Die Stimmung der Arbeiter und die
Arbeitervereine.
Es ist eine sehr beachtenswerthe Thatsache, daß
in der Unzufriedenheit der Arbeiter eines der wich-
tigsten und gefährlichsten Gährungselemente unse-
rer Zeit liegt. Die Februarrevolution von Paris
war großentheils ihr Werk, und überall in Deutsch-
land stützen sich die demokratischen und Revoluti-
onsparteien vornehmlich auf die arbeitenden Clas-
sen. Unter den Arbeitern hat man aber nach dem
neuerlich aufgekommenen Sprachgebrauch nicht alle
die arbeiten, selbst nicht alle welche Leibesarbeit
verrichten, sondern im prägnanten Sinn in der
That nur die Handwerksgesellen, und in zweiter
Linie noch die Fabrikarbeiter und die städtischen
Tagelöhner zu verstehen, keineswegs aber die große
Masse der kleinen Bauern und ihrer Knechte. --
Es ist eine merkwürdige Erscheinung, daß die ver-
neinenden Lehren unserer Tage in sozialer, poli-
tischer und religiöser Richtung ganz vorzüglich in
dem Stande der Handwerksgesellen einen empfäng-
lichen Boden gefunden haben, und daß die Saat
der Revolution gerade unter diesen Classen üppig
aufgegangen ist. Die Erscheinung wird um so
auffallender wenn man bedenkt, daß diese Arbei-
ter von der Verwirklichung jener Lehren wenig
für sich zu hoffen, vieles zu fürchten haben, und
daß somit ihre natürlichen Jnteressen von der
Strömung welcher sie sich hingeben, selber bedroht
sind. Sie lassen sich von den Sozialisten und
Communisten leicht beschwatzen und gewinnen; und
es ist klar daß der Communismus und Sozialis-
mus, würde er irgendwo für den Moment --
auf die Dauer hält derlei Unsinn nicht an --
praktisch eingeführt, gerade diese Arbeiter um ihr
Brod brächte. Das Eigenthum ist zwar nicht
das Produkt der Arbeit, aber das Eigenthum be-
darf zu seiner Ausbildung und Benutzung der Ar-
beit, und es lohnt auch die Arbeit. Wird das Ei-
genthum zerstört, oder in seiner Sicherheit gefährdet,
so vermindert sich in dem Maße der Gefährdung auch
das Begehren nach Arbeit u. damit der Lohn für die Ar-
beit. Die Eigenthümer beschränken sich auf das absolut
nöthige. Sie vermeiden jede Ausgabe zu welcher sie nicht
gezwungen sind. Die Bauten werden eingestellt,
keine neuen Möbeln angeschafft, neue Kleider nur
von gemeinem Stoff und so spärlich als möglich
begehrt; für Luxusgegenstände, für künstlerische
Werke welche wieder eine Menge von Händen
auch der Handwerker beschäftigen, nichts verwen-
det. Diese Stockung der Arbeit, wie wir sie im
Jahr 1848 in Frankreich voraus, in schwächeren
Nachwirkungen aber auch in Deutschland erfahren
haben, hält so lange an als das Eigenthum sich
bedroht fühlt. Erst wenn das Vertrauen der Ei-
genthümer wieder steigt, nehmen auch die Arbeits-
bestellungen und damit die Aussicht der Arbeiter
auf Verdienst wieder zu. So sehr sind ihre Jn-
teressen mit denen der Eigenthümer verbunden,
daß weder diese ohne die Leistungen der Arbeiter
zum Genuß ihres Vermögens gelangen, noch die
Arbeiter ohne die Sicherheit der Eigenthümer Be-
schäftigung und ein befriedigendes Auskommen fin-
den können. Wenn daher die communistischen und
sozialistischen Systeme die Ruhe des Eigenthums
bedrohen, so gefährden sie ganz gleichzeitig und in
demselben Maß auch die Existenz der Arbeiter.
-- Nicht minder auffallend ist es, daß die Arbei-
ter in unsern Tagen so leicht für demokratische
und politisch revolutionäre Tendenzen gewonnen
werden. Sie können unmöglich dabei gewinnen,
denn würde der Staat noch so demokratisch ein-
gerichtet werden, so würde die Regierung desselben
doch nie von den Handwerksgesellen weder direkt
noch indirekt geleitet werden. Jm günstigsten Fall
hätten sie von der Demokratie doch nur den un-
nützen Schein der Mitherrschaft, und wären in
Wahrheit bloße Werkzeuge in der Hand betrüge-
rischer Führer, welche ihre Zahl und ihre Arme
zu selbstsüchtigen Zwecken zu mißbrauchen und ihre
Zeit und ihre Kräfte sich dienstbar zu machen ver-
ständen. Die Arbeiter würden aber bei dem Um-
sturz auch der politischen Staatsordnung jedenfalls
schwere Verluste erleiden; denn die Erschütterung
des öffentlichen Credits wird von der Jndustrie
viel stärker empfunden als von dem Landbau, und
jedes revolutionäre Erdbeben -- unter der Herr-
schaft der ihnen angepriesenen Grundsätze aber
würden diese Erdbeben so gewöhnlich werden wie
die physischen in Columbien -- zerstört einen gro-
ßen Theil der vorhandenen Kapitalkräfte, und
schließt und entvölkert eine Masse von Werkstät-
ten. -- Endlich haben auch irreligiöse und sogar
atheistische Lehren unter den Arbeitern eine grö-
ßere Verbreitung in neuester Zeit gefunden als in
irgendeiner andern Classe der Bevölkerung. Nicht
bloß Auszüge von kritischen Werken mit negativer
Richtung, wie von Strauß' Leben Jesu, und die
abgeschmackten Erdichtungen des modernen Unglau-
bens, wie die mancherlei „Enthüllungen“ des wah-
ren Lebens und der Todesgeschichte Christi, finden
unter den Arbeitern einen zahlreichen Leserkreis,
sondern selbst die abstrakten Spekulationen von
Feuerbach, Edgar Bauer u. a., und was immer
die neuere Litteratur an philosophisch klingendem
Atheismus hervorgebracht hat, werden nicht selten
von Arbeitern eifrig studirt, als hätten sie hier
einen Born erfrischender Weisheit entdeckt. Die
Negation scheint sie anzuziehen; und so hat denn
auch der Deutschkatholizismus seine Rekruten vor-
zugsweise unter den Arbeitern gesucht und gefun-
den, und viel zahlreichere Anhänger hat der reli-
giöse Jndifferentismus nun in dieser Classe erwor-
ben, welche früher das Gepräge jener bürgerlichen
Ehrbarkeit und jener schlichten, von methodistischer
Kopfhängerei wie von spekulativen Zweifeln freien
häuslichen Frömmigkeit an sich trug, durch die
sich das niedere Bürgerthum der deutschen Städte
einst auszeichnete. Auch diese neue Richtung der
Verneinung in religiösen Dingen kann unmöglich
den wahren Bedürfnissen und den natürlichen Jn-
teressen der Arbeiter zusagen; denn wo wirkliche
Leiden den Menschen beugen und die Noth ihn
niederdrückt, da hat sich von jeher die moralische
Kraft der Religion am herrlichsten bewährt. Sie
mildert das Leiden, indem sie es ertragen lehrt;
sie richtet den Gebeugten auf, indem sie ihn auf
Gottes Macht und Liebe hinweist. Des Trostes,
der Hoffnung und der Erlösungszuversicht aus den
Uebeln der Welt, welche die Religion allein ge-
währt, können gerade die leidenden und gedrückten
Classen der Menschen am wenigsten entbehren.
Das Christenthum vollends ist ja in ganz spezifi-
scher Weise die Religion der Armen, der Geplag-
ten, der Unglücklichen. Wenn daher die arbeiten-
den Classen wirklich, wie behauptet wird, mit so
viel Noth des Lebens zu kämpfen, wennn sie
Grund haben ihre Zustände als drückend und un-
glücklich zu beklagen, wie sollten denn sie ein Jn-
teresse dabei finden die Wahrheit der Religion zu
läugnen, von der allein sie die heilsamste Stär-
kung in der Noth empfangen können?
( A. Z. )
Das Schauspiel, welches Frankreich seit der
Februar=Revolution darbietet, ist eins der trau-
rigsten und zugleich eins der belehrendsten, die
man sehen kann; es zeigt klar die stets wachsende
und täglich mehr hervortretende Ohnmacht der
Jdeen und Grundsätze, welche die französischen
Revolution in der Welt geltend machen wollte.
Seit 60 Jahren suchen diese Jdeen und Grund-
sätze eine Regierung zu gründen, wodurch sie die
Gesellschaft leiten konnten, und all ihre Versuche
sind gänzlich mißlungen. Alle Regierungen, wel-
che die Revolution seit 1789 zu gründen gesucht
hat, sind gefallen, die einen unter dem Gewicht
der Verachtung, die sie einflößten, die andern da-
durch, daß sie sich dem Prinzip zu entziehen such-
ten, dem sie ihr Dasein verdankten. Selbst das
Kaiserreich, dessen Fall zur unmittelbaren Ursache
die Niederlage unserer Heere und das Einrücken
der Feinde in Frankreich hatte, ist durch das
Phantom der Revolution an den Rand des Ab-
grundes gebracht. Napoleon gestand auf St. He-
lena: „ich mußte ohne Unterlaß siegen, um den
revolutionären Concessionen zu entgehen, die der
Friede von mir verlangt haben würde.“ Er wollte
also lieber seinen beständigen Krieg gegen Europa
führen, als im Jnnern gegen die revolutionären
Consequenzen seines Ursprunges kämpfen, die Wech-
selfälle des Krieges schienen ihm minder gefähr-
lich, als der Abhang, auf dem sein Thron stand.
Der revolutionäre Ursprung seiner Macht war es
also, welcher den Kaiser zu den thörichten und
riesigen Kriegszügen nöthigte, die seinen Sturz
herbeigeführt haben. -- Die Restauration ist
gefallen, indem sie gegen die in der Charte von
1814 enthaltenen revolutionären Grundsätze anzu-
kämpfen suchte. -- Louis Philipp hat den Kampf
nicht einmal versucht. Die Nationalgarde hatte
im Namen der Volkssouverainetät feinen Thron
aufgerichtet, sie hat ihn, ohne es zu wissen und
zu wollen, umgestützt durch ihr Geschrei: „es
lebe die Reform!“ und es gelang der Revolu-
tion, nach einer mehr als 40jährigen Unterbre-
chung Frankreich auf's Neue die republikanische
Regierungsform aufzulegen, welche der wahrste
Ausdruck ihrer Grundsätze ist. Diese privilegirte
Regierung der Revolution hat nur 4 Monate
dauern können, vom 24. Februar bis zum 25.
Juni. Seit dem Juni 1848 ist die Revolution
unter Vormundschaft gesetzt: die Republik hat der
Militärdiktatur unter Cavaignac Platz gemacht,
um sich dann unter Louis Nepoleon in eine
Quasi=Monarchie zu verwandeln. Der Name der
Republik steht noch an den öffentlichen Gebäuden,
die republikanischen Regierung hat aber aufgehört,
zu existiren. Diejenigen, welche in ihrem Namen
handeln, sprechen von ihr mit der größten Ver-
achtung. Die niedern Klassen, welche sie mit Be-
geisterung begrüßt haben, finden ihren Glauben
an sie sehr erschüttert. Die Arbeiter und die
Bauern stimmen noch für die republikanischen und
socialistischen Candidaten und werden es noch
lange thun, aber es fällt ihnen nicht mehr ein,
sich für die Chimären des Socialismus zu schla-
gen. Nur die untersten Schichten der Pariser
Bevölkerung sind der Republik noch wahrhaft er-
geben. Wird also die Republik bald aufhören?
Ja und nein. Ja, denn sie hängt nur an einem
Faden. Nein, denn man ist nicht einig darüber,
wer ihr folgen soll und wird sich auch vielleicht
nicht sobald darüber einigen. Die Zeit hat indeß
seit einigen Monaten die Frage sehr vereinfacht
und vereinfacht sie täglich mehr. Die Täuschun-
gen und Hoffnungen z. B., welche Louis Napo-
leon 6 Millionen Stimmen verschafft haben, be-
ginnen schon zu zerrinnen. Das Volk, nament-
lich auf dem Lande, hat sich durch diesen Namen
verleiten lassen und sich eingebildet, er allein ver-
möge den Ruhm und die Sicherheit des Kaiser-
reichs zurückzuführen; der Kaiser schläft aber im
Hotel der Jnvaliden den ewigen Schlaf und das
Volk hat bald von dem Erwählten des 10. De-
zember gesagt, was der Fuchs in der Fabel von
der Larve: o quanta species. cerebrum non
habet. -- Diese Schwierigkeit ist also beseitigt;
eine viel größere besteht aber noch, die Rivalität
der beiden Zweige des Hauses Bourbon; so
lange sie dauert, bleiben wir im Provisorium.
Vor 6 Monaten war das, was man la fusion
nennt und was eigentlich nichts anders ist, als
eine einfache Verzichtleistung des Hauses Orleans
auf die Krone, viel weniger vorgerückt, als jetzt,
wenigstens glaubten dieses diejenigen, welche bei
dieser Sache thätig sind. Man rechnete auf den
jetzt in England stattfindenden Familien=Congreß
und die Anwesenheit der Herzogin von Orleans zu
Claremont, hat sich aber ganz getäuscht. Die
Herzogin hat bis jetzt allem Zureden kein Gehör
gegeben, und hält, wie sie sagt, ihren Sohn zur
Disposition für Frankreich, für den Fall, daß es,
der revolutionären Experimente müde, zur Monar-
chie zurückkehrt. Die Herzogin ist sicher die aus-
gezeichnetste Fürstin unserer Zeit; sie hat einen
seltenen Geist und ein heroisches Herz. Der Muth
und die Geistesgegenwart, die sie am 24. Febr.
bewiesen hat, müßten sie allein unsterblich ma-
chen; aber sie hat mehr Phantasie als Verstand.
Sie ist aus einer Prinzessin eines kleinen deut-
schen Hofes die Gattin des Thronerben von
Frankreich geworden und es ist darum begreiflich,
daß sie damals eine glänzende Zukunft erwartete.
Jhre gerechten Hoffnungen wurden durch den Tod
des Prinzen vernichtet, und da mußte sie natür-
lich ihre Gefühle und Erwartungen ganz auf ih-
ren Sohn übertragen. Seit dem 24. Febr. mag
ihr oft das Bild Maria Theresia's vorgeschwebt
und ihre mütterliche Zärtlichkeit gesteigert haben.
Alle diese Gefühle sind so natürlich, so edel und
erhaben, daß man sich über den Jrrthum nicht
wundern kann, zu dem sie ein Geist verleitet hat,
der es nie recht verstanden hat, sich vor den ge-
bieterischen Forderungen der Politik zu beugen.
( Schluß folgt. ) Deutschland.
München, 1. Juni. Gegen den hiesigen
„Volksboten“ ist wegen Beleidigung des 2. Prä-
sidenten Weis auf Grund des Preßgesetzes von
der Staatsbehörde eine Untersuchung eingeleitet.
München, 1. Juni. Se. k. Hoh. der Prinz
Albert von Sachsen ist heute Mittag 11 Uhr mit
Extrapost von hier nach Salzburg abgereist. Vor
dieser Abreise machten JJ. kk. MM. Max und
Ludwig noch persönlich die Abschiedsvisite. Der
Telegraph meldet im Voraus nach Salzburg, daß
der hohe Reisende München verlassen, heute in
Trauenstein übernachten und morgen zum Mit-
tagszeit in Salzburg ankommen wird. -- Das
erlauchte Königspaar Max und Marie begibt sich
erst morgen nach Berg. -- Der Armeebefehl ist
heute von Sr. Majestät unterzeichnet worden und
enthält gegen 400 Beförderungen. Das Erschei-
nen desselben dürfte jedoch erst in der nächsten
Woche erfolgen. -- Eine projektirte theilweise
Beurlaubung im 2. Armeecorps ist wieder rück-
gängig gemacht worden.
( A. Ab. )
g München, 4. Juni. Wir haben hier ein
Blättchen, das wegen seines Annoncenreichthums
viel gelesen, inmitten der Haupt= und Residenz-
stadt des Königreichs Bayern nichts eifriger zu
thun hat, als uns den Bayern feindlichen und
Preußen freundlichen Blättern Alles zusammenzu-
lesen, was irgend die Politik Preußens in ein
günstiges, diejenige Bayerns oder Oesterreichs in
ein ungünstiges Licht zu stellen ihm geeignet scheint.
Es ist dies eine traurige Erscheinung, wenn der
sich so nennende „Liberalismus“ mit dem Hasse
gegen das eigene nächste Vaterland anfangen zu
müssen glaubt, um seine „Jdeen“ zu veranschau-
lichen. Wer das engere Vaterland nicht zu lie-
ben versteht, wird nie und nimmermehr das wei-
tere zu lieben vermögen. Es ist durchaus nicht
etwa die Gerechtigkeitsliebe, die sich hier geltend
macht, indem sie auch die preuß. Anschauung der
Dinge mitvertreten lassen wollte, noch ist es der
liebe Zufall oder eine Art von Unzurechnungsfä-
higkeit des Redigirenden, sondern die strengste Par-
tei=Auffassung vom reinsten Wasser, welche überall
nur Dasjenige aus der Unmasse von verschieden-
artigsten politischen Nachrichten den Lesern mit-
theilt, was der specifisch preußischen Politik irgend-
wie Vorschub leisten kann. Jn der Regel werden
auch -- wie dies allerdings bei ganz unbedeuten-
den politischen Tagesblättern zu geschehen pflegt --
die Quellen nicht angegeben. Man merkt aber
nicht, woher die Nachrichten fließen. Heute lesen
wir eine sehr neue Nachricht in diesem Blättchen,
die ohne Zweifel die Absicht hat, Oesterreich recht
schrecklich in der öffentlichen Meinung herunterzu-
setzen, damit Preußen desto höher steige. Man
höre nur ein Stück dieser politischen Weisheit:
„Nach einer andern nicht minder zuverlässigen
Quelle hat der Prinz von Preußen zugleich den
Auftrag, den Kaiser von Rußland dahin zu be-
stimmen, daß er -- falls Oesterreich einen im
Bundesrecht nicht begründeten Krieg gegen Preußen
beginne -- sich nicht einmische, damit dieser Krieg
nicht zu einem europäischen werde.“ Erstens möch-
ten wir fragen: in welchem Artikel des Bundes-
rechts wohl angegeben ist, wie ein Krieg ausse-
hen muß, damit er als „im Bundesrecht begrün-
det “ erscheine. Nach diesem erst wäre es wohl
möglich anzugeben, welches ein im Bundes-
recht nicht begründeter Krieg sei. Zwei-
tens müssen wir allerdings nach jener „nicht min-
der zuverlässigen Quelle“ die Großmuth des preu-
ßischen Kabinets mit allen uns zu Gebot stehen-
den Mitteln bewundern, nach welcher der Kaiser
von Rußland aus keinem anderen Grunde um
Nichtintervention zwischen Preußen und Oesterreich
gebeten wird, als damit „der Krieg nicht zu ei-
nem europäischen werde,“ sondern damit Preußen
allein das Vergnügen habe, mit Oesterreich in der
Zerrüttung der beiderseitigen Finanzen zu wettei-
fern. Jn derselben Numer bringen unsere „ Neue-
sten Nachrichten einen Brief der Berliner mini-
steriellen „Deutschen Reform“ aus Wien.
Der „Karlsruher Ztg.“ wird aus Frankfurt
vom 4. Juni geschrieben: Die Demokratie ist in
Frankfurt für den Augenblick machtlos, aber zahl-
reich und ununterbrochen thätig, und sie hat, wie
anderswo, nachdem bisher vorzugsweise an der
Haltung der Truppen ihr Bestreben gescheitert,
ihre Thätigkeit gegen dies hauptsächlichste Hinder-
niß zu richten begonnen und zunächst die Einen
gegen die Andern aufzuhetzen versucht. Die Bayern
liegen in Sachsenhausen und kommen mit den
übrigen Truppentheilen weniger in Berührung;
die Oesterreicher sind theilweise Böhmen, die kein
Deutsch verstehen, theilweise sind sie erst eben hier
eingerückt; es bleiben also die Preußen und die
Frankfurter, und bei diesen -- namentlich den
Frankfurtern -- geworbenen Leuten aus aller
Herren Länder, und mitunter von den zweifelhaf-
testen Antezedentien, sind die Hetzereien nicht ohne
Erfolg geblieben, und so bedurfte es nur eines
bestimmten Anlasses, um die Verstimmung in Er-
bitterung zu verwandeln. Ein solcher Anlaß war
das kürzliche Manöver.
Heidelberg, 2. Juni. Auf dem vor zwei
Jahren in Jena abgehaltenen Universitäts=Congresse
wurde beschlossen, daß der nächste in Heidelberg
sollte gehalten werden. Allein wie so Vieles bei
den damals obwaltenden Verhältnissen in den Hin-
tergrund treten mußte, so war es auch mit die-
sem Congresse. Er konnte unter den damaligen
Verhältnissen nicht stattfinden. Dieses soll nun
in diesem Jahre geschehen, und zwar in dem Mo-
nate September. Unsere Staatsregierung hat dazu
nicht nur bereits die Erlaubniß ertheilt, sondern
auch der betreffenden Komission zur Bestreitung
von dadurch herbeigeführten Ausgaben eine be-
stimmte Summe zur Verfügung gestellt.
( Sch. M. )
Stuttgart, 3. Jum. Unsere Landesversamm-
lung befindet sich in einem mitleiderregenden Zu-
stand; sie kann nicht leben und nicht sterben, und
ist sich selbst zur Qual. Viele Mitglieder gehen
deßhalb mit dem verzweifelten Gedanken um, ih-
rem Leben ein gewaltsames Ende zu bereiten, und
sind nur noch in der Wahl der Todesart verle-
gen. Wozu das elende Dasein noch länger fri-
sten? rufen sie in richtiger Erkenntniß der Unheil-
barkeit ihrer Krankheit aus; ein rascher Tod, ein
schnelles Ende ist diesen Martern langsamen Hin-
siechens weitaus vorzuziehen. Andere dagegen ha-
ben noch mehr Religion, indem sie den Entschluß
aussprechen, ihr Sterbestündlein in Geduld und
Ergebung abzuwarten, und als wahre Christen-
menschen mit Fassung zu ertragen, was der Him-
mel über sie kommen läßt. Seit die Minister
durch ihr Ausbleiben in der letzten Verhandlung
zu erkennen gegeben haben, daß sie vorerst nichts
mehr mit der Versammlung zu beginnen wissen,
und sich damit die leidende Versammlung als wie
der Kranke von seinem Arzte aufgegeben sieht, ist
bleicher Schrecken in ihre Glieder gefahren. Die-
ser Landesversammlung geht es nun wie einem
vollblütigen Jüngling, dem erfahrene Männer
stets wohlmeinend und warnend zuriefen, nicht
allzusehr auf seine Gesundheit hineinzustürmen,
der aber im Glauben an die Unerschöpflichkeit
seiner Kraft sämmtlichen Warnungen zum Trotz
sich allen Leidenschaften überließ, bis er endlich
siech und matt auf das Krankenlager kam. Nim-
mermehr wollte die Landesversammlung glauben,
daß auch ihre Kraft gebrochen werden könne; sie
fühlte sich äußerlich stark und kräftig, tobte nach
allen Seiten hin, aber siehe da, plötzlich befällt
sie ein schleichendes Fieber und ohnmächtig und
gebrochen wälzt sie sich nun auf ihrem Lager,
und wenn sie dem Fieberkranken gleich auch noch
öfters unmuthig vom Lager aufspringt und ihren
Zustand unerträglich findet, so muß sie fortan
doch Alles geduldig über sich ergehen lassen, und
manche bittere Pille schlucken.
( K. Z. )
Stuttgart, 4. Juni. Die Abstimmung von
gestern Nacht hat im Lager der Demokratie eine
große Erbitterung gegen die beiden Abgeordneten
A. Seeger und Zimmermann hervorgebracht, durch
deren Nein die Anklage des Ministers des Aus-
wärtigen Frhrn. v. Wächter=Splitter vor der Ver-
tagung der Landesversammlung nicht mehr be-
schlossen werden konnte, um so mehr, als Alle
überzeugt sein zu dürfen glauben, daß die Ver-
sammlung nicht wieder werde zusammenkommen,
sondern während der Vertagung aufgelöst werden
wird.
Dresden, 2. Juni. Die gestern stattgehabte
Auflösung der Kammern hat hier im Allgemeinen
mehr einen befriedigenden als einen aufregenden
Eindruck hervorgebracht, und schon heute sucht
man fast vergeblich nach einer äußerlichen hervor-
tretenden Wirkung derselben. Ein großer Theil
der Abgeordneten hat bereits gestern Dresden ver-
lassen. Wie wenig die Regierung von der Auf-
lösung der Kammern für Störung der öffentli-
chen Ruhe gefürchtet hat, geht am deutlichsten
daraus hervor, daß sowohl während des Auflö-
sungsaktes selbst, als auch nach demselben, fast
gar keine außergewöhnlichen Sicherheitsmaßregeln
getroffen worden waren. Jm Landhause waren
außer den gewöhnlichen beiden Ehrenposten nur
einige Polizeidiener zu bemerken, die denn auch
mehr als ausreichend gewesen sind, um einige aus
dem Galleriepublikum sich bildende Gruppen er-
folgreich zum Auseinandergehen einzuladen. Die
Verstärkung mehrerer Wachtposten und einige in
der Nacht die Stadt durchziehende Patrouil-
len finden ihre Ursachen mehr in der Na-
tur des Belagerungszustandes als in der Beforg-
niß vor staatsgefährlichen Demonstrationen. Wie
wir vernehmen, wird die Regierung die Gründe,
welche sie zu der Auflösung der Kammern bewo-
gen haben, dem Lande in einer besonderen An-
sprache darlegen.
( v. morg. Nummer. )
Dresden, 3. Juni. Das Justizministerium
macht bekannt, daß nunmehr Todesstrafen, welche
wegen von heute an begangener Verbrechen erkannt
werden, zum Vollzuge kommen, insoweit nicht Se.
Maj. der König in einzelnen Fällen aus besonde-
ren Gründen eine Begnadigung eintreten zu lassen
geruhen wird.
Dresden, 4. Juni. Das Gesammtministe-
rium hat beschlossen, den mittelst Bekanntmachung
vom 8. Mai v. J. über die Residenzstadt Dres-
den und deren Umgebung im Kreise von drei Mei-
len verhangenen Kriegszustand wiederum aufzu-
heben.
Hannover, 31. Mai. Unlängst hat eine Be-
rathung der Minister mit dem Präsidenten und
Vicepräsidenten stattgefunden, der in der Ver-
tagung der Stände Ende Juni für zweckmäßig
erachtet und bestimmt wurde, welche von den Ge-
setzentwürfen noch zuvor erledigt werden sollen.
Unter den Gesetzentwürfen, welche aber einstweilen
zurückgelegt werden sollen, ist auch der über das
Volksschulwesen. Gegen die Vertagung, welche
namentlich von den ländlichen Abgeordneten ge-
wünscht wird, sollen sich Stüve und Ellissen er-
klärt haben.
( Weserz. )
Wien, 31. Mai. Nach einem ministeriellen
Erlasse werden die Herbstferien an der hiesigen
Universität schon am 15. Juni beginnen und bis
zum 15. Okt. dauern, damit die Reformen, welche
das Ministerium in dem höheren Studienplane
vorzunehmen gedenkt, vollendet werden könnten.
Wien, 1. Juni. Auf der Durchreise des
Kaisers durch Klagenfurt hatte sich Arthur Gör-
gey eine Audienz bei Sr. Majestät erbeten, welche
ihm auch gewährt wurde. Derselbe soll, wie von
einem Augenzeuge versichert wird, sehr leidend und
kränklich aussehen.
Wien, 1. Juni. Unter den aus der revolu-
tionären Periode Ungarns herrührenden, neuer-
dings aufgefundenen Schriftstücken befindet sich
ein Briefwechsel Bems mit Kossuth, deren Erste-
rer sich damals, augenblicklicher Sieger, in Her-
mannstadt befand und den Lenker der Schicksale
Ungarns zur Milde gegen die kaum bezwungenen
Sachsen und Romanen zu stimmen suchte. Doch
Kossuth, der trotz, des hellen, beinahe gemüthlichen
Glanzes seiner blauen Augen stets große Vor-
liebe für terroristische Maßregeln nährte, sprach
sich in ziemlich schlechtem Französisch gegen das
System der Nachsicht aus und scheint jedenfalls
den Ausschlag gegeben zu haben: die Hinrichtung
des Pfarrers Roth und eine Reihe ähnlicher,
beauerlichen Maßregeln liefern dafür nur all-
zudeutliche Belege. Daß überhaupt Milde
keine Tugend der revolutionären ungarischen
Regierung war, ist durch eine Menge unwi-
dersprechlicher Thatsachen festgestellt. Nahebei
hundert angeblich wegen Hochverraths gefällte und
in der That vollzogene Urtheile, fast durchweg
auf Todesstrafe lautend, sind bereits nachgewiesen.
Wie wir vernehmen, wird das betreffende Verzei-
chniß als sehr charakteristischer Beitrag zur Ge-
schichte des magyarischen Aufstandes demnächst ver-
öffentlicht werden.
Wien, 2. Juni. Aus Venedig wird be-
richtet: Die Stimmung ist hier ziemlich befriedi-
gend, auffallend war nur, daß gerade an jenem
Tage, wo die Kunde von dem gegen die Person
Sr. Majestät des Königs von Preußen versuchten
Attentate hieher kam, zahlreiche rothe Abzeichen,
als: z. B. Halsbinden, Hutbänder u. dergl. auf-
tauchten.
Berlin, 1. Juni. Die Vorarbeiten des Mi-
nisters von der Heydt für den Kasseler „ Zoll-
kongreß haben im Staatsministerium entschie-
dene Widersacher gefunden; die Herren v. Rabe
und v. Manteuffel, die dem Princip des freicn
Handels zugethan sind, werden ihnen nicht zu-
stimmen, und somit erscheint es zweifelhaft, ob sie
die Billigung des Staatsministeriums überhaupt
finden werden. -- Von Seiten unserer Jndustriel-
len wird die Kündigung des „Handelsvertrages
mit Belgien“ dringend gefordert, und Herr v. d.
Heidt ist geneigt, diesem Verlangen nachzugeben.
Posen, 1. Juni. Die Zeitungen haben bereits
des Aufenthalts des Geh. Raths ( in catholicis )
aus unserm Cultusministerium, Hrn. Aulicke, er-
wähnt; wie wir jetzt berichten können, hat dessen
Anwesenheit wichtige Früchte getragen, indem ein-
mal der Streit wegen der Eidesleistung der ka-
tholischen Geistlichen auf die Verfassung zur völli-
gen Zufriedenheit der Regierung ausgeglichen ist,
so daß schon heute die katholischen Religionslehrer
diesen Eid in Folge einer Anweisung von Seite
des Erzbischofs abgelegt haben; und dann das
seit 1842 vom hiesigen Clerus mit großem Eifer
betriebene Werk der Gründung einer katholisch-
theologischen Fakultät in unserer Stadt, gleich wie
in Münster in Westphalen, und in Braunsberg
( Collegium Hosianum ) in Ostpreußen, nunmehr
zur Ausführung kommen wird. Seit 1842 hat
sich ein Fundationskapital von mehr als 100,000
Thlrn. angesammelt; dazu kommen die Fonds des
hiesigen, jetzt aufhörenden Priesterseminars, so daß
es an Geldmitteln nicht gebricht. Es werden acht
Lehrstühle eingerichtet werden: 5 für katholifche
Theologie, 1 für Philosophie, 1 für classische
Philologie und 1 für Geschichte. Ob die Anstalt
einen ausschließlich polnischen Charakter erhalten
werde, haben wir bisher nicht in Erfahrung brin-
gen können; doch ist so viel gewiß, daß dem Erz-
bischof das Recht, die Fakultätslehrer zu berufen,
eingeräumt worden ist.
( F. O.=P.=Z. ) Frankreich.
C Paris, 2. Juni. Die Stellung des Ge-
rals Changarnier zum Präsidenten der Republik
ist seit einem Jahre der Gegenstand der wider-
sprechendsten Beurtheilungen. Nach dem 29. Jan.
1849 glaubte man, daß Changarnier Herrn L.
Bonaparte zur Erlangung des Kaiserthrons be-
hülflich sein werde. Am 13. Juni desselben Jah-
res „rettete Changarnier die Gesellschaft“, indem
er einen Putsch vereitelte und vor Allem die Na-
tionalversammlung von einigen unbequemen Mon-
tagnarde, worunter namentlich Ledru=Rollin, be-
freite. Dafür wurde ihm nun so viel Weihrauch
gestreut, daß er sich selbstständig fühlte. Man
überreichte ihm einen Ehrendegen, das Journal
Le Pays war sogar taktvoll genug, eine Sub-
seription für eine Geldbelohnung zu eröffnen, die
nur durch Changarnier's Erklärung, er brauche
kein Geld, vereitelt wurde. Nach dem 13. Juni
war also die Stellung Changarnier's zum Präsi-
denten völlig verändert. Die Majorität der Na-
tionalversammlung erblickte in ihm ein heilsames
Gegengewicht gegen eine etwaige Erinnerung an
den 18. Brumaire. Mit diesem Zeitpunkte ge-
nießt Changarnier eine Verehrung von der Ma-
jorität, die man wohl im Elysee etwas übertrie-
ben finden dürfte. Gerüchte sprechen unaufhörlich
von Eifersüchteleien zwischen dem Manne in den
Tuilerin und dem Manne im Elysee. Der Na-
tional scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu ha-
ben, hier einen Bruch herbei zu führen. Bald
hetzt er den General, bald den Präsidenten. Vor
Kurzem reitzte er die Bonapartisten durch seine
Erzählung, daß Changarnier für den Fall einer
Jnsurrektion allen Generalen der Pariser Armee
befohlen habe, nur von ihm Befehle anzunehmen.
Der Moniteur enthält vorgestern eine Berichti-
gung, welche nach der Versicherung eines Blattes
aufgenommen wurde, bloß um die Empfindlichkeit
des Kriegsministers zu beruhigen. Jn derselben
heißt es: „die Details über einen Zwist Chan-
garniers und d'Hautpauls seien ungenau berichtet
worden,“ und hinzugefügt, „der Präsident der Re-
publik ertheile Befehle dem Kriegsminister, dieser
aber dem General Changarnier. Heute hetzt nun
der National den General Changarnier durch ei-
nen Artikel unter der Ueberschrift: „Die dem
General Changarnier zugefügte grobe Beleidi-
gung.“ Es wird von einer Scene im Elysee ge-
sprochen, welche gewiß übertrieben dargestellt, doch
wohl nicht ganz ohne Begründung ist. Changar-
nier soll nämlich im Elysee ex abrupto den
Befehl erhalten haben, sein Commando niederzu-
legen. Die Art und Weise, wie dieser Befehl
zurückgenommen wurde, möge aber der National
selbst erzählen: „Bloß durch Vorstellungen, Bit-
ten und Betheuerungen seiner Ergebenheit brachte
es Changarnier dahin, den Präsidenten der Repu-
blik zu erweichen. Changarnier führte eine Wi-
derholung seiner berüchtigten Scene mit Marschall
Bugeaud auf. Jn Paris war er aber glücklicher
als in Afrika. Er bemühte sich so sehr zu er-
weichen, daß er einen Bruch vermied. Die Lec-
tion, welche ihm gegeben wurde, war ehrenvoll
für Hrn. Bonaparte. Schweige der Moniteur etwa
deßhalb darüber? Hr. Bonaparte wird von seinen
Ministern so wohl bedient, daß wir versucht sind,
es zu glauben.“ Dieser Artikel, dem bekannten
Obersten Charrao zugeschrieben, erregt Aufsehen.
Man ist begierig, ob er widerlegt wird.
C Paris, 4. Juni. Gesetzgebende Versamm-
lung: Den Vorsitz führt Dupin. Mit 439 ge-
gen 102 Stimmen wird ohne Debatte dem Bud-
get der Ehrenlegion für 1848 ein Supplementar-
Kredit von 16,584 Fr. für unvorhergesehene Aus-
gaben bewilligt. -- Jm Conferenzsaale der Na-
tionalversammlung erfuhr man heute, daß viel-
leicht noch in der laufenden Sitzung, längstens
aber morgen ein Gesetzes = Entwurf eingebracht
werden wird, den Gehalt des Präsidenten auf
drei Millionen zu erhöhen. -- Der Pariser Schnei-
dermeister Fabieu hat den bei ihm bestellten Krö-
nungsmantel des Kaisers Sonlanque nach Hayti
expedirt. Der Mantel ist von Sammt, mit Gold
und Edelsteinen verziert und kostet 50,000 Fr.