die Dauer niederzulassen. Verstimmung
in unsern socialen Zuständen, Mißtrauen in deren
Verbesserung sind die Ursachen dieses Auswan-
derns. Royer Collard sagte einmal: „Frankreich
wird untergehen im Mangel der Achtung vor
allem Höheren, sei es menschliche, sei es göttliche
Autorität.“ So ist es, diese Achtung ist aus
der Gesellschaft gewichen, zunächst aus der Fa-
milie. Jeder überschätzt seinen eigenen Werth
und maßt sich an, Andere beherrschen zu wollen;
diese Krankheit ist allen Ständen und allen Schich-
ten der Nation eigen. Zur Zeit ist noch die
Armee unsere feste Stütze; achtet man sie
auch nicht, so fürchtet man sie doch. Die Po-
litik der Nationalversammlung und der Partei
der Ordnung ist nur eine der Unthätigkeit, des
Zuwartens, monarchischen Grolls ( bouderie ) ,
unzeitigen Bedauerns, der Verneinung, thatloser
Wünsche, wobei die Uebel täglich weiter um sich
greifen und nichts wesentlich Gutes geschaffen
wird. Die letzten Pariser Wahlen haben hier
allgemeines Erstaunen, tiefe Betrübniß erregt;
man begreift die Bougeoisie nicht, der doch Alles
liegen sollte an tüchtigen Vertretern. Sollte sie
so weit in ihren Vermögensumständen zurückge-
kommen sein, fragt man sich hier, und deshalb
zum Sozialismus sich neigen? Der reine Pa-
triotismus für das große, schöne Frankreich, das
nur in der Einheit bestehen kann, ist dahin, man
schwört zur rothen Republik, zum Bonapartis-
mus, Orleanismus, zur Legitimität, vor Allem und
neben Allem zum krassesten Egoismus.